Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.11.2011, Az. 1 StR 459/11

1. Strafsenat | REWIS RS 2011, 994

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Steuerhinterziehung: Berichtigung des auf Grund unberechtigten Steuerausweises geschuldeten Umsatzsteuerbetrages; Strafzumessung bei Serientaten


Tenor

1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 12. Mai 2011 werden als unbegründet verworfen.

2. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten [X.]und [X.]wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen, versuchter Steuerhinterziehung in 14 Fällen und [X.] schuldig gesprochen und deswegen den Angeklagten [X.]zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren sowie den Angeklagten [X.]zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Den Angeklagten M.    hat es wegen Steuerhinterziehung in 28 tatmehrheitlichen Fällen, versuchter Steuerhinterziehung in 14 Fällen und Bankrotts in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt.

2

Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben im Ergebnis keinen Erfolg.

3

Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des [X.] in seinen [X.] vom 4. Oktober 2011 bemerkt der Senat lediglich:

4

1. Die Revisionen der Angeklagten [X.]und M.    machen geltend, das [X.] habe bei der Bestimmung des Schuldumfanges der Straftaten der Umsatzsteuerhinterziehung die „möglichen und notwendigen Rechnungsberichtigungen“ der Scheinrechnungen nicht berücksichtigt. Dieses Vorbringen hat schon deshalb keinen Erfolg, weil bei aufgrund unberechtigten Steuerausweises geschuldeter Steuer nach § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG eine Berichtigung des Steuerbetrages nur möglich gewesen wäre, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden wäre. Dies hätte jedoch gemäß § 14c Abs. 2 Satz 4 UStG vorausgesetzt, dass entweder der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen beim Rechnungsempfänger nicht durchgeführt oder aber die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden wäre. Beides lässt sich den landgerichtlichen Feststellungen nicht entnehmen; auf entsprechende Feststellungen gerichtete Verfahrensrügen wurden nicht erhoben.

5

2. Das [X.] hat in 13 Fällen vollendeter gemeinschaftlicher Umsatzsteuerhinterziehung durch unberechtigten Vorsteuerabzug aus Scheinrechnungen im Rahmen der konkreten Strafzumessung rechtsfehlerhaft strafschärfend gewertet, dass zwei Regelbeispiele verwirklicht sind.

6

a) Zutreffend hat das [X.] in diesen Fällen den erhöhten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 [X.] zugrunde gelegt, denn die Feststellungen des [X.]s belegen, dass die Angeklagten als Mitglieder einer Bande im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 [X.] gehandelt haben.

7

b) In zehn Fällen wird allerdings die strafschärfend berücksichtigte Verwirklichung des Regelbeispiels des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] von den Feststellungen des [X.]s von vorneherein nicht getragen. Denn bei den vom [X.] in diesen Fällen festgestellten Verkürzungsbeträgen unter 50.000 Euro liegt nach der Rechtsprechung des Senats das Merkmal „in großem Ausmaß“ im Sinne dieses Regelbeispiels nicht vor (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR 81/11, [X.], 396; Beschluss vom 5. Mai 2011 - 1 [X.], NJW 2011, 2450; Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 [X.], [X.]St 53, 71).

8

c) Auch die Feststellungen des [X.]s, nach denen die Angeklagten in drei weiteren Fällen „Schadenssummen“ zwischen 50.000 und 100.000 Euro herbeigeführt haben, belegen nicht die Verwirklichung des weiteren Regelbeispiels des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR 81/11, [X.], 396; Beschluss vom 5. Mai 2011 - 1 [X.], NJW 2011, 2450; Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 [X.], [X.]St 53, 71).

9

d) Die [X.] haben gleichwohl Bestand. Diese erachtet der Senat im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem [X.] angesichts der vom [X.] rechtsfehlerfrei festgestellten weiteren erheblichen Strafschärfungsgesichtspunkte als angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a StPO. Die Anforderungen an die Anwendung der Vorschrift (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Juni 2007 - 2 BvR 1147/05, 2 [X.], [X.]E 118, 212) sind daher gegeben. Die Straftaten der Angeklagten besaßen angesichts ihrer zeitlichen und sachlichen Verschränkung insbesondere Seriencharakter. Deswegen ist vorliegend bereits bei der Zumessung der Einzelstrafen nicht allein der jeweils durch die Einzeltat verursachte Schaden entscheidend, sondern auch die Gesamtserie und der dadurch verursachte Gesamtschaden in den Blick zu nehmen (vgl. [X.], Urteil vom 17. März 2009 - 1 [X.], [X.]R StGB § 46 Begründung 1 mwN).

Nack                                Wahl                                 Hebenstreit

                  Jäger                                [X.]

Meta

1 StR 459/11

29.11.2011

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG München II, 12. Mai 2011, Az: W 5 KLs 68 Js 18248/09

§ 370 Abs 1 AO, § 370 Abs 3 S 2 Nr 1 AO, § 14c Abs 2 S 3 UStG, § 14c Abs 2 S 4 UStG, § 17 Abs 1 UStG, § 46 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.11.2011, Az. 1 StR 459/11 (REWIS RS 2011, 994)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 994

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 459/11 (Bundesgerichtshof)


1 StR 555/19 (Bundesgerichtshof)

Umsatzsteuerhinterziehung im Rahmen einer Scheinlieferbeziehung: Einziehung des Werts von Taterträgen in Höhe nicht angemeldeter Umsätze …


1 StR 209/14 (Bundesgerichtshof)

Steuerhinterziehung: Strafzumessung bei unrechtmäßiger Umsatzsteuervoranmeldung mittels Scheinrechnungen im Gutschriftverfahren


1 StR 208/19 (Bundesgerichtshof)

Umsatzsteuerhinterziehung im Rahmen einer Scheinlieferbeziehung: Einziehung des Werts von Taterträgen in Höhe nicht angemeldeter Umsätze …


1 StR 209/14 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.