Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.11.2011, Az. 10 AZR 549/10

10. Senat | REWIS RS 2011, 1384

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Gegenstand

(Jahressonderzahlung gem. § 20 TVöD - Bemessungsgrundlage)


Tenor

1. Die Sprungrevision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 1. Juli 2010 - 11 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Sprungrevision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der Jahressonderzahlung für 2008.

2

Die Klägerin ist seit 1984 für die Beklagte tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der [X.] Anwendung. Dieser regelt den Anspruch auf eine Jahressonderzuwendung wie folgt:

        

„§ 20 Jahressonderzahlung

        

(1) Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung.

        

(2) Die Jahressonderzahlung beträgt bei Beschäftigten, für die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden,

        

in den [X.]n 1 bis 8

90 v.H.,

        

in den [X.]n 9 bis 12

80 v.H. und

        

in den [X.]n 13 bis 15

60 v.H.

        

des der/dem Beschäftigten in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlten monatlichen Entgelts; unberücksichtigt bleiben hierbei das zusätzlich für Überstunden und Mehrarbeit gezahlte Entgelt (mit Ausnahme der im Dienstplan vorgesehenen Überstunden und Mehrarbeit), Leistungszulagen, Leistungs- und Erfolgsprämien. Der [X.] bestimmt sich nach der [X.] am 1. September. Bei Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis nach dem 30. September begonnen hat, tritt an die Stelle des [X.] der erste volle Kalendermonat des Arbeitsverhältnisses. In den Fällen, in denen im Kalenderjahr der Geburt des Kindes während des [X.] eine elterngeldunschädliche Teilzeitbeschäftigung ausgeübt wird, bemisst sich die Jahressonderzahlung nach dem Beschäftigungsumfang am Tag vor dem Beginn der Elternzeit.

                 
        

Protokollerklärung zu Absatz 2:

        

Bei der Berechnung des durchschnittlich gezahlten monatlichen Entgelts werden die gezahlten Entgelte der drei Monate addiert und durch drei geteilt; dies gilt auch bei einer Änderung des Beschäftigungsumfangs. Ist im Bemessungszeitraum nicht für alle Kalendertage Entgelt gezahlt worden, werden die gezahlten Entgelte der drei Monate addiert, durch die Zahl der Kalendertage mit Entgelt geteilt und sodann mit 30,67 multipliziert. Zeiträume, für die [X.] gezahlt worden ist, bleiben hierbei unberücksichtigt. Besteht während des [X.] an weniger als 30 Kalendertagen Anspruch auf Entgelt, ist der letzte Kalendermonat, in dem für alle Kalendertage Anspruch auf Entgelt bestand, maßgeblich.

        

…“    

3

Die Klägerin war seit dem 22. April 2002 in die Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 1a Teil I der Anlage 1a zum [X.] eingruppiert und erhielt nach Überleitung in den [X.] gem. Anlage 2 zum [X.] ein Vergleichsentgelt aus der [X.] 9. Mit Änderungstarifvertrag vom 31. März 2008 wurde der [X.] nach § 8 [X.] neu geregelt. Am 23. Februar 2009 erließ das [X.] Hinweise für die Umsetzung dieses Tarifvertrags, die am 2. März 2009 durch Erlass des [X.] der Klägerin umgesetzt wurden. Mit Schreiben vom 20. Mai 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie erfülle mit Wirkung ab 22. April 2008 die tariflichen Voraussetzungen für den [X.] in die Vergütungsgruppe [X.] 2 Teil I der Anlage 1a zum [X.], und setzte das sich gem. § 8 Abs. 2 und 3 [X.] ergebende Vergleichsentgelt ab diesem Tag neu fest. Die Beklagte zahlte die monatlichen Differenzbeträge nach, eine Neuberechnung der Jahressonderzahlung 2008 erfolgte nicht.

4

Mit der Klage begehrt die Klägerin Zahlung des [X.] zwischen der gezahlten und der sich auf Grundlage des höheren Vergleichsentgelts ergebenden Jahressonderzahlung. Die Sonderzahlung sei nach der tariflich zustehenden und nicht der unmittelbar in den Referenzmonaten gezahlten Vergütung zu berechnen.

5

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 220,49 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2008 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Maßgeblich für die Bemessung der Jahressonderzahlung sei das tatsächlich in den Referenzmonaten Juli, August und September 2008 gezahlte Entgelt.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der vom Arbeitsgericht zugelassenen Sprungrevision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

8

I. Die nach § 76 Abs. 1 ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Sprungrevision der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin hat aus § 20 Abs. 2 Satz 1 [X.] Anspruch auf den geltend gemachten Differenzbetrag zur geleisteten Jahressonderzahlung für das Jahr 2008. Grundlage der Berechnung der Jahressonderzuwendung ist das „für“ die Referenzmonate durchschnittlich gezahlte monatliche Entgelt und nicht das unmittelbar „in“ den Referenzmonaten gezahlte Entgelt. „Für“ die Referenzmonate geleistete Nachzahlungen sind bei der Bemessung der Jahressonderzahlung zu berücksichtigen. Dies ergibt die Auslegung der Norm.

9

1. Der Wortlaut, von dem bei der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., vgl. zB [X.] 23. Februar 2011 - 10 [X.] - Rn. 14, [X.] 2011, 491) führt zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis. § 20 Abs. 2 [X.] stellt ab auf das „in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlte monatliche Entgelt“. Dies deutet darauf hin, dass Bemessungsgrundlage der Jahressonderzahlung tatsächlich geleistete Zahlungen sein sollen. Bei einem engen Verständnis des Wortlauts kann darin auch eine Beschränkung auf den bloßen Zahlvorgang „in“ den Referenzmonaten gesehen werden. [X.] ist aber, dass es auf das „für“ die Referenzmonate tatsächlich gezahlte Entgelt ankommen soll. Bei einem solchen Tarifverständnis fließen für die Referenzmonate geleistete Nachzahlungen in die Berechnung mit ein.

2. Der tarifliche Gesamtzusammenhang ist weitgehend unergiebig, im Zweifel gebührt aber derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., [X.] 19. Januar 2011 - 10 [X.] - Rn. 21). Es ist nicht anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien die Bemessung der Jahressonderzahlung trotz denkbarer Irrtümer bei der Zahlung oder möglicher Verzögerungen bei der Abwicklung der Zahlung ausschließlich an das tatsächlich in den Referenzmonaten zugeflossene Entgelt anknüpfen. Es ist auch nicht sachgerecht, die Höhe der Jahressonderzahlung von der Dauer der Umsetzung einer Tarifänderung abhängig zu machen. Bei einer zeitnahen Umsetzung des [X.] vom 31. März 2008 wäre in den Referenzmonaten bereits das höhere Vergleichsentgelt gezahlt und auf dieser Grundlage die Jahressonderzahlung berechnet worden. Ein Tarifverständnis, nach dem die Berechnung der Jahressonderzahlung trotz identischer Eingruppierung und identischem Anspruch auf Vergleichsentgelt je nach dem Zeitpunkt einer tatsächlichen Zahlung zu einer Ungleichbehandlung führen kann, begegnet im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG auch verfassungsrechtlichen Bedenken (zur verfassungskonformen Auslegung von Tarifverträgen vgl. [X.] 19. Januar 2011 - 10 [X.] - aaO). Wird ein Arbeitnehmer rückwirkend höhergruppiert und wird für die Referenzmonate nachträglich weiteres Entgelt gezahlt, so fließt dieses Entgelt in die Berechnung der Jahressonderzahlung mit ein.

3. Der Anspruch der Klägerin ist der Höhe nach unstreitig. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

II. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    Mikosch    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Großmann    

        

    Auerbach    

                 

Meta

10 AZR 549/10

16.11.2011

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 1. Juli 2010, Az: 11 Ca 3640/10, Urteil

§ 20 Abs 2 TVöD

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.11.2011, Az. 10 AZR 549/10 (REWIS RS 2011, 1384)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1384

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