Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2000, Az. VI ZR 375/98

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 3472

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:18. Januar 2000Holmes,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z: neinBGB § 852a) Der für den Beginn der Verjährung nach § 852 Abs. 1 BGB erforderlichenpositiven Kenntnis des Geschädigten vom Schaden einschließlich [X.] und des Schädigers bedarf es nur dann ausnahmsweisenicht, wenn der Geschädigte es versäumt hat, eine gleichsam auf der Handliegende Erkenntnismöglichkeit wahrzunehmen und deshalb letztlich [X.] auf Unkenntnis als [X.] erscheint, weil jeder andere in derLage des Geschädigten unter denselben konkreten Umständen die Kenntnisgehabt hätte.b) Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, im Interesse des Schädigers an einemmöglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist eigene Initiativen zur Er-langung der Kenntnis über den Schadenshergang und die [X.] zu entfalten.[X.], Urteil vom 18. Januar 2000 - [X.] - [X.] 2 - LG [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 18. Januar 2000 durch den Vorsitzenden [X.] Groß und die [X.]Dr. v. [X.], [X.], [X.] und [X.] erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 6. November 1998 aufge-hoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.Von Rechts [X.]:Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verstopfung eines [X.] auf Schadensersatz in Anspruch.Die Beklagte hatte in der ersten Jahreshälfte 1989 als letztes Glied einerSubunternehmerkette im Rahmen umfangreicher Bauarbeiten zum Ausbau ei-ner [X.] zur Verankerung einer Stützwand gesetzt undhierbei ein fließfähiges Betongemisch verwendet, um die Ankerbohrungen zuverfüllen. Im Dezember 1990 stellte die Klägerin fest, daß ein in der Nähe [X.] im Straßenkörper verlaufender Abwasserkanal streckenweise [X.] zugesetzt war. Wegen ihrer Aufwendungen zur Behebung des [X.] sie mit der am 23. Januar 1995 bei Gericht eingegangenen und am 8. März1995 zugestellten Klage von der [X.] Schadensersatz mit der Behaup-tung verlangt, daß diese für den Schaden verantwortlich [X.] -Während das [X.] der Klage im wesentlichen stattgegeben hat,hat das Berufungsgericht sie auf die Berufung der [X.] abgewiesen. [X.] Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtli-chen Urteils.Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil dem auf § 823Abs. 1 BGB gestützten Schadensersatzanspruch die von der [X.] [X.] entgegenstehe. Die dreijährige Verjährungsfrist des§ 852 Abs. 1 BGB sei bei Klageerhebung abgelaufen gewesen. Die [X.] als Ursache des eingetretenen Schadens sei der Klägerin [X.] Dezember 1990, spätestens bei Freilegung des Kanals im Januar 1991bekannt gewesen. In diesem Zeitpunkt habe sie auch Kenntnis von dem an-geblichen Schädiger erlangen können. Nach der Rechtsprechung sei § 852Abs. 1 BGB nämlich auch dann anzuwenden, wenn der Geschädigte [X.] tatsächlich nicht besessen habe, sie sich jedoch in zumutbarer [X.] beschaffen können. Hierfür hätte es lediglich einer ohne nennenswertenAufwand zu erledigenden Erkundigung bei dem betreffenden Bundesland [X.] mit den Ausbaumaßnahmen befaßten Unternehmen bedurft. Dies sei derKlägerin auch zumutbar gewesen, ohne daß es der Einholung eines Sachver-ständigengutachtens bedurft habe. Im übrigen sei nicht erkennbar, warum dieKlägerin ein solches Gutachten nicht bereits im Januar 1991, sondern [X.] Monate später eingeholt [X.] hinaus habe die Klägerin nicht nachvollziehbar dargetan, [X.] Beklagte die Eigentumsverletzung schuldhaft verursacht habe. Die [X.] eines Anscheinsbeweises lägen nicht vor. Die Be-hauptung, der im Abwasserrohr vorgefundene Beton entspreche in seiner Zu-sammensetzung demjenigen, den die Beklagte verwendet habe, reiche nichtaus, da die Klägerin nicht behaupte, daß dieses Gemisch nicht auch von ande-ren Bauunternehmen verwendet werde. Sie stelle lediglich unter Beweis, daßan der damaligen Baustelle oberhalb der Landesstraße die übrigen [X.] nicht mit dieser Mischung gearbeitet hätten.[X.] Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.1. Zutreffend ist zwar der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts, daßder Klägerin ein auf § 823 Abs. 1 BGB gestützter [X.] kann, weil ihr Eigentum an den Kanalrohren durch die eingetreteneVerstopfung mit Beton verletzt worden ist. Nach der ständigen [X.] setzt eine Eigentumsverletzung keinen Eingriff in die Substanz [X.], so daß offen bleiben kann, ob ein solcher vorliegt. Vielmehr genügt einenicht unerhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen [X.] Sache, von der hier jedenfalls auszugehen ist (vgl. Senatsurteil vom6. Dezember 1994 - VI ZR 229/93 - [X.], 348 m.w.[X.] Zu Unrecht hält jedoch das Berufungsgericht einen etwaigen An-spruch der Klägerin für [X.] 6 -a) Nach § 852 Abs. 1 BGB setzt der Beginn der Verjährung deliktischerSchadensersatzansprüche die positive Kenntnis des Geschädigten vom Scha-den einschließlich des Schadenshergangs und des Schädigers voraus (hierzuSenatsurteil [X.]Z 133, 192, 198 m.w.N.). Dabei reicht im allgemeinen einesolche Kenntnis aus, die dem Geschädigten die Erhebung einer Klage erfolg-versprechend, wenn auch nicht risikolos, erlaubt (Senatsurteil vom 31. [X.] - [X.]/94 - [X.], 551, 552 m.w.N.; [X.], Urteil vom [X.] - [X.], 1149, 1150). Hiervon geht auch das [X.] aus. Unbedenklich ist auch seine Feststellung, die Klägerin habeKenntnis vom Eintritt des Schadens spätestens im Januar 1991 erlangt.b) Durchgreifenden Bedenken begegnet jedoch die Auffassung des Be-rufungsgerichts, die Klägerin habe in diesem Zeitpunkt in zumutbarer Weiseauch die für den Beginn der Verjährung erforderliche Kenntnis vom [X.] können.Das Berufungsgericht will sich hierfür auf die Rechtsprechung des er-kennenden Senats stützen, wonach die Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 [X.] auch dann zu laufen beginnt, wenn der Geschädigte einenden Lauf der Verjährung auslösenden Kenntnisstand nicht positiv besessenhat, es ihm jedoch möglich war, sich die erforderlichen Kenntnisse in zumutba-rer Weise ohne nennenswerte Mühe und ohne besondere Kosten zu beschaf-fen. Hiermit soll, wie das Berufungsgericht im Ansatz auch nicht verkannt hat,entsprechend dem Rechtsgedanken des § 162 BGB dem [X.] bestehende Möglichkeit genommen werden, die [X.] dadurch zu verlängern, daß er die Augen vor einer sich auf-drängenden Kenntnis verschließt. Der erkennende Senat hat indes [X.] Nachdruck darauf hingewiesen, daß selbst eine grob fahrlässige Unkennt-- 7 -nis der vom Gesetz erforderten positiven Kenntnis grundsätzlich nicht gleich-steht; dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn der Geschädigte bzw. sein [X.] Vertreter es versäumt hat, eine gleichsam auf der Hand liegende Er-kenntnismöglichkeit wahrzunehmen und deshalb letztlich das Sichberufen [X.] als [X.] erscheint, weil jeder andere in der Lage des [X.] unter denselben konkreten Umständen die Kenntnis gehabt hätte (vgl.Senatsurteile [X.]Z 133, 192, 198; vom 6. Februar 1990 - [X.]/89 -VersR 1990, 539 und vom 16. Dezember 1997 - [X.] - VersR 1998,378, 380).c) Dies kann für den Streitfall entgegen der Auffassung des Berufungs-gerichts nicht bejaht werden.Es trifft schon vom Ansatz her nicht zu, daß die Klägerin sich die erfor-derlichen Kenntnisse ohne Mühe in zumutbarer Weise habe beschaffen [X.]. Gegenüber der Meinung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe [X.] nennenswerten Aufwand beim Land nach den am Ausbau der Straßebeteiligten Baufirmen erkundigen können, weist die Revision mit Recht daraufhin, daß sich durch eine solche Anfrage nicht mit einer zur Klageerhebung aus-reichenden Sicherheit die Verantwortlichkeit einer bestimmten Baufirma für [X.] ergeben hätte. Da als Schädiger neben der [X.] noch anderebetonverarbeitende Unternehmen in Frage kamen, hätte die Erkundigung [X.] Namen und Anschriften der an den Baumaßnahmen beteiligten Unterneh-men nicht ausgereicht; vielmehr hätte auch ihr zeitlicher und örtlicher Einsatzgeklärt werden müssen, um einen Ansatz für die Prüfung ihrer Verantwortlich-keit zu schaffen. Solange diese Umstände ungeklärt waren und deshalb Zwei-fel hinsichtlich des [X.] bestanden, begann die Verjährungsfristnicht zu laufen, weil es zur Erhebung einer Klage grundsätzlich der [X.] von der Person des [X.] bedarf (Senatsurteil vom16. Dezember 1997 (aaO) sowie [X.], Urteil vom 24. Juni 1999 ([X.] die Klägerin hierzu mithin umfangreiche Erkundigungen einzie-hen, so kann von einem mißbräuchlichen Sichverschließen gegenüber einernaheliegenden Erkenntnismöglichkeit im Sinn der oben dargelegten Recht-sprechung des Senats nicht die Rede sein. Dies ist vielmehr nur dann anzu-nehmen, wenn es sich um eine einfache Anfrage oder ein Telefongesprächhandelt, das der Vervollständigung des Wissens um ein bestimmtes Detail,etwa die Anschrift des Schädigers, dient (Senatsurteil vom 31. Januar 1995(aaO)). Kann nämlich nach dem in [X.]Z 133, 192, 199 abgedruckten Senats-urteil bereits eine Wissenslücke, die nur durch lange und zeitraubende Telefo-nate geschlossen werden kann, nicht der positiven Kenntnis im Sinne von§ 852 Abs. 1 BGB gleichgestellt werden, so muß dies erst recht für den vorlie-genden Fall gelten, in dem es ausführlicher Informationen bedurfte, um den[X.] zu ermitteln.d) Überdies verkennt das Berufungsgericht, soweit es der Klägerin [X.] des § 852 Abs. 1 BGB zur Last legt, nicht schon früher ein Sachver-ständigengutachten eingeholt zu haben, daß es sich auch hierbei nicht um eineeinfache Erkenntnismöglichkeit im oben dargelegten Sinn handelt, weil [X.] eines solchen Gutachtens mit Aufwand und Kosten verbunden ist.Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, daß der Geschädigte nicht verpflichtetist, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn [X.] eigene Initiativen zur Erlangung der Kenntnis über den [X.] und die Person des Schädigers zu entfalten (Senatsurteil vom31. Januar 1995 (aaO); vgl. auch Senatsurteil vom 29. November 1994- VI ZR 189/93 - [X.], 659, 660).- 9 -3. Auch die Begründung, mit der das Berufungsgericht den somit nichtverjährten Anspruch in der Sache zurückgewiesen hat, kann keinen [X.]) Zwar ist es nach Lage des Falles nicht zu beanstanden, daß das Be-rufungsgericht die Beklagte nicht nach den Grundsätzen des Anscheinsbewei-ses für die Verursacherin des Schadens gehalten hat. Dies wird auch von [X.] nicht angegriffen. Mit Erfolg rügt sie jedoch, daß das [X.] Anforderungen an die Beweisführung der Klägerin für die Schadensverur-sachung überspannt und deshalb einen erheblichen Beweisantrag übergangenhat.b) Soweit die Revision beanstandet, daß das Berufungsgericht die [X.] Indizien anders als das [X.] nicht im Sinne der Klägerin ge-würdigt hat, geht sie zutreffend davon aus, daß insoweit das Beweismaß des§ 286 ZPO gilt. Sie rügt jedoch mit Recht, daß auch nach dieser Vorschrift [X.] unerfüllbaren [X.] gestellt werden dürfen. Damit [X.] sich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin hätte darle-gen und unter Beweis stellen müssen, daß das im Abwasserrohr vorgefundeneBetongemisch nicht auch von anderen Bauunternehmern verwendet werde.Hiermit hat das Berufungsgericht die [X.] überspannt undinsbesondere verkannt, daß sich der [X.] in tatsächlich zweifelhaften Fällenmit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewißheit begnü-gen muß, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen([X.]Z 53, 245, 255 f.; [X.], Urteil vom 14. Januar 1993 - [X.] -NJW 1993, 935, 937). Zwar könnte durch einen Vortrag, wie ihn das [X.] für erforderlich hält, eine Verursachung des Schadens durch an-dere Unternehmer mit absoluter Gewißheit ausgeschlossen werden. Einer [X.] -chen bedarf es jedoch nicht, weil bereits das unter Beweis gestellte Vorbringender Klägerin geeignet ist, den erforderlichen Ursachenzusammenhang nach-zuweisen und dem Tatrichter mit einer nach dem Beweismaß des § 286 [X.] Sicherheit die erforderliche Überzeugung von einer Schadens-verursachung durch die Beklagte zu verschaffen. Hierfür ist nämlich nicht [X.] erforderlich, daß jene spezielle Zusammensetzung von anderenBauunternehmern überhaupt nicht benutzt wird. Vielmehr reicht es aus, [X.] einer dem dargelegten Maßstab entsprechenden Gewißheit ausgeschlos-sen werden kann, daß die Verstopfung des Rohres auf andere [X.] zurückgeht. Dem genügt der unter Beweis gestellte Vortrag der Klägerin,daß an der damaligen Baustelle oberhalb der Bahnhofstraße die übrigen Un-ternehmer nicht mit der von der [X.] verwendeten Mischung gearbeitethätten, die im Rohr vorgefunden worden ist. Mithin war dieses Vorbringen derKlägerin erheblich, so daß das Berufungsgericht diesen Beweisantrag nichtunberücksichtigt lassen durfte.[X.] das angefochtene Urteil auf diesem Verfahrensfehler beruhen kann,war es aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverwei-sen.Groß Dr. von [X.]Dr. [X.] Dressler Wellner

Meta

VI ZR 375/98

18.01.2000

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2000, Az. VI ZR 375/98 (REWIS RS 2000, 3472)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 3472

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