Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.03.2010, Az. 26 W (pat) 1/10

26. Senat | REWIS RS 2010, 8593

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Ettore" – keine Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr – erforderliche Kontrolle, dass Anweisungen zur Zahlung von Verlängerungsgebühren an beauftragtes Dienstleistungsunternehmen ordnungsgemäß erfolgen – Organisationsverschulden – Diebstahl von Briefsendungen in Anwaltskanzlei - zurechenbares Verschulden des Anwalts


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung [X.] 016/21 Wz 1 119 898

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 10. März 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie [X.] und Lehner

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Die Wort-/Bildmarke 1 119 898 „[X.]“ wurde am 13. Januar 1987 zur Eintragung in das Markenregister angemeldet. Die Eintragung erfolgte am 25. März 1988. Die Schutzdauer der Marke endete am 31. Januar 2007. Nachdem innerhalb der zuschlagspflichtigen Nachzahlungsfrist (31. Juli 2007) die [X.] nicht einbezahlt wurden, wurde die Marke mit Verfügung vom 15. Oktober 2007 mit Wirkung zum 1. Februar 2007 im Register gelöscht.

2

Die hiergegen von der Markeninhaberin beantragte Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr hat das [X.] in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, es liege keine unverschuldete Fristversäumnis vor. Diese sei auf einen organisatorischen Mangel in der mit der Fristenkontrolle beauftragten Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin zurückzuführen. Es sei nicht ersichtlich und auch nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass durch das Büropersonal der Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin eine zuverlässige und rechtzeitige Kontrolle der an das beauftragte Dienstleistungsunternehmen, die Firma european PATENT ANNUITY SERVICE GmbH (nachfolgend: [X.]) gerichteten Anweisung zur Zahlung von [X.] gewährleistet sei. Insbesondere erfolge keine systematische Ausgangskontrolle von Zahlungsaufträgen mittels Führens eines Postausgangsbuches, eines Fristenkalenders oder einer vergleichbaren Einrichtung. Daher sei auch nicht festgestellt worden, ob [X.] die Zahlungsanweisung erhalten habe. Da dem Vorbringen der Verfahrensbevollmächtigen der Markeninhaberin zufolge am 6. Oktober 2006 mehrere Briefsendungen aus der Anwaltskanzlei durch Diebstahl abhanden gekommen seien, wäre eine Nachfrage bei [X.], ob dieser die Zahlungsanweisung zugegangen sei, veranlasst gewesen. Die Markeninhaberin könne sich auch nicht auf eine interne Anweisung an das Personal ihrer Verfahrensbevollmächtigten berufen, wonach eine Nachfrage bei [X.] zu erfolgen habe, falls vor Fristablauf [X.] den erledigten Zahlungsauftrag noch nicht in Rechnung gestellt habe. Abgesehen von der mangelnden Glaubhaftmachung einer solchen Anweisung sei nicht ersichtlich, auf welche Weise an einen bevorstehenden Fristablauf erinnert und inwieweit eine erforderliche Nachfrage bei [X.] kontrolliert und dokumentiert werde.

3

Gegen die Zurückweisung ihres Wiedereinsetzungsantrags richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Zur Begründung führt sie aus, dem Fristversäumnis liege kein Organisationsmangel in der Fristenüberwachung zugrunde. Mit seiner gegenteiligen Auffassung überspanne das [X.]  und Markenamt die an eine Fristenkontrolle zu stellenden Anforderungen. Mit der Überwachung der Jahres- und [X.] in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin sei eine zwischenzeitlich aus Altersgründen ausgeschiedene Sekretärin, [X.], betraut worden. [X.] habe diese Tätigkeit mehr als zehn Jahre mit höchster Sorgfalt ausgeübt und sei dabei stichprobenartig kontrolliert worden. [X.] habe weisungsgemäß nach Erhalt des Auftragsschreibens der Markeninhaberin vom 25. September 2006, die Verlängerungsgebühr zu zahlen, auf dem Erinnerungsschreiben von [X.] vom 31. Juli 2006 das Feld „bezahlen“ angekreuzt, den Auftrag unterschrieben und das Auftragsschreiben an [X.] auf den [X.] der Kanzlei gelegt, von wo aus es sodann zur Post gebracht und an [X.] zurückgesandt worden sei. Bei dieser, den Anweisungen der Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin entsprechenden Vorgehensweise sei es nicht erforderlich, ein Postausgangsbuch zu führen. Dies gelte umso mehr, als in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin eine Fristenkontrolle vor Fristablauf mit Wiedervorlage und Gegenkontrolle vorgesehen sei. Aus unerklärlichen Gründen sei gleichwohl nicht entdeckt worden, dass [X.] den Auftrag zur Zahlung der [X.] nicht erledigt habe. Ein eventueller Organisationsmangel bei der Fristenkontrolle sei jedenfalls nicht ursächlich für das Fristversäumnis geworden, nachdem das Erinnerungsschreiben an [X.] versandt worden sei.

4

Die Markeninhaberin beantragt,

5

die Beschlüsse des [X.] vom 20. August 2008 und 7. September 2009 aufzuheben und die Markeninhaberin in die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr nebst Verspätungszuschlag wiedereinzusetzen.

6

Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

II

7

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist unbegründet. Die angegriffene Zurückweisung des [X.] der Markeninhaberin durch das [X.] ist nicht zu beanstanden; sie entspricht der Sach- und Rechtslage.

8

Die Markeninhaberin hat die Frist zur Einzahlung der Verlängerungsgebühr versäumt. Diese ist gemäß § 64a [X.] i. V. m. § 3 Abs. 2 Satz 1 PatKostG am 31. Januar 2007 fällig gewesen und hätte ohne die Gefahr eines [X.] noch bis 31. Juli 2007 (mit Verspätungszuschlag) bezahlt werden können (§ 64a [X.] i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 2 PatKostG). Nachdem innerhalb dieser Zahlungsfristen die Verlängerungsgebühr nicht einbezahlt wurde, wurde die verfahrensgegenständliche Marke gemäß § 47 Abs. 6 [X.] gelöscht.

9

[X.] ist statthaft, da die nicht rechtzeitig erfolgte Einzahlung der Verlängerungsgebühr zur Löschung der Marke und damit zu einem Rechtsnachteil führte. Der Antrag wurde innerhalb der zweimonatigen Frist des § 91 Abs. 2 [X.] gestellt, nachdem die Markeninhaberin ihrem Vorbringen zufolge am 14. November 2007 vom [X.] darüber informiert wurde, dass die Verlängerungsgebühr nicht rechtzeitig einbezahlt worden war. Auch die am 31. Januar 2008 abgelaufene Jahresfrist des § 91 Abs. 5 [X.] ist gewahrt.

Der Wiedereinsetzungsantrag ist allerdings nicht begründet. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn der Antragsteller glaubhaft darlegt, dass er ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten, deren Versäumnis nach den gesetzlichen Vorschriften einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Dem Antragsteller ist dabei das Verschulden eines Bevollmächtigten im Sinne von § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zuzurechnen. Bei der Beurteilung des Verschuldens ist als Maßstab die Beachtung der üblichen, im Einzelfall zumutbaren Sorgfalt zugrunde zu legen, wobei die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden dürfen (vgl. [X.], 1710; [X.], Beschluss vom 24. September 2002 - 24 W (pat) 145/02;

Die vom beauftragten Vertreter durchzuführende Fristenkontrolle muss so organisiert sein, dass bei einwandfreier Handhabung durch das Büropersonal eine Frist nicht versäumt wird. Die [X.] muss „wasserdicht“ sein und bei Befolgung der Anweisungen gewährleisten, dass Fristen nicht versäumt werden können (vgl.

Zu dieser Frage ist zunächst auf die ausführlichen und in der Sache zutreffenden Feststellungen des [X.] zu verweisen, denen sich der [X.] vollumfänglich anschließt. Selbst unter Zugrundelegung des [X.] der Markeninhaberin, wonach die Sekretärin, [X.], das Erinnerungsschreiben an [X.] auf den [X.] gelegt habe und dieses sodann zur Post gebracht worden sei, lässt sich das Fristversäumnis nicht auf mangelndes Verschulden in der Organisationsstruktur der Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin zurückführen. Das Fehlen einer schriftlichen Ausgangskontrolle von [X.] hat im Streitfall dazu geführt, dass nicht mehr festgestellt werden konnte, ob das Erinnerungsschreiben zu den Postsendungen gehörte, die Anfang Oktober 2007 aufgrund eines vermeintlichen Diebstahls abhanden gekommen sind. Zudem hätte es zwar grundsätzlich nicht einer Nachfrage bei [X.] bedurft, ob dort das Erinnerungsschreiben eingegangen ist. Da aufgrund des im fraglichen Zeitraum liegenden Diebstahlsereignisses allerdings begründete Zweifel an einer ordnungsgemäßen Postbeförderung bestanden haben, hätten sich die Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin bei [X.] nach dem Erhalt des [X.] erkundigen müssen (vgl. [X.] NJW 1995, 1210;

Bei dieser Sachlage konnte dem Wiedereinsetzungsantrag der Markeninhaberin nicht stattgegeben werden. Sie kann auch nicht damit gehört werden, dass ein Organisationsmangel in der Fristenkontrolle ihrer Verfahrensbevollmächtigten nicht ursächlich für das Fristversäumnis geworden sei. Sämtliche der vorstehend erwähnten Gründe hätten bei Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt das Fristversäumnis verhindert und waren - jeweils für sich genommen - kausal für die versäumte Zahlungsfrist (fehlende Nachfrage bei [X.], ob das Erinnerungsschreiben zugegangen ist; fehlerhafte Ablage des Schreibens des [X.] vom 15. Mai 2007; ungenügende Fristen-„Endkontrolle“). Aus welchen Gründen das Erinnerungsschreiben an [X.] tatsächlich abhanden gekommen ist, ist insoweit ohne Belang.

Der [X.] sah keinen Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Weder war eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 [X.]), noch erfordert die Fortbildung des Rechts, noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 [X.]). Die Entscheidung beruht auf den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Frage einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Würdigung der tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falles.

Meta

26 W (pat) 1/10

10.03.2010

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 85 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.03.2010, Az. 26 W (pat) 1/10 (REWIS RS 2010, 8593)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8593

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