Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.07.2013, Az. NotZ (Brfg) 13/12

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2013, 3927

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
NotZ([X.]) 13/12

Verkündet am:

22. Juli 2013

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
In der verwaltungsrechtlichen Notarsache

wegen vorläufiger Amtsenthebung

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 50 Abs. 1 Nr. 8, [X.].
Eine nicht nur vereinzelt nachlässige Handhabung steuerlicher Verpflichtun-gen stellt eine für einen Notar nicht hinnehmbare Art der Wirtschaftsführung dar, die die Amtsenthebung gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 8, 2. Alt. [X.] rechtfer-tigen kann.
[X.], Urteil vom 22. Juli 2013 -
NotZ([X.]) 13/12 -
[X.]
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Der [X.] für Notarsachen des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 22. Juli 2013
durch den Vorsitzenden [X.],
die Richter
Dr. [X.] und [X.], die Notarin Dr. Doyé und den Notar
Müller-Eising

für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Beklagten wird das den Parteien an [X.] statt am 17. und 18. Oktober 2012 zugestellte Urteil des Notarsenats des [X.]s Celle
abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand:

Der 1956 geborene Kläger wurde 1985 als Rechtsanwalt zugelassen und 1991 zum Notar mit Amtssitz in H.

bestellt.

Seit dem [X.] erhoben Gläubiger des [X.] in einer Vielzahl von Fällen wegen offener Forderungen Klagen und mussten Zwangsvollstreckungs-maßnahmen ergreifen.
Insbesondere kam es seit Ende 2010 zur Anordnung 1
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mehrerer Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen fünfstelliger Forderungen des [X.] und des [X.]. Wegen der Einzel-heiten wird auf die Aufstellung auf Seiten 8 bis 11 des angefochtenen Urteils verwiesen.
Daraufhin enthob der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 10.
August 2011 vorläufig seines Amts
als Notar, weil dringende Gründe dafür sprächen, dass er in Vermögensverfall geraten sei beziehungsweise seine wirt-schaftlichen Verhältnisse und/oder die Art seiner Wirtschaftsführung die Inte-ressen der Rechtssuchenden gefährdeten. Der Kläger habe in kurzer [X.] Ver-,
und Gläubiger seien [X.] gewesen, die Zwangsvollstreckung einzuleiten.

Gegen diesen Bescheid
hat der Kläger Anfechtungsklage erhoben, mit der er geltend gemacht hat, die Rückstände bei dem Rechtsanwaltsversor-gungswerk weitgehend beglichen zu haben. Die Steuerforderungen resultierten
vor allem
aus einem außerordentlichen Gewinn seiner Ehefrau im Jahr 2007. Mit dem Finanzamt sei eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen worden, de-ren Bedingungen er eingehalten habe.

Wenige Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am 23.
Juli 2012 hat der Kläger die seinerzeit noch offenen Forderungen vollständig ausgeglichen.

Das [X.] hat den angegriffenen Bescheid aufgehoben. Die Voraussetzungen der vom Beklagten angeführten Amtsenthebungsgründe ge-mäß § 54 Abs. 1, § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 [X.] lägen nicht mehr vor. Zwar sei das
Zahlungsverhalten des [X.] in der Vergangenheit unter dem Gesichts-punkt des § 50 Abs. 1 Nr. 8, 2. Alt. [X.]
bedenklich gewesen. Auf der ande-ren Seite sei festzustellen, dass sich die bis 2009 eingetretenen neun Fälle von 3
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Zahlungsrückständen über einen [X.]raum von zehn Jahren erstreckt hätten
und nur einen minimalen Bruchteil der geschäftlichen Aktivitäten des [X.] ausgemacht haben dürften. Überdies habe es sich in der Regel um geringfügi-ge Beträge gehandelt, deren rasche Befriedigung nach Klageerhebung nicht unbedingt den Schluss auf ungesicherte wirtschaftliche Verhältnisse erlaube. Die drei letzten Fälle im [X.] seien während des Wechsels des [X.] von einer [X.] in eine Sozietät und damit in der organisatorischen Um-stellungsphase eingetreten. Auch gesundheitliche Beeinträchtigungen hätten eine Rolle gespielt.

Hinsichtlich der Forderungen des [X.] sei zu berücksichtigen, dass der Kläger gegenüber der Beitragsforderung für das Jahr 2010 Einwendungen erhoben habe, die zwar letztlich erfolglos geblieben seien, jedoch ein nachvollziehbarer Grund
dafür gewesen seien, die Zahlungen [X.]. Soweit die Beträge für 2008 und 2009 betroffen seien, komme wieder der Gesichtspunkt zum Tragen, dass sich der Kläger in einer Phase der beruflichen Umorganisation befunden habe.

In Bezug auf die
Steuerrückstände sei zu berücksichtigen, dass diese durch den wirtschaftlichen Erfolg der Ehefrau des [X.] im Jahr 2007 aufge-laufen seien. Die Pflicht zur Bildung von Rücklagen für die
daraus resultierende Steuerschuld habe seine
Ehefrau und nicht ihn getroffen.

Nach der zwischenzeitlichen Befriedigung sämtlicher Rückstände lasse auch die derzeitige Einkommenssituation des [X.] zukünftige [X.] nicht mehr befürchten. Sein Gewinn sei im Jahr 2011 um 89 % gestiegen. Dabei werde nicht verkannt, dass dieser Gewinnzuwachs im Wesentlichen durch eine Änderung des Verteilerschlüssels der Sozietät mit sei-6
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ner Ehefrau und damit zulasten von deren Einkünften erfolgt sei, die sich in [X.] vergleichbaren Größenordnung reduziert hätten. Es sei jedoch eine isolierte Betrachtung anzustellen.

Die vorläufige Amtsenthebung sei danach zum [X.]punkt ihrer Anord-nung zwar ohne weiteres gerechtfertigt gewesen. Zum [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung habe jedoch hierfür keine Veranlassung mehr bestan-den.
[X.] wirtschaftliche Verhältnisse (§ 50 Abs. 1 Nr. 8, [X.].
[X.]) seien ebenso wenig festzustellen wie Vermögensverfall (§ 50 Abs. 1 Nr. 6 [X.]).

Gegen diese Beurteilung wendet sich der Beklagte mit seiner vom [X.] zugelassenen Berufung.

Nach einer vom [X.] eingeholten Auskunft des Finanzamts H.

4vom 18. Juli 2013 gab es
an diesem Tag keine Steuerrückstände des [X.] mehr. Die im Zusammenhang mit der inzwischen am 25. April 2013 verfügten endgültigen Amtsenthebung angestellten Ermittlungen des Beklagten hatten jedoch ergeben, dass folgende Steuerrückstände des [X.] bestanden:

10. Dezember 2012:

10. Januar 2013:

10. Februar 2013:

10. März 2013:

10. April 2013:

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Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Der [X.] hat einen Antrag des [X.], die aufschiebende Wirkung s[X.] Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten vom 10. August 2011 anzuordnen, mit Beschluss vom 2. Januar 2013 zurückgewiesen. Zur [X.] hat der [X.] wie folgt ausgeführt:

"Nach den Feststellungen des [X.]s in dem angefochtenen Urteil haben Gläubiger des [X.] seit dem [X.] in einer Vielzahl
von Fällen wegen offener Forderungen Klagen erheben und Zwangsvollstreckungs-maßnahmen ergreifen müssen. Insbesondere ist es seit Ende 2010 zur Anord-nung mehrerer Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen fünfstelliger Forde-rungen des [X.] und des [X.] gekommen. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 12.
November 2012 hat der Kläger seine Schulden erst wenige Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am 23.
Juli 2012 vollständig ausgeglichen.

Aus diesen Umständen ergeben sich die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung gemäß §
50 Abs.
1 Nr.
8 [X.], so dass der Beklagte nach §
54 Abs.
1 Nr.
2 [X.] zur vorläufigen Amtsenthebung des [X.] als Notar befugt war. Neben der Zerrüttung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines No-tars, die regelmäßig anzunehmen ist, wenn gegen ihn Zahlungsansprüche in erheblicher Größenordnung bestehen oder gerichtlich geltend gemacht werden,

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Pfändungs-
und Überweisungsbeschlüsse gegen ihn erlassen, fruchtlose Pfän-dungsversuche unternommen, Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Ver-sicherung gemäß §
807 ZPO eingeleitet oder Haftbefehle zur Erzwingung die-ser Versicherung gegen ihn erlassen worden sind, ist bereits eine Wirtschafts-führung des Notars, die Gläubiger dazu zwingt, wegen berechtigter Forderun-gen Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, als solche nicht hinnehmbar. Ohne [X.] ist dabei, aus welchen Gründen diese Maßnahmen erforderlich werden. Dies gilt selbst dann, wenn sie nicht auf schlechte wirtschaftliche Verhältnisse, Vermögenslosigkeit oder Überschuldung des Notars zurückzuführen sind. [X.] ist ferner, ob den Notar ein Verschulden an der Situation trifft, die ihn zu seiner Art der Wirtschaftsführung veranlasst
(st.
Rspr. z.B. [X.], Beschluss vom 26.
Oktober 2009 -
NotZ 14/08, juris Rn.
11 mwN).

Entgegen der Ansicht des [X.]s ergibt sich aus der [X.], dass der Kläger -
soweit ersichtlich
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die offenen Forderungen kurz vor der mündlichen Verhandlung vollständig beglichen hat, noch nicht, dass die Art s[X.] Wirtschaftsführung mittlerweile mit der notwendigen Aussicht auf [X.] geordnet ist. Die Annahme, die Gläubiger hätten sich nur während einer vorübergehenden, inzwischen überwundenen Phase der beruflichen Tätigkeit des [X.] veranlasst gesehen, ihre Ansprüche im Zwangswege zu befriedi-gen, verbietet sich. Zum einen hat es der Kläger über einen zwölfjährigen [X.]-raum immer wieder dazu kommen lassen, dass wegen berechtigter Ansprüche Klagen erhoben und Zwangsvollstreckungen eingeleitet werden mussten. Dies deutet darauf hin, dass der Kläger dauerhaft nicht willens oder -
sei es aus Nachlässigkeit, sei es aus wirtschaftlichen Gründen
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nicht in der Lage ist, fälli-

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ge Forderungen mit der für einen Notar erforderlichen Zuverlässigkeit zu [X.]. Zum anderen rechtfertigt die vom [X.] angeführte [X.] seiner beruflich erzielten Gewinne nicht die Prognose, künftige [X.] seien nicht zu befürchten. Der Beklagte hat -
vom Kläger nicht bestritten
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vorgetragen, die Verbesserung der Einnahmesituation beruhe allein darauf, dass die ebenfalls als Rechtsanwältin tätige Ehefrau des [X.] den mit ihm bestehenden Sozietätsvertrag zu dessen Gunsten geändert hat. Der Kläger erwirtschaftete also die gestiegenen Gewinne nicht selbst. Eine sol-che -
während des Amtsenthebungsverfahrens eingerichtete
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"Quersubvention"
des [X.] durch dessen Ehefrau begründet nicht die notwendige Aussicht einer stabilen Konsolidierung seiner Einkommenssituation."

An dieser Beurteilung
hat sich im Ergebnis auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes des [X.] vom 27. Juni 2013 (Eingang beim [X.] am 16. Juli 2013) und der Erörterungen in der mündlichen Verhand-lung
des [X.]s nichts geändert. Zwar kann im Hinblick auf die Ausführungen des [X.] in jenem Schriftsatz nicht mehr davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Änderung des
Gewinnverteilungsschlüssels im Sozietätsvertrag
zulasten seiner Ehefrau und
zu seinen Gunsten um eine bloße "Quersubventio-nierung"
handelt, die eine Konsolidierung seiner finanziellen Situation
nicht er-warten lässt. Weiterhin rechtfertigen
die vom Kläger vorgelegten und im [X.]s-termin erörterten Umsatzzahlen sowie die danach erzielten Gewinne nicht den Schluss, dass seine wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 50 Abs. 1 Nr. 8, [X.]. [X.]) ungeordnet sind und die Entstehung weiterer Schulden unausweichlich ist. Gleichwohl sind die Interessen der Rechtsuchenden aufgrund der Art der

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Wirtschaftsführung des [X.] gefährdet (§ 50 Abs. 1 Nr. 8, 2. Alt. [X.]). Eine nicht nur vereinzelt nachlässige Handhabung steuerlicher Verpflichtungen stellt eine für einen Notar nicht hinnehmbare Art der Wirtschaftsführung dar, die erhebliche Zweifel
an seiner wirtschaftlichen Zuverlässigkeit begründet. Die vom [X.] dem Kläger insoweit attestierte günstige Prognose hat sich inzwischen als unzutreffend herausgestellt, wie das Entstehen neuerlicher Steuerrückstände in beträchtlicher Höhe zu
den Stichtagen 10. Dezember 2012, 10. Januar 2013, 10. März 2013 und 10. April 2013 belegt. Hiernach hat der Kläger auch in jüngster [X.] wiederum
über längere [X.]räume fällige
Steuerforderungen nicht beglichen. Soweit er
in der mündlichen Verhandlung des [X.]s möglicherweise hat geltend machen wollen, die von der Finanzver-waltung als Steuerrückstände mitgeteilten Summen seien zum Teil [X.] gewesen, ist dies unbeachtlich. Auch bei [X.] handelt es sich um fällige Verpflichtungen, mit denen der Schuldner in [X.] geraten kann.

Auch unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Rechte des [X.] muss es deshalb im Hinblick auf das Gewicht der hiernach gefährdeten Interessen der Rechtsuchenden bei seiner vorläufigen Amtsenthebung sein Bewenden haben. Ob der Bescheid über seine endgültige Amtsenthebung vom 25. April 2013 mit Erfolg wird angefochten werden können, wird auch davon abhängen, ob der Kläger seine wirtschaftlichen Verpflichtungen nachhaltig und mit peinlicher Zuverlässigkeit erfüllt.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 111b Abs. 1 [X.]. Der Festsetzung des Streitwerts hat der [X.] wegen des vor-läufigen Charakters der angefochtenen Amtsenthebung die Hälfte
des in § 111g Abs. 2 Satz 1 [X.] bestimmten
Regelbetrags zugrunde gelegt.

Galke
[X.]

Herrmann

Doyé

Müller-Eising
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 18.10.2012 -
Not 18/11 -

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Meta

NotZ (Brfg) 13/12

22.07.2013

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.07.2013, Az. NotZ (Brfg) 13/12 (REWIS RS 2013, 3927)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3927

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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