Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2012, Az. IV ZR 142/11

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9996

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



BUNDESGERIC[X.]TS[X.]OF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 142/11

Verkündet am:

18. Januar 2012

[X.]einekamp

[X.]

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.], [X.], die Richterin [X.],
[X.] und die Richterin Dr.
Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom
18. Januar 2012

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 16.
Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 23.
Juni 2011 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 8.
Oktober 2010 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Invaliditätsleistung aus einem
Unfallversicherungsvertrag
in Anspruch. Versicherte Person ist der [X.] [X.].

.
Am 9.
April 2006 hielt er sich in [X.] auf. Dort sägte er sich an einer Tischkreissäge den rechten Daumen ab. Zwischen den [X.] ist streitig, ob es sich um einen Unfall oder eine freiwillige Selbst-verstümmelung handelt. Die Beklagte lehnte Leistungen mit Schreiben vom 7.
September
2006 gegenüber der Klägerin ab.
Am 19.
Oktober 1
-
3
-

2006 trat die Klägerin ihre Ansprüche aus der Unfallversicherung an das Dienstleistungszentrum [X.]

ab (Arbeitsgemeinschaft Stadt [X.]

und Agentur für Arbeit) zur Sicherung der diesem zustehenden Rückzahlungsansprüche im [X.]inblick auf die als Beihilfe gewährte Sozial-leistung. Mit Schreiben vom 7. November 2006 unterrichtete das [X.] die Beklagte von der Darlehensgewährung an die Klä-gerin sowie der
Abtretung und bat darum, dies im Falle der Auszahlung zu beachten.

Mit am 12.
März 2007 beim [X.] eingegangenem
Schrift-satz stellte
die Klägerin Antrag auf Prozesskostenhilfe
und reichte
einen unterschriebenen [X.] ein, mit dem sie den
Antrag ankündigte, die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in [X.]öhe von 100.000

nebst Zinsen zu zahlen. Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe am 11.
April 2007 stellte
das [X.] mit Verfügung vom selben Tag den Prozesskostenhilfe-Beschluss sowie eine Abschrift des [X.]es der Beklagten zu. Am 18.
Juni 2007 wurde
der Beklagten erneut eine beglaubigte Abschrift des [X.]s zugestellt. In der mündlichen Verhandlung vom 16.
Januar 2008 stellte
die Klägerin den Klageantrag dahin um, dass Zahlung an das Dienstleistungszentrum [X.]

, hilfsweise an sie selbst beantragt wird.
Im [X.]inblick auf das laufende Ge-richtsverfahren erklärte
das Dienstleistungszentrum gegenüber der [X.] am 11. März 2011, Leistungen seien in [X.]öhe der gegenüber der Klägerin bestehenden Ansprüche an es zu erbringen.

Das [X.] hat die Klage nach Vernehmung von Zeugen so-wie Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Das Be-rufungsgericht hat ihr ohne Wiederholung der Beweisaufnahme stattge-geben.
2
3
-
4
-

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

[X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte sei der Kläge-rin aus dem Unfallversicherungsvertrag zur Leistung verpflichtet.
Das Abtrennen des rechten Daumens des Zeugen [X.].

durch die Kreis-säge stelle einen Unfall dar. Entgegen der Ansicht des [X.]s ha-be die Beklagte nicht den ihr obliegenden Beweis, dass der Verlust des rechten Daumens des Zeugen [X.].

auf einer freiwilligen Gesund-heitsbeschädigung beruht habe, geführt (§
180a [X.]). Die Indizien seien weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit geeignet, den Schluss auf eine Selbstverstümmelung zu erlauben.

Die Klägerin könne den Anspruch aus der Unfallversicherung in gewillkürter Prozessstandschaft, wie zuletzt beantragt, für das [X.] [X.]

geltend machen. Zwar sei dieses durch die Abtretung [X.] geworden. Es habe jedoch, wie sich aus seinem Schreiben vom 11.
März 2011 an die Beklagte ergebe, die Rechtsverfolgung
durch die Klägerin mit der Maßgabe gebilligt, dass die Zahlung dorthin erfolge. Die Klagefrist des §
12 Abs.
3 [X.] sei gleichfalls nicht abgelaufen. Insoweit hat das Berufungsgericht auf die Ausführungen des [X.]s Bezug genommen, welches
ausgeführt
hat, die Frist sei durch die Einreichung des Antrags auf Prozesskosten-hilfe vom 11.
März 2007 gewahrt worden. Die Klage sei nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe "demnächst" i.S. des §
167 ZPO zugestellt [X.], weil das Gericht den bereits durch einen Rechtsanwalt unterzeich-4
5
6
-
5
-

neten [X.] als Klage gewertet und der Beklagten sodann förm-lich zugestellt habe.

I[X.] Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Es kann offen bleiben, ob die Beklagte auf der Grundlage der vorliegenden Indizien sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme den Beweis dafür geführt hat, dass der Zeuge [X.].

sich den rechten Daumen mit der Kreissäge freiwillig abgeschnitten hat (§
180a Abs.
1 [X.] = §
178 Abs.
2 Satz
2 [X.] n.F.). Namentlich muss nicht ent-schieden werden, ob das Berufungsgericht, welches zu einem anderen Ergebnis als das [X.] gekommen ist, verpflichtet war, die erstin-stanzlich vernommenen Zeugen erneut zu hören (hierzu Senatsurteil vom 10.
November 2010
IV ZR 122/09, [X.], 369 Rn.
6).

2. Die Beklagte ist bereits deshalb von der Verpflichtung zur Leis-tung frei, weil die Klägerin den Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht hat (§
12 Abs.
3 Satz
1 [X.]). Zutreffend ist das [X.], dem das Berufungsgericht ge-folgt ist, zwar davon ausgegangen, dass zur Wahrung der Klagefrist eine vom Gericht nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe veranlasste Zustel-lung eines vollständig ausformulierten und bereits unterschriebenen [X.] mit der Bezeichnung der Parteien als Klägerin und Beklagte ausreichend gewesen ist.

a) Gleichwohl ist die Klagefrist des §
12 Abs.
3 Satz
1 [X.] versäumt. Die Klägerin hat in dem Antrag auf Bewilligung von [X.] sowie der zunächst zugestellten Klageschrift Zahlung der 7
8
9
10
-
6
-

Versicherungssumme von 100.000

Zeitpunkt war sie nicht mehr Inhaberin der Forderung, da sie diese am 19.
Oktober 2006 an das Dienstleistungszentrum [X.]

abgetreten hatte. Die Abtretung war wirksam. Nach Ziff.
12.3 [X.] können Ver-sicherungsansprüche zwar ohne Zustimmung des Versicherers vor Fäl-ligkeit nicht übertragen oder verpfändet werden. Fälligkeit trat jedoch spätestens mit der Leistungsablehnung durch die Beklagte gemäß Schreiben vom 7.
September 2006 ein. Die Abtretung erfolgte erst da-nach. Da die Klägerin im Zeitpunkt der
Ablehnung noch Inhaberin des Anspruchs war und diesen erhoben hatte, hatte die Leistungsablehnung des Versicherers ihr gegenüber zu erfolgen (vgl. Senatsurteil vom 1.
Oktober 1986
[X.], [X.], 39 unter 4).

Infolge dieser Abtretung fehlte der Klägerin im Zeitpunkt der [X.] die Befugnis, Leistung an sich selbst zu verlangen. Sie hat zunächst nicht ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend gemacht, sondern eine eigene Forderung. Die Klage ist
erst in der mündlichen Verhandlung vom 16.
Januar 2008 dahin umgestellt
worden, dass in [X.] Linie Zahlung an das Dienstleistungszentrum und nur hilfsweise an die Klägerin selbst beantragt wird.
Die Ermächtigungserklärung des Dienstleistungszentrums für die gewillkürte Prozessstandschaft hat das Berufungsgericht erst dem
Schreiben vom 11.
März 2011 entnommen. Sie kann

entgegen der Auffassung der Klägerin

nicht bereits konklu-dent im Schreiben des Dienstleistungszentrums vom 7.
November 2006 an die Beklagte gesehen werden, da dieses lediglich die Mitteilung über die erfolgte Abtretung des Anspruchs
und die Bitte, diese bei Auszahlung zu beachten, enthält. Eine Befugnis der Klägerin, den abgetretenen [X.] gegebenenfalls gerichtlich im eigenen Namen gegen die Beklagte durchzusetzen, lässt sich weder diesem Schreiben noch der beigefügten 11
-
7
-

Abtretungserklärung vom 19. Oktober 2006 an irgendeiner Stelle [X.]. Soweit die Klägerin nunmehr auf ein Schreiben des [X.] vom 3. Januar 2012 verweist, wonach eine [X.] für die Klägerin mit der Abtretungserklärung verbunden sein sollte, geht das auch aus dieser
nicht hervor. Für die Beklagte, die innerhalb der Frist des §
12 Abs.
3 [X.] Kenntnis davon erhalten soll, ob sie vom Berechtigten auf Leistung in Anspruch genommen wird, war eine derartige Ermächtigung der Abtretungserklärung nicht zu [X.].

Sowohl im Zeitpunkt der Umstellung der Klage als auch der Er-mächtigungserklärung war die Frist des §
12 Abs.
3 [X.] somit be-reits abgelaufen. Eine erst später erteilte Ermächtigung zur Prozessfüh-rung wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurück, wenn der Versicherungsnehmer zunächst nur Leistung an sich beantragt hatte (Senatsurteil vom 3.
März 1993
IV ZR 267/91, [X.], 553 unter 3 d; [X.] VersR 2001, 445
f.; [X.] VersR 1998, 750, 751; [X.]/[X.]/[X.], [X.] 27.
Aufl. §
12 Rn.
55; [X.]/Langheid, [X.] 2.
Aufl. §
12 Rn.
65).

b) Selbst bei einer

unterstellten

dem Schreiben des [X.] vom 7.
November 2006 oder der Abtretung vom 19.
Okto-ber 2006 zu entnehmenden
Ermächtigung der Klägerin, den dem [X.] zur Sicherheit abgetretenen Anspruch gerichtlich oder außergerichtlich geltend zu machen, wäre die Frist des §
12 Abs.
3 [X.] nicht gewahrt. Die Klägerin hätte auch dann
kein Recht
gehabt, [X.] auf Leistung an sich selbst zu erheben (vgl. [X.] aaO). Im Fall der

hier vorliegenden

offenen Abtretung kann der Zedent nicht Zahlung an sich selbst, sondern nur an den Abtretungsempfänger ver-12
13
-
8
-

langen (BG[X.], Urteile vom 11.
Februar 1960

VII ZR 206/58, BG[X.]Z 32, 67, 71; vom 23.
März 1999

[X.], NJW 1999, 2110 unter [X.] b
aa; vom 22.
Dezember 1988

VII ZR 129/88, NJW 1989, 1932 unter 1).
Diesen umgestellten
Klageantrag hat die Klägerin erst in
der mündlichen
Verhandlung vom 16.
Januar 2008
und damit verspätet gestellt.
[X.]inzu kommt, dass sich aus der Mitteilung des Dienstleistungszentrums vom 3.
Januar 2012 ohnehin lediglich ergibt, dass der Klägerin eine Einzie-hungsermächtigung habe erteilt werden sollen. Eine Befugnis, die Forde-rung nicht nur im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen, sondern zugleich Leistung an sich selbst zu verlangen, ist dem Schreiben nicht zu entnehmen.

[X.] [X.] [X.]

Dr.
Karczewski Dr. Brockmöller

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.10.2010 -
6 O 77/07 -

OLG [X.], Entscheidung vom 23.06.2011 -
16 [X.] -

Meta

IV ZR 142/11

18.01.2012

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2012, Az. IV ZR 142/11 (REWIS RS 2012, 9996)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9996

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 142/11 (Bundesgerichtshof)

Wahrung der Klagefrist nach Leistungsablehnung des Versicherers: Klageerhebung durch den Versicherungsnehmer nach offener Abtretung seines …


IV ZR 156/13 (Bundesgerichtshof)

Rechtsschutzversicherung: Kostendeckungsschutz für die Geltendmachung sicherungshalber abgetretener Ansprüche


IV ZR 156/13 (Bundesgerichtshof)


IV ZR 51/14 (Bundesgerichtshof)


IV ZR 268/21 (Bundesgerichtshof)

(Geltendmachung des Widerspruchsrechts des Versicherungsnehmers gemäß § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. bei …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IV ZR 142/11

IV ZR 122/09

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.