Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.02.2012, Az. 2 StR 426/11

2. Strafsenat | REWIS RS 2012, 8661

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 426/11

vom
29.
Februar 2012
in der Strafsache
gegen

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 29.
Februar 2012, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,

die [X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
Prof. Dr. [X.],
[X.],
die [X.]in am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],

[X.] am [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.]s Meiningen vom 19. April 2011, soweit es den
Angeklagten E.

betrifft, in den Fällen I[X.]
12, 14 und 15 der
Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückver-wiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen sowie der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. [X.]. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der [X.], die sich gegen die Verurteilung
in den Fällen [X.], 14 und 15 richtet, hat Erfolg.

[X.]

1. Nach den Feststellungen des [X.]s kamen der seit vielen Jah-ren Drogen konsumierende Angeklagte und der frühere Mitangeklagte [X.]

, der als Kurierfahrer eingesetzt werden sollte, im [X.] überein, gemeinsam 1
2
-
4
-
Drogengeschäfte zu tätigen. Der Angeklagte beabsichtigte, mit den Erlösen aus den Rauschgiftgeschäften seine erheblichen Geldschulden tilgen.

Beginnend ab einem nicht genau zu bestimmenden Zeitpunkt im Som-mer 2009 bis Januar 2010 kam es dementsprechend zu insgesamt zehn Rauschgiftgeschäften. Dabei erwarb der Angeklagte Haschisch, Marihuana
oder Amphetamin in unterschiedlichen Mengen zum gewinnbringenden [X.], zum Teil auch im Ausland, das er von dort nach [X.] einführte (Fälle 1-7, 9-11).

2. Im Oktober/November 2009 traf der Angeklagte den ihm schon länger bekannten gesondert Verfolgten M.

wieder, mit dem er in der Folgezeit ebenfalls Drogengeschäfte tätigte. Dabei lieferte der Angeklagte diesem Am-phetamin, das er mit ebenfalls vom Angeklagten bereit gestellten Koffein [X.]. Von dem aufgestreckten Amphetamin gab dieser jeweils etwa zwei Drittel an ihn zurück; den Rest erwarb er zum eigenen Weiterverkauf von dem Angeklag-ten, der ihm für das
Strecken einen Preisnachlass gewährte. Es kam in der [X.] zu fünf Geschäften.

Am 13. Januar 2010 holte der frühere Mitangeklagte [X.]

im Auftrag des Angeklagten bei dem gesondert Verfolgten M.

mindestens 1 kg Ampheta-min ab, das dieser zuvor
gestreckt und portioniert hatte. Er transportierte es zu einer dritten Person, die es von dem Angeklagten erworben hatte (Fall 8). Zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt im Januar 2010 erwarb der Ange-klagte im [X.] Grenzgebiet mindestens 1 kg Amphetamin, das der frühere Mitangeklagte [X.]

von dort durch [X.] transportierte, bevor es der Angeklagte wieder übernahm und dem gesondert Verfolgten M.

zur Streckung und Portionierung übergab. Dieser stellte zwei Pakete 3
4
5
-
5
-
von jeweils 1 kg gestrecktem Amphetamin zur Weiterveräußerung durch den Angeklagten her und behielt zum gewinnbringenden Weiterverkauf einen Rest der gesondert Verfolgte [X.]

, der für den zwischenzeitlich inhaftierten [X.]

die Kurierfahrten übernommen hatte, in [X.] mindestens 1 kg Amphe-tamin ab und transportierte es zu dem Angeklagten, der es zum gesondert Ver-folgten M.

brachte. Dieser streckte das Amphetamin und portionierte es. Von dieser Menge holte der Angeklagte am 4. Februar 2010 ein Kilogramm zur Weiterveräußerung ab; 500 g erwarb der gesondert verfolgte M.

zum [X.] Weiterverkauf (Fall 14). Am 11. Februar 2010 bestellte der ge-sondert Verfolgte [X.]

bei dem Angeklagten 500 g Amphetamin. Er holte es in Absprache mit dem Angeklagten bei dem gesondert Verfolgten M.

ab, nachdem dieser die bestellten Drogen zuvor im Auftrag des Angeklagten aufbereitet und portioniert hatte (Fall 13).
Schließlich bestellte der Angeklagte am 20. Februar 2010 bei seinem [X.] Lieferanten zwei Kilogramm Amphetamin und drei Kilogramm Koffein, das der gesondert Verfolgte
[X.]

am 23.
Februar 2010 dort abholte und dies in Kenntnis der Absicht
des Angeklagten, es in [X.] nach Streckung und Portionierung durch den gesondert Verfolgten M.

gewinnbringend zu veräußern, einführte. Hierzu kam es jedoch nicht mehr, da der Angeklagte wie auch der gesondert Verfolgte [X.]

alsbald festgenommen wurden (Fall 15).

3. Das [X.] hat den Angeklagten in allen Fällen wegen unerlaub-ten Handeltreibens in nicht geringer Menge verurteilt, in einigen Fällen, unter anderem auch im Fall 15,
zusätzlich wegen unerlaubter Einfuhr von Betäu-bungsmitteln in nicht geringer Menge. Von einer Verurteilung wegen banden-mäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat es abgesehen, weil sich der Angeklagte und der gesondert verfolgte M.

je-6
-
6
-
weils auf Verkäufer-
und Erwerberseite gegenübergestanden hätten und es in-soweit an einer Verbindung zur künftigen gemeinsamen Tatbegehung gefehlt habe.

4. Die Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet, dass der [X.], 14 und 15 nicht auch wegen bandenmäßigen Handeltrei-bens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist. [X.] wendet sie sich gegen die Strafzumessung des [X.]s, das
rechtsfeh-lerhaft
zu Gunsten des Angeklagten die gleichzeitige Anordnung von Werter-satzverfall angeordnet habe.

I[X.]

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Verurtei-lung
in den Fällen [X.], 14 und 15 beschränkt. Die nach der [X.] nachträglich erhobenen Einwendungen gegen die Strafzumessung gehen ins Leere, soweit sie sich gegen den Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der Verurteilungen in den anderen Fällen richten.

2. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

a) Das [X.] hat in den genannten Fällen das Vorliegen banden-mäßigen [X.] nach § 30a Abs. 1 BtMG nicht rechtsfehler-frei verneint. Nach der neueren Rechtsprechung (vgl. BGHSt 46, 321) setzt der Begriff der Bande den Zusammenschluss von mindestens drei Personen vo-raus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer 7
8
9
10
11
-
7
-
mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen. Wesentliches Element einer Bande ist [X.] eine auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung mehrerer Personen zur zukünftigen gemeinsamen Deliktsbegehung (BGHSt 46, 321, 329), wobei Mitglied einer Bande auch sein kann, wem nach der -
stillschweigend möglichen -
Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeiten darstellen (BGHSt 47, 214). An einer Verbindung zur ge-meinsamen Tatbegehung fehlt es, wenn sich Beteiligte eines [X.]
-
sei es auch in einem eingespielten Bezugs-
und Absatzsystem -
lediglich je-weils auf der Verkäufer-
und Erwerberseite gegenüberstehen (vgl. [X.], 696).

Die Annahme des [X.]s, es habe zwischen dem Angeklagten und dem gesondert Verfolgten M.

keine Verbindung zu gemeinsamer Delikts-begehung bestanden, weil sie sich jeweils auf Käufer-
und Verkäuferseite ge-genüber gestanden hätten, greift zu kurz. Zwar erwarb M.

von dem Ange-klagten Amphetamin, das er auf eigene Rechnung und eigenes Risiko weiter-veräußerte. Der Angeklagte seinerseits unternahm seine [X.] allein und in eigenem Namen, ohne Beteiligung eines Dritten am Ge-winn oder Risiko. Dies betrifft sowohl den Verkauf der Drogen an M.

wie auch den der übrigen Drogen an weitere Abnehmer. Der Angeklagte und M.

standen sich danach insoweit
selbständig auf Verkäufer-
und Käufer-seite gegenüber (vgl. Körner, BtMG, 7. Aufl. 2012, § 30, Rn. 31).

Zu berücksichtigen ist aber darüber hinaus, dass M.

für den Ange-klagten das ihm angelieferte Amphetamin mit Koffein streckte, portionierte und
-
abzüglich der selbst erworbenen Menge
-
an den Angeklagten
zurückgab. Dies hätte dem [X.] Anlass zu näherer Prüfung geben müssen, ob 12
13
-
8
-
dadurch eine Einbindung von M.

in die Absatzorganisation des Angeklag-ten, die nach den Feststellungen jedenfalls mit den [X.] [X.]

bzw. später [X.]

bestand, erfolgt ist.

Zwar folgt
nicht aus jeglicher
Unterstützung einer Gruppierung, etwa durch Strecken von Betäubungsmitteln
(vgl. Körner, BtMG 7. Aufl. 2012, § 30, Rn.
43)
oder Kurierfahrten, auch ohne Weiteres Zugehörigkeit zu einer Bande; auch Dienstleistungen eines Dritten, die einem Täterzusammenschluss zugute-kommen, können "selbständig"
erbracht werden, ohne dass darin eine Verbin-dung zu gemeinsamer künftiger Deliktsbegehung zu sehen ist. Es ist aber auch in diesen Fällen -
wie bei Handelsketten im Betäubungsmittelhandel
-
sorgfältig zu prüfen, ob darin
eine Verbindung zu gemeinsamer künftiger Deliktsbegehung oder lediglich eine durch Eigeninteresse gekennzeichnete Geschäftsbeziehung zu Mitgliedern
einer Absatzorganisation zu sehen
ist. Eine solche Prüfung, die nicht allein darauf abzustellen hat, ob diese Dienstleistung mit einem festen Preis entlohnt worden ist, sondern auch die sonstigen Umstände der Ge-schäftsbeziehung (wie Art und Häufigkeit der Leistung, ihre äußere Gestaltung oder auch den Einfluss, den die Beteiligten darauf im Einzelnen nehmen) in den Blick nehmen muss, hat das [X.] nicht vorgenommen. Insoweit hat das [X.] seiner Ablehnung einer Bandenmitgliedschaft einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt. Dabei war zwar auch der Umstand zu berücksichtigen, dass M.

selbst auch einen Teil der Betäubungsmittel er-warb und seine Entlohnung in der Form eines Preisnachlasses erhielt. Doch steht dies seiner Einbeziehung in eine
Bandenabrede
nicht von vornherein ent-gegen.
Die Prüfung
wird nachzuholen sein, wobei der neue Tatrichter
nicht nur der Frage nachzugehen haben wird, ob und inwieweit die Kuriere [X.]

und [X.]

Kenntnis von der Tätigkeit des gesondert Verfolgten
M.

für den 14
15
-
9
-
Angeklagten hatten und ob insoweit eine (auch nur stillschweigende) Abrede zum Zwecke künftigen
gemeinsamen [X.] vorlag, sondern auch, ob M.

in den Fällen [X.], 14 und 15, in denen er nach den [X.] lediglich Kontakt
mit dem Angeklagten hatte, seinerseits Kenntnis vom Tätigwerden von [X.] hatte.
b)
Die Aufhebung des Schuldspruchs in den genannten Fällen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.

Fischer

[X.]

[X.]

Eschelbach

[X.]
16

Meta

2 StR 426/11

29.02.2012

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.02.2012, Az. 2 StR 426/11 (REWIS RS 2012, 8661)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8661

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 455/11 (Bundesgerichtshof)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Berücksichtigung der Beteiligung verdeckter Ermittler bei der …


2 StR 455/11 (Bundesgerichtshof)


3 StR 106/18 (Bundesgerichtshof)


2 StR 543/21 (Bundesgerichtshof)


3 StR 355/11 (Bundesgerichtshof)

Bandenmäßiger Betäubungsmittelhandel: Zustandekommen der Bandenabrede; Gesamtstrafenbildung durch den neuen Tatrichter nach Aufhebung der Gesamtstrafe durch …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 StR 426/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.