Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.01.2022, Az. 4 B 22/21

4. Senat | REWIS RS 2022, 1931

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Gegenstand

Für die Zulässigkeit eines sonstigen Vorhabens sprechende Darstellungen des Flächennutzungsplans räumen entgegenstehende Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB nicht aus


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 18. Mai 2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung, die ihr die [X.]eschwerde beimisst. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der [X.]eschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91> und vom 14. Oktober 2019 - 4 [X.] - [X.] 406.11 § 34 [X.]auG[X.] Nr. 225 Rn. 4).

3

a) Die Frage

ob durch ein sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 [X.]auG[X.] auf einem bisher als Wiese genutzten Grundstück ein öffentlicher [X.]elang im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.] in Gestalt der natürlichen Eigenart der Landschaft auch dann beeinträchtigt wird, wenn für das Grundstück im [X.] die Nutzungsart "[X.]" festgesetzt und das Grundstück der "Ortslage" zugewiesen ist, das Grundstück im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche dargestellt wird und zu einem [X.]ereich gehört, für den die Gemeinde ein [X.]ebauungsplanverfahren mit dem Ziel der Festsetzung eines Wohngebiets betreibt,

ist nicht klärungsbedürftig. Auf sie lässt sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation antworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 6. März 2018 - 4 [X.]N 13.17 - [X.] 406.11 § 12 [X.]auG[X.] Nr. 28 Rn. 21 m.w.N.).

4

Nach den Feststellungen des [X.] würde das Vorhaben der bisherigen naturgegebenen Nutzungsweise widersprechen. Es deute auch nichts darauf hin, dass die Fläche ihre Eignung für diese Nutzung demnächst einbüßen werde ([X.]). In der Rechtsprechung des [X.] ist geklärt, dass ein Wohnhaus, das in landwirtschaftlich genutzter Dorfrandlage des Außenbereichs errichtet werden soll, in der Regel die natürliche Eigenart der Landschaft im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.] beeinträchtigt ([X.]VerwG, Urteil vom 25. Januar 1985 - 4 [X.] 29.81 - [X.] 406.11 § 35 [X.][X.]auG Nr. 223 Leitsatz 1 und [X.]). Der Umstand, dass der Flächennutzungsplan Wohnbauflächen darstellt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Vorhandene öffentliche [X.]elange werden in ihrer [X.]edeutung für die Zulässigkeit nicht durch eine Übereinstimmung des beabsichtigten Vorhabens mit den Darstellungen des Flächennutzungsplans entkräftet ([X.]VerwG, Urteile vom 10. Mai 1968 - 4 [X.] 18.66 - [X.] 406.11 § 19 [X.][X.]auG Nr. 17 S. 35, vom 25. Januar 1985 - 4 [X.] 29.81 - [X.] 406.11 § 35 [X.][X.]auG Nr. 223 S. 122 und vom 10. August 1990 - 4 [X.] 3.90 - juris Rn. 29 sowie [X.]eschluss vom 4. Juli 1990 - 4 [X.] 103.90 - NVwZ 1990, 962). Erst recht gilt dies für [X.]ewertungen des [X.]s, der keinen [X.]auleitplan im Sinne des § 1 Abs. 2 [X.]auG[X.] darstellt und bebauungsrechtliche Entscheidungen nicht zu binden vermag (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 23. Oktober 1981 - 4 [X.] 138.81 - [X.] 406.11 § 35 [X.][X.]auG Nr. 185 S. 26; OVG Münster, [X.]eschluss vom 6. Mai 2014 - 2 A 2313.13 - juris Rn. 11).

5

Auch einem [X.]eschluss über die Aufstellung eines [X.]ebauungsplans kommt diese Wirkung nicht zu. Unter welchen Voraussetzungen sich während der Planaufstellung ein Anspruch auf Genehmigung des Vorhabens ergeben kann, regelt § 33 Abs. 1 [X.]auG[X.], der als positiver Zulassungstatbestand neben die §§ 30, 34 und 35 [X.]auG[X.] tritt (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 12. Dezember 2018 - 4 [X.] 6.17 - [X.]VerwGE 164, 40 Rn. 14 ff.). Danach ist in Gebieten, für die ein [X.]eschluss über die Aufstellung eines [X.]ebauungsplans gefasst ist, ein Vorhaben zulässig, wenn die Öffentlichkeits- und [X.]ehördenbeteiligung nach § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 2 und § 4a Abs. 2 bis 5 [X.]auG[X.] durchgeführt worden ist, anzunehmen ist, dass das Vorhaben den künftigen Festsetzungen des [X.]ebauungsplans nicht entgegensteht, der Antragsteller diese Festsetzungen für sich und seine Rechtsnachfolger schriftlich anerkennt und die Erschließung gesichert ist. Richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens demgegenüber nach § 35 Abs. 2 [X.]auG[X.] und beeinträchtigt das Vorhaben die natürliche Eigenart der Landschaft im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.], wird dieser öffentliche [X.]elang durch einen [X.]eschluss über die Aufstellung eines [X.]ebauungsplans nicht ausgeräumt.

6

b) Die Frage,

ob öffentliche [X.]elange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und Nr. 7 [X.]auG[X.] dadurch entkräftet werden können, dass das [X.] in einem [X.] als "Sondergebiet [X.]" festgesetzt ist und der Eigentümer einen deshalb im Vergleich zu anderen Teilnehmern der Flurbereinigung erhöhten [X.] aufzubringen hatte,

ist aus den dargelegten Gründen ebenfalls nicht klärungsbedürftig. Eine Flurbereinigung dient gemäß § 1 FlurbG der Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie der Förderung der allgemeinen Landeskultur und der Landentwicklung. Die Festlegung der zulässigen baulichen Nutzung von Grundstücken ist von dem Regelungszweck des Gesetzes nicht umfasst.

7

2. Die von der [X.]eschwerde behauptete Abweichung von Entscheidungen des [X.] ist nicht dargetan.

8

Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.] aufgestellten, die Entscheidung des [X.] tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26). Diesen Anforderungen wird das [X.]eschwerdevorbringen nicht gerecht.

9

Die [X.]eschwerde entnimmt den Urteilen des [X.] vom 10. Mai 1968 - 4 [X.] 18.66 - ([X.] 406.11 § 19 [X.][X.]auG Nr. 17) und vom 25. Januar 1985 - 4 [X.] 29.81 - ([X.] 406.11 § 35 [X.][X.]auG Nr. 223) sowie dem [X.]eschluss vom 4. Juli 1990 - 4 [X.] 103.90 - (NVwZ 1990, 962) den Rechtssatz, dass Darstellungen eines Flächennutzungsplans bei der Prüfung öffentlicher [X.]elange von [X.]edeutung sein können. Damit hätte sich das Oberverwaltungsgericht auseinandersetzen müssen. Mit diesem Vortrag ist eine Divergenz nicht dargelegt. Eine Abweichung setzt einen prinzipiellen Auffassungsunterschied über den [X.]edeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes voraus. Der Vorwurf, die Vorinstanz habe einen abstrakten Rechtssatz des [X.] fehlerhaft oder gar nicht angewandt, genügt dagegen nicht (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 21. Dezember 2017 - 6 [X.] 43.17 - [X.] 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 4 m.w.N.). Eine Abweichung liegt auch der Sache nach nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht ist auf der Grundlage einer Ortsbesichtigung durch den [X.]erichterstatter zu dem Ergebnis gekommen, dass das geplante Vorhaben die natürliche Eigenart der Landschaft im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.] beeinträchtigt und die Ortslage unorganisch erweitert ([X.] f.). Auch nach den von der [X.]eschwerde angeführten Entscheidungen wird eine [X.]eeinträchtigung öffentlicher [X.]elange durch Festsetzungen eines Flächennutzungsplans nicht ausgeräumt ([X.]VerwG, Urteile vom 10. Mai 1968 - 4 [X.] 18.66 - [X.] 406.11 § 19 [X.][X.]auG Nr. 17 S. 35 und vom 25. Januar 1985 - 4 [X.] 29.81 - [X.] 406.11 § 35 [X.][X.]auG Nr. 223 S. 122 sowie [X.]eschluss vom 4. Juli 1990 - 4 [X.] 103.90 - NVwZ 1990, 962).

Das Oberverwaltungsgericht weicht auch nicht von dem Urteil des [X.] vom 19. April 2012 - 4 [X.] 10.11 - ([X.] 406.11 § 35 [X.]auG[X.] Nr. 386 Rn. 21) ab. Entgegen dem [X.]eschwerdevorbringen lässt sich diesem Urteil nicht der abstrakte Rechtssatz entnehmen, eine unorganische Erweiterung des [X.]ebauungszusammenhangs sei nur dann zu befürchten, wenn das konkrete Vorhaben zum [X.]estehen einer unerwünschten Splittersiedlung führe. Abgesehen davon befasst sich das Urteil nicht mit der von der [X.]eschwerde aufgeworfenen Frage, unter welchen Umständen von einer planvollen und strukturierten Weiterentwicklung der Ortslage auszugehen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 B 22/21

19.01.2022

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 18. Mai 2021, Az: 1 A 10801/20.OVG, Urteil

§ 1 Abs 2 BauGB, § 33 BauGB, § 35 Abs 2 BauGB, § 35 Abs 3 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.01.2022, Az. 4 B 22/21 (REWIS RS 2022, 1931)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1931

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