Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.04.2011, Az. 3 B 10/11, 3 B 10/11 (3 B 73/10)

3. Senat | REWIS RS 2011, 7831

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Ablehnung von Richtern wegen Besorgnis der Befangenheit


Gründe

1

[X.] hat keinen Erfolg. Es wendet sich gegen die drei [X.] des Senats, die im Verfahren [X.]VerwG 3 [X.] mit [X.]eschluss vom 21. Dezember 2010 die [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 30. Juni 2010 zurückgewiesen haben.

2

1. Es kann dahinstehen, ob eine [X.]ablehnung bereits unzulässig ist, wenn sie nach Abschluss der Instanz im Rahmen einer Anhörungsrüge erfolgt (vgl. [X.]eschluss vom 28. Mai 2009 - [X.]VerwG 5 PKH 6.09 u.a. - [X.] 310 § 152a VwGO Nr. 8 m.w.N.). Auch kann zugunsten der Klägerin angenommen werden, dass ihr Ablehnungsgesuch nicht deshalb unzulässig ist, weil es die gesamte [X.]bank erfasst. Dies ist ausnahmsweise zulässig, wenn die [X.]efangenheit aus Anhaltspunkten in einer von der abgelehnten [X.]bank getroffenen Kollegialentscheidung hergeleitet wird (vgl. dazu [X.]eschluss vom 8. März 2006 - [X.]VerwG 3 [X.] 182.05 - juris Rn. 4).

3

2. Der Ablehnungsantrag ist jedenfalls unbegründet. Die Klägerin hat die geltend gemachte [X.]esorgnis der [X.]efangenheit (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO) nicht im Sinne des § 44 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht. Die Ablehnung wegen [X.]esorgnis der [X.]efangenheit setzt voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des betreffenden [X.]s zu rechtfertigen. Dabei genügt es, wenn vom Standpunkt der [X.]eteiligten aus hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unparteilichkeit des [X.]s zu zweifeln ([X.]eschluss vom 1. Dezember 2009 - [X.]VerwG 4 [X.] - juris Rn. 2 m.w.N.). Solche Gründe sind in den Schriftsätzen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 19. Januar und 15. Februar 2011 nicht dargelegt.

4

a) Die Klägerin macht zum einen geltend, der [X.]eschluss über die Zurückweisung ihrer [X.]eschwerde sei "schlichtweg willkürlich", weil die beteiligten Senatsmitglieder klare Vorgaben des [X.] übergangen hätten. Die Weigerung, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof vorzulegen, sei [X.] gemeinschaftsrechtswidrig und könne nur dadurch erklärt werden, dass sie einseitig habe benachteiligt werden sollen.

5

Die Klägerin macht damit Rechtsfehler der Entscheidung geltend. Diese ergeben, selbst wenn sie vorliegen sollten, grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund. Anderes kommt nur in [X.]etracht, wenn die Rechts- oder Verfahrensverstöße auf einer offensichtlich sachwidrigen Entscheidung des [X.]s oder auf Willkür beruhen. Willkürlich ist ein [X.]spruch, wenn er unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar oder schlechterdings nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen (vgl. [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 3. November 1992 - 1 [X.]vR 1243/88 - [X.]VerfGE 87, 273 <278 f.> m.w.N.; [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 15. Mai 2008 - [X.]VerwG 2 [X.] 77.07 - NVwZ 2008, 1025 Rn. 6, vom 23. Oktober 2007 - [X.]VerwG 9 A 50.07 u.a. - NVwZ-RR 2008, 140 Rn. 6).

6

Für einen solchen Fall ist hier nichts ersichtlich. Die Klägerin beruft sich zur [X.]egründung der vermeintlichen Unhaltbarkeit der Rechtsauffassung der abgelehnten [X.] auf die Urteile des [X.] vom 19. März 2009 - [X.]. [X.]/07, [X.]. [X.] Rn. 21 und 34 und - [X.]. C-270/07, [X.]/[X.] - Slg. [X.] Rn. 32. Sie meint, schon aus dem Wortlaut dieser Entscheidungen ergebe sich die "eindeutige Verpflichtung des [X.], eine einzelbetriebliche Abrechnung vorzunehmen, wenn die angesetzten Gebühren die [X.]" übersteigen. Diese Entscheidungen und ihre Auslegung waren im Hinblick auf die [X.]egründung der Nichtzulassungsbeschwerde bereits Gegenstand von Erwägungen im beanstandeten [X.]eschluss. Hat sich das Gericht aber mit der Rechtslage auseinandergesetzt und entbehrt seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes, so kann von Willkür nicht gesprochen werden (st[X.]pr, vgl. u.a. [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 3. November 1992, a.a.[X.]). So liegt es auch hier. In der Sache kann von einer [X.]en Missdeutung der Rechtsprechung des [X.] nicht die Rede sein. Der Gerichtshof weist in den genannten Entscheidungen lediglich darauf hin, dass eine nach dieser [X.]estimmung erhobene Gebühr "nicht die Form einer 'pauschalen' Gebühr in dem Sinne annehmen , in dem die [X.] diesen [X.]egriff versteht" ([X.]. C-270/07, a.a.[X.] Rn. 32). Dieser Zusammenhang wird auch in dem beanstandeten [X.]eschluss ([X.]A S. 3) zugrunde gelegt. Die Entscheidungen des Gerichtshofs enthalten entgegen der [X.]ehauptung der Klägerin keine Äußerung dazu, ob in der Konsequenz seiner Ausführungen die Gebührenerhebung als "betriebsbezogene Einzelabrechnung" der tatsächlichen angefallenen Kosten nach Ablauf des Rechnungsjahres erfolgen muss oder ob die tatsächlichen Kosten im Vorhinein kalkuliert werden dürfen, wie es der Charakter einer Gebühr nahelegt. Insofern handelt es sich um rechtliche Schlussfolgerungen aus den [X.], die nicht zwingend im Sinne der Klägerin gezogen werden müssen. Im beanstandeten [X.]eschluss des Senats vom 21. Dezember 2010 sind im Gegenteil gute Gründe dafür angeführt worden, dass die Auffassung der Klägerin nicht durch das Gemeinschaftsrecht gedeckt ist. Es entbehrt auch nicht der sachlichen Rechtfertigung, wenn sich die abgelehnten [X.] zum [X.]eleg für ihre Auffassung, es sei hinreichend eindeutig geklärt, dass der [X.] keine einzelbetriebliche Abrechnung nach den Vorstellungen der Klägerin für erforderlich halte, auf Erwägungen in den von der Klägerin angeführten Entscheidungen stützen ([X.]A Rn. 6).

7

Durfte die von der Klägerin aufgeworfene Frage danach willkürfrei für in der Rechtsprechung des [X.] geklärt gehalten werden, liegt Willkür auch nicht darin, dass die abgelehnten [X.] keine Veranlassung gesehen haben, das Verfahren mit dem Ziel auszusetzen, die von der Klägerin beantragte Auslegung des [X.] in der Rechtssache [X.]/07 durch den Gerichtshof abzuwarten.

8

b) Ebenso wenig war es willkürlich oder sachlich unhaltbar, dass die vom [X.]efangenheitsgesuch betroffenen [X.] in dem Unterlassen der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den tatsächlichen Kosten der [X.] keinen Verfahrensmangel gesehen haben. Nach ständiger Rechtsprechung bestimmt der materiell-rechtliche Standpunkt der Vorinstanz, wie weit der Sachverhalt aufzuklären ist. Das gilt sogar dann, wenn der eingenommene Standpunkt verfehlt sein sollte (vgl. [X.]eschluss vom 23. Januar 1996 - [X.]VerwG 11 [X.] 150.95 - [X.] 424.5 [X.] Nr. 1). Das [X.]erufungsgericht hatte die nach Auffassung der Klägerin aufzuklärenden Tatsachen aber für nicht entscheidungserheblich gehalten.

9

c) Ein Grund zur [X.]esorgnis der [X.]efangenheit im Sinne des § 42 Abs. 2 ZPO ergibt sich schließlich nicht aus den dienstlichen Äußerungen der abgelehnten [X.]. Zu den für das Ablehnungsgesuch entscheidungserheblichen Tatsachen hat ein abgelehnter [X.] insoweit Stellung zu nehmen, als dies für die Entscheidung notwendig und zweckmäßig ist. Danach ist es nicht zu beanstanden, dass die [X.] sich hier auf die Angabe beschränkt haben, sich nicht für befangen zu halten und dem angegriffenen [X.]eschluss keinen Grund für die [X.]esorgnis der Klägerin entnehmen zu können. Mehr war nicht zu verlangen, weil die Klägerin ihr Ablehnungsgesuch auf eine aus ihrer Sicht unzutreffende Rechtsansicht der abgelehnten [X.] stützt. Eine weitergehende Äußerung zu dem angegriffenen [X.]eschluss und zu den hiergegen vorgebrachten Einwänden der Klägerin würde auf eine nachträgliche Rechtfertigung der gefällten Entscheidung durch die beteiligten [X.] hinauslaufen. Sie ist jedenfalls dann verzichtbar, wenn sie - wie hier - zur weiteren Aufklärung des für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch erheblichen Sachverhalts nichts beitragen würde. Eine Überprüfung von gerichtlichen Entscheidungen kann nämlich gerade nicht im Wege der [X.]ablehnung erreicht werden (st[X.]pr, vgl. [X.]eschlüsse vom 28. Mai 2009, a.a.[X.] Rn. 2 und vom 23. Oktober 2007, a.a.[X.] Rn. 2 und vom 8. März 2006 - [X.]VerwG 3 [X.] 182.05 - juris Rn. 5).

Meta

3 B 10/11, 3 B 10/11 (3 B 73/10)

07.04.2011

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 30. Juni 2010, Az: 5 A 1063/10, Urteil

§ 54 Abs 1 VwGO, § 42 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.04.2011, Az. 3 B 10/11, 3 B 10/11 (3 B 73/10) (REWIS RS 2011, 7831)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7831

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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