Bundesfinanzhof, Urteil vom 02.07.2021, Az. XI R 29/18

11. Senat | REWIS RS 2021, 4374

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Gegenstand

Teilwertzuschreibung bei einer Fremdwährungsverbindlichkeit mit einer Restlaufzeit von mehr als zehn Jahren aufgrund von Stützungskäufen einer Notenbank


Leitsatz

1. Bei Fremdwährungsverbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von zumindest zehn Jahren berechtigt nicht jeder Kursverlust zur Annahme einer voraussichtlich dauernden Werterhöhung.

2. Eine voraussichtlich dauernde Werterhöhung liegt jedoch jedenfalls dann vor, wenn fundamentale Veränderungen der wirtschaftlichen und/oder finanzpolitischen Daten eine dauerhafte Veränderung der Wechselkurse vermuten lassen. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Notenbank eines Fremdwährungsstaats die Absicht äußert, Stützungskäufe zu tätigen, um einen bestimmten Wechselkurs der Fremdwährung zu verteidigen.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 23.07.2018 - 6 K 884/15 K,[X.],[X.] wegen Körperschaftsteuer 2010 und [X.]ewerbesteuermessbetrag 2010 wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 23.07.2018 - 6 K 884/15 K,[X.],[X.] wegen Körperschaftsteuer 2011 und [X.]ewerbesteuermessbetrag 2011 aufgehoben.

Die Sache wird insoweit an das [X.]inanzgericht Düsseldorf zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

3. Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten (nur noch) darüber, ob in den Streitjahren (2010 und 2011) Teilwertzuschreibungen auf ein auf [X.] ([X.]) [X.] Fremdwährungsdarlehen zu einer Einkommensminderung führen.

2

Mit Vertrag vom 07.10.2008 nahm die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, bei einer Bank ein (zunächst tilgungsfreies) Darlehen über 3.480.000 [X.] als Festdarlehen mit dem Rückzahlungszeitpunkt 30.09.2023 auf. Ferner wurde vereinbart, dass die vollständige oder teilweise Rückzahlung des Darlehens aus einem (anzusparenden) Wertpapierdepot erfolgt.

3

Die Klägerin passivierte das Darlehen in ihrer Bilanz zum 31.12.2008 zunächst als Verbindlichkeit mit 2.237.942,12 € (gerundeter Wechselkurs rechnerisch: 1,555 [X.] pro €).

4

In der Folgezeit stieg der Wechselkurs des [X.] zum € stark an. Aufgrund dieser (für sie nachteiligen) Kursentwicklung nahm die Klägerin in ihrer Bilanz zum Bilanzstichtag 31.12.2010 für die Verbindlichkeit eine Teilwertzuschreibung auf 2.779.893,60 € vor (gerundeter Wechselkurs rechnerisch: 1,25185 [X.] pro €). Die Differenz zum Vorjahresbetrag (541.951 €) erfasste sie gewinnmindernd als Aufwand.

5

In einem Communiqué vom 06.09.2011 (abrufbar unter www.snb.ch) teilte die [X.]ische Nationalbank ([X.]) mit, die gegenwärtig massive Überbewertung des [X.] stelle eine akute Bedrohung für die [X.] Wirtschaft dar und berge das Risiko einer deflationären Entwicklung. Die [X.] strebe daher eine deutliche und dauerhafte Abschwächung des [X.] an. Sie toleriere am Devisenmarkt ab sofort keinen €-[X.]-Kurs unter dem Mindestkurs von 1,20 [X.] pro €. Die [X.] werde den Mindestkurs mit aller Konsequenz durchsetzen und sei bereit, unbeschränkt Devisen zu kaufen. Der [X.] sei auch bei 1,20 [X.] pro € hoch bewertet und sollte sich über die [X.] weiter abschwächen. Falls die Wirtschaftsaussichten und die deflationären Risiken es erforderten, werde die [X.] weitere Maßnahmen ergreifen. Die [X.] ([X.]) teilte am selben Tag mit, dass es sich um eine in eigener Verantwortung getroffene Entscheidung der [X.] handele (vgl. Pressemitteilung der [X.] vom 06.09.2011, www.bundesbank.de/de/presse/pressenotizen/ezb/erklaerung-des-ezb-rats-zur-entscheidung-der-schweizerischen-nationalbank-676672).

6

In der Bilanz zum 31.12.2011 nahm die Klägerin daher eine weitere Teilwertzuschreibung auf 2.859.255,60 € vor (gerundeter Wechselkurs rechnerisch: 1,2171 [X.] pro €). Die Differenz zum Vorjahr in Höhe von 79.412 € berücksichtigte die Klägerin erneut gewinnmindernd als Aufwand.

7

Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die Auffassung, dass das Darlehen, das am 31.12.2011 eine Restlaufzeit von elf Jahren und neun Monaten gehabt habe, weiterhin mit dem ursprünglich angesetzten Betrag in der Bilanz zu erfassen sei. Es liege keine voraussichtlich dauernde Werterhöhung vor; der Gewinn des Jahres 2010 sei um 541.951 € und der Gewinn des Jahres 2011 um 79.412 € zu erhöhen. Er erließ u.a. am 26.05.2014 entsprechende Körperschaftsteuer-Änderungsbescheide für die Jahre 2010 und 2011 sowie am 12.06.2014 Änderungsbescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 2010 und 2011. Die Einsprüche der Klägerin blieben erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 20.02.2015).

8

In einem Communiqué vom 15.01.2015 (ebenfalls abrufbar unter www.snb.ch) teilte die [X.] mit, sie hebe den Mindestkurs von 1,20 [X.] pro € auf. Diesen Wechselkurs hat der [X.] bis zur Entscheidung des Senats permanent unterschritten, was allgemein bekannt ist (s. www.ecb.europa.eu).

9

Im Laufe des Klageverfahrens wurde das Verfahren wegen gesonderter Feststellung des vortragsfähigen [X.] auf den 31.12.2010 und 31.12.2011 sowie gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2010 und 31.12.2011 vom vorliegenden Verfahren abgetrennt. Außerdem erhob das [X.] keine Einwendungen mehr dagegen, dass der Gewinn der Klägerin im Streitjahr 2011 aus hier nicht mehr streitigen Gründen um 30.000 € zu verringern sei.

Das Finanzgericht ([X.]) [X.] gab mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2018, 1531 veröffentlichten Urteil vom 23.07.2018 - 6 K 884/15 der Klage nur in dem vom [X.] zugestandenen Umfang statt und wies sie in dem hier noch streitigen Punkt ab. Es nahm an, das [X.] habe zu Recht die gewinnmindernd geltend gemachten Fremdwährungsverluste unberücksichtigt gelassen. [X.] seien grundsätzlich mit dem Rückzahlungsbetrag zu bewerten, der sich aus dem Wechselkurs im [X.]punkt der Darlehensaufnahme ergebe. Der Teilwert der Verbindlichkeit könne nicht angesetzt werden, da bei [X.], die --wie im [X.] eine Restlaufzeit von mehr als zehn Jahren haben, davon auszugehen sei, dass sich Währungsschwankungen grundsätzlich ausgleichen. Das [X.] teile nicht die Auffassung des [X.] Baden-Württemberg in dessen Urteil vom 11.07.2017 - 5 K 1091/15 ([X.] 2018, 100), dass die am 06.09.2011 veröffentlichte Festlegung eines Mindestkurses von 1,20 [X.] pro € durch die [X.] eine fundamentale Veränderung der wirtschaftlichen und finanzpolitischen Daten darstelle, wegen der eine Teilwerterhöhung zum Bilanzstichtag 31.12.2011 als voraussichtlich dauernd anzusehen sei. Der Senat sei mit dem Schleswig-Holsteinischen [X.] in dessen Urteil vom 09.03.2016 - 2 K 84/15 ([X.] 2016, 799) der Auffassung, dass trotz der Entscheidung der [X.] keine dauerhafte Aufwertung des [X.] festgestanden habe. Die Stützung des Kurses stelle kein objektives Anzeichen für ein langfristiges Anhalten dieses Kursniveaus dar.

Entgegen der Ansicht der Klägerin sei es im Streitfall ohne Bedeutung, dass eine Rückzahlung des Darlehens ohne Vorfälligkeitsentschädigung möglich gewesen sei; denn es habe nur eine Rückzahlungsmöglichkeit und keine Rückzahlungspflicht bestanden. Allein die Rückzahlungsmöglichkeit erschüttere die sich aus der Laufzeit ergebende Vermutung, dass sich Währungsschwankungen innerhalb von zehn Jahren grundsätzlich ausgleichen, nicht. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bereits 2010 oder 2011 beabsichtigt habe, das Darlehen vor Ablauf von zehn Jahren zurückzuzahlen, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zwar habe die Klägerin im April 2015 einen Teilbetrag des Darlehens zurückgezahlt. Es gebe aber keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass eine Rückzahlung bereits an den Bilanzstichtagen beabsichtigt gewesen sei.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 8 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG-- i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Sie tritt zum Jahr 2011 der Auffassung des [X.] Baden-Württemberg im Urteil in [X.] 2018, 100 bei. Das für eine Teilwertzuschreibung erforderliche objektive Anzeichen für das langfristige Anhalten der Werterhöhung liege jedenfalls ab dem 06.09.2011 vor. Seither habe die Klägerin nicht mehr von üblichen Währungsschwankungen ausgehen können. Aber auch bereits zum 31.12.2010 habe die Klägerin aufgrund des aufgetretenen Kursverlusts von einer voraussichtlich dauernden Werterhöhung ausgehen dürfen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben sowie die [X.] für 2010 und 2011 vom 26.05.2014 sowie die Gewerbesteuermessbescheide für 2010 und 2011 vom 12.06.2014 dahingehend zu ändern, dass der Gewinn des Jahres 2010 um 541.951 € und der Gewinn des Jahres 2011 um 79.412 € gemindert wird.

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision zum Streitjahr 2011 ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Unrecht angenommen, dass die Voraussetzungen für eine [X.] auch im [X.] nicht vorliegen. Zum Streitjahr 2010 ist die Revision hingegen gemäß § 126 Abs. 2 [X.]O als unbegründet zurückzuweisen.

1. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn nach § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 4 Abs. 1 EStG durch [X.]. Sie muss dabei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG für den Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen ansetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. [X.]. sind dabei die Vorschriften über die Bewertung (§ 6 EStG) zu befolgen (§ 5 Abs. 6 EStG).

2. Zur Frage, wie Verbindlichkeiten steuerrechtlich zu bewerten sind, ist von folgenden Rechtsgrundsätzen auszugehen:

a) Verzinsliche Verbindlichkeiten sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der Nr. 2 anzusetzen.

b) Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG sind die nicht in § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Die Anschaffungskosten bestimmen sich bei einer in fremder Währung aufgenommenen Darlehensverbindlichkeit nach dem im Zeitpunkt der Aufnahme des Darlehens bestehenden Wechselkurs in [X.] (vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 17.08.2017 - IV R 3/14, [X.], 111, Rz 32, m.w.N.), im Streitfall 2.237.942,12 [X.].

c) Allerdings kann gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG in bestimmten Fällen an Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Teilwert angesetzt werden. Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Kursveränderungen der Währung, die einer Fremdwährungsverbindlichkeit zu Grunde liegt, verändern den Rückzahlungsbetrag und damit den Teilwert (vgl. [X.]-Urteil vom [X.], [X.], 564, [X.], 778, Rz 20). Dementsprechend führte vorliegend die Erhöhung des [X.] zu einer Erhöhung des [X.] der Verbindlichkeit auf 2.779.893,60 [X.] (31.12.2010) bzw. 2.859.255,60 [X.] (31.12.2011).

d) Der Ansatz mit dem Teilwert darf nur dann erfolgen, wenn er aufgrund einer voraussichtlich dauernden Werterhöhung höher ist als der ursprüngliche Rückzahlungsbetrag (vgl. dazu in Bezug auf [X.] [X.]-Urteil in [X.], 564, [X.], 778, Rz 19, 21 und 25 ff.).

aa) Wann eine [X.] "voraussichtlich dauernd" ist, ist weder im Handelsgesetzbuch (HGB) noch im Steuerrecht definiert. Voraussetzung hierfür ist nach der Rechtsprechung des [X.] im Grundsatz eine Veränderung des [X.], die einerseits nicht endgültig sein muss, andererseits aber auch nicht nur vorübergehend sein darf (vgl. [X.]-Urteile vom 09.09.2010 - IV R 38/08, [X.]/NV 2011, 423, Rz 15; vom 23.10.2019 - VI R 9/17, [X.]/NV 2020, 191, Rz 19); entscheidend ist, ob aus Sicht des [X.] mehr Gründe für ein Andauern der [X.] sprechen als dagegen (vgl. [X.]-Urteil vom 21.09.2011 - I R 7/11, [X.]E 235, 273, [X.], 616, Rz 11; [X.]-Beschluss vom 29.07.2014 - I B 188/13, [X.]/NV 2014, 1742, Rz 4). Die Änderung gegenüber dem maßgeblichen Buchwert muss nachhaltig sein und deshalb muss aus Sicht des [X.] aufgrund objektiver Anzeichen ernstlich mit einem langfristigen Anhalten der [X.] zu rechnen sein (vgl. [X.]-Urteil vom 18.06.2015 - IV R 6/11, [X.]/NV 2015, 1381, Rz 26). Hierfür bedarf es einer an der Eigenart des Wirtschaftsgutes ausgerichteten Prognose (vgl. [X.]-Urteil vom 29.03.2017 - I R 73/15, [X.]E 258, 38, [X.], 1065, Rz 11). Welcher Prognosezeitraum dabei zu Grunde zu legen ist, kann nicht generell beantwortet werden, sondern richtet sich nach den prognostischen Möglichkeiten zum Bilanzstichtag, die je nach Art des Wirtschaftsgutes und des auslösenden Moments für die [X.] unterschiedlich sein können (vgl. [X.]-Urteil vom 26.09.2007 - I R 58/06, [X.]E 219, 100, [X.], 294, Rz 10). Die [X.] trägt der Steuerpflichtige (vgl. [X.]-Urteil vom 13.02.2019 - XI R 41/17, [X.]E 263, 337, Rz 28, m.w.N.).

bb) Außerdem muss das Erfordernis der voraussichtlich dauernden [X.] stets in der Zusammenschau mit dem zugleich geschaffenen Wertaufholungsgebot nach § 6 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 2 Satz 3, Nr. 1 Satz 4 EStG gesehen werden (vgl. [X.]-Urteile in [X.]E 219, 100, [X.], 294, Rz 15; in [X.]E 263, 337, Rz 41). Da [X.] zu jedem nachfolgenden Bilanzstichtag über das Wertaufholungsgebot korrigiert werden können und der Steuerpflichtige auch zu den Folgestichtagen die Feststellungslast für ein Andauern der [X.] und ihrer weiteren Dauerhaftigkeit trägt, dürfen die Anforderungen an die Darlegungen des Steuerpflichtigen nicht überspannt werden (vgl. [X.]-Urteil vom 21.09.2016 - X R 58/14, [X.]/NV 2017, 275, Rz 62).

cc) Nach der Rechtsprechung des [X.] (grundlegend [X.]-Urteil in [X.], 564, [X.], 778, Rz 25 ff.; s.a. [X.]-Urteile vom 08.06.2011 - I R 98/10, [X.]E 234, 137, [X.], 716, Rz 18; vom 04.02.2014 - I R 53/12, [X.]/NV 2014, 1016, Rz 11 ff.; s. dazu [X.], Der Betrieb 2010, 1029, 1030 f.; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 6 EStG Rz 48), der auch der Senat folgt (vgl. Senatsurteil in [X.]E 263, 337, Rz 33; s.a. Schreiben des [X.] --BMF-- vom 02.09.2016, [X.], 995, Rz 30 ff.), berechtigt bei [X.] mit einer Restlaufzeit von zumindest zehn Jahren nicht je[X.]verlust zur Annahme einer voraussichtlich dauernden Werterhöhung. Ein solcher [X.] kann deshalb auch grundsätzlich nicht Anlass dafür sein, die Verbindlichkeit steuerbilanziell mit einem höheren Wert auszuweisen, weil bei Verbindlichkeiten deren gesamte Laufzeit zu betrachten ist.

Die Vorschrift des § 256a Satz 1 HGB, die zum Zwecke der Bilanzaufstellung in [X.] (§ 244 HGB) vorsieht, dass u.a. auf fremde Währung lautende Verbindlichkeiten zum Devisenkassamittelkurs am Abschlussstichtag umzurechnen sind, führt zu keiner anderen Beurteilung; denn sie wird steuerrechtlich durch § 6 EStG überlagert ([X.]/[X.], § 6 EStG Rz 21a; [X.]/[X.], [X.], 768; [X.] in Kirchhof/[X.], EStG, 20. Aufl., § 6 Rz 11 und 104; [X.]/[X.], EStG, 40. Aufl., § 5 Rz 270 "Fremdwährung"; s.a. [X.]-Urteil in [X.], 111, Rz 33).

dd) Allerdings hat der [X.] im Urteil in [X.], 564, [X.], 778 (Rz 31) verneint, dass im dortigen Fall fundamentale Veränderungen der wirtschaftlichen und/oder finanzpolitischen Daten eine tatsächlich dauerhafte Veränderung der Wechselkurse begründen, und ausgeführt, dass die Prüfung, ob dies der Fall ist, der tatsächlichen Würdigung des [X.] obliegt, die gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O den [X.] bindet. Daher sind Ausnahmen von dem Grundsatz, wonach bei [X.], die eine Restlaufzeit von ca. zehn Jahren haben, ein Kursanstieg der Fremdwährung keine voraussichtlich dauernde Teilwerterhöhung begründet, möglich. Diese Auffassung vertritt auch die Finanzverwaltung, die für eine [X.] eine nachhaltige Erhöhung des Wechselkurses gegenüber [X.] bei Entstehung der Verbindlichkeit verlangt, was der Fall sei, wenn der Steuerpflichtige hiermit aus der Sicht des [X.] aufgrund objektiver Anzeichen ernsthaft rechnen müsse, weil aus Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns mehr Gründe für als gegen eine Nachhaltigkeit sprächen, wobei ein Kursanstieg der Fremdwährung grundsätzlich keine voraussichtlich dauernde Teilwerterhöhung begründe (BMF-Schreiben in [X.], 995, Rz 32).

3. Auf dieser Grundlage ist die Vorentscheidung zum Streitjahr 2010 revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Die Vorentscheidung hat insoweit die unter II.2.d angeführte Rechtsprechung herangezogen und angenommen, dass auch für das Darlehen der Klägerin trotz vorzeitiger Tilgungsmöglichkeit davon auszugehen sei, dass sich Währungsschwankungen grundsätzlich ausgleichen. Da die Klägerin die Feststellungslast für eine dauernde Werterhöhung der Verbindlichkeit trage, wirke sich die aus Sicht des [X.] bestehende Unsicherheit, ob die Werterhöhung nicht nur vorübergehend sei, zu ihren Lasten aus. Diese tatsächliche Würdigung des [X.], die nicht mit Verfahrensrügen angegriffen ist, ist auf Basis der vom [X.] festgestellten Tatsachen für das Streitjahr 2010 möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze; sie bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2 [X.]O). Ob diese tatsächliche Würdigung des [X.] zwingend oder auch nur naheliegend ist, hat der Senat insoweit nicht zu entscheiden; denn der Umstand, dass eine andere tatsächliche Würdigung mindestens ebenso gut möglich gewesen wäre (vgl. [X.] Baden-Württemberg, Urteil in E[X.] 2018, 1982, Rz 47 ff., m.w.N.; Az. des [X.]: IV R 18/18), steht der Bindung des Senats nicht entgegen (vgl. allgemein [X.]-Urteile vom 22.07.1999 - V R 74/98, [X.]/NV 2000, 240, Rz 32; vom 20.11.2008 - III R 53/05, [X.]/NV 2009, 564, Rz 17).

b) Die Einwendungen der Klägerin für das Streitjahr 2010 führen zu keiner anderen Beurteilung. Soweit die Klägerin zur Begründung ihrer abweichenden Auffassung (lediglich) auf das prozentuale Absinken des Wechselkurses hinweist, reicht dies --abweichend zur Auffassung des [X.] Baden-Württemberg (Urteil in E[X.] 2018, 1982, Rz 43 bis [X.] für einen Erfolg nicht aus.

c) Die Communiqués der [X.] vom 06.09.2011 und vom 15.01.2015 führen für das Streitjahr 2010 ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung; denn bezogen auf den Bilanzstichtag 31.12.2010 können nur wertaufhellende, aber nicht später eingetretene Umstände berücksichtigt werden (vgl. allgemein [X.]-Urteil in [X.]/NV 2014, 1016, Rz 14).

4. Allerdings hat das [X.] zum Bilanzstichtag 31.12.2011 zu Unrecht eine [X.] abgelehnt.

a) Das [X.] hat seine Ablehnung der [X.] (wie zum Streitjahr 2010) damit begründet, dass die Stützung der Untergrenze des Kurses durch die [X.] am 06.09.2011 auf 1,20 [X.] pro [X.] kein objektives Anzeichen für ein langfristiges Anhalten dieses Kursniveaus darstelle. Das [X.] verweist dazu auch auf die Auffassung des Schleswig-Holsteinischen [X.] (Urteil in E[X.] 2016, 799, Rz 34), das angenommen hat, erforderlich für eine Teilwerterhöhung sei ein Beleg für eine dauerhafte Aufwertung des [X.], der nicht erkennbar sei.

b) Zu Recht haben das [X.] und das Schleswig-Holsteinische [X.] dabei zwar dem Communiqué der [X.] vom 15.01.2015 keinerlei Bedeutung beigemessen (s. oben II.3.c).

c) Gleichwohl ist die Würdigung nicht frei von [X.]; denn das [X.] hat die inhaltlichen Aussagen des Communiqués vom 06.09.2011 nicht hinreichend berücksichtigt, so dass der Senat an die Würdigung des [X.] nicht gebunden ist. Unter dessen Berücksichtigung sprachen zum Bilanzstichtag 31.12.2011 objektiv gesehen mehr Gründe für ein Andauern der Werterhöhung des Darlehens als dagegen, so dass eine [X.] nach den unter II.2.d aa und bb angeführten allgemeinen Grundsätzen gerechtfertigt ist, und zwar auch dann, wenn man --entsprechend der Auffassung der [X.] von der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns ausginge (vgl. dazu aber Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 31.01.2013 - GrS 1/10, [X.]E 240, 162, [X.], 317, Rz 57 ff.). Die von der [X.] bejahte [X.] durch unbegrenzte Stützungskäufe indiziert die Nachhaltigkeit [X.]veränderung (hier: Aufwertung des [X.] gegenüber dem [X.]) und rechtfertigt die Teilwerterhöhung der Fremdwährungsverbindlichkeit (s.a. [X.] Baden-Württemberg, Urteil in E[X.] 2018, 100, Rz 57 f.; von Glasenapp, Betriebs-Berater 2018, 112, 113). Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

(1) Im Communiqué vom 06.09.2011 erklärte die [X.] u.a. ihre Absicht, fortan unbeschränkt Devisen zu kaufen (nachfolgend: Stützungskäufe). Sie hielt eine massive Überbewertung des [X.] für gegeben, der durch Stützungskäufe in unbeschränktem Volumen entgegengewirkt werden müsse, damit kein [X.]-[X.]-Kurs unter dem Mindestkurs von 1,20 [X.] pro [X.] gebildet werden könne. Ziel der Maßnahme war es also, den Wechselkurs des [X.] zum [X.] auf [X.] (1,20 [X.] pro [X.]) zu stabilisieren, der bezogen auf den Streitfall unter dem bei Anschaffung geltenden Kurs (ca. 1,55 [X.] pro [X.]) liegt, und eine weitere Aufwertung des [X.] gegenüber dem [X.] (z.B. in Richtung [X.]-[X.]-Parität) zu verhindern.

(2) Die [X.] dokumentierte durch diese Erklärung zunächst, dass sich [X.] als noch bei Eingehen der Verbindlichkeit und abweichend vom [X.] fortan der Wechselkurs nicht mehr nur nach "dem freien Spiel der Kräfte des Marktes" bilden kann, sondern sie in den Markt eingreifen und die Kursentwicklung beeinflussen werde.

(3) Dies würde zwar für sich genommen für eine voraussichtlich dauernde [X.] nicht ausreichen. Hinzu kommt aber, dass die [X.] durch das Communiqué auch dokumentiert hat, dass sie davon ausgehe, dass ohne ihr Eingreifen eine weitere Aufwertung des [X.] gegenüber dem [X.] eintreten würde. Sie ging ersichtlich nicht mehr davon aus, dass in Bezug auf den [X.] Kursschwankungen vorliegen, die sich ohne ihr Eingreifen wieder ausgleichen würden, so dass [X.] des [X.] von sich aus über den von ihr veröffentlichten Stützungskurs (1,20 [X.] pro [X.]) ansteigen würde. In einer solchen Situation muss ein Steuerpflichtiger, der eine [X.]-Verbindlichkeit mit einer Restlaufzeit von mehr als zehn Jahren zu einem für ihn günstigeren Kurs (hier: 1,55 [X.] pro [X.]) eingegangen war, nicht mehr mit einer für ihn günstigeren Kursentwicklung des [X.] als die [X.] rechnen, sondern darf mit der [X.] davon ausgehen, dass die Aufwertung des [X.] gegenüber dem [X.] nicht nur vorübergehend, sondern nachhaltig ist. Das Communiqué vom 06.09.2011 ist daher --entgegen der Auffassung des Schleswig-Holsteinischen [X.] (Urteil in E[X.] 2016, 799, Rz 34) und der [X.] ein objektives Anzeichen für eine voraussichtlich dauernde Aufwertung des [X.] gegenüber dem [X.].

(4) Insoweit ist in dem Fall, dass die Notenbank eines Fremdwährungsstaats die Absicht äußert, Stützungskäufe zu tätigen, um einen Wechselkurs der Fremdwährung zu verteidigen, der vom Wechselkurs bei Eingehen des Darlehens abweicht, die von der unter II.2.d cc genannten Rechtsprechung des [X.] für den Regelfall aufgestellte Vermutung widerlegt.

(5) Die Darlegungslast des Steuerpflichtigen steht, anders als das [X.] möglicherweise meint, dieser Beurteilung nicht entgegen. Würde man verlangen, dass der Steuerpflichtige ungeachtet einer solchen Erklärung einer Notenbank eines Fremdwährungsstaats eine positivere Prognose über die Kursentwicklung des [X.] anstellen oder weitere objektive Anzeichen vortragen muss, um die Nachhaltigkeit der Teilwerterhöhung zu belegen, würde man die Anforderungen an die Darlegungslast des Steuerpflichtigen an das voraussichtliche Andauern der Werterhöhung unzulässigerweise überspannen und eine [X.] wegen voraussichtlich dauernder Werterhöhung bei [X.] praktisch unmöglich machen; denn über bessere Erkenntnisse als die Notenbank des Fremdwährungsstaats wird ein Steuerpflichtiger nicht verfügen. Dieses Ergebnis widerspräche § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4, Nr. 2 Satz 2 und 3, Nr. 3 EStG; denn diese Regelungen gehen nicht von der praktischen Unmöglichkeit von [X.]en aus, sondern sehen die Möglichkeit der [X.] bei voraussichtlich dauernden [X.]en --mit einem sich zu jedem Bilanzstichtag daran anschließendem "Wertaufholungsgebot"-- gerade vor.

5. Die Sache ist zum Streitjahr 2011 nicht spruchreif. Das [X.] hat --aus seiner Sicht konsequenterweise-- nicht geprüft, ob die [X.] in zutreffender Höhe erfolgt ist. Dies muss es im zweiten Rechtsgang nachholen. Dabei kann die Klägerin ihren Antrag an die Rechtskraft des Urteils für das Streitjahr 2010 anpassen.

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O. Das [X.] hat mit Rücksicht auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch über die Kosten des durch dieses Urteil rechtskräftig abgeschlossenen Teils des Verfahrens zu entscheiden (vgl. allgemein [X.]-Urteil vom 09.12.2020  - III R 31/18, [X.]/NV 2021, 771, Rz 22, m.w.N.).

7. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 [X.]O).

Meta

XI R 29/18

02.07.2021

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 23. Juli 2018, Az: 6 K 884/15 K,G,F, Urteil

§ 4 Abs 1 EStG 2009, § 5 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 5 Abs 6 EStG 2009, § 6 Abs 1 Nr 3 S 1 EStG 2009, § 6 Abs 1 Nr 2 S 2 EStG 2009, § 6 Abs 1 Nr 2 S 3 EStG 2009, § 6 Abs 1 Nr 4 EStG 2009, § 244 HGB, § 256a S 1 HGB, § 8 Abs 1 S 1 KStG 2009, KStG VZ 2010, EStG VZ 2010, KStG VZ 2011, EStG VZ 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 02.07.2021, Az. XI R 29/18 (REWIS RS 2021, 4374)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4374

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