Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.06.2021, Az. IV R 18/18

4. Senat | REWIS RS 2021, 5108

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Gegenstand

Teilwertzuschreibung von Fremdwährungsverbindlichkeiten bei fundamentaler Änderung der wirtschaftlichen oder währungspolitischen Daten


Leitsatz

1. Eine Teilwertzuschreibung wegen voraussichtlich dauernder Werterhöhung von Verbindlichkeiten aus Fremdwährungsdarlehen ist zulässig, wenn der Euro-Wert gegenüber der Fremdwährung aufgrund einer fundamentalen Änderung der wirtschaftlichen oder währungspolitischen Daten der beteiligten Währungsräume gesunken ist.

2. Eine solche Änderung ist anzunehmen, wenn sich die Verhältnisse zwischen den betroffenen Währungsräumen aus Sicht des Bilanzstichtages so außerordentlich und nachhaltig geändert haben, dass nicht angenommen werden kann, der Wechselkurs zu dem Zeitpunkt der Eingehung der Verbindlichkeit werde sich ohne Weiteres wieder einstellen.

3. Dies gilt für alle Fremdwährungsdarlehen, d.h. unabhängig davon, ob es sich um ein Darlehen mit unbestimmter oder mit bestimmter Restlaufzeit handelt und ob die Restlaufzeit mindestens zehn Jahre oder weniger beträgt.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.], [X.], vom 16.05.2018 - 2 K 3880/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG. Sie ermittelt ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich.

2

Am 21.12.1999 nahm die Klägerin bei der [X.] ein Fremdwährungsdarlehen in [X.] ([X.]) im Wert von 1 Mio. DM (= 511.291,88 €) auf. Dies entsprach einem Auszahlungsbetrag von 821.240 [X.]. Am [X.] nahm die Klägerin zur Umschuldung dieses Darlehens über 821.240 [X.] bei der [X.] in selbiger Höhe ein (neues) Fremdwährungsdarlehen in [X.] auf. Nach dem Umrechnungskurs dieses Tages betrug der Rückzahlungsbetrag 520.140 €.

3

Eine Zinsbindung wurde zunächst bis 28.08.2007 vereinbart. Danach sollte, bei Fehlen einer speziellen Abrede zur Zinsbindung, für jeweils drei Monate ein Zinssatz in Abhängigkeit von dem [X.] gelten. Eine Kündigung war für beide Seiten mit einer Frist von sieben Bankarbeitstagen zum Ende einer vereinbarten Zinsbindung oder bei Verzinsung nach dem [X.] zum Ende jeder Zinsperiode zulässig. In einer weiteren Vereinbarung vom [X.] wurde der Zinssatz für fünf Jahre bis zum 30.08.2013 auf 4,8 % festgeschrieben. Eine Tilgung war erst zum Ende der Laufzeit vorgesehen.

4

Zum 31.12.2010 war der Kurswert des [X.] gegenüber dem [X.] erheblich gestiegen. Ausgehend von einem Kurswert von 1 € = ca. 1,24645 [X.] bewertete die Klägerin die Fremdwährungsverbindlichkeit gegenüber der [X.] in ihrer zum 31.12.2010 aufgestellten Handelsbilanz daher mit 658.863,17 €. In ihrer Feststellungserklärung für das [X.] bewertete sie sie dagegen mit 639.033 € (1 € = ca. 1,28513 [X.]), da sie davon ausging, dass es sich bei der Wertänderung zwischen dem Bilanzstichtag 31.12.2010 und dem [X.] (28.04.2011) um einen werterhellenden Umstand handele.

5

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) folgte mit Bescheid vom 17.07.2012 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ([X.]) für 2010 zunächst der Feststellungserklärung der Klägerin und nahm unter dem Vorbehalt der Nachprüfung eine entsprechende Feststellung vor. Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung gelangte der Prüfer jedoch zu der Auffassung, dass die Voraussetzungen einer Teilwertzuschreibung für das Fremdwährungsdarlehen nicht gegeben seien. Er ging deshalb für die steuerrechtliche Betrachtung zum Bilanzstichtag 31.12.2010 davon aus, dass das Fremdwährungsdarlehen nur mit dem ursprünglichen Wert vom 21.12.1999 in Höhe von 511.292 € fortzuführen sei. Das [X.] folgte dieser Auffassung und änderte am 12.08.2015 den [X.] 2010 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung entsprechend.

6

In dem hiergegen geführten Einspruchsverfahren begründete die Klägerin die Zuschreibung des Wertes für das Fremdwährungsdarlehen mit der wirtschaftlichen Entwicklung in der [X.]zone seit dem [X.], die zu einer nachhaltigen Erhöhung des Wertes des [X.] gegenüber dem [X.] geführt habe. Das [X.] half mit Einspruchsentscheidung vom 24.11.2016 dem Einspruch teilweise ab. Da es im [X.] an ein von der Klägerin durchgeführtes finanzgerichtliches Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (Aktenzeichen des [X.] 2763/15) davon ausging, dass zwischen den Darlehen aus den Jahren 1999 und 2006 kein Zusammenhang bestehe und der maßgebliche Stichtag für die Bewertung des Darlehens daher der [X.] sei, bewertete es die Fremdwährungsverbindlichkeit mit dem Kurswert dieses Tages in Höhe von 520.140 €. Im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück.

7

Mit ihrer zum [X.] erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Ziel weiter, eine Teilwertzuschreibung der Verbindlichkeit aus dem Fremdwährungsdarlehen zu erreichen.

8

Das [X.] gab der Klage mit Urteil vom 16.05.2018 - 2 K 3880/16 statt. Ausgehend von einem Kurswert zum Bilanzstichtag 31.12.2010 von 1,2504 [X.] = 1 € berücksichtigte es eine Teilwertzuschreibung der Fremdwährungsverbindlichkeit auf 656.782,21 € und änderte den [X.] 2010 entsprechend.

9

Zur Begründung führte das [X.] aus, dass wegen der kürzeren Restlaufzeit des streitigen Fremdwährungsdarlehens von am Bilanzstichtag weniger als vier Jahren nicht die strengen Anforderungen an eine Teilwertzuschreibung für langfristig gewährte Darlehen Anwendung fänden. Eine Teilwertzuschreibung sei bei einem solchen Darlehen bereits möglich, wenn, wie im Streitfall, die [X.] eine Grenze von 20 % für den einzelnen Bilanzstichtag bzw. von 10 % für zwei aufeinanderfolgende Stichtage überschreite.

Selbst wenn man aber von einem langfristigen Fremdwährungsdarlehen ausgehe, habe eine voraussichtlich dauernde Werterhöhung zum Bilanzstichtag vorgelegen. Denn dem [X.] des [X.] gegenüber dem [X.] habe wegen der Schuldenkrise in mehreren Mitgliedstaaten des [X.]-Währungsraums und der deshalb ergriffenen Stützungsmaßnahmen von enormem Ausmaß eine fundamentale Änderung der Wirtschaftsdaten zugrunde gelegen, die ungeachtet etwaiger Laufzeiten eine Teilwertzuschreibung rechtfertige.

Das [X.] stellte weiter fest, dass die 16 Mitgliedstaaten der [X.]päischen Union ([X.]), deren gemeinsame Währung der [X.] ist (sog. [X.]-Gruppe), im Streitjahr (2010) verschiedene Maßnahmen zur Stützung einiger ihrer zum Teil erheblich verschuldeten Mitgliedstaaten ergriffen hätten. Zunächst sei ein Hilfspaket für einen Gesamtfinanzierungsbedarf von 110 Mrd. € für den Mitgliedstaat [X.] beschlossen worden. Bei einem Sondergipfel der [X.]-Gruppe im Mai 2010 sei zudem ein [X.] Stabilisierungsmechanismus (sog. [X.]-Rettungsschirm) mit einem Volumen von 750 Mrd. € installiert worden, da auch weitere Mitgliedstaaten auf dem Finanzmarkt unter Druck geraten seien. Am 28.11.2010 hätten die Finanzminister der [X.]-Gruppe zudem finanzielle Hilfen für den Mitgliedstaat [X.] bewilligt. Zum Jahresende 2010 hätten die [X.] der [X.]-Gruppe schließlich über die Errichtung eines dauerhaften [X.] Stabilitätsmechanismus zur Wahrung ihrer Finanzstabilität verhandelt. [X.] habe deshalb am Bilanzstichtag 31.12.2010 vom Vorliegen oder unmittelbaren Bevorstehen einer Währungskrise ausgehen und damit eine fundamentale Veränderung der Wirtschaftsdaten annehmen können.

Mit seiner Revision rügt das [X.] die Verletzung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das [X.] habe unzutreffend beurteilt, wann eine voraussichtlich dauernde Erhöhung des [X.] vorliege. Der Kurswert müsse hierfür über einen längeren Zeitraum betrachtet werden, nicht nur am Bilanzstichtag.

Auch die von dem [X.] hilfsweise bejahte fundamentale Veränderung der wirtschaftlichen, finanzpolitischen Daten liege nicht vor. Die [X.]- und Finanzkrise habe nicht schon zum Bilanzstichtag 31.12.2010 zu einer fundamentalen Veränderung des [X.] geführt, sondern erst im Folgejahr am 06.09.2011, als die [X.] einen Mindestkurs für den [X.] im Verhältnis zum [X.] festgelegt habe.

Das [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das [X.]-Urteil.

Die Klägerin und das [X.] haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) als unbegründet zurückzuweisen.

1. Das [X.] hat zu Recht die geltend gemachte Teilwertzuschreibung anerkannt.

a) Nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG hat die Klägerin, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, in ihrer Bilanz die ihrem Betriebsvermögen zuzurechnenden Wirtschaftsgüter mit den sich aus § 6 EStG ergebenden Werten anzusetzen (vgl. § 5 Abs. 6 EStG).

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Ausgenommen von der Abzinsung sind solche Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen.

Es gehört zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, dass alle Bilanzposten nach § 244 des Handelsgesetzbuchs (HGB) in [X.] anzusetzen sind ([X.]/[X.], EStG, 40. Aufl., § 5 Rz 82; [X.] in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl., § 5 Rz 44; vgl. Beschluss des [X.] --BFH-- vom 16.12.2008 - I [X.]/08, [X.], 940, unter [X.] [Rz 12], zur Gewinnermittlung der inländischen Betriebsstätte einer ausländischen Gesellschaft). Ist eine zu passivierende Verbindlichkeit in einer Fremdwährung zu erfüllen, so muss in der Bilanz daher eine Umrechnung in [X.] erfolgen.

[X.] sind danach grundsätzlich mit dem Rückzahlungsbetrag zu bewerten, der sich aus dem Wechselkurs der Fremdwährung --dem Preis einer Einheit der betreffenden ausländischen Währung in [X.]-- im Zeitpunkt der Aufnahme ([X.]) des betreffenden Darlehens ergibt (vgl. BFH-Urteile vom [X.], [X.], 564, [X.], 778, unter [X.] [Rz 19], und vom 04.02.2014 - I R 53/12, Rz 11).

b) Der Rückzahlungsbetrag ändert sich jedoch, wenn sich der Wechselkurs der Währung, die einer Fremdwährungsverbindlichkeit zugrunde liegt, ändert. Erhöht sich der Wechselkurs, so erhöht sich auch der Rückzahlungsbetrag und damit auch der Teilwert der Verbindlichkeit (BFH-Urteil in [X.], 564, [X.], 778, unter [X.] [Rz 20]).

Mit dem (höheren) Teilwert kann eine Verbindlichkeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG in entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG angesetzt werden, wenn dieser aufgrund einer voraussichtlich dauernden [X.] höher ist als der ursprüngliche Rückzahlungsbetrag.

aa) Entsprechend einer voraussichtlich dauernden Wertminderung bei Wirtschaftsgütern des [X.] ist eine voraussichtlich dauernde Werterhöhung von Verbindlichkeiten dann anzunehmen, wenn deren Teilwert nachhaltig über den Buchwert gestiegen ist. Das ist der Fall, wenn aus der Sicht des [X.] aufgrund objektiver Anzeichen ernstlich mit einem langfristigen Anhalten der Werterhöhung gerechnet werden muss. Erforderlich ist, dass aus Sicht des [X.] mehr Gründe für ein Andauern der Werterhöhung sprechen als dagegen. Ob bei [X.] eine Veränderung des Wechselkurses zum Bilanzstichtag eine voraussichtlich dauernde Wertänderung darstellt, hängt maßgeblich von der Laufzeit der Verbindlichkeit ab. Für langfristige [X.], deren Restlaufzeit zum maßgeblichen Bilanzstichtag noch mindestens zehn Jahre beträgt, ist bereits entschieden, dass danach nicht jede Kursveränderung als dauerhafte Wertänderung anzusehen ist. Denn es kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass sich entstandene Währungsschwankungen in der vorhandenen Restlaufzeit ausgleichen (BFH-Urteil in [X.], 564, [X.], 778, unter [X.] [Rz 21 ff.]).

bb) Liegen allerdings Tatsachen vor, die eine dauerhafte Veränderung der Wechselkurse begründen, so kann dies eine Teilwertzuschreibung auch bei langfristigen [X.] rechtfertigen (vgl. BFH-Urteil in [X.], 564, [X.], 778, unter [X.] dd [Rz 31]).

(1) Entgegen der Auffassung des [X.] ist dies allerdings nicht bereits dann der Fall, wenn die [X.] eine Grenze von 20 % für den einzelnen Bilanzstichtag bzw. von jeweils 10 % für zwei aufeinanderfolgende Stichtage überschreitet (ebenso [X.] Baden-Württemberg, Urteil vom 11.07.2017 - 5 K 1091/15, Rz 58, rechtskräftig; kritisch auch [X.] EStG/Oellerich, 10. [X.]. [01.06.2021], EStG § 6 Rz 1768). Denn der prognostische Ansatz einer "voraussichtlich dauernden" Wertminderung (bzw. -erhöhung) verlangt jedenfalls ansatzweise eine Würdigung des Grundes für die eingetretene [X.] und eine Begründung für ihre angenommene Fortdauer in der Zukunft. Anderenfalls könnten --entgegen dem erkennbaren Willen des [X.] bereits zufällige Wertschwankungen, die am Bilanzstichtag auftreten, zum [X.] berechtigen. Angesichts der Schwankungsbreiten zwischen dem [X.]-Raum einerseits und den verschiedenen globalen Währungsräumen andererseits kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass jedenfalls bei einer [X.] von 20 % für den einzelnen Bilanzstichtag bzw. von jeweils 10 % für zwei aufeinanderfolgende Stichtage generell von einer "voraussichtlich dauernden" [X.] auszugehen ist.

(2) Ändern sich jedoch wirtschaftliche und/oder finanzpolitische Daten im Verhältnis des [X.] zu einem anderen Währungsraum in fundamentaler Weise, so kann eine daraus resultierende Änderung des Wechselkurses bei [X.] zu einer Teilwertzuschreibung berechtigen (dazu bereits BFH-Urteil in [X.], 564, [X.], 778, unter [X.] dd [Rz 31]). Dies ist dann anzunehmen, wenn sich die Verhältnisse zwischen den betroffenen Währungsräumen aus Sicht des [X.] so außerordentlich und nachhaltig geändert haben, dass nicht angenommen werden kann, der Wechselkurs zum Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit werde sich ohne Weiteres wieder einstellen.

Die Annahme, dass eine eingetretene Währungsschwankung sich zum Ende der Laufzeit der Verbindlichkeit wieder aufgelöst haben werde, muss also durch die Feststellung einer außerordentlichen und nachhaltigen Änderung der wirtschaftlichen und/oder währungspolitischen Verhältnisse in den betroffenen Währungsräumen widerlegt werden. Dies gilt nicht nur für Fremdwährungsdarlehen mit einer langen Restlaufzeit von mindestens zehn Jahren (vgl. dazu BFH-Urteil in [X.], 564, [X.], 778), sondern erst recht bei Verbindlichkeiten mit einer kürzeren Restlaufzeit. Denn dort ist wegen des kürzeren Zeitraums bis zum Zeitpunkt der anzunehmenden Tilgung der Schuld weniger Zeit und Gelegenheit zur Aufholung des eingetretenen Kursverlustes des [X.] gegenüber der betreffenden Fremdwährung. Ist die Restlaufzeit des [X.] kürzer, so wird im Allgemeinen eher angenommen werden können, dass sich der eingetretene Kursverlust nicht bis zur Tilgung zum [X.] wird. Eine Teilwertzuschreibung ist dann regelmäßig leichter zu begründen.

c) Die vorzunehmende Prognoseentscheidung über Umfang und Dauer der Wertminderung bzw. -erhöhung ist Teil der Ermittlung des [X.]. Dabei handelt es sich um eine Schätzung nach § 162 der Abgabenordnung ([X.]), die zu den Tatsachenfeststellungen des [X.] i.S. von § 118 Abs. 2 [X.]O gehört und daher revisionsrechtlich nur daraufhin überprüft werden kann, ob sie dem Grunde nach zulässig war, in verfahrensfehlerfreier Weise zustande gekommen ist und nicht gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verstößt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 16.12.2015 - IV R 18/12, [X.], 408, [X.], 346, Rz 30, und vom 12.03.2020 - IV R 9/17, [X.], 319, [X.] 2021, 226, Rz 34).

Kann das [X.] die tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer geltend gemachten Teilwertabschreibung nicht feststellen, so trifft den Steuerpflichtigen nach allgemeinen Grundsätzen hierfür die Feststellungslast (z.B. BFH-Urteile in [X.], 408, [X.], 346, Rz 40, und vom 15.01.2019 - [X.]/17, Rz 81). Dies gilt in gleichem Maße für die Teilwertzuschreibung von Verbindlichkeiten.

d) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berücksichtigung wertbegründender Tatsachen ist der Bilanzstichtag. Als "werterhellend" sind darüber hinaus Tatsachen für die Bilanz zu berücksichtigen, die zum Bilanzstichtag bereits objektiv vorlagen und erst nach dem Bilanzstichtag, aber bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Bilanz aufgestellt wurde --längstens bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bilanz nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang (§ 243 Abs. 3 HGB) aufzustellen gewesen [X.] bekannt oder erkennbar wurden (vgl. BFH-Urteile vom 30.03.2017 - IV R 9/15, [X.], 44, [X.] 2017, 896, Rz 28, und vom 15.09.2004 - I R 5/04, [X.], 116, [X.], 100, unter [X.] [Rz 38]).

Wird der Teilwert auf der Grundlage eines Kurswertes ermittelt, so stellen eingetretene Kursänderungen wertbegründende, nicht lediglich [X.] Umstände dar; sie sind also nur bis zum Bilanzstichtag zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 21.09.2011 - I R 89/10, [X.], 263, [X.] 2014, 612, Rz 19). Soweit Entscheidungen wirtschaftlicher oder währungspolitischer Art für die Prognose zukünftiger Kursentwicklungen von Bedeutung sind, stellen auch sie wertbegründende Tatsachen dar und können deshalb ebenfalls nur berücksichtigt werden, soweit sie bereits am maßgeblichen Bilanzstichtag vorlagen (so etwa auch Neufang/[X.], Der Steuerberater 2016, 128, 130; [X.]/[X.], Der Betrieb 2015, 631; Korn/Strahl in Korn, § 6 EStG Rz 203).

e) Ausgehend von den dargestellten Grundsätzen ist das [X.]-Urteil im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

aa) Zu Unrecht ist das [X.] zwar davon ausgegangen, dass die begehrte Teilwertzuschreibung bereits deshalb vorzunehmen sei, weil der Rückzahlungsbetrag der streitigen Fremdwährungsverbindlichkeit am Bilanzstichtag 31.12.2010 mit einem Kurswert von 656.782,21 € mit 26,27 % um mehr als 20 % über dem Rückzahlungsbetrag im Zeitpunkt der hier maßgeblichen Darlehensaufnahme am [X.] mit einem Kurswert von 520.140 € gelegen habe (dazu oben unter [X.] bb (1)).

bb) [X.] nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des [X.] hingegen insoweit, als das [X.] die Zuerkennung der begehrten Teilwertzuschreibung hilfsweise damit begründet hat, dass am Bilanzstichtag 31.12.2010 eine fundamentale Veränderung der Wirtschaftsdaten zwischen dem [X.]-Raum und der [X.] vorgelegen habe.

(1) Zu Recht ist das [X.] insoweit zunächst davon ausgegangen, dass derartige Veränderungen eine Teilwertzuschreibung ungeachtet etwaiger Laufzeiten von Darlehensverträgen rechtfertigen, also unabhängig davon, ob es sich im Einzelfall um ein Darlehen mit unbestimmter oder mit bestimmter Restlaufzeit handelt und ob die Restlaufzeit mindestens zehn Jahre oder weniger beträgt (dazu [X.] bb (2)), so dass im Streitfall dahinstehen könne, ob von einem Darlehen mit langer Laufzeit auszugehen sei oder nicht.

(2) [X.] nicht zu beanstanden ist des Weiteren die vom [X.] getroffene Prognoseentscheidung, dass am Bilanzstichtag 31.12.2010 eine fundamentale Änderung wirtschaftlicher oder währungspolitischer Daten zum Bilanzstichtag vorgelegen habe, die eine voraussichtlich dauernde Werterhöhung der Verbindlichkeit begründet habe. Auf der Grundlage der vom [X.] dargestellten Entwicklung der währungspolitischen Situation im [X.]-Raum im Streitjahr sowie der von ihm festgestellten, vor dem Bilanzstichtag 31.12.2010 getroffenen umfangreichen Maßnahmen der Mitgliedstaaten der [X.]-Gruppe wie auch der [X.] durfte das [X.] annehmen, dass eine außerordentliche und nachhaltige Änderung der wirtschaftlichen und währungspolitischen Verhältnisse in dem [X.]-Raum stattgefunden habe und dass der erheblich erhöhte Kurswert des [X.] von 1,2504 [X.] = 1 € am Bilanzstichtag 31.12.2010 nicht ohne Weiteres zu dem [X.] bei Darlehensaufnahme am [X.] von 1,5789 [X.] = 1 € zurückkehren werde.

Die Außerordentlichkeit der ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Schuldenkrise ist im Übrigen auch daran erkennbar, dass gerade diese außergewöhnlichen Umstände als Begründung der Einführung des [X.]päischen Stabilisierungsmechanismus angeführt wurden (vgl. Begründungserwägungen der Verordnung ([X.]) Nr. 407/2010 des Rates vom 11.05.2010 zur Einführung eines [X.] Finanzstabilisierungsmechanismus, Amtsblatt der [X.]päischen Union 2010, L 118, 1). Auch das [X.] ([X.]) hat im Streitjahr die Begründung der Bundesregierung für die Teilnahme der [X.] an Stützungsmaßnahmen, dass ohne die entsprechenden Hilfsmaßnahmen die Stabilität der gesamten [X.]päischen Währungsunion gefährdet gewesen wäre, ausdrücklich nicht beanstandet ([X.]-Beschluss vom [X.] - 2 BvR 1099/10, [X.]E 126, 158, Rz 33).

2. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

3. Die Entscheidung ergeht nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 [X.]O mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

Meta

IV R 18/18

10.06.2021

Bundesfinanzhof 4. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 16. Mai 2018, Az: 2 K 3880/16, Urteil

§ 4 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 5 EStG 2009, § 6 Abs 1 Nr 2 S 2 EStG 2009, § 6 Abs 1 Nr 3 EStG 2009, § 243 Abs 3 HGB, § 244 HGB, § 118 Abs 2 FGO, § 162 AO, EStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.06.2021, Az. IV R 18/18 (REWIS RS 2021, 5108)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5108

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