Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.11.2014, Az. VIII ZR 42/14

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 1431

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 42/14

Verkündet am:

12. November 2014

Ring

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 242 [X.], § 433 Abs. 1
Zur Wirksamkeit eines im Wege der Internetauktion ("[X.]") abgeschlossenen [X.], bei dem ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht (Fortführung von [X.], Urteil vom 28. März 2012 -
VIII ZR 244/10, NJW 2012, 2723).

[X.], Urteil vom 12. November 2014 -
VIII ZR 42/14 -
OLG [X.]

[X.]

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Der VIII. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. November 2014 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richte-rin [X.] sowie [X.] [X.], [X.] und Kosziol

für Recht erkannt:
Die Revision des [X.]n gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 15. Januar 2014 wird [X.].

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der [X.] zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der [X.] stellte am Abend des 24. Mai 2012 einen gebrauchten [X.] ein. Der Kläger nahm das Angebot wenige Minuten später an, wobei er ein [X.] die Auktion ab. Zu dieser Zeit war der Kläger der einzige Bieter. Auf des-sen Nachfrage teilte der [X.] mit, dass er
einen Käufer außerhalb der [X.] gefunden habe.
Der Kläger nimmt den [X.]n auf Schadensersatz in Höhe von 5.249

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wesen sei. Die Klage hat vor dem [X.] dem Grunde nach Erfolg gehabt. Das [X.] hat die Berufung des [X.]n zurückgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der [X.] seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht (Thüringer [X.], Urteil vom 15. Ja-nuar 2014 -
7 [X.], juris) hat, soweit für das Revisionsverfahren von [X.], im Wesentlichen ausgeführt: Zwischen den Parteien sei ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen, wegen dessen Nichterfüllung der [X.] Schadensersatz zu leisten habe. Die vom [X.]n erklärte Anfechtung greife nicht durch, weil kein Irrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 [X.] vorgelegen habe. Der Kaufvertrag sei mangels verwerflicher Gesinnung des [X.] auch nicht sittenwidrig (§
138 Abs. 1 [X.]). Die beiderseitige Chance auf ein "Schnäpp-chen" sei gerade typisch für [X.]-Versteigerungen.
Auch ein Rechtsmissbrauch sei entgegen der Auffassung des Oberlan-desgerichts Koblenz ([X.], 630), wonach ein "Schnäppchen" nur ein [X.] sei, welches innerhalb einer realistischen Preisspanne liege, nicht gege-ben. Der Käufer mache lediglich von einer Kaufmöglichkeit Gebrauch, die ihm der Verkäufer selbst eröffnet habe. Außerhalb der Verkaufsplattform [X.] kä-men Verträge mit einem derartigen Missverhältnis zwischen Leistung und Ge-3
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genleistung zwar niemals zustande. Durch die Nutzung von [X.] werde ein solches Missverhältnis aber in Kauf genommen. Da der Verkäufer auch einen Mindestpreis eingeben könne, sei er gegenüber dem Käufer nicht schutzbedürf-tig.

II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §
437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 [X.] dem Grunde nach zuerkannt.
1. a) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag über das Fahrzeug zustande gekommen ist. [X.] hat es rechtsfehlerfrei und insoweit von der Revision nicht angegrif-fen festgestellt, dass der [X.] die Internetauktion ohne berechtigten Grund vorzeitig abgebrochen hat und nicht zur Anfechtung seines Angebots wegen Irrtums nach §§
119
ff. [X.] berechtigt war.
b) Entgegen der Auffassung der Revision scheitert der Schadensersatz-anspruch nicht daran, dass der mit dem [X.]n geschlossene Kaufvertrag als wucherähnliches Rechtsgeschäft wegen Sittenwidrigkeit nichtig wäre (§ 138 Abs. 1 [X.]). Bei einer Internetauktion rechtfertigt ein grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot eines Bieters und dem (angenommenen) Wert des Versteigerungsobjekts nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine verwerfli-che Gesinnung des Bieters im Sinne von § 138 Abs. 1 [X.]. Es bedarf vielmehr zusätzlicher -
zu einem etwaigen Missverhältnis von Leistung und Gegenleis-tung hinzutretender -
Umstände, aus denen bei einem Vertragsschluss im 7
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Rahmen einer Internetauktion auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters [X.] werden kann ([X.]surteil vom 28. März 2012 -
VIII ZR 244/10, NJW 2012, 2723 Rn. 20 f.).
Solche
Umstände hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Zu Unrecht dass der Kläger nicht bereit gewesen sei, einen auch nur annähernd dem Marktpreis entsprechenden Preis zu bieten. Wie die Revisionserwiderung zu-treffend geltend macht, erschließt sich nicht, weshalb ein (Höchst-)Gebot unter-halb des [X.] sittlich zu missbilligen sein soll. Gibt der Bieter ein Maxi-malgebot ab, ist er nicht gehalten, dieses am mutmaßlichen Marktwert auszu-richten. Wie der [X.] bereits entschieden hat, macht es gerade den Reiz einer Internetauktion aus, den [X.] zu einem "Schnäppchenpreis" zu erwerben, während umkehrt der Veräußerer die Chance wahrnimmt, durch den Mechanismus des Überbietens einen für ihn vorteilhaften Preis zu erzielen ([X.] vom 28. März 2012 -
VIII ZR 244/10, aaO).
2. Der [X.] kann dem Kläger, wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, auch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 [X.]) entgegenhalten. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfäl-tige und umfassende Prüfung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles und muss auf besondere Ausnahmefälle beschränkt bleiben ([X.], Urteile vom 27. April 1977 -
IV ZR 143/76, [X.]Z 68, 299, 304; vom 7. Januar 1971 -
II
ZR 23/70, [X.]Z 55, 274, 279
f.). Einen solchen Fall hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.
Die von der Revision angeführte Auffassung des [X.]s Koblenz (Hinweisbeschluss vom 3. Juni 2009 -
5 [X.], [X.], 630; ebenso bereits die Vorinstanz: [X.], NJW 2010, 159, 160
f.; siehe auch 10
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AG [X.], Urteil vom 4. Juli 2011 -
20 [X.], juris Rn. 28 ff.), der Käufer sei nicht schutzwürdig, weil er von dem nicht zu erwartenden vorzeitigen Abbruch der Auktion profitieren wolle und nicht damit rechnen könne, den [X.] bei Fortgang der Auktion tatsächlich zu dem geringen Gebot zu erwer-ben, ist im Schrifttum zu Recht auf Ablehnung gestoßen ([X.], Jura 2012, 497, 500; Härting, Internetrecht, 5. Aufl., Rn.
546; Wenn, [X.] 16/2009 [X.]; [X.], [X.] 9/2009 [X.]. 5; siehe auch BeckOK [X.]/Sutschet, Stand: 1. August 2014, § 242 Rn. 93). Auch die Rechtsprechung der Instanzge-richte hat in ähnlichen Fallgestaltungen keine unzulässige Rechtsausübung durch den Käufer angenommen ([X.], Urteil vom 22. Februar 2012

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S 163/11, juris Rn. 11 ff.; LG
Berlin, Urteil vom 21. Mai 2012 -
52 [X.]/11, juris Rn. 30 f.; [X.], Urteil vom 5. Dezember 2012 -
23 C 0317/12, juris Rn. 14 ff.; [X.], NJW-RR 2011, 133, 134). Denn es ist der [X.], der das Risiko eines für ihn ungünstigen Auktionsverlaufs durch die Wahl eines niedrigen Startpreises unterhalb des Marktwerts ohne Einrichtung eines Mindestpreises eingegangen ist (zutreffend [X.], [X.], 446, 448 f., zum Fall einer regulär beendeten Internetauktion). Zudem hat der Be-

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klagte in der hier gegebenen Fallgestaltung durch seinen freien Entschluss zum nicht gerechtfertigten Abbruch der Auktion die Ursache dafür gesetzt, dass sich das Risiko verwirklicht.

[X.] [X.]

Dr. [X.]

[X.] Kosziol
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.04.2013 -
3 O 527/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 15.01.2014 -
7 [X.] -

Meta

VIII ZR 42/14

12.11.2014

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.11.2014, Az. VIII ZR 42/14 (REWIS RS 2014, 1431)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1431

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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