Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.11.2014, Az. VIII ZR 42/14

8. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 1444

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Gegenstand

Wirksamkeit eines via eBay geschlossenen Gebrauchtwagenkaufvertrages bei grobem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung


Leitsatz

Zur Wirksamkeit eines im Wege der Internetauktion ("eBay") abgeschlossenen Kaufvertrages, bei dem ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht (Fortführung von BGH, Urteil vom 28. März 2012, VIII ZR 244/10, NJW 2012, 2723).

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 15. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte stellte am Abend des 24. Mai 2012 einen gebrauchten [X.] für zehn Tage zur Internetauktion bei [X.] mit einem Startpreis von 1 € ein. Der Kläger nahm das Angebot wenige Minuten später an, wobei er ein Maximalgebot von 555,55 € festlegte. Nach rund sieben Stunden brach der Beklagte die Auktion ab. Zu dieser Zeit war der Kläger der einzige Bieter. Auf dessen Nachfrage teilte der Beklagte mit, dass er einen Käufer außerhalb der Auktion gefunden habe.

2

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 5.249 € mit der Behauptung in Anspruch, dass das Fahrzeug 5.250 € wert gewesen sei. Die Klage hat vor dem [X.] dem Grunde nach Erfolg gehabt. Das [X.] hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

3

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht ([X.], Urteil vom 15. Januar 2014 - 7 U 399/13, juris) hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt: Zwischen den Parteien sei ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen, wegen dessen Nichterfüllung der [X.] Schadensersatz zu leisten habe. Die vom [X.]n erklärte Anfechtung greife nicht durch, weil kein Irrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 [X.] vorgelegen habe. Der Kaufvertrag sei mangels verwerflicher Gesinnung des [X.] auch nicht sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 [X.]). Die beiderseitige Chance auf ein "Schnäppchen" sei gerade typisch für [X.]-Versteigerungen.

6

Auch ein Rechtsmissbrauch sei entgegen der Auffassung des [X.] ([X.], 630), wonach ein "Schnäppchen" nur ein solches sei, welches innerhalb einer realistischen Preisspanne liege, nicht gegeben. Der Käufer mache lediglich von einer Kaufmöglichkeit Gebrauch, die ihm der Verkäufer selbst eröffnet habe. Außerhalb der Verkaufsplattform [X.] kämen Verträge mit einem derartigen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zwar niemals zustande. Durch die Nutzung von [X.] werde ein solches Missverhältnis aber in Kauf genommen. Da der Verkäufer auch einen Mindestpreis eingeben könne, sei er gegenüber dem Käufer nicht schutzbedürftig.

II.

7

Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 [X.] dem Grunde nach zuerkannt.

8

1. a) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag über das Fahrzeug zustande gekommen ist. Insbesondere hat es rechtsfehlerfrei und insoweit von der Revision nicht angegriffen festgestellt, dass der [X.] die Internetauktion ohne berechtigten Grund vorzeitig abgebrochen hat und nicht zur Anfechtung seines Angebots wegen Irrtums nach §§ 119 ff. [X.] berechtigt war.

9

b) Entgegen der Auffassung der Revision scheitert der Schadensersatzanspruch nicht daran, dass der mit dem [X.]n geschlossene Kaufvertrag als wucherähnliches Rechtsgeschäft wegen Sittenwidrigkeit nichtig wäre (§ 138 Abs. 1 [X.]). Bei einer Internetauktion rechtfertigt ein grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot eines Bieters und dem (angenommenen) Wert des Versteigerungsobjekts nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters im Sinne von § 138 Abs. 1 [X.]. Es bedarf vielmehr zusätzlicher - zu einem etwaigen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung hinzutretender - Umstände, aus denen bei einem Vertragsschluss im Rahmen einer Internetauktion auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters geschlossen werden kann ([X.]surteil vom 28. März 2012 - [X.], NJW 2012, 2723 Rn. 20 f.).

Solche Umstände hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Zu Unrecht meint die Revision, die Begrenzung des Gebots auf 555,55 € mache deutlich, dass der Kläger nicht bereit gewesen sei, einen auch nur annähernd dem Marktpreis entsprechenden Preis zu bieten. Wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, erschließt sich nicht, weshalb ein (Höchst-)Gebot unterhalb des [X.] sittlich zu missbilligen sein soll. Gibt der Bieter ein Maximalgebot ab, ist er nicht gehalten, dieses am mutmaßlichen Marktwert auszurichten. Wie der [X.] bereits entschieden hat, macht es gerade den Reiz einer Internetauktion aus, den [X.] zu einem "Schnäppchenpreis" zu erwerben, während umkehrt der Veräußerer die Chance wahrnimmt, durch den Mechanismus des Überbietens einen für ihn vorteilhaften Preis zu erzielen ([X.]surteil vom 28. März 2012 - [X.], aaO).

2. Der [X.] kann dem Kläger, wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, auch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 [X.]) entgegenhalten. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige und umfassende Prüfung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles und muss auf besondere Ausnahmefälle beschränkt bleiben ([X.], Urteile vom 27. April 1977 - [X.], [X.]Z 68, 299, 304; vom 7. Januar 1971 - [X.], [X.]Z 55, 274, 279 f.). Einen solchen Fall hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.

Die von der Revision angeführte Auffassung des [X.] (Hinweisbeschluss vom 3. Juni 2009 - 5 U 429/09, [X.], 630; ebenso bereits die Vorinstanz: [X.], NJW 2010, 159, 160 f.; siehe auch [X.], Urteil vom 4. Juli 2011 - 20 C 65/11, juris Rn. 28 ff.), der Käufer sei nicht schutzwürdig, weil er von dem nicht zu erwartenden vorzeitigen Abbruch der Auktion profitieren wolle und nicht damit rechnen könne, den Kaufgegenstand bei Fortgang der Auktion tatsächlich zu dem geringen Gebot zu erwerben, ist im Schrifttum zu Recht auf Ablehnung gestoßen ([X.], Jura 2012, 497, 500; Härting, Internetrecht, 5. Aufl., Rn. 546; Wenn, [X.] 16/2009 [X.]; [X.], [X.] 9/2009 [X.]. 5; siehe auch BeckOK [X.]/Sutschet, Stand: 1. August 2014, § 242 Rn. 93). Auch die Rechtsprechung der Instanzgerichte hat in ähnlichen Fallgestaltungen keine unzulässige Rechtsausübung durch den Käufer angenommen ([X.], Urteil vom 22. Februar 2012 - 10 S 163/11, juris Rn. 11 ff.; [X.], Urteil vom 21. Mai 2012 - 52 S 140/11, juris Rn. 30 f.; [X.], Urteil vom 5. Dezember 2012 - 23 C 0317/12, juris Rn. 14 ff.; [X.], NJW-RR 2011, 133, 134). Denn es ist der Verkäufer, der das Risiko eines für ihn ungünstigen Auktionsverlaufs durch die Wahl eines niedrigen Startpreises unterhalb des Marktwerts ohne Einrichtung eines Mindestpreises eingegangen ist (zutreffend [X.], [X.], 446, 448 f., zum Fall einer regulär beendeten Internetauktion). Zudem hat der [X.] in der hier gegebenen Fallgestaltung durch seinen freien Entschluss zum nicht gerechtfertigten Abbruch der Auktion die Ursache dafür gesetzt, dass sich das Risiko verwirklicht.

[X.]                       Dr. Hessel                      Dr. Schneider

                 [X.]                        Kosziol

Meta

VIII ZR 42/14

12.11.2014

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Thüringer Oberlandesgericht, 15. Januar 2014, Az: 7 U 399/13, Urteil

§ 138 Abs 1 BGB, § 242 BGB, § 280 BGB, § 433 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.11.2014, Az. VIII ZR 42/14 (REWIS RS 2014, 1444)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 548 REWIS RS 2014, 1444

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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