Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.06.2022, Az. 2 StR 47/22

2. Strafsenat | REWIS RS 2022, 4088

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Gegenstand

Strafzumessung bei Einziehung als Nebenstrafe


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten – hinsichtlich des Angeklagten [X.], soweit dieser verurteilt worden ist – wird das Urteil des [X.] vom 21. September 2021

a) im Ausspruch über die Einziehung von Betäubungsmitteln dahingehend neu gefasst, dass die im Verfahren sichergestellten Betäubungsmittel (22,464 Kilogramm netto Marihuana) eingezogen sind;

b) mit den Feststellungen aufgehoben;

aa) in den [X.],

bb) im Ausspruch über die Einziehung von 2.000 € und über die Einziehung eines Wohnmobils.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte [X.]wegen „unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, den Angeklagten [X.], unter Freispruch im Übrigen, wegen „Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer solchen von fünf Jahren. Es hat ferner die Einziehung eines näher bezeichneten Wohnmobils, der „in diesem Verfahren sichergestellten Betäubungsmittel“ und – gegen den Angeklagten [X.] – des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.000 € sowie die Anrechnung der in S.      erlittenen Haft im Maßstab 1:1 angeordnet. Die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg, im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

Nach den Urteilsfeststellungen führte die Angeklagte [X.]im Februar 2021 unter Mitwirkung des Angeklagten [X.] in einem für diese Zwecke mit einem versteckten Bodenfach ausgestatteten Wohnmobil insgesamt 22.464 Kilogramm (netto) Marihuana von S.    nach [X.] ein, wo das Wohnmobil nebst darin befindlichen Betäubungsmitteln sichergestellt wurde.

II.

3

Während die Schuldsprüche keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten aufweisen, können die Einziehungsentscheidung teilweise und die [X.] insgesamt keinen Bestand haben. Im Einzelnen:

4

1. Die auf § 33 BtMG gestützte Einziehungsanordnung ist nicht hinreichend bestimmt. Der Ausspruch über die Anordnung einer Einziehung hat die einzuziehenden Gegenstände so genau zu kennzeichnen, dass bei allen Beteiligten und der Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht; im Falle von Betäubungsmitteln gehört dazu die Angabe von Art und Menge des einzuziehenden Rauschgifts, die sich aus dem [X.] ergeben muss (vgl. [X.], Beschluss vom 24. November 2021 – 2 [X.]/21 mwN). Da die erforderlichen Angaben in den Urteilsgründen enthalten sind, hat der [X.] die Einziehungsentscheidung dementsprechend neu gefasst.

5

2. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.000 € kann keinen Bestand haben. Die Urteilsgründe belegen nicht, dass der Angeklagte [X.] diesen Betrag durch oder für die Tat erlangt hat, derentwegen er schuldig gesprochen ist. Vielmehr hat er diesen Betrag ausweislich der Urteilsgründe auch für die im Zusammenhang mit einer ersten, nicht zur Aburteilung gelangten Fahrt nach S.    entstandenen Reisekosten erhalten und diesen mit der Angeklagten [X.]geteilt. Tat im Sinne der §§ 73, 73c StGB ist aber nur die angeklagte und vom Gericht festgestellte, rechtswidrige Tat. Wieviel des gesamten Betrages auf die Kostenerstattung für die [X.] – und sei es nur schätzungsweise – entfiel, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Das neue Tatgericht wird gegebenenfalls auch eine gesamtschuldnerische Haftung hinsichtlich eines etwaig erlangten Wertes von Taterträgen in Betracht zu ziehen haben, da die Angeklagten den erlangten Betrag teilten.

6

3. Auch die allein auf § 74b Abs. 1 Nr. 2 StGB gestützte Einziehungsentscheidung hinsichtlich des sichergestellten Wohnmobils begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der [X.] muss dabei nicht entscheiden, ob die [X.] an einer Einziehung nach § 74b StGB deswegen gehindert gewesen wäre, weil das Wohnmobil auch nach § 74 StGB bei einem Angeklagten – weil in dessen Eigentum stehend – hätte eingezogen werden können (vgl. LK-StGB/[X.], 13. Aufl., § 74b Rn. 10; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 74b Rn. 10 je mwN; [X.], StGB, 69. Aufl., § 74b Rn. 7). Denn die Urteilsgründe lassen schon nicht erkennen, dass sich die [X.] des ihr auch nach § 74b StGB zukommenden Ermessens bewusst war und sie erwogen hat, ob der [X.] auch durch weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden kann (§ 74f Abs. 1 Satz 2, 3 StGB). Dass eine solche Maßnahme – etwa ein Rückbau bzw. die Unbrauchbarmachung des im Fahrzeug eingebauten Hohlraumverstecks – wirtschaftlich sinnlos oder aus anderen Gründen nicht in Betracht zu ziehen wäre, lässt sich den Urteilsgründen ebenfalls nicht entnehmen.

7

4. Die [X.] können keinen Bestand haben, weil die [X.] nicht in den Blick genommen und erörtert hat, dass die Einziehung – jedenfalls soweit sie auch nach § 74 StGB möglich wäre – den Charakter einer Nebenstrafe hat und damit eine [X.] darstellt (vgl. [X.], Beschluss vom 12. März 2013 – 2 StR 43/13, [X.], 565).

8

a) Wird dem Täter ein ihm zustehender Gegenstand von nicht unerheblichem Wert auf der Grundlage (auch) von § 74 Abs. 1 StGB entzogen, ist dies ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter treffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 16. Februar 2012 – 3 [X.], [X.], 169; vom 27. Mai 2014 – 3 [X.], [X.], 633, jeweils mwN), mag dem auch bei einer (zugleich) auf § 74b StGB gestützten Einziehung, bei der der [X.] im Vordergrund steht, geringeres Gewicht zukommen (vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl., § 74b Rn. 10). Indem die [X.] ausdrücklich offen gelassen hat, ob das sichergestellte Wohnmobil im Eigentum eines der Angeklagten oder eines anderweitig Verfolgten [X.] steht, hat sich die [X.] den Blick auf die gebotene Gesamtbetrachtung im Hinblick auf jeden der Angeklagten verstellt.

9

b) Der Rechtsfehler könnte sich auch zu Lasten eines der Angeklagten ausgewirkt haben. Weder kann dem Urteil – insoweit entgegen der Auffassung des [X.] – entnommen werden, dass das Wohnmobil zumindest formal der Angeklagten [X.] gehört, noch vermittelt das Urteil dem [X.] eine Vorstellung vom Wert des Wohnmobils abzüglich der auf einen Rückbau des Hohlraumverstecks erforderlichen Kosten (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 5. November 2019 – 2 StR 447/19), der ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler ausschließen ließe.

5. Der Strafausspruch den Angeklagten [X.] betreffend erweist sich auch darüber hinaus als rechtsfehlerbehaftet. Zwar hat die [X.] zutreffend bei der Strafzumessung außer Betracht gelassen, dass das Rauschgift nicht für den [X.] Markt bestimmt gewesen sein könnte (vgl. [X.], Urteil vom 6. September 1995 – 2 [X.]). Sie hat jedoch bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, nicht die gebotene Prüfungsreihenfolge beachtet (vgl. [X.], Beschluss vom 12. März 2019 – 2 StR 17/19, [X.], 409 mwN) und nicht erkennbar erwogen, ob das Vorliegen eines vertypten Milderungsgrundes – hier jedenfalls der des § 27 StGB – allein oder zusammen mit anderen Umständen das Vorliegen eines minder schweren Falls begründet.

6. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache daher neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel. Das neue Tatgericht wird auch Gelegenheit haben, hinsichtlich des Angeklagten [X.] das Vorliegen der Voraussetzungen des § 31 BtMG erneut in den Blick zu nehmen, zumal, wenn es – wie bisher – eine Verurteilung der Angeklagten [X.] ganz wesentlich auf dessen Angaben stützen sollte.

[X.]     

        

Ri[X.] Prof. Dr. [X.] ist
wegen Erkrankung gehindert
zu unterschreiben.

        

[X.]

                 

[X.]

                 
        

Zeng     

        

     Meyberg     

        

Meta

2 StR 47/22

28.06.2022

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aachen, 21. September 2021, Az: 69 KLs 18/21

§ 46 StGB, § 74 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.06.2022, Az. 2 StR 47/22 (REWIS RS 2022, 4088)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4088

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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