Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.06.2021, Az. VIII B 28/21

8. Senat | REWIS RS 2021, 4579

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Gegenstand

Beiladung einer Personengesellschaft zu einem gegen einen gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheid gerichteten Verfahren


Leitsatz

NV: Die Einschränkung, dass eine nach § 48 Abs. 1 Nr. 4 oder Nr. 5 FGO klagebefugte Person nicht zum Verfahren beizuladen ist, wenn sie vom Ausgang des Rechtsstreits unter keinem denkbaren Gesichtspunkt betroffen sein kann, gilt nicht für die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO (vgl. BFH-Beschluss vom 14.11.2008 - IV B 136/07, BFH/NV 2009, 597).

Tenor

Die Beschwerde des [X.] zu 1. gegen den Beschluss des [X.] vom 22.01.2021 - 10 K 3338/17 F wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu 1. zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger zu 1. und Beschwerdeführer (Kläger) ist als Treugeber über einen von der [X.] gehaltenen Kommanditanteil mittelbar an der [X.] beteiligt. Persönlich haftende Gesellschafterin der [X.] ist die [X.] Gegenstand des Unternehmens der [X.] ist u.a. der Erwerb und das Halten von Index-Zertifikaten sowie von US-Lebensversicherungspolicen.

2

Die [X.] und die B-GmbH wurden zwischenzeitlich aufgelöst. Zur Liquidatorin beider Gesellschaften wurde die [X.] bestellt. Die Liquidation beider Gesellschaften ist noch nicht beendet.

3

Mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 30.03.2017, der gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, stellte der Beklagte (das Finanzamt --[X.]--) für die [X.] u.a. Kapitalerträge, die nicht dem Steuerabzug unterlagen, in Höhe von ... € fest und rechnete diese dem Kläger in Höhe von ... € zu. Am 06.06.2017 erließ das [X.] einen Änderungsbescheid, in dem es u.a. Kapitalerträge, die nicht dem Steuerabzug unterlagen, in Höhe von ... € feststellte und diese dem Kläger in Höhe von ... € zurechnete. In beiden Bescheiden wurde der Kläger als Gesellschafter der [X.] geführt. Die Treuhandkommanditistin wurde in den Bescheiden nicht als Gesellschafterin aufgeführt.

4

Mit seiner hiergegen erhobenen Klage wendet sich der Kläger u.a. dagegen, dass er in den angefochtenen Bescheiden als Kommanditist der [X.] geführt wird, obwohl er lediglich mittelbar über die Treuhandkommanditistin an der [X.] beteiligt sei. Er trägt vor, das [X.] habe es unterlassen, ein zweistufiges Feststellungsverfahren durchzuführen. Hilfsweise macht er die Berücksichtigung zusätzlicher Sonderbetriebsausgaben geltend.

5

Das Finanzgericht ([X.]) hat zunächst die [X.] gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zum Verfahren beigeladen. Auf die Beschwerde des [X.] hat der Senat mit Beschluss vom 12.10.2020 - VIII B 32/20 ([X.]NV 2021, 333) die Beiladung aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, das [X.] habe die [X.] selbst und nicht die [X.] als deren Liquidatorin beiladen müssen.

6

Mit Beschluss vom 22.01.2021 hat das [X.] die [X.] gemäß § 60 Abs. 3 [X.]O zum Verfahren beigeladen. Dagegen wendet sich der Kläger erneut mit der Beschwerde. Er macht u.a. geltend, die [X.] sei unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vom Ausgang des Klageverfahrens betroffen. Der Feststellungsbescheid sei bereits mangels ordnungsgemäßer Adressierung der Feststellungsbeteiligten unwirksam. Eine Beiladung sei jedenfalls im derzeitigen Stadium der Liquidation der [X.] ausgeschlossen.

7

Das [X.] hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

8

Der Kläger beantragt, den Beschluss des [X.] vom 22.01.2021 aufzuheben.

9

Das [X.] hat zu der Beschwerde des [X.] nicht Stellung genommen und auch keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die [X.] war im Streitfall gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen.

a) Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, notwendig beizuladen. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht für [X.], die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind.

b) Danach war die Beiladung der [X.] im Streitfall notwendig.

aa) Die [X.] ist nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO befugt, Klage gegen den Feststellungsbescheid zu erheben, ist im Streitfall aber nicht selbst als Klägerin am Verfahren beteiligt (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). Eine Einschränkung der Klagebefugnis der [X.] und damit der Beiladungspflicht ergibt sich nicht daraus, dass sie, wie der Kläger vorträgt, unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt vom Ausgang des Verfahrens betroffen sein kann. Denn diese Einschränkung gilt nicht für die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO (vgl. Beschlüsse des [X.] --BFH-- vom 31.01.1992 - VIII B 33/90, [X.], 5, [X.] 1992, 559, und vom 14.11.2008 - IV B 136/07, [X.], 597). Die in § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO geregelte gesetzliche Prozessstandschaft der Gesellschaft wird im Wesentlichen von prozessökonomischen Erwägungen bestimmt, wie etwa der einheitlichen Behandlung von Streitfragen, dem mit der notwendigen Beiladung verfolgten Ziel der Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen und der Sicherung einer einheitlichen Rechtskraftwirkung (vgl. hierzu: [X.] in [X.], 5, [X.] 1992, 559, unter 2.c der Gründe).

bb) Der notwendigen Beiladung der [X.] steht auch nicht entgegen, dass sie aufgelöst wurde und sich im Stadium der Liquidation befindet. Denn die Liquidation einer Personengesellschaft lässt ihre Klagebefugnis während der [X.] unberührt (z.B. [X.] vom 12.04.2007 - IV B 69/05, [X.] 2007, 1923). Von der Beiladung der nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugten Gesellschaft kann erst dann abgesehen werden, wenn die Gesellschaft nach den äußeren Umständen (tatsächliche Einstellung des Betriebs, völlige Vermögenslosigkeit) als faktisch beendet anzusehen ist oder wenn über den Fortbestand der [X.] besteht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 03.09.2009 - IV R 17/07, [X.], 293, [X.] 2010, 631; [X.] in [X.] 2021, 333). Dafür bestehen nach dem vorliegenden Akteninhalt keine Anhaltspunkte.

2. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Von einer Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren gegen einen Beiladungsbeschluss ist nur abzusehen, wenn im Sinne des [X.] entschieden wird (vgl. [X.] vom 07.05.2009 - VIII B 11/09, [X.], 1447; vgl. auch Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 143 Rz 10, m.w.N.).

Meta

VIII B 28/21

26.06.2021

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 22. Januar 2021, Az: 10 K 3338/17 F, Beschluss

§ 48 Abs 1 Nr 1 FGO, § 60 Abs 3 FGO, § 135 Abs 2 FGO, § 48 Abs 1 Nr 4 FGO, § 48 Abs 1 Nr 5 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.06.2021, Az. VIII B 28/21 (REWIS RS 2021, 4579)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4579

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