Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.10.2023, Az. VIII R 8/20

8. Senat | REWIS RS 2023, 9469

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Gegenstand

Steuerbarkeit der Erstattung von auf der Fondsebene erhobenen Verwaltungsgebühren durch den Investmentmanager


Leitsatz

1. Die Steuerbarkeit der Erstattung von auf der Fondsebene erhobenen Verwaltungsgebühren durch den Investmentmanager an den Inhaber eines Investmentanteils lässt sich nicht auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes stützen. Diese Regelungen werden durch die speziellere und abschließende Regelung zur Steuerbarkeit laufender Fondserträge in § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 des Investmentsteuergesetzes 2004 verdrängt.

2. Die Erstattung ist aus diesem Grund auch nicht als Rückfluss zuvor auf der Fondsebene steuermindernd abgezogener Werbungskosten an den Anleger steuerbar.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des [X.] vom 06.02.2019 - 3 K 196/16 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 01.08.2016 aufgehoben.

Die [X.] 2013 wird unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids des Beklagten vom 30.06.2015 auf den Betrag festgesetzt, der sich ergibt, wenn die Einkünfte aus Kapitalvermögen der Klägerin, die dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes unterliegen, um 19.724 € herabgesetzt werden.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden für das [X.] (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

2

Die Klägerin hatte seit dem [X.] die [X.] als Vermögensverwalterin beauftragt, ihr Depot zu betreuen. Sie änderte im … 2007 die Vereinbarung mit der [X.] zur Vermögensverwaltung. Im Vermögensverwaltungsvertrag wurde vereinbart, dass die Klägerin ihre Anlagesumme und weitere Folgezahlungen nunmehr vollständig im [X.] anlegen wollte. Auf schriftliche Einzelanweisung der Klägerin durfte die [X.] auch Anteile an dem [X.] für die Klägerin erwerben.

3

Die X- und [X.] waren Teil eines luxemburgischen [X.] mit verschiedenen Teilfondsvermögen und jeweils eigenen Wertpapierkennnummern. Die Teilfonds waren als unselbständige Sondervermögen für gemeinsame Anlagen in der Vertragsform des sogenannten fonds commun des placement ([X.]) ausgestaltet. Der [X.] war zum 31.03.2001 gegründet worden, der Y-Teilfonds zum 01.12.2006.

4

Die [X.] war aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit der luxemburgischen Kapitalverwaltungsgesellschaft als Investmentmanagerin des [X.] und des Y-Teilfonds tätig. Sie erhielt von den Teilfonds eine jährliche pauschale Investmentmanagementvergütung. Zudem konnte sie eine Performance-Fee in Höhe von 10 % der jährlichen Netto-Wertsteigerungen des jeweiligen ([X.] verdienen. Auf [X.] der [X.] wurden die Anleger und damit anteilig auch die Klägerin jährlich mit Verwaltungsgebühren in Höhe von 1,6 % des jeweiligen Netto-Teilfondsvermögens durch Kürzungen aus dem jeweiligen Fondsvermögen belastet. Aus den Verwaltungsgebühren bestritten die beiden Fonds im Wesentlichen die Investmentmanagementvergütung der [X.] (nach den Feststellungen des Finanzgerichts --[X.]-- für das Streitjahr 1,425 % und 1,45 % des Fondsvermögens).

5

Die Klägerin vereinbarte mit der [X.] im Vermögensverwaltungsvertrag aus dem … 2007 ferner Folgendes:

"3. Vergütung
Die Vergütung für die Auftragnehmerin wird direkt über den Fonds abgegolten. Die Ausgabeaufschläge für den [X-] und den [Y-Teilfonds] reduzieren sich von jeweils 4 % auf 0,50 %.

5. Sonstiges
Die bisherige individuelle Vermögensverwaltung wird hiermit ersetzt und künftig grundsätzlich über den [[X.]] abgedeckt. Die Umstellung erfolgt sukzessive, nach entsprechenden Verkäufen der aktuell noch vorhandenen Wertpapiere. Im jeweils 1. Quartal eines jeden Jahres werden 0,50 % p.a. der auf [X.] --bezogen auf die gehaltenen Anteile-- berechneten Verwaltungsgebühr an die Auftraggeberin erstattet".

6

Zum 31.12.2013 besaß die Klägerin … Anteile am [X.] sowie … Anteile am Y-Teilfonds. Die Anteile an den Teilfonds konnten laufend zum jeweils gültigen Rückgabepreis zurückgegeben oder umgetauscht werden.

7

Für die Teilfonds wurden für das Streitjahr gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 des [X.] in der für das Streitjahr geltenden Fassung (InvStG 2004) jeweils die Besteuerungsgrundlagen im [X.] veröffentlicht. In den im [X.] veröffentlichten Besteuerungsgrundlagen waren für im Privatvermögen gehaltene Anteile an den Teilfonds jeweils Ausschüttungen, ausgeschüttete Erträge und ausschüttungsgleiche Erträge in Höhe von 0,0000 € je Anteil bekannt gemacht worden.

8

Im Streitjahr zahlte die [X.] aufgrund der getroffenen Vereinbarung an die Klägerin für das Geschäftsjahr 2012 als "Gutschrift für die Bestandsvergütung" rund 27.818 €, im Folgejahr 2014 zahlte sie für das Streitjahr rund 19.724 € an die Klägerin.

9

Die Klägerin erklärte für das Streitjahr fälschlicherweise den in 2014 von der [X.] vereinnahmten Betrag von rund 19.724 € als ausländische Einkünfte aus Kapitalvermögen ohne Steuerabzug, die dem gesonderten Tarif unterliegen (§ 32d Abs. 1 und Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung --EStG--). Einkünfte aus den beiden Teilfonds gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 InvStG 2004 in Form von Ausschüttungen, ausschüttungsgleichen Erträgen oder Zwischengewinnen sowie Werbungskosten erklärte sie nicht.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte im zuletzt ergangenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 30.06.2015 die Zahlung der [X.] gemäß § 20 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen, die mit dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG zu besteuern seien. Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos. Das [X.] sah in den Gutschriften an die Klägerin weitergegebene Bestandsprovisionen, die gemäß § 20 Abs. 3 EStG als laufende Kapitalerträge steuerpflichtig seien. Es stützte sich auf die Ausführungen in Rz 84 des Schreibens des [X.] vom 18.01.2016 ([X.], 85).

Das [X.] hat die anschließend erhobene Klage abgewiesen. Die Begründung ist in [X.]/Entscheidungsdienst 2019, 1115 mitgeteilt.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger. Sie rügen die Verletzung von Bundesrecht in Gestalt des § 20 Abs. 3 EStG. Die Zahlung der [X.] sei nicht steuerbar.

Die Kläger beantragen,
das Urteil des [X.] Hamburg vom 06.02.2019 - 3 K 196/16 und die Einspruchsentscheidung vom 01.08.2016 aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 30.06.2015 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen der Klägerin, die dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, um 19.724,46 € herabgesetzt werden.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet.

Das [X.] hat zu Unrecht entschieden, dass die Zahlung der [X.] an die Klägerin steuerbar ist. Sie unterliegt weder gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 2 und 3 und Abs. 4 [X.] 2004 noch als sonstiger Vorteil gemäß § 20 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG noch als Erstattung von auf der [X.] abgezogenen Werbungskosten der Besteuerung. Die Sache ist spruchreif. Der [X.] gibt der Klage statt (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Die von der Klägerin an den [X.]n [X.] und Y-Teilfonds gehaltenen Anteile sind vom [X.] jeweils zu Recht als Investmentanteile im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] 2004 eingeordnet worden.

a) Gemäß § 1 Abs. 1 [X.] 2004 in der Fassung nach den Änderungen durch das [X.] vom 18.12.2013 ([X.], 4318) --[X.]M-StAnpG-- ist das Investmentsteuergesetz 2004 anzuwenden auf Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren ([X.]) im Sinne des § 1 Abs. 2 des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) und auf Alternative Investmentfonds ([X.]) im Sinne des § 1 Abs. 3 KAGB sowie auf die Anteile an [X.] oder [X.]. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 [X.] 2004 gelten Teilsondervermögen im Sinne des § 96 Abs. 2 Satz 1 KAGB, Teilgesellschaftsvermögen im Sinne des § 117 oder des § 132 KAGB oder vergleichbare rechtlich getrennte Einheiten von ausländischen [X.] oder [X.] (Teilfonds) für die Zwecke des [X.] 2004 selbst als [X.] oder [X.].

b) Gemäß § 1 Abs. 1b Satz 2 [X.] 2004 müssen [X.], [X.] nach dem Kapitalanlagegesetzbuch oder ein gleichgestellter Teilfonds für die Anwendung der für Investmentfonds geltenden Abschnitte 1 bis 3 und des Abschnitts 5 des [X.] 2004 zusätzlich die in § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 1 bis 9 [X.] 2004 genannten Voraussetzungen erfüllen (zu ausländischen Sondervermögen s. [X.]/[X.] in [X.]/[X.], 1. Aufl. 2015, [X.], § 2 Rz 26; [X.]/[X.], [X.] --DStR-- 2014, 233, (234 f.); [X.]/[X.], [X.] 2014, 345 (346 f.); [X.]/[X.]/Faller, [X.], 16 (17 f.). Ist dies der Fall, sind unter anderem § 2 und § 5 [X.] 2004 anzuwenden ([X.]/[X.] in [X.]/[X.], 1. Aufl. 2015, [X.], § 2 Rz 24, 25; zur Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2004 auf Erträge aus einem ausländischen Investmentfonds und zu Abgrenzungsfragen bei [X.]n [X.]-Fonds siehe ferner [X.] [X.] 2004/[X.], [X.]. [30.11.2022], [X.] § 2 Rz 21, 22, 32, 33, 37). Die Besteuerung der Erträge auf der Anlegerebene aus einem Investmentfonds richtet sich bei Investmentanteilen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] 2004 (i.V.m. § 5 [X.] 2004).

c) Liegen [X.], [X.] oder Teilfonds vor, die nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1b [X.] 2004 oder des § 1 Abs. 1f [X.] 2004 erfüllen, handelt es sich um Investitionsgesellschaften, auf die § 1 Abs. 1, Abs. 1a, Abs. 2 [X.] 2004 sowie die Abschnitte 4 und 5 des [X.] 2004 anzuwenden sind. Zu den sogenannten [X.] im Sinne des § 19 [X.] 2004 gehören auch (ausländische) Sondervermögen, die dann als ausländische Vermögensmassen im Sinne des § 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung ([X.]) gelten (§ 19 Abs. 1 Satz 3 [X.] 2004). Unter die [X.] im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 3 [X.] 2004 können auch [X.] als Sondervermögen des Vertragstyps fallen (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.], 1. Aufl. 2015, [X.], § 19 Rz 26, 41; [X.]/[X.], [X.], 233 (236, 237); [X.]/[X.]/Faller, [X.] 2014, 16 (20)). Bei Anlegern mit Anteilen an [X.] im Privatvermögen wie der Klägerin sind gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2004 wie bei der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nur Ausschüttungen als Einkünfte gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG zu besteuern. Die Besteuerung des Anlegers ist insoweit in die allgemeine Systematik der Besteuerung von Ausschüttungen aus Kapitalgesellschaften nach dem Einkommensteuergesetz und dem [X.] eingebettet ([X.]/[X.] in [X.]/[X.], 1. Aufl. 2015, [X.] § 2 Rz 29, 30; [X.] [X.] 2004/[X.], [X.]. [30.11.2022], [X.] § 19 Rz 11, 11.1; [X.]/[X.], [X.], 233 (237)).

d) Die Einordnung der X- und Y-Teilfonds als Investmentfonds im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 1b Satz 2 [X.] 2004 durch das [X.] ist angesichts der getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden. Zwar hat das [X.] nicht ausdrücklich geprüft, ob die X- und Y-Teilfonds die in § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 1 bis 9 [X.] 2004 genannten Voraussetzungen erfüllen. Für die Einordnung des [X.] spricht jedoch, dass die investmentsteuerlichen Besteuerungsgrundlagen der Teilfonds für das Streitjahr unter [X.] im [X.] veröffentlicht wurden, da dies nur bei der Einordnung der X- und Y-Teilfonds als Investmentfonds im Sinne des § 1 Abs. 1b [X.] 2004 erforderlich und zulässig ist (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.], 1. Aufl. 2015, [X.], § 2 Rz 31, 32). Im Übrigen gewährte § 22 Abs. 2 Satz 1 bis 3 [X.] 2004 für [X.] im Sinne des [X.] 2004 vor den Änderungen durch das [X.]M-StAnpG und für daran bestehende Anteile einen Bestandsschutz bis zum Ende desjenigen Geschäftsjahres, das nach dem 22.07.2016 endet; dieser Bestandsschutz galt mithin auch für das Streitjahr (vgl. dazu [X.]/[X.], [X.], 233, (238); [X.] [X.] 2004/[X.], [X.]. [30.11.2022], [X.] § 22 Rz 11, 11a für die [X.], u.a. zu [X.]n [X.]; zu den Anteilen Rz 15, 15.1).

2. § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] 2004 regelt den Umfang der steuerbaren laufenden Erträge der Klägerin aus den Investmentanteilen gegenüber den allgemeinen Regelungen des Einkommensteuergesetzes abschließend. Hierdurch wird eine Besteuerung von Zahlungen eines [X.] (hier: des [X.]) an den Anleger nach diesen Vorschriften, die neben den Investmenterträgen gewährt werden, als sonstiger Vorteil gemäß § 20 Abs. 3 EStG oder als Erstattung von auf der [X.] abgezogenen Werbungskosten verdrängt. Dies hat das [X.] übersehen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben.

a) § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] 2004 unterwirft im Hinblick auf die Kapitalüberlassung des Anlegers an den Fonds beziehungsweise das Halten eines Investmentanteils auf der Anlegerebene ausgeschüttete Erträge (§ 1 Abs. 3 Satz 2 [X.] 2004), ausschüttungsgleiche Erträge (§ 1 Abs. 3 Satz 3 [X.] 2004) und Zwischengewinne (§ 1 Abs. 4 [X.] 2004) der Besteuerung. Der Umfang dieser steuerbaren Erträge des Anlegers wird durch die [X.] in § 1 Abs. 3 und Abs. 4 [X.] 2004 sowie durch die Bestimmungen zur Ertragsermittlung (§ 3 und § 4 [X.] 2004) konkretisiert, einzelne Erträge werden von der Steuerpflicht wieder ausgenommen (z.B. § 2 Abs. 3 [X.] 2004). Die Zahlung der [X.] an die Klägerin ist --wie auch zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht-- nach diesen Regelungen nicht steuerbar. Sie wurde nicht durch die Teilfonds gewährt und beruhte insbesondere weder auf einer Verwendungsentscheidung des Investmentfonds gemäß § 12 [X.] 2004 (s. zu dieser Voraussetzung Urteil des [X.] --[X.]-- vom 23.05.2023 - VIII R 3/19, [X.], 380, Rz 21, 22) noch erfüllte sie die tatbestandlichen Voraussetzungen für ausschüttungsgleiche Erträge oder Zwischengewinne.

b) Aus der speziellen Regelung zur Steuerbarkeit und Steuerpflicht von Investmenterträgen in § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] 2004 und der systematischen Sonderstellung des [X.] 2004 gegenüber den allgemeinen Regelungen des Einkommensteuergesetzes ist abzuleiten, dass die investmentsteuerlichen Sondervorschriften den Umfang der Steuerbarkeit der laufenden Investmenterträge eines Privatanlegers abschließend regeln. Ein Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes ist in diesem Bereich nur dort möglich, wo § 2 [X.] 2004 keine Regelung enthält oder § 2 [X.] 2004 auf die einkommensteuerlichen Regelungen verweist (vgl. zustimmend [X.]/[X.] in [X.]/[X.], 1. Aufl. 2015, [X.], § 2 Rz 6; [X.] [X.] 2004/[X.], [X.]. [30.11.2022], [X.] § 2 Rz 26; [X.] in [X.]/[X.], § 2 [X.] Rz 1; [X.]/Reislhuber in [X.], [X.], 2. Aufl., § 2 Rz 6; wohl auch [X.]/[X.]/[X.], § 2 [X.] Rz 19; s.a. [X.]/[X.] in Korn, § 1 [X.] Rz 5 [Dokumentstand: August 2014]; zu § 2 [X.] vor den Änderungen durch das [X.]M-StAnpG [X.] in Berger/[X.]/[X.], § 2 [X.], Rz 3, 8). Etwas anderes folgt auch nicht aus der Fiktion des § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] 2004, die bei einem Anleger mit Anteilen im Privatvermögen wie der Klägerin die aus den verschiedenen Einkunftsquellen des Fonds stammenden Erträge im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 und 3 und Abs. 4 [X.] 2004 einheitlich den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG zuordnet. Diese Zuordnung auf der [X.] führt nur zur Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, die sich auf die Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG beziehen ([X.]/[X.] in [X.]/[X.], 1. Aufl. 2015, [X.], § 2 Rz 43; [X.]/Reislhuber in [X.], [X.], 2. Aufl., § 2 Rz 19). Sie schränkt aber den Grundsatz, dass § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] 2004 den Umfang der steuerbaren Erträge aus einem Investmentanteil abschließend und vorrangig regelt, nicht ein. Erträge des Anlegers aus einem Investmentanteil, die nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] 2004 steuerbar sind, aber nach den allgemeinen Kriterien dem [X.] EStG unterfallen, unterliegen deshalb nicht der Einkommensteuer (vgl. zur vergleichbaren Rechtslage unter dem [X.] [X.]-Urteil vom 11.10.2000 - I R 99/96, [X.], 330, [X.] 2001, 22, Leitsatz 1).

c) Danach lässt sich eine Steuerbarkeit der Zahlung der [X.] an die Klägerin im Streitjahr nicht auf § 20 Abs. 3 EStG stützen.

aa) Den Besteuerungstatbeständen des § 20 Abs. 1 und Abs. 3 EStG liegt ein weiter [X.] und Einkünftebegriff zugrunde, nach dem zu den Einkünften aus Kapitalvermögen alle [X.] gehören, die bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Entgelt für die Kapitalüberlassung sind. § 20 Abs. 3 EStG, der besondere Entgelte und sonstige Vorteile als Entgelte für die Kapitalüberlassung qualifiziert, hat nur klarstellenden Charakter (vgl. [X.]-Urteile vom 02.03.1993 - VIII R 13/91, [X.], 48, [X.] 1993, 602 [Rz 13] und vom 07.12.2004 - VIII R 70/02, [X.], 546, [X.] 2005, 468, unter [X.] und b [Rz 14 bis 16]). Das den allgemeinen Besteuerungstatbeständen des § 20 Abs. 1 EStG zugrundeliegende Prinzip, dass zu den laufenden Einkünften aus Kapitalvermögen alle [X.] gehören, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für die Kapitalüberlassung sind, widerstreitet der spezielleren und abschließenden Regelung zur Besteuerung ausgewählter Erträge aus Anteilen an einem Investmentfonds in § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] 2004.

bb) Dass die Regelung des § 20 Abs. 3 EStG durch die spezielleren und abschließenden Regelungen der [X.] des [X.] 2004 zum Umfang der steuerbaren Kapitalerträge im Zusammenhang mit der [X.] auch bei Zahlungen Dritter an den Anleger verdrängt wird, hat bereits der I. [X.] des [X.] zu der wortgleichen Regelung in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F. unter Geltung der Bestimmungen in § 17 und § 18 [X.] entschieden (vgl. [X.]-Urteil vom 11.10.2000 - I R 99/96, [X.], 330, [X.] 2001, 22, unter [X.] bis f [Rz 16 bis 19]; s.a. [X.]-Urteile vom 04.03.1980 - VIII R 48/76, [X.]E 130, 287, [X.] 1980, 453; vom 27.03.2001 - I R 120/98, [X.]/NV 2001, 1539 und vom 24.11.2009 - VIII R 30/06, [X.]E 227, 442, [X.] 2010, 647). Das [X.]-Urteil vom 11.10.2000 - I R 99/96 ([X.], 330, [X.] 2001, 22) betraf zwar --anders als der [X.] einen Sachverhalt, in dem es um die Besteuerung einer anlässlich der Rückgabe des Fondsanteils durch die [X.] Kapitalverwaltungsgesellschaft des Fonds als Mindestausschüttung geleistete Garantiezahlung an den Anleger ging. Der I. [X.] verneinte für die Zahlung der ausländischen Kapitalverwaltungsgesellschaft --und damit für die Zahlung eines [X.]-- an den Anleger eine Steuerbarkeit gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F., weil die nach den speziellen investmentsteuerlichen Vorschriften nicht steuerbaren Erträge aus der Garantiezahlung nicht nach den allgemeinen Regelungen des Einkommensteuergesetzes der Besteuerung unterworfen werden dürften.

cc) Dieser Beurteilung schließt sich der [X.] für die Rechtslage im Streitjahr und den im Streitfall vorliegenden Sachverhalt an. Denn an dem spezielleren und abschließenden Charakter der investmentsteuerlichen Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] 2004 gegenüber den allgemeinen Besteuerungstatbeständen des Einkommensteuergesetzes hat sich, wie unter [X.] und b dargelegt, nichts geändert. Vorteile, die dem Anleger eines Investmentanteils von einem [X.] gewährt werden und nicht gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] 2004 der Besteuerung unterliegen, können damit nicht gemäß § 20 Abs. 3 EStG der Besteuerung unterworfen werden (so auch [X.] in Berger/[X.]/[X.], § 2 [X.] Rz 42).

dd) Für dieses Auslegungsergebnis spricht auch der Grundsatz des [X.], demzufolge die Ermächtigungsgrundlage für den Besteuerungszugriff hinreichend bestimmt normiert sein muss. Bei der vorliegenden Ausgestaltung des investmentsteuerlichen Tatbestands für laufende Investmenterträge in § 2 Abs. 1 [X.] 2004 ist festzustellen, dass das Investmentsteuergesetz 2004 einen Generalbezug auf das Einkommensteuergesetz --wie ihn beispielsweise § 8 Abs. 1 [X.] für die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes kennt-- gerade nicht vorsieht. Sollen die allgemeinen Regelungen des Einkommensteuergesetzes trotz der spezielleren und detaillierten Normierung der [X.] eine Steuerbarkeit für dort nicht geregelte Sachverhalte begründen können, gebietet es der Grundsatz des [X.], dass das Investmentsteuergesetz 2004 eine entsprechende Regelung dazu trifft, in welchen Konstellationen die allgemeinen Besteuerungstatbestände des Einkommensteuergesetzes für die nicht unter die speziellen Vorschriften fallenden Vorgänge ergänzend Anwendung finden können. Eine derartige Regelung oder einen derartigen generellen Bezug enthält das Investmentsteuergesetz 2004 jedoch gerade nicht.

ee) Der [X.] sieht trotz des Vortrags des [X.] in der mündlichen Verhandlung keine Veranlassung, sich im Wege eines obiter dictums zu der Frage zu äußern, ob er auch für die Rechtslage nach dem Investmentsteuergesetz 2018, nach der die Steuerbarkeit der Investmenterträge in § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG n.F. und § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG n.F. unter Verweis auf die investmentsteuerlichen Vorschriften geregelt worden ist, zu demselben Auslegungsergebnis kommen könnte.

d) Eine Steuerbarkeit der Zahlung der [X.] lässt sich aus denselben Gründen auch nicht auf den vom [X.] zuletzt betonten Gesichtspunkt stützen, dass es sich um die Erstattung von Werbungskosten an die Klägerin handele, die auf [X.] der Teilfonds zu den nach § 3 Abs. 3 [X.] 2004 abziehbaren Werbungskosten gehört hätten und deshalb der Besteuerung zu unterwerfen seien.

aa) Zwar kann der Rückfluss beziehungsweise die Erstattung/der Ersatz von als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen nach ständiger Rechtsprechung des [X.] als Einnahme bei der Einkunftsart zu erfassen sein, bei der die Werbungskosten früher abgezogen worden sind (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 29.09.2022 - VI R 34/20, [X.]E 278, 319, [X.] 2023, 142, Rz 16, 20, m.w.N.; vom 29.06.1982 - VIII R 6/79, [X.]E 136, 238, [X.] 1982, 755; vom 24.02.2015 - VIII R 44/12, [X.]E 249, 224, [X.] 2015, 649 und vom 19.07.2022 - IX R 18/20, [X.]E 278, 85, [X.] 2023, 173, Rz 23). Voraussetzung hierfür ist unter anderem die Identität der an den Aufwendungen und am Rückfluss beteiligten Personen. Nur wenn die Werbungskosten von dem vormaligen Leistungsempfänger an denjenigen zurückgezahlt werden, der die Werbungskosten zuvor abgezogen hat, kann von einem Rückfluss der Werbungskosten und einer Wiederherstellung der früheren Vermögenslage gesprochen werden (vgl. [X.]-Urteil vom 19.07.2022 - IX R 18/20, [X.]E 278, 85, [X.] 2023, 173, Rz 25, m.w.N.).

bb) Der [X.] lässt offen, ob diese Voraussetzungen für eine Besteuerung rückgeflossener Werbungskosten nach den allgemeinen einkommensteuerlichen Grundsätzen im Streitfall überhaupt erfüllt sind. Die Gebühren für die Fondsverwaltung durch die [X.] werden auf der [X.] erhoben; durch ihren Abfluss mindert sich das Fondsvermögen und damit der Wert der Anteile sämtlicher Anleger. Die Klägerin erhält somit von der [X.] eine Zahlung, mit der keine vorher von ihr unmittelbar geleistete Zahlung korrespondiert. Dies spricht eher dafür, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbarkeit der streitigen Zahlung nach den dargelegten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

cc) Selbst wenn der [X.] sich dem hiervon abweichenden Vortrag des [X.] zu den Besonderheiten der investmentsteuerlichen Fondsanlage anschließen würde und annähme, die Klägerin hätte durch die Erhebung der Verwaltungsgebühren auf der [X.] für die Zahlungen an die [X.] als Investmentmanagerin "eigene" Werbungskosten getragen, die für sie als Fondsanlegerin nicht dem Werbungskostenabzugsverbot gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 9 EStG unterlagen (s. BTDrucks 16/4841, S. 88) und ihr durch die streitige Zahlung erstattet worden seien, wäre die Zahlung der [X.] nicht steuerbar. Denn auch insoweit verdrängt die speziellere und abschließende Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] 2004 zur Steuerbarkeit der Erträge aus einem Investmentanteil die allgemeinen Besteuerungstatbestände des Einkommensteuergesetzes. Das Investmentsteuergesetz 2004 sieht nach der Rechtslage im Streitjahr keine Steuerbarkeit für Zahlungen vor, mit denen einem Anleger Verwaltungsgebühren, welche auf der [X.] gemäß § 3 [X.] 2004 als Werbungskosten abgezogen worden sind, außerhalb des Fonds erstattet werden. Ein Rückgriff auf die allgemeinen Besteuerungstatbestände des Einkommensteuergesetzes, um die Steuerbarkeit einer solchen Erstattung zu begründen, kommt wegen der [X.] und Sperrwirkung des [X.] 2004 wie unter [X.] und b dargelegt nicht in Betracht.

3. Die Sache ist spruchreif. Entgegen dem Vortrag des [X.] in der mündlichen Verhandlung geht der [X.] aufgrund der bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) davon aus, dass die streitige Zahlung ausschließlich der Erstattung von auf der [X.] erhobenen Verwaltungsgebühren dient und nicht mit anderen Kapitalanlagen im Zusammenhang steht. Da die streitige Zahlung der [X.] nicht steuerbar ist, gibt der [X.] der Klage wie beantragt statt. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 30.06.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.08.2016 wird dahingehend geändert, dass die dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen um 19.724 € gemindert werden.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

VIII R 8/20

24.10.2023

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Hamburg, 6. Februar 2019, Az: 3 K 196/16, Urteil

§ 1 Abs 1 InvStG 2004 vom 18.12.2013, § 1 Abs 1b InvStG 2004, § 1 Abs 3 InvStG 2004, § 1 Abs 4 InvStG 2004, § 2 Abs 1 S 1 Halbs 1 InvStG 2004, § 5 InvStG 2004, § 19 Abs 2 S 1 InvStG 2004, § 20 Abs 1 Nr 1 S 1 EStG 2009, § 20 Abs 3 EStG 2009, InvStG 2018, EStG VZ 2013

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.10.2023, Az. VIII R 8/20 (REWIS RS 2023, 9469)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9469

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