Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.07.2019, Az. AK 34/19

3. Strafsenat | REWIS RS 2019, 5072

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Gegenstand

Haftprüfung bei Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft aufgrund eines erweiterten Haftbefehls


Tenor

Eine Haftprüfung durch den Senat ist derzeit nicht veranlasst.

Gründe

I.

1

Der Bes[X.]huldigte wurde am 18. Dezember 2018 festgenommen und befindet si[X.]h seitdem ununterbro[X.]hen in Untersu[X.]hungshaft, zunä[X.]hst aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsri[X.]hters beim [X.] vom 12. Dezember 2018 (1 [X.] 515/18).

2

Gegenstand dieses Haftbefehls war im Wesentli[X.]hen der Vorwurf, der Bes[X.]huldigte habe im September 2014 sowie im Februar und März 2018 gewerbsmäßig in zwei Fällen dem [X.] der [X.] zuwider gehandelt, indem er gelistete Güter, namentli[X.]h heißisostatis[X.]he Pressen ([X.]) im Gesamtwert von 1.712.900 €, die für eine [X.]rwendung im Berei[X.]h der militäris[X.]hen Trägerte[X.]hnologie besonders geeignet sind, an militäris[X.]he Empfänger in [X.] (die Firmen [X.]und [X.]) ausführte, strafbar gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 7 Nr. 2 [X.] i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Bu[X.]hst. a der [X.]-VO ([X.]) Nr. 833/2014 vom 31. Juli 2014, §§ 52, 53 StGB.

3

Am 14. [X.]i 2019 hat der Ermittlungsri[X.]hter des [X.]s den vorgenannten Haftbefehl aufgehoben und dur[X.]h einen neu gefassten Haftbefehl ersetzt ([X.], Bes[X.]hluss vom 14. [X.]i 2019 - 1 [X.] 515/18). Gegenstand des neuen Haftbefehls ist - über die bereits dem ersten Haftbefehl zugrundeliegenden Tatvorwürfe hinaus - der Vorwurf, der Bes[X.]huldigte habe dur[X.]h se[X.]hs weitere re[X.]htli[X.]h selbständige Handlungen gegen das [X.] der [X.] verstoßen, indem er gewerbsmäßig in einem Fall in [X.] eine der gelieferten [X.] in Betrieb nahm, strafbar gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 7 Nr. 2 [X.] i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.], Art. 1 Bu[X.]hst. a und [X.] der [X.]-VO ([X.]) Nr. 833/2014 vom 31. Juli 2014, sowie in fünf weiteren Fällen in Teil I Abs[X.]hnitt [X.] erfasste Rüstungsgüter ([X.] - Bestandteile u.a. von [X.]) im Gesamtwert von 120.000 € an einen anderen militäris[X.]hen Empfänger in [X.] verkaufte und ausführte, strafbar gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 [X.] i.V.m. § 74 Abs. 1 Nr. 12 [X.], § 80 Nr. 1 [X.], §§ 52, 53 StGB.

4

Der Ermittlungsri[X.]hter des [X.]s hat mit [X.]rfügung vom 13. Juni 2019 die [X.] auf den vorsorgli[X.]hen Antrag des [X.] vorgelegt, gemäß §§ 121, 122 [X.] die Fortdauer der Untersu[X.]hungshaft über se[X.]hs Monate hinaus anzuordnen. Der [X.] hält es für zweifelhaft, ob die Vorlagepfli[X.]ht na[X.]h § 122 Abs. 1 [X.] zum gegenwärtigen [X.]punkt besteht.

II.

5

Der Senat gibt die Sa[X.]he an den Ermittlungsri[X.]hter des [X.]s zurü[X.]k, weil eine Haftprüfung na[X.]h den §§ 121, 122 [X.] derzeit ni[X.]ht veranlasst ist. Der Bes[X.]huldigte befindet si[X.]h zwar mittlerweile seit mehr als se[X.]hs Monaten in Untersu[X.]hungshaft. Im Hinbli[X.]k auf die ihm mit dem Haftbefehl vom 14. [X.]i 2019 vorgeworfenen Taten ist jedo[X.]h eine neue Se[X.]hsmonatsfrist im Sinne des § 121 Abs. 1 [X.] in Gang gesetzt worden, deren Lauf am 1. März 2019 begonnen hat und deren Ablauf somit no[X.]h ni[X.]ht bevorsteht.

6

1. Gemäß § 121 Abs. 1 [X.] darf der Vollzug der Untersu[X.]hungshaft "wegen derselben Tat" vor dem Erlass eines Urteils nur unter besonderen Voraussetzungen länger als se[X.]hs Monate aufre[X.]hterhalten werden.

7

a) Der dieser Vors[X.]hrift zugrunde liegende Tatbegriff wei[X.]ht von demjenigen des § 264 Abs. 1 [X.] ab. Er ist mit Rü[X.]ksi[X.]ht auf den S[X.]hutzzwe[X.]k der Norm weit auszulegen und erfasst alle Taten des Bes[X.]huldigten von dem [X.]punkt an, in dem sie - im Sinne eines dringenden Tatverda[X.]hts - bekannt geworden sind und in den bestehenden Haftbefehl hätten aufgenommen werden können; dies gilt unabhängig davon, ob sie Gegenstand desselben [X.]rfahrens oder getrennter [X.]rfahren sind (vgl. [X.], Bes[X.]hlüsse vom 6. April 2017 - AK 14/17, juris Rn. 6; vom 4. April 2019 - AK 12/19, juris Rn. 4; [X.], [X.], 8. Aufl., § 121 Rn. 10; [X.], [X.], 26. Aufl., § 121 Rn. 14b; [X.]/[X.], [X.], 62. Aufl., § 121 Rn. 11 jeweils mwN). Dadur[X.]h wird vermieden, dass von Anfang an bekannte oder im Laufe der Ermittlungen bekannt werdende Taten des Bes[X.]huldigten zunä[X.]hst zurü[X.]kgehalten und erst kurz vor Ablauf der Se[X.]hsmonatsfrist zum Gegenstand eines neuen oder erweiterten Haftbefehls gema[X.]ht werden mit dem Ziel, eine neue Se[X.]hsmonatsfrist zu eröffnen (sog. Reservehaltung von Tatvorwürfen). Dana[X.]h beginnt keine neue Se[X.]hsmonatsfrist zu laufen, falls ein neuer Haftbefehl ledigli[X.]h auf Tatvorwürfe gestützt bzw. dur[X.]h sie erweitert wird, die s[X.]hon bei Erlass des ersten Haftbefehls - im Sinne eines dringenden Tatverda[X.]hts - bekannt waren. Glei[X.]hes hat zu gelten, falls der Haftbefehl um Tatvorwürfe erweitert wird, die erst während der Ermittlungen im vorgenannten Sinne bekannt geworden sind, für si[X.]h allein den Erlass eines Haftbefehls jedo[X.]h ni[X.]ht re[X.]htfertigen (vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 6. April 2017 - AK 14/17, juris Rn. 7 mwN).

8

b) Tragen dagegen die erst im Laufe der Ermittlungen bekannt gewordenen Tatvorwürfe für si[X.]h genommen den Erlass eines Haftbefehls und ergeht deswegen ein neuer oder - wie vorliegend - erweiterter Haftbefehl, so wird dadur[X.]h ohne Anre[X.]hnung der bisherigen Haftdauer eine neue Se[X.]hsmonatsfrist in Gang gesetzt. Für deren Beginn ist der [X.]punkt maßgebli[X.]h, in dem si[X.]h der [X.]rda[X.]ht hinsi[X.]htli[X.]h der neuen Tatvorwürfe zu einem dringenden verdi[X.]htet hat. Ents[X.]heidend ist insoweit mithin, wann der neue bzw. erweiterte Haftbefehl hätte erlassen werden können, ni[X.]ht hingegen, wann die Staatsanwalts[X.]haft ihn erwirkt hat. Na[X.]h bisheriger Re[X.]htspre[X.]hung des Senats ist davon auszugehen, dass der Haftbefehl spätestens an dem auf die [X.] folgenden Tag der veränderten Sa[X.]hlage anzupassen ist. In sol[X.]hen Fällen gebietet es der Gesetzeszwe[X.]k ni[X.]ht, die bisherige Haftdauer mit zu berü[X.]ksi[X.]htigen ([X.], Bes[X.]hluss vom 6. April 2017 - AK 14/17, juris Rn. 9 mwN).

9

2. An diesen [X.]ßstäben gemessen hat der erweiterte Haftbefehl vom 14. [X.]i 2019 eine neue Se[X.]hsmonatsfrist eröffnet, deren Lauf an dem Tag begann, an wel[X.]hem der erweiterte Haftbefehl hätte erlassen werden können; dies war am 1. März 2019 der Fall. Im Einzelnen gilt:

a) Der Bes[X.]huldigte ist der ihm über die dem ursprüngli[X.]hen Haftbefehl zugrunde liegenden Taten hinaus vorgeworfenen jedenfalls weiteren zwei re[X.]htli[X.]h selbständigen Handlungen gegen das [X.] der [X.] dringend verdä[X.]htig.

Na[X.]h dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist insoweit im Sinne eines dringenden Tatverda[X.]hts von folgendem Sa[X.]hverhalt auszugehen:

aa) Inbetriebnahme einer heißisostatis[X.]hen Presse

Na[X.]h dem bereits dem Haftbefehl vom 12. Dezember 2018 gegenständli[X.]hen Sa[X.]hverhalt hatte die Firma [X.],                             (im Folgenden: S.  ), deren Ges[X.]häftsführer der Bes[X.]huldigte war, vertreten dur[X.]h diesen, eine [X.] 200-300*450K des Herstellers [X.].  zum Gesamtpreis von 1.200.000 € an das [X.] Unternehmen E.        in 127015 [X.] (im Folgenden: E.    ) verkauft und im [X.] au[X.]h an den Endnutzer [X.](                            ) geliefert, wel[X.]her Angehöriger der [X.]n Streitkräfte war.

Na[X.]hdem si[X.]h der Bes[X.]huldigte im Folgenden vergebli[X.]h darum bemüht hatte, den Hersteller [X.].  zur Entsendung von Te[X.]hnikern na[X.]h [X.] zu bewegen, um - wie dur[X.]h ihn für die [X.]gegenüber seinem [X.]n [X.]rtragspartner ges[X.]huldet - die an [X.]gelieferte [X.] zu installieren und zu kalibrieren, nahm er diese zwis[X.]hen Februar und [X.]i 2018 in eigener Person in T.    ([X.]) verbotswidrig in Betrieb (Fall 3 des Haftbefehls vom 14. [X.]i 2019).

bb) Lieferung von [X.]n

(1) Zu einem ni[X.]ht näher feststellbaren [X.]punkt zwis[X.]hen Juli 2017 und dem 1. August 2018 verkaufte der Bes[X.]huldigte insgesamt 15 kg [X.], verpa[X.]kt in 30 Einheiten zu je 0,5 kg, zum Gesamtpreis von 120.000 € an die [X.]                 [X.]       mit Sitz in [X.] (im Folgenden: [X.]      ). Das Unternehmen ist dem [X.]n R.         zuzuordnen, der unter anderem mit der Herstellung und Entwi[X.]klung von Raketen für militäris[X.]he Zwe[X.]ke befasst ist. Dem Bes[X.]huldigten war bekannt, dass [X.] [X.]hemis[X.]he [X.]rbindungen aus der Gruppe der [X.] sind und unter die [X.] fallen; ferner wusste er, dass diese [X.]rbindungen in [X.], Sprengstoffen und Pyrote[X.]hnik enthalten sind, daher als Rüstungsgüter in Teil I Abs[X.]hnitt [X.] unter Position 0008 [X.]) Nr. 3b erfasst werden und sowohl der [X.]rkauf als au[X.]h die Ausfuhr derartiger Rüstungsgüter den [X.]rboten des von der [X.] mit Bes[X.]hluss 2014/512/[X.] vom 31. Juli 2014 gegen [X.] verhängten Waffenembargos unterstehen (Fall 4 des Haftbefehls vom 14. [X.]i 2019).

(2) Na[X.]hdem der Bes[X.]huldigte die [X.]emikalien jeweils von der [X.] Firma [X.].                         , bezogen hatte, nahm er folgende Einzelausfuhren an [X.]       vor:

Zwis[X.]hen dem 1. Juli 2017 und dem 14. August 2017 versandte er 0,5 kg [X.] als Musterlieferung zum Preis von 7.000 € (Fall 5 des Haftbefehls vom 14. [X.]i 2019).

Zwis[X.]hen dem 25. September 2017 und dem 27. Oktober 2017 versandte der Bes[X.]huldigte 1,5 kg [X.] zum Preis von 20.000 € (Fall 6 des Haftbefehls vom 14. [X.]i 2019).

Am 28. März 2018 ließ der Bes[X.]huldigte 0,5 kg [X.] zum Preis von 6.500 € über das Zollamt [X.].   na[X.]h [X.] ausführen (Fall 7 des Haftbefehls vom 14. [X.]i 2019).

Am 19. Juni 2018 ließ der Bes[X.]huldigte 2,0 kg [X.] zum Preis von 26.000 € über [X.] ([X.]) na[X.]h [X.] ausführen (Fall 8 des Haftbefehls vom 14. [X.]i 2019).

b) Der dringende Tatverda[X.]ht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 [X.]) hinsi[X.]htli[X.]h der neuen Tatvorwürfe ergibt si[X.]h aus Folgendem:

Die Tathandlungen zu Fall 3 werden belegt dur[X.]h eine Gesamts[X.]hau aus der vom Bes[X.]huldigten für die "Inbetriebnahme" der [X.] gestellten Re[X.]hnung, der si[X.]hergestellten Notiz vom 17. [X.]i 2018 über eine Montage einer "[X.]-Anlage" an einem Sitz von [X.]sowie aus dem [X.]rtrag zwis[X.]hen [X.]und E.    und aus Auskünften der [X.].  . Die Ausführungen in der S[X.]hutzs[X.]hrift der [X.]rteidigung vom 18. Juli 2019 räumen den Tatverda[X.]ht ni[X.]ht aus; weder ist die Behauptung fals[X.]her Übersetzung belegt, no[X.]h sind Umstände aufgezeigt, die den S[X.]hluss tragen, dass den [X.]rmerken des Ermittlungsführers [X.]kein Beweiswert zukommen kann. Für die Behauptung, die gezahlten 37.500 € seien entgegen dem Wortlaut der diesbezügli[X.]hen Re[X.]hnung ni[X.]ht für die te[X.]hnis[X.]he Hilfeleistung bei der Inbetriebnahme, sondern als erste Rate für Lagerkosten und den Umbau der Presse geleistet worden, fehlt es an objektiven Anhaltspunkten in den bisherigen Ermittlungen.

In den Fällen 4 bis 8 folgt die hohe [X.]rurteilungswahrs[X.]heinli[X.]hkeit aus der Re[X.]hnung der [X.]vom 1. August 2017. Entgegen den Ausführungen der [X.]rteidigung liegt es nahe, dass der Bes[X.]huldigte ni[X.]ht nur Kleinstmengen als "Muster" verkaufte; dagegen spri[X.]ht s[X.]hon die E-[X.]il des Bes[X.]huldigten an [X.].           vom 5. Juli 2017, na[X.]h der die "Ents[X.]heidung über den Einkauf" von 15 kg no[X.]h ausstehe, und die Korrespondenz aus der [X.]. Dass der Bes[X.]huldigte vorsätzli[X.]h handelte, wird dur[X.]h die mit dem [X.]rkäufer der [X.]emikalien geführte E-[X.]il-Korrespondenz sowie dur[X.]h die - erkennbar - wahrheitswidrigen Angaben des Bes[X.]huldigten in den Ausfuhrpapieren mit hoher Wahrs[X.]heinli[X.]hkeit belegt. Der [X.]rda[X.]ht hinsi[X.]htli[X.]h der einzelnen Warensendungen in den Fällen 5 bis 8 an den [X.]n Käufer [X.]       ergibt si[X.]h ebenso wie die Gewinnerzielungsabsi[X.]ht aus den si[X.]hergestellten Re[X.]hnungss[X.]hreiben der [X.]und den Fra[X.]htbelegen.

Soweit die [X.]rteidigung einwendet, die Re[X.]hnung auf [X.]. 151 Band [X.] der [X.] sei "ledigli[X.]h auf Bitte des Kunden ges[X.]hrieben worden, damit der Kunde intern eine Genehmigung zur Überweisung von 120.000 € erhält", tatsä[X.]hli[X.]h sei indes keine Zahlung auf Konten des Bes[X.]huldigten erfolgt, steht dies dem dringenden Tatverda[X.]ht ni[X.]ht entgegen. Zum einen gibt es keinen objektiven Beleg für die Behauptung der S[X.]heinre[X.]hnung, zum anderen ist angesi[X.]hts der Ermittlungsergebnisse anzunehmen, dass der Bes[X.]huldigte au[X.]h über die Mögli[X.]hkeit verfügt, das Geld im Ausland anzunehmen und zu belassen, etwa in seinem Banks[X.]hließfa[X.]h in [X.]. Na[X.]h derzeitigem Stand der Ermittlungen re[X.]htfertigen die in diesem Zusammenhang si[X.]hergestellten S[X.]hriftstü[X.]ke die Annahme eines dringenden [X.]rda[X.]hts, dass über 15 kg [X.] ni[X.]ht nur verhandelt wurde, sondern dass diese Menge au[X.]h geliefert worden ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten zu den Tatvorwürfen und den Umständen, die den dringenden Tatverda[X.]ht begründen, wird auf die Ausführungen in dem Haftbefehl des Ermittlungsri[X.]hters des [X.]s vom 14. [X.]i 2019 Bezug genommen.

[X.]) In re[X.]htli[X.]her Hinsi[X.]ht ergibt si[X.]h daraus Folgendes:

[X.] erfüllt die Voraussetzungen eines Embargoverstoßes gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1a [X.] i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.], Art. 1 Bu[X.]hst. a und [X.] der [X.]-VO. Der Bes[X.]huldigte erbra[X.]hte als Ges[X.]häftsführer der [X.]in Bezug auf eine Ware na[X.]h Art. 1 Bu[X.]hst. a verbotene "te[X.]hnis[X.]he Hilfe" im Sinne des Art. 1 Bu[X.]hst. [X.], indem er te[X.]hnis[X.]he Unterstützung im Zusammenhang mit der Montage und Erprobung der [X.] in [X.] leistete. Für die [X.]als inländis[X.]he juristis[X.]he Person gilt die [X.]-VO na[X.]h Art. 13 Bu[X.]hst. d innerhalb und außerhalb des Gebiets der [X.]. Dieses persönli[X.]he Merkmal ist au[X.]h auf den als [X.]rtreter seines Unternehmens auftretenden Bes[X.]huldigten anwendbar (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Die Fälle 4 bis 8 sind als [X.] ([X.]rstöße gegen das [X.]rkaufs- und Ausfuhrverbot) gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 [X.] i.V.m. § 74 Abs. 1 Nr. 12 [X.] (seit der Fassung vom 31. Oktober 2014) strafbar. § 80 Nr. 1 [X.] verweist für die Tatbestände des [X.]rkaufs und der Ausfuhr na[X.]h [X.] auf § 17 [X.] zurü[X.]k. Die [X.] sind in Teil I Abs[X.]hnitt [X.] unter Position 0008 [X.]) Nr. 3b [1] aufgeführt. Im Rahmen dieser Ents[X.]heidung kann offen bleiben, in wel[X.]hem materiell-re[X.]htli[X.]hen Konkurrenzverhältnis der [X.]rkauf und die ans[X.]hließenden Teillieferungen der [X.] stehen (vgl. [X.], Urteil vom 24. Juli 2014 - 3 [X.], [X.]St 59, 271, 276 f.). Denn dies wirkt si[X.]h auf die Ents[X.]heidung, ob die erst na[X.]h Inhaftierung des Bes[X.]huldigten bekannt gewordenen Tatvorwürfe für si[X.]h betra[X.]htet den Erlass eines Haftbefehls tragen, ni[X.]ht aus.

Der Bes[X.]huldigte handelte in allen Fällen gewerbsmäßig (§ 18 Abs. 7 Nr. 2, § 17 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

Die Zuständigkeit des Ermittlungsri[X.]hters des [X.]s folgt aus § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Bu[X.]hst. a GV[X.] Die vorgeworfenen Handlungen waren geeignet, die auswärtigen Beziehungen der [X.] Deuts[X.]hland erhebli[X.]h zu gefährden. Die Sa[X.]he hat besondere Bedeutung, weil die Taten und die ihnen innewohnenden und sie begleitenden Umstände vor dem Hintergrund des gegen [X.] verhängten Waffen- und Wirts[X.]haftsembargos einen gewi[X.]htigen Angriff auf gesamtstaatli[X.]he Interessen und eine S[X.]hädigung des Ansehens der [X.] Deuts[X.]hland in der Staatengemeins[X.]haft begründen, zumal für den Antrieb von Raketen wesentli[X.]he Te[X.]hnologie aus Deuts[X.]hland geliefert wurde. Mithin weisen die Tatvorwürfe au[X.]h eine die [X.] Deuts[X.]hland betreffende si[X.]herheitspolitis[X.]he Dimension auf, die eine [X.]rfolgung dur[X.]h die Strafgeri[X.]htsbarkeit des Bundes gebietet.

3. Die dem Bes[X.]huldigten vorgeworfene verbotene Dienstleistung (Fall 3) und die [X.] (Fälle 4 bis 8) sind ni[X.]ht "dieselben" Taten im Sinne des § 121 Abs. 1 [X.], wie sie dem Bes[X.]huldigten in dem Haftbefehl vom 12. Dezember 2018 zur Last gelegt worden sind.

4. Es besteht - au[X.]h wenn allein die Fälle 3 bis 8 in den [X.]i[X.]k genommen werden - der Haftgrund der Flu[X.]htgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

Denn die Würdigung aller Umstände des Falles ma[X.]ht es wahrs[X.]heinli[X.]her, dass si[X.]h der Bes[X.]huldigte dem Strafverfahren entziehen, als dass er si[X.]h ihm zur [X.]rfügung halten werde. Der bisher unbestrafte 69-jährige Bes[X.]huldigte hat im Falle der [X.]rurteilung s[X.]hon wegen der ihm nunmehr vorgeworfenen weiteren Taten mit einer Flu[X.]htanreiz bietenden langen Gesamtfreiheitsstrafe zu re[X.]hnen. Er fügte mit erhebli[X.]hem Aufwand und krimineller Energie den Belangen der [X.] Deuts[X.]hland, namentli[X.]h ihren Si[X.]herheitsinteressen und sol[X.]hen ihrer [X.]rbündeter, über einen längeren [X.]raum erhebli[X.]hen S[X.]haden zu. Er unternahm na[X.]h dem S[X.]heitern der Bemühungen, die [X.] dur[X.]h belgis[X.]he Te[X.]hniker in Betrieb zu nehmen, selbst eine Reise na[X.]h [X.], um die [X.] zu installieren und zu kalibrieren. In den Fällen 4 bis 8 übersandte er Gefahrgüter per einfa[X.]her Post na[X.]h [X.] und nahm dabei die Gefährdung des Lebens und der Gesundheit Dritter - etwa kontrollierender Zollbeamter - in Kauf.

Feste familiäre oder berufli[X.]he Bindungen im [X.], die dem Flu[X.]htanreiz wirksam entgegenstünden, sind ni[X.]ht ersi[X.]htli[X.]h. Von seiner zweiten Ehefrau ist der Bes[X.]huldigte seit 2012 ges[X.]hieden. Er bewohnt allein eine Mietwohnung. Seine beiden erwa[X.]hsenen Kinder aus erster Ehe leben ni[X.]ht in seinem Haushalt; sein [X.] lebt in der S[X.]hweiz. Als [X.]r Staatsbürger mit [X.]m Reisepass verfügt der Bes[X.]huldigte zwar über eine Niederlassungserlaubnis na[X.]h dem [X.]; nennenswertes [X.]rmögen oder Immobilienbesitz hat er in Deuts[X.]hland jedo[X.]h ni[X.]ht. Er studierte in M.   und s[X.]hloss in [X.].      sein Studium im Berei[X.]h "Te[X.]hnologie der metallverarbeitenden Industrie" 1973 als Diplom-Ingenieur ab. Dana[X.]h leistete er seinen Militärdienst in der [X.]n Armee, zuletzt im Rang eines Leutnants. Sodann arbeitete er als Ingenieur in [X.] und qualifizierte si[X.]h mit einem 1991 abges[X.]hlossenen Studium zum Diplom-Wirt im Berei[X.]h "Internationale Wirts[X.]haftsbeziehungen". Seit 1992 arbeitete er in der [X.]; unter anderem gründete er 1998 die Firma [X.]                  und im Jahr 2000 die Firma [X.]                            , die keine weiteren Mitarbeiter bes[X.]häftigt. Letztere unterhält seit ihrer Gründung nahezu auss[X.]hließli[X.]h Ges[X.]häftsbeziehungen zu Kunden in [X.]; die Ges[X.]häfte führt der Bes[X.]huldigte von seiner gemieteten Privatwohnung aus und bezieht ein Ges[X.]häftsführergehalt von [X.]a. 53.000 €. Neben seinen hervorragenden ges[X.]häftli[X.]hen Kontakten in seine Heimat - in die er eine rege Reisetätigkeit entfaltete - unterhält er dort ein Banks[X.]hließfa[X.]h. Diese Bezüge zum Ni[X.]ht-[X.]-Ausland erhöhen den Anreiz zur Flu[X.]ht und begründen die ohne größere S[X.]hwierigkeiten umzusetzende tatsä[X.]hli[X.]he Mögli[X.]hkeit, si[X.]h dem [X.]rfahren zu entziehen.

5. Weniger eins[X.]hneidende [X.]ßnahmen im Sinne des § 116 [X.], insbesondere au[X.]h die von der [X.]rteidigung angebotene Si[X.]herheitsleistung na[X.]h Ermessen des Geri[X.]hts, sind ni[X.]ht erfolgverspre[X.]hend.

6. S[X.]hließli[X.]h steht die Anordnung der Untersu[X.]hungshaft ni[X.]ht außer [X.]rhältnis zu der Bedeutung der Sa[X.]he und der im Falle der [X.]rurteilung zu erwartenden Strafe (§ 112 Abs. 1 Satz 2, § 120 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Das gilt au[X.]h unter Berü[X.]ksi[X.]htigung des Umstandes, dass dem in Haftsa[X.]hen allgemein geltenden Bes[X.]hleunigungsgebot besondere Bedeutung zukommt, falls si[X.]h - wie hier - die Haftdauer insgesamt verlängert, weil während des Vollzugs der Untersu[X.]hungshaft eine neue Se[X.]hsmonatsfrist in Gang gesetzt worden ist und eine (erneute) Haftprüfung gemäß den §§ 121, 122 [X.] deshalb ni[X.]ht stattfindet (vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 22. Juni 2016 - 1 Ws 257/16 H, juris Rn. 10; [X.], Bes[X.]hluss vom 3. Januar 2001 - (1) 4420 [X.] [X.] - 71/00, NStZ-RR 2001, 152, 153).

7. Der dringende Tatverda[X.]ht hinsi[X.]htli[X.]h der Fälle 3 bis 8, die na[X.]h alldem für si[X.]h genommen den Erlass eines Haftbefehls re[X.]htfertigen, hat si[X.]h erst na[X.]h Erlass des Haftbefehls vom 12. Dezember 2018 ergeben.

a) Hinsi[X.]htli[X.]h der vom [X.] aufgeworfenen Frage, ob es für die Fristbere[X.]hnung auf den [X.]punkt des Bekanntwerdens bei der Polizei oder der Staatsanwalts[X.]haft ankommt, gilt: Ents[X.]heidend ist ni[X.]ht, wel[X.]her Ermittlungsbehörde zuerst der dringende Tatverda[X.]ht bekannt wurde, sondern wann dies bei verständiger Würdigung der vorliegenden Erkenntnisse in der Sa[X.]he der Fall war. Denn wenn man auf den Moment des Bekanntwerdens dur[X.]h die Staatsanwalts[X.]haft abstellen wollte, würde dies die Mögli[X.]hkeit für die Polizei eröffnen, den ents[X.]heidenden [X.]punkt dur[X.]h Zurü[X.]khalten der Erkenntnisse zu manipulieren; dies liefe dem S[X.]hutzzwe[X.]k der Fristbestimmung des § 121 Abs. 1 [X.] entgegen, eine Reservehaltung von Tatvorwürfen zu verhindern. Da im vorliegenden Fall die Umstände, die zur Annahme eines den Haftbefehl re[X.]htfertigenden Tatverda[X.]hts führten, zuerst dem Zollfahndungsamt vorlagen, kommt es auf den diesbezügli[X.]hen [X.]punkt an. Insoweit unmaßgebli[X.]h ist hingegen der Tag, an dem der [X.] den zu diesem [X.]punkt bekannt gewordenen Ermittlungsstand (in dem [X.]rmerk vom 20. Februar 2019) zusammengefasst und re[X.]htli[X.]h bewertet und sodann unverzügli[X.]h den an die veränderte Sa[X.]hlage angepassten Haftbefehl tatsä[X.]hli[X.]h erwirkt hat (vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 6. April 2017 - AK 14/17, juris Rn. 6, 8).

b) Hier führten die [X.], die dem Zollfahndungsamt [X.] am 15. Februar 2016 vorlagen, im Zusammenhang mit den bis dahin geführten Ermittlungen zum Bekanntwerden von Umständen, na[X.]h denen si[X.]h die [X.]rda[X.]htsmomente zu einem dringenden [X.]rda[X.]ht verdi[X.]hteten. Mit den [X.]rmerken vom 11. und 15. Februar 2019 legte das Zollfahndungsamt die verda[X.]htsbegründenden Umstände dem [X.] vor; Anhaltspunkte dafür, dass si[X.]h s[X.]hon zuvor ein dringender Tatverda[X.]ht hinrei[X.]hend deutli[X.]h abzei[X.]hnete, sind ni[X.]ht ersi[X.]htli[X.]h. Angesi[X.]hts des Umfanges der si[X.]hergestellten Unterlagen ist es plausibel und na[X.]hvollziehbar, dass die Ermittlungen erst zu diesem [X.]punkt den dringenden Tatverda[X.]ht ergaben. Insgesamt wurden neben den vorgeworfenen Ausfuhren gelisteter Güter, auf die die Ermittlungen bes[X.]hränkt wurden, insgesamt 187 weitere Ausfuhren ni[X.]ht gelisteter Güter an militäris[X.]he Empfänger festgestellt. Dazu waren 125 Aktenordner, ein umfangrei[X.]her elektronis[X.]her Datenbestand und [X.]a. 14.000 E-[X.]ils, davon etwa 70% in [X.]r Spra[X.]he, auszuwerten.

8. Hinsi[X.]htli[X.]h der Fristbere[X.]hnung ergibt si[X.]h daraus:

Zwar ist grundsätzli[X.]h davon auszugehen, dass der (erweiterte) Haftbefehl spätestens an dem auf die [X.] folgenden Tag der veränderten Sa[X.]hlage anzupassen ist; regelmäßig beginnt der Lauf der Se[X.]hsmonatsfrist an diesem Tage (vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 6. April 2017 - AK 14/17, juris Rn. 6, 8; KG, Bes[X.]hluss vom 15. August 2013 - 4 Ws 108/13, juris Rn. 13 mwN). Angesi[X.]hts des Umfanges und der re[X.]htli[X.]hen und tatsä[X.]hli[X.]hen S[X.]hwierigkeiten der vorliegenden Fallkonstellation war der Erlass eines Haftbefehls indes hier in so kurzer [X.] ni[X.]ht mögli[X.]h; bei angemessener Prüfung in re[X.]htli[X.]her und tatsä[X.]hli[X.]her Hinsi[X.]ht und Sorgfalt bei der Formulierung ist davon auszugehen, dass die Antragstellung dur[X.]h den [X.] und der Erlass des Haftbefehls dur[X.]h den Ermittlungsri[X.]hter des [X.]s zwei Wo[X.]hen benötigten. Damit war der Erlass eines erweiterten Haftbefehls erst am 1. März 2019 mögli[X.]h; an diesem Tag begann der Lauf der Se[X.]hsmonatsfrist des § 121 Abs. 1 [X.].

Ihr Ablauf steht no[X.]h ni[X.]ht bevor.

S[X.]häfer     

        

Wimmer     

        

Ri[X.] Ho[X.]h befindet si[X.]h im
Urlaub und ist deshalb
gehindert zu unters[X.]hreiben.

                                   

S[X.]häfer

Meta

AK 34/19

25.07.2019

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 121 Abs 1 StPO, § 121 Abs 2 Nr 2 StPO, § 122 StPO, § 17 Abs 1 Nr 2 AWG, § 17 Abs 2 Nr 2 AWG, § 18 Abs 1 Nr 1c AWG, § 18 Abs 7 Nr 2 AWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.07.2019, Az. AK 34/19 (REWIS RS 2019, 5072)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5072

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