Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.11.2004, Az. IV ZR 104/03

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 784

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL IV ZR 104/03

Verkündet am:

10. November 2004

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

- 2 -

[X.] hat durch [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. [X.] und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2004
für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.] wird das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 4. April 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es zum Nachteil der [X.] ergangen ist.

Auch im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Klä-gerin gegen das Urteil des [X.] vom 30. April 2002 zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der [X.] eine höhere Versorgungs-rente.

Sie ist 1940 geboren und war wegen einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst bei der beklagten Versorgungsanstalt versichert. Seit 1. Septem-ber 2000 bezieht die Klägerin eine Versorgungsrente von der [X.], - 3 -

und zwar wegen der Vorschriften in der Satzung der [X.] (im fol-genden: [X.]) über das Ruhen der Rente bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres (§ 65 Abs. 7 Satz 1 [X.] a.F.) zunächst nur in Form einer Mindestrente. Erst ab 1. September 2003 ist die volle, von der [X.] zum 1. September 2000 berechnete Rente zu zahlen. Für diese Rente berücksichtigte die Beklagte nach § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa [X.] in der bis zum 31. Dezember 2000 maßgeben-den Fassung im Hinblick auf den Faktor der gesamtversorgungsfähigen [X.], von dem die Höhe der Zusatzrente abhängt, außer den Umlagemo-naten, in denen ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes mit [X.] an die Beklagte für die Altersversorgung der Klägerin beige-tragen hat, darüber hinaus andere [X.]en, die (über die Umlagemonate hinaus) der gesetzlichen Rente der Klägerin zugrunde liegen, nur zur Hälfte (sog. Halbanrechnungsgrundsatz). Dementsprechend hat die [X.] von den 439 Monaten, die die Klägerin in der gesetzlichen Ren-tenversicherung zurückgelegt hat, zunächst die 342 Monate abgezogen, in denen Umlagen an die Beklagte gezahlt worden sind; aus der Hälfte der verbleibenden 97 Monate sowie den 342 Umlagemonaten setzt sich danach die gesamtversorgungsfähige [X.] von 390,5 Monaten zusam-men.

Andererseits war nach der seinerzeit geltenden Satzung bei der Berechnung der Versorgungsrente grundsätzlich von der vollen Höhe der der Klägerin zustehenden gesetzlichen Rente auszugehen; diese wurde durch die von der [X.] gewährte Zusatzversorgung lediglich inso-weit aufgestockt, wie die gesetzliche Rente hinter der nach der Satzung berechneten Gesamtversorgung zurückblieb (§ 40 Abs. 1 [X.] a.F.). Das [X.] hat in dieser vollen Berücksichtigung der - 4 -

gesetzlichen Rente trotz einer nur hälftigen Anrechnung von [X.] einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen, der nur bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden könne ([X.], 835 = NJW 2000, 3341).

Die Klägerin hat daher beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr ab 1. Januar 2001 eine Versorgungsrente auf der Grundlage einer gesamtversorgungsfähigen [X.] von 439 Monaten zu gewähren. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es wegen der [X.] in der Satzung der [X.] an dem erforderli-chen Rechtsschutzinteresse fehle. Mit der Berufung hat die Klägerin le-diglich die Feststellung einer Verpflichtung der [X.] begehrt, ihr ei-ne Versorgungsrente auf der Grundlage einer gesamtversorgungsfähigen [X.] von 439 Monaten ab dem 1. September 2003 zu zahlen. Diesem [X.] hat das [X.] unter anderem mit der Maßgabe stattgegeben, daß eine Vollanrechnung der Vordienstzeiten entsprechend der Über-gangsregelung in § 75 Abs. 1 [X.] n.F. im Rahmen der Feststellung der Versorgungsrenten nur bis zum 31. Dezember 2001 vorzunehmen und dann nach § 75 Abs. 2 [X.] n.F. als Besitzstandsrente weiterzuzahlen sei. Im übrigen hat das [X.] die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die uneingeschränkte Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des [X.] und zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin. Ihre Klage ist in vollem Umfang unbegründet. - 5 -

1. Das Berufungsgericht stützt sich auf die zitierte Entscheidung des [X.]s und hält deshalb die in § 42 Abs. 2 [X.] a.F. vorgesehene Halbanrechnung als eine der richterlichen In-haltskontrolle unterliegende Bestimmung gemäß §§ 9 [X.], 307 BGB für unwirksam. Die Beklagte sei aufgrund einer ergänzenden Ver-tragsauslegung verpflichtet, die Vordienstzeiten bei der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen [X.] in vollem Umfang zu berücksichtigen, [X.] die Beklagte auch die vollen Ansprüche aus der gesetzlichen Ren-te auf die zu zahlende [X.]. Die Lücke, die durch die Unwirksamkeit des § 42 Abs. 2 [X.] a.F. entstehe, sei nicht etwa durch die neue, mit Wirkung ab 1. Januar 2001 in [X.] getretene [X.] der [X.] vom 19. September 2002 (BAnz 2003 [X.]) [X.] worden, jedenfalls nicht für den [X.]raum bis zum 31. Dezember 2001.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, wie der Senat be-reits in seinem Urteil vom 26. November 2003 ([X.]/02 - VersR 2004, 183) entschieden hat.

a) Am 19. September 2002 hat die Beklagte ihre Satzung mit [X.] ab 1. Januar 2001 geändert. Nach der Übergangsregelung in § 75 Abs. 1 und 2 der Neufassung werden Versorgungsrenten (ohne Berück-sichtigung von Ruhensregelungen) nach bisherigem Satzungsrecht für die zum 31. Dezember 2001 Versorgungsrentenberechtigten auf dieses Datum festgestellt und als Besitzstandsrenten gezahlt, die sich entspre-chend § 39 der Neufassung jährlich um 1% vom [X.] an erhöhen. - 6 -

Die von der Klägerin geforderte volle Anrechnung der Vordienstzeiten ist nach wie vor nicht vorgesehen.

b) Das [X.] hat in seinem Beschluß vom 22. März 2000, auf den sich die Klägerin stützt, die Verfassungsbe-schwerde einer 1921 geborenen Rentnerin, die seit Anfang 1983 Lei-stungen von der [X.] erhielt und im Ausgangsverfahren erfolglos deren Erhöhung wegen Unwirksamkeit von Satzungsbestimmungen [X.] hatte, nicht zur Entscheidung angenommen. Soweit sich die Be-schwerdeführerin gegen die volle Berücksichtigung ihrer [X.] bei der Bestimmung der Höhe der Zusatzversorgung einer-seits, aber die nur halbe Berücksichtigung von [X.]en vor Aufnahme ihrer Tätigkeit im öffentlichen Dienst andererseits gewandt hatte, hat das [X.] die Regelung in § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa [X.] a.F. zwar im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG bean-standet, eine Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin aber "(noch) nicht" festgestellt. Die Ungleichbehandlung sei zwar gravierend, halte sich derzeit jedoch noch im Rahmen einer zulässigen Generalisie-rung. Der [X.] sei wegen der hochkomplizierten Materie zu gewissen Vereinfachungen gezwungen. Dabei dürfe er [X.] in Kauf nehmen, solange davon nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen sei. Das treffe auf die Rentnergeneration der Beschwerdeführerin zu, wie das [X.] feststellt.

Für die jüngeren Versichertengenerationen sei ein bruchloser Ver-lauf der [X.] im öffentlichen Dienst angesichts stark [X.] Teilzeitarbeit und einer stärkeren Diskontinuität des [X.] allerdings nicht mehr in hinreichender Weise typisch. Angesichts - 7 -

dieser Entwicklung könne die Benachteiligung der Rentner durch volle Anrechnung der in Vordienstzeiten erworbenen Rentenansprüche bei nur hälftiger Berücksichtigung dieses Teils ihrer Lebensarbeitszeit im Rah-men der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit nicht länger als bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden. Zu diesem [X.]punkt sei die Beklagte durch die Entscheidung [X.] 98, 365 = [X.], 600 ohnehin zu einer grundlegenden Änderung ihrer Satzung gezwungen.

c) Dieser Beschluß des [X.]s mag bei den Rentenempfängern der [X.] die Erwartung geweckt haben, ihnen stehe vom [X.] an eine höhere Rente zu, wie sie sich bei voller Be-rücksichtigung der Vordienstzeiten aus der früher geltenden Fassung der [X.] ergeben würde. Die Klägerin des vorliegenden Verfahrens gehört jedoch nicht zu jenen jüngeren Versichertengenerationen, für die die [X.] Halbanrechnung nach Auffassung des [X.]s nicht mehr hinnehmbar ist. Das [X.] hat die Halbanrechnung trotz verfassungsrechtlicher Bedenken noch als zuläs-sige Typisierung und Generalisierung im Rahmen einer komplizierten Materie angesehen, weil ein bruchloser Verlauf der [X.] im öffentlichen Dienst erst für die jüngeren Versichertengenerationen nicht mehr hinreichend typisch sei. Bis zum Ablauf des Jahres 2000 kön-ne die Halbanrechnung aber noch hingenommen werden. Mithin ist das [X.] davon ausgegangen, daß alle Versicherten, die vor Ablauf des Jahres 2000 Rentner bei der [X.] geworden sind, noch zu denjenigen Generationen zählen, für die ein bruchloser Verlauf der (bei Rentenbeginn abgeschlossenen) [X.] als typisch angesehen werden kann. - 8 -

Die Unterscheidung, die das [X.] zwischen der Rentnergeneration der dortigen Beschwerdeführerin einerseits und den jüngeren Versichertengenerationen andererseits trifft, verlöre ihren Sinn, wenn auch Personen, die vor dem Stichtag schon Rentner bei der [X.] waren, nach dem Stichtag als Angehörige der jüngeren Versi-chertengenerationen hätten gelten sollen. Daß auch die Beschwerdefüh-rerin (und nicht nur die am Verfahren vor dem [X.] nicht beteiligten jüngeren Versichertengenerationen) vom Stichtag an ei-nen Anspruch auf Änderung der sie benachteiligenden, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Satzungsbestimmungen gehabt hätte, ist nicht ersichtlich.

Auch die Klägerin gehört noch zu einer Versichertengeneration, die bereits vor dem 31. Dezember 2000 bei der [X.] rentenberech-tigt geworden ist, nämlich seit 1. September 2000. Daß ihr [X.] bis zur Vollendung ihres 63. Lebensjahres gemäß § 65 Abs. 7 Satz 1 [X.] a.F. ruhte, ändert nichts daran, daß die Rentenberechti-gung der Klägerin bereits am 1. September 2000 entstanden war, von der [X.] auf diesen [X.]punkt berechnet und festgesetzt worden ist. Die Klägerin kann daher nicht anders als solche Versicherte behandelt werden, die noch im [X.] rentenberechtigt geworden sind, zumal die Beklagte auch der Klägerin bereits seit 1. September 2000 eine [X.] gezahlt hat.

d) Der Senat folgt dem [X.] darin, daß die Anwendung des § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa [X.] a.F. bei der Berechnung der Versorgungsrente für solche Versicherte, - 9 -

die - wie die Klägerin - bis zum 31. Dezember 2000 versorgungsrenten-berechtigt geworden sind, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Damit liegt auch kein Verstoß gegen §§ 9 [X.], 307 BGB vor. Dabei kann auf sich beruhen, ob den Erwägungen des [X.]s zur Ungleichbehandlung der von der Halbanrechnung betroffenen [X.] trotz der Kritik der [X.] in jedem Punkt zu folgen ist (vgl. auch Hebler, [X.], 337 ff.). Denn mit dem [X.] ist der Senat der Auffassung, daß - ist mit der Halbanrechnung eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Versicherten verbunden, die ihr ganzes Berufsleben im öffentlichen Dienst verbracht haben - sich die Ungleichbehandlung jedenfalls im Rahmen einer zulässigen Typisierung und Generalisierung einer komplizierten, eine sehr große Gruppe von Versicherten betreffenden Materie hielt. Diese Ungleichbehandlung hat ein Versicherter, der bis zum Ablauf des Jahres 2000 Zusatzrentenemp-fänger geworden ist, nicht zuletzt auch im Interesse der Erhaltung der [X.] Leistungsfähigkeit des Versorgungsträgers hinzunehmen, selbst wenn für die Zukunft eine andere, die Ungleichbehandlung für zu-künftige Rentenempfänger vermeidende Regelung zu treffen ist.

e) Die Klägerin wird auch gegenüber Versicherten, deren Rente sich nach der ab 1. Januar 2001 geltenden Neufassung der [X.] richtet, nicht in rechtlich erheblicher Weise benachteiligt. Das Niveau der in [X.] aufgrund der neuen Satzung von der [X.] zu leistenden Ver-sorgungsrenten ist generell niedriger als bisher; den Berechtigten wird daneben eine ergänzende Altersvorsorge angeboten, die aus eigenen Beiträgen aufgebaut werden muß. Daß die Klägerin trotz der dynamisier-ten Besitzstandsrente, die sie nach § 75 Abs. 2 [X.] n.F. erhält, wirt-schaftlich im Ergebnis schlechter stehe als Berechtigte, deren [X.] -

gungsrente nach neuem Satzungsrecht ohne Rücksicht auf Vordienstzei-ten außerhalb des öffentlichen Dienstes berechnet wird, ist von ihr weder dargetan noch ersichtlich. Der in der Halbanrechnung von Vordienstzei-ten vom [X.] gesehene Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz ist für die Zukunft ausgeräumt. Im Hinblick darauf stehen Rentenempfängern wie der Klägerin über die Wahrung ihres Be-sitzstandes hinaus auch in der Übergangszeit nach dem 31. Dezember 2000 keine weitergehenden Ansprüche aus Gründen der [X.] zu.

[X.] [X.] [X.]

Dr. [X.]

[X.]

Meta

IV ZR 104/03

10.11.2004

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.11.2004, Az. IV ZR 104/03 (REWIS RS 2004, 784)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 784

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.