Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.05.2022, Az. VIII R 11/20

8. Senat | REWIS RS 2022, 3951

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Gegenstand

(Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 17.05.2022 VIII R 26/20 - Berücksichtigung einer Leasingsonderzahlung bei Anwendung der sog. Kostendeckelungsregelung zur Privatnutzung betrieblicher Kfz)


Leitsatz

NV: Es ist nicht zu beanstanden, dass bei Anwendung der Billigkeitsregelung zur Kostendeckelung im BMF-Schreiben vom 18.11.2009 (BStBl I 2009, 1326, Rz 18) für Zwecke der Berechnung der Gesamtkosten eines genutzten Leasingfahrzeugs eine bei Vertragsschluss geleistete Leasingsonderzahlung auch dann periodengerecht auf die einzelnen Jahre des Leasingzeitraums verteilt wird, wenn der Steuerpflichtige seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 10.12.2019 - 3 K 1681/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und werden für das Streitjahr (2016) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte u.a. Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus einer Tätigkeit als beratender Ingenieur. Seinen Gewinn ermittelte er durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG).

2

Im Zeitraum 19.01.2015 bis 18.01.2018 leaste der Kläger einen PKW  mit einem Bruttolistenpreis von 55.800 €. Im Januar 2015 leistete er eine Leasingsonderzahlung in Höhe von 13.361,34 € sowie ab Februar 2015 monatliche Leasingraten in Höhe 250 €. Das Fahrzeug nutzte er zu mehr als 50 % für betriebliche Zwecke. Ein Fahrtenbuch führte er nicht.

3

Der von dem Kläger unter Anwendung der 1 %-Regelung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für die Privatnutzung ermittelte [X.] betrug im Streitjahr 6.696 €. Unter Hinweis auf Rz 18 des Schreibens des [X.] ([X.]) vom 18.11.2009 - IV C 6-S 2177/07/10004 (BStBl I 2009, 1326) nahm er in seiner Einkommensteuererklärung eine Deckelung auf die im Streitjahr angefallenen tatsächlichen Kfz-Kosten vor und begrenzte so den [X.] der privaten [X.] auf einen Betrag von 5.797 €. In die Ermittlung der tatsächlichen Kfz-Kosten für das Streitjahr bezog er die im [X.] geleistete Leasingsonderzahlung nicht (anteilig) mit ein.

4

Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 21.03.2018 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) den [X.] für die Privatnutzung in Höhe von 6.696 € an und führte zur Begründung aus, eine Beschränkung des [X.]s auf die im Streitjahr angefallenen [X.] komme nicht in Betracht, da diese den nach der 1 %-Regelung ermittelten Wert überschritten. Bei der Anwendung der Regelung zur Kostendeckelung sei die geleistete Leasingsonderzahlung gleichmäßig über den [X.] zu verteilen und daher im Streitjahr anteilig zu berücksichtigen.

5

Der Einspruch, mit dem die Kläger geltend machten, die Berechnung des [X.]s durch das [X.] sei weder durch das Gesetz noch durch die Kostendeckelungsregelung der Finanzverwaltung gedeckt, hatte keinen Erfolg.

6

Die daraufhin erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) [X.] mit in Entscheidungen der [X.]e 2020, 519 veröffentlichtem Urteil vom [X.] - 3 K 1681/19 ab.

7

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

8

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des [X.] [X.] vom [X.] - 3 K 1681/19 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 21.03.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.07.2019 dahin zu ändern, dass bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit des Klägers der [X.] für die Privatnutzung des Kfz in Höhe von 5.797 € angesetzt wird.

9

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass das [X.] den für die Privatnutzung des betrieblichen Kfz angesetzten [X.] zutreffend ermittelt hat.

1. Der Senat legt das Begehren der Kläger dahin aus, dass sie sich nicht nur gegen die Steuerfestsetzung, sondern auch gegen die Ablehnung einer [X.] nach § 163 der Abgabenordnung [X.]) wenden.

a) Zwar kann der [X.] ([X.]) nach ständiger Rechtsprechung im Steuerfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht über einen Billigkeitsantrag entscheiden, weil dieser Gegenstand eines besonderen Verwaltungsverfahrens ist (vgl. [X.]-Urteile vom 21.09.2000 - IV R 54/99, [X.]E 193, 301, [X.] 2001, 178, und vom 14.03.2007 - XI R 59/04, [X.]/NV 2007, 1838, m.w.N.). Die Entscheidung über eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen kann jedoch mit der Steuerfestsetzung verbunden werden (§ 163 Abs. 2 [X.]). Von einer Verbindung beider Verfahren im Wege einer objektiven Klagehäufung (§ 43 [X.]O) ist auszugehen, wenn der Kläger im Einspruchs- und im Klageverfahren ausdrücklich auch einen Anspruch auf eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen geltend gemacht und das [X.] über diesen Anspruch entschieden hat (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 193, 301, [X.] 2001, 178, unter 2. der Entscheidungsgründe).

b) So verhält es sich im Streitfall. Die Kläger haben sich im Einspruchs- und im Klageverfahren nicht nur gegen die Steuerfestsetzung gewandt, sondern sich ausdrücklich auch auf die Billigkeitsregelung im BMF-Schreiben in [X.], 1326 berufen und eine abweichende Steuerfestsetzung beantragt. Das [X.] hat die Anwendung der Billigkeitsregelung abgelehnt, weil es deren Voraussetzungen als nicht erfüllt angesehen hat. Auch das [X.] hat ausdrücklich über die Ablehnung der geltend gemachten [X.] durch das [X.] entschieden. Damit liegen sowohl eine Verwaltungsentscheidung als auch eine finanzgerichtliche Entscheidung über die [X.] vor (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 193, 301, [X.] 2001, 178, unter 2. der Entscheidungsgründe; [X.]-Urteil vom 18.03.2010 - IV R 23/07, [X.]E 228, 526, [X.], 654).

2. Die Ermittlung der privaten Nutzungsentnahme im angefochtenen Einkommensteuerbescheid ist, wie das [X.] zu Recht entschieden hat, zutreffend gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG erfolgt.

a) Entnahmen des Steuerpflichtigen für sich, seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG mit dem Teilwert anzusetzen. Nach der Sonderregelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist für die private Nutzung eines zu mehr als 50 % betrieblich genutzten Kfz pro Kalendermonat 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Die 1 %-Regelung ist eine typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (z.B. [X.]-Urteile vom 15.05.2018 - X R 28/15, [X.]E 261, 492, [X.] 2018, 712, und in [X.]/NV 2007, 1838). Individuelle Besonderheiten hinsichtlich der Art und der Nutzung des Kfz bleiben grundsätzlich unberücksichtigt ([X.]-Urteil in [X.]E 261, 492, [X.] 2018, 712). Die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG erfasst auch solche zu mehr als 50 % betrieblich genutzten Fahrzeuge, die der Steuerpflichtige, ohne deren wirtschaftliches Eigentum erlangt zu haben, lediglich als Leasingnehmer nutzt ([X.]-Urteil vom 13.02.2003 - X R 23/01, [X.]E 201, 499, [X.] 2003, 472).

b) Abweichend davon kann die private Nutzung mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG).

c) Da der Kläger im Streitfall den PKW unstreitig zu mehr als 50 % für betriebliche Zwecke genutzt und kein Fahrtenbuch geführt hat, ist das [X.] zutreffend von der 1 %-Regelung ausgegangen. Einwendungen gegen die Höhe der sich danach ergebenden Werte haben die Kläger nicht erhoben. Die von den Klägern begehrte Begrenzung des privaten Nutzungsanteils in Höhe der tatsächlich entstandenen Kfz-Kosten sieht die gesetzliche Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 EStG nicht vor.

3. Das [X.] hat auch zu Recht entschieden, dass die Kläger in Bezug auf die einkommensteuerrechtliche Erfassung der Privatnutzung des geleasten PKW keinen Anspruch aus § 163 [X.] auf eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen haben.

a) Nach § 163 Abs. 1 Satz 1 [X.] können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen bei der Festsetzung der Steuern unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.

aa) Die Erhebung der Steuer ist unbillig, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Besteuerungstatbestand fällt, im Einzelfall mit dem Sinn des Steuergesetzes nicht vereinbar ist. Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (vgl. [X.]-Beschluss vom 12.09.2007 - X B 18/03, [X.]/NV 2008, 102, m.w.N.). Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine [X.] (vgl. [X.]-Urteile vom 16.08.2001 - V R 72/00, [X.]/NV 2002, 545; vom [X.], [X.]E 228, 130, [X.] 2010, 663, jeweils m.w.N.).

bb) Die Billigkeitsentscheidung nach § 163 [X.] ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 [X.], die grundsätzlich nur einer eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (§ 102, § 121 [X.]O). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur daraufhin überprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Hingegen ist das Gericht nicht befugt, eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen und diese an die Stelle der behördlichen Ermessensentscheidung zu setzen ([X.]-Urteile vom 21.01.1992 - VIII R 72/87, [X.]E 169, 219, [X.] 1992, 958, und vom [X.] - VIII R 17/10, [X.]E 242, 134, [X.] 2013, 820).

b) Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 [X.] nicht vor.

Die Ermittlung der Privatentnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist nicht unbillig i.S. von § 163 [X.]. Eine Unbilligkeit ergibt sich entgegen der Auffassung der Kläger insbesondere nicht daraus, dass die in Anwendung der 1 %-Regelung zu versteuernde Nutzungsentnahme einen Wert erreichen kann, der über dem Betrag der vom Steuerpflichtigen getätigten Gesamtaufwendungen liegt. Es ist gerade Ziel und Zweck der 1 %-Regelung, anders als sonst bei der Besteuerung der privaten Nutzungsentnahmen (vgl. Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 26.10.1987 - GrS 2/86, [X.]E 151, 523, [X.] 1988, 348, unter [X.]), nicht an den Aufwand des Steuerpflichtigen, sondern an den ihm zukommenden Nutzungsvorteil anzuknüpfen. Vor diesem Hintergrund entspricht es dem Sinn der gesetzlichen Regelung, keine aufwandsbezogene Begrenzung vorzunehmen ([X.]-Urteil in [X.]E 261, 492, [X.] 2018, 712, Rz 29). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der 1 %-Regelung nicht um eine unwiderlegbare Typisierung handelt, so dass der Steuerpflichtige der Anwendung der pauschalierenden Regelung durch den Nachweis des tatsächlichen Sachverhalts mittels eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG ausweichen und damit eine als unbillig empfundene Besteuerung vermeiden kann ([X.]-Urteil in [X.]E 261, 492, [X.] 2018, 712, Rz 27). Er hat somit nicht nur die Möglichkeit, nach Maßgabe der [X.]sregelung der Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben vom in [X.], 1326, Rz 18) eine Begrenzung des [X.] auf den Betrag der Gesamtkosten zu beantragen (s. nachfolgend unter c)).

c) Das [X.] hat auch zu Recht entschieden, dass die Kläger keinen Anspruch auf eine Deckelung des aufgrund der 1 %-Regelung ermittelten [X.] nach Maßgabe des BMF-Schreibens in [X.], 1326 haben.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] können Verwaltungsanweisungen, die eine Billigkeitsregelung zum Inhalt haben, aus Gründen der Gleichbehandlung zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen. Den Finanzbehörden ist es danach verwehrt, in Einzelfällen, die offensichtlich von der Verwaltungsanweisung gedeckt werden, deren Anwendung ohne triftige Gründe im Rahmen des ihnen prinzipiell eingeräumten Ermessens abzulehnen. Der Steuerpflichtige hat grundsätzlich einen auch vor den Steuergerichten zu beachtenden Rechtsanspruch darauf, nach Maßgabe der allgemeinen Verwaltungsanweisungen besteuert zu werden ([X.]-Urteile vom [X.], [X.]/NV 2006, 1097; vom 19.05.2004 - III R 29/03, [X.]E 206, 253, [X.] 2005, 77; vom 16.03.2004 - VIII R 33/02, [X.]E 205, 270, [X.] 2004, 927, und vom 30.09.1997 - IX R 39/94, [X.]/NV 1998, 446).

bb) Die Regelung zur [X.] in Rz 18 des BMF-Schreibens in [X.], 1326 stellt eine derartige Billigkeitsregelung i.S. des § 163 [X.] dar. Sie sieht vor, dass der Nutzungswert nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG und der Betrag der nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG nicht abziehbaren Betriebsausgaben mit dem Betrag der Gesamtkosten des Kfz anzusetzen sind, wenn im Einzelfall nachgewiesen wird, dass der pauschal ermittelte Nutzungswert sowie die nicht abziehbaren Betriebsausgaben die für das genutzte Kfz insgesamt tatsächlich entstandenen Aufwendungen übersteigen. Fälle der [X.] sind somit solche, in denen die 1 %-Regelung Anwendung findet, jedoch der danach ermittelte Wert auf die Höhe der entstandenen Gesamtkosten begrenzt wird (vgl. [X.]-Urteile in [X.]/NV 2007, 1838, und vom 24.02.2000 - III R 59/98, [X.]E 191, 286, [X.] 2000, 273).

cc) Die Voraussetzungen dieser Billigkeitsregelung sind allerdings nach der nicht zu beanstandenden Auslegung durch das [X.] nicht erfüllt, weil der in Anwendung der 1 %-Regelung zu bemessende Wert der Nutzungsentnahme den Betrag der Gesamtkosten des Kfz i.S. von Rz 18 des BMF-Schreibens in [X.], 1326 im Streitjahr nicht überschreitet.

aaa) Allgemeine Verwaltungsanweisungen dürfen nicht in gleicher Weise wie Gesetze ausgelegt werden. Maßgeblich ist daher nicht, wie das Gericht eine solche Verwaltungsanweisung versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte ([X.]-Beschluss vom 11.03.2003 - VII B 208/02, [X.]/NV 2003, 816). Die Befugnis der Gerichte ist daher darauf beschränkt zu überprüfen, ob die Auslegung der Verwaltungsanweisung durch die Behörde möglich ist und nicht den gesetzlich vorgegebenen Rahmen überschreitet ([X.]-Urteile vom 13.01.2005 - V R 35/03, [X.]E 208, 398, [X.] 2005, 460; vom [X.], [X.]/NV 2006, 1097; [X.]-Beschluss vom 04.06.2003 - VII B 138/01, [X.]E 202, 231, [X.] 2003, 790). [X.] sich die Auslegung der Verwaltungsanweisung durch die Behörde innerhalb dieser Grenzen, ist deren Anwendung durch die Gerichte zu akzeptieren ([X.]-Urteil vom 23.04.1991 - VIII R 61/87, [X.]E 164, 422, [X.] 1991, 752; vom 20.10.1999 - X R 69/96, [X.]E 190, 185, [X.] 2000, 259, und vom 24.11.2005 - V R 37/04, [X.]E 211, 411, [X.] 2006, 466).

bbb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat das [X.] die Auslegung der [X.]sregelung durch das [X.] zu Recht nicht beanstandet.

(1) Die Auslegung der [X.]sregelung dahin, dass die Leasingsonderzahlung in der Weise in die Gesamtkosten des Kfz einzubeziehen ist, dass sie auf die Laufzeit des Leasingvertrags verteilt wird, ist möglich und jedenfalls nicht willkürlich.

(a) Zu den Gesamtaufwendungen für das Kfz (Gesamtkosten) gehören die Kosten, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Kfz zu dienen bestimmt sind und im Zusammenhang mit seiner Nutzung zwangsläufig anfallen. Dazu zählen neben den Kosten aufgrund regelmäßig anfallender Aufwendungen (z.B. für die Haftpflichtversicherung, die Kraftfahrzeugsteuer oder die Absetzung für Abnutzung) auch Leasingsonderzahlungen ([X.]-Urteile vom 14.09.2005 - VI R 37/03, [X.]E 211, 215, [X.] 2006, 72, und vom 03.09.2015 - VI R 27/14, [X.]E 251, 5, [X.] 2016, 174; vgl. BMF-Schreiben vom in [X.], 1326, Rz 32; vgl. auch [X.]/[X.]/Ettlich, § 8 EStG Rz 105).

(b) Nach dem Sinn und Zweck der Billigkeitsregelung sollen Härten bei der Berechnung des [X.] vermieden werden, die bei Anwendung der 1 %-Regelung dadurch entstehen können, dass der pauschal ermittelte [X.] über den in der Gewinnermittlung geltend gemachten Kfz-Kosten liegt. Bei den typischerweise von der 1 %-Regelung erfassten Fahrzeugen, die der Gesetzgeber bei der Schaffung der Pauschalierung vor Augen hatte, handelt es sich um Fahrzeuge mit einem hohem Bruttolistenpreis und einem hohen privaten Nutzungsanteil (vgl. hierzu [X.]-Urteil in [X.]E 191, 286, [X.] 2000, 273). Bei dieser Fallgruppe würde die Anwendung der 1 %-Regelung nach Auffassung der Finanzverwaltung zu offenkundig unzutreffenden Ergebnissen führen, wenn die genutzten Fahrzeuge bei ihrem Erwerb bereits abgeschrieben sind oder deutlich unter dem Bruttolistenpreis erworben wurden, so dass die tatsächlich für sie anfallenden Kosten vergleichsweise niedrig sind. Für diese Fälle soll die [X.]sregelung eine sachliche Unbilligkeit ausgleichen. Am Vorliegen einer solchen Unbilligkeit fehlt es jedoch nach der nicht zu beanstandenden Auslegung des BMF-Schreibens in [X.], 1326, wenn das Ungleichgewicht zwischen den tatsächlichen Aufwendungen für das Fahrzeug und dem pauschalen Nutzungswert darauf beruht, dass aufgrund einer geleisteten Leasingsonderzahlung ein Großteil der Fahrzeugkosten entsprechend der vertraglichen Gestaltung in ein einzelnes Nutzungsjahr (vor-)verlagert wird. Dem trägt die [X.]sregelung in der vom [X.] vorgenommenen Auslegung dadurch Rechnung, dass die Leasingsonderzahlung als solche zwar im Zeitpunkt der Zahlung als Betriebsausgabe berücksichtigt wird, für Zwecke der Berechnung des [X.] aber als vorausbezahltes Nutzungsentgelt zu behandeln und daher auf die Laufzeit des Leasingvertrags zu verteilen ist (gleicher Ansicht [X.]/[X.], EStG, 41. Aufl., § 6 Rz 546; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 6 EStG Rz 821; [X.] in Kirchhof/[X.], EStG, 21. Aufl., § 6 Rz 171; [X.]/[X.]/[X.], § 6 EStG Rz 1014a; Oberfinanzdirektion [X.] vom 19.09.2018, Der Betrieb 2018, 2467; vgl. auch [X.]-Beschluss vom 16.12.2020 - VI R 19/18, [X.]E 271, 536, [X.] 2021, 761).

(2) Diese Auslegung der [X.]sregelung durch das [X.] überschreitet auch nicht den gesetzlich vorgegebenen Rahmen.

(a) § 11 EStG steht der gleichmäßigen Verteilung der Leasingsonderzahlung auf die gesamte Laufzeit des Leasingvertrags für Zwecke der Berechnung der [X.] nicht entgegen. Die Vorschrift regelt nur den Zufluss von Einnahmen und den Abfluss von Ausgaben. Dieser Regelung wurde im Streitfall entsprochen, da die Leasingsonderzahlung im Jahr der Zahlung als Betriebsausgabe bei den Einkünften des [X.] berücksichtigt worden ist. Auf die Bewertung der Entnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist § 11 EStG nicht anwendbar ([X.]-Beschluss in [X.]E 271, 536, [X.] 2021, 761, Rz 29).

(b) Auch aus § 4 Abs. 3 EStG, der vorliegend aufgrund der vom Kläger gewählten Gewinnermittlungsart der Einnahmenüberschussrechnung zur Anwendung kommt, folgt nichts anderes. Der Gesetzgeber hat zwar mit der Wahlmöglichkeit der Gewinnermittlung durch [X.] nach § 4 Abs. 1 EStG einerseits und durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG andererseits die Entstehung unterschiedlicher Periodengewinne in einzelnen Veranlagungsjahren nicht ausgeschlossen, wollte damit jedoch nicht eine unterschiedliche Entnahmebesteuerung in Abhängigkeit von der Art und Weise der Gewinnermittlung unter Durchbrechung des Grundsatzes der Totalgewinnidentität zulassen (§ 6 Abs. 7 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 4 EStG; s.a. [X.]-Urteile vom [X.], [X.]E 108, 162, [X.] 1973, 293, und in [X.]E 242, 134, [X.] 2013, 820). Ein solcher Unterschied bei der Ermittlung des Totalgewinns ergäbe sich jedoch, wenn man die von dem Kläger geleistete Leasingsonderzahlung, anders als bei einem Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 i.V.m. § 5 EStG ermittelt, bei der Ermittlung der Gesamtkosten im Sinne der [X.]sregelung ausschließlich im Jahr der Zahlung berücksichtigen würde. Denn im Falle einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG wären die Gesamtkosten periodengerecht den jeweiligen [X.] zuzuordnen, da für die getätigte Leasingsonderzahlung gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG ein Rechnungsabgrenzungsposten gebildet und diese daher über die Nutzungsdauer verteilt in die Gesamtkosten einbezogen werden muss (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 251, 5, [X.] 2016, 174). Im Ergebnis könnte es daher, wie das [X.] zutreffend angenommen hat, auch bei gleich hoher Privatnutzung und identischen Gesamtkosten zu einer unterschiedlich hohen Entnahmebesteuerung in Abhängigkeit von der Art und Weise der Gewinnermittlung kommen. Die vom Kläger beanstandete Auslegung der [X.]sregelung in der Weise, dass für Zwecke der Ermittlung der Gesamtkosten eine Leasingsonderzahlung auch bei der Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG periodengerecht auf die betroffenen Jahre des [X.] zu verteilen ist, dient deshalb auch dazu, eine im Ergebnis gleichheitsgerechte Entnahmebesteuerung unabhängig von der Art und Weise der Gewinnermittlung zu gewährleisten.

4. Da ein Anspruch der Kläger auf die von ihnen geltend gemachte [X.] ausscheidet, war das Klageverfahren auch nicht im Hinblick auf eine abweichende Entscheidung aus Billigkeitsgründen auszusetzen (vgl. [X.]-Beschluss vom 26.02.1996 - V B 81/95, [X.]/NV 1996, 571).

5. Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 [X.]O).

6. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 11/20

17.05.2022

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 10. Dezember 2019, Az: 3 K 1681/19, Urteil

§ 4 Abs 3 EStG 2009, § 6 Abs 1 Nr 4 S 2 EStG 2009, § 5 AO, § 163 AO, § 102 FGO, EStG VZ 2016, § 4 Abs 5 S 1 Nr 6 EStG 2009, § 85 AO, Art 3 Abs 1 GG, § 11 EStG 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.05.2022, Az. VIII R 11/20 (REWIS RS 2022, 3951)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3951

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