Bundesfinanzhof, Beschluss vom 06.05.2011, Az. III B 130/10

3. Senat | REWIS RS 2011, 6933

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Gegenstand

Kindergeldberechtigung nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer - keine Anwendung der sozialverfahrensrechtlichen Vorschriften im steuerrechtlichen Kindergeldrecht - Billigkeitserlass


Leitsatz

1. NV: Für die Kindergeldberechtigung ist der Besitz einer ausreichenden ausländerrechtlichen Aufenthaltsgenehmigung nach AuslG 1990 oder eines aufenthaltsrechtlichen Titels nach dem AufenthG entscheidend. Es kommt nicht darauf an, ob ein Anspruch auf eine entsprechende Genehmigung bzw. einen entsprechenden Titel besteht .

2. NV: Auf das nach dem EStG zu gewährende Kindergeld sind die Vorschriften der AO anzuwenden. Die diesen gegenüber günstigeren Bestimmungen der §§ 44 ff. SGB X können auch nicht analog herangezogen werden .

3. NV: Ein Billigkeitserlass nach § 227 AO kann gerechtfertigt sein, wenn im Hinblick auf die Gewährung von Kindergeld Sozialleistungen des Empfängers gekürzt wurden, die bei einer später erfolgenden Rückforderung des Kindergeldes nicht mehr nachgezahlt werden können .

4. NV: Ob hinsichtlich der Rückforderung des Kindergeldes ein Antrag auf Billigkeitserlass darauf gestützt werden kann, dass dieses bei der Ermittlung der entsprechenden Sozialleistung als Einkommen des Betroffenen berücksichtigt wurde, kann in einem die Rechtmäßigkeit der Rückforderung betreffenden Revisionsverfahren nicht geklärt werden .

Gründe

1

Die Bes[X.]hwerde ist jedenfalls unbegründet und dur[X.]h Bes[X.]hluss zurü[X.]kzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgeri[X.]htsordnung --[X.]O--).

2

1. Die von dem Kläger und Bes[X.]hwerdeführer (Kläger) aufgeworfene Frage, ob "die Versagung --hier sogar die [X.] von Kindergeld zu Lasten eines auf Dauer in [X.] legal lebenden Ausländers, der künftige Einwohner [X.]s betreut (hat) und erzieht (erzogen hat), verfassungswidrig" ist, hat keine grundsätzli[X.]he Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O. Diese setzt u.a. voraus, dass die Re[X.]htsfrage klärungsbedürftig ist und in einem Revisionsverfahren au[X.]h geklärt werden kann. An der Klärungsfähigkeit fehlt es, wenn die Re[X.]htsfrage dur[X.]h die Re[X.]htspre[X.]hung des [X.] ([X.]) hinrei[X.]hend geklärt ist und keine neuen Gesi[X.]htspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Ents[X.]heidung erforderli[X.]h ma[X.]hen (z.B. [X.]-Bes[X.]hluss vom 3. April 2008 [X.], [X.]/NV 2008, 1445). Dana[X.]h kommt eine Zulassung hier ni[X.]ht in Betra[X.]ht.

3

Der Senat hat mit Urteilen vom 15. März 2007 [X.]/03 ([X.]E 217, 443, [X.], 905) sowie vom 22. November 2007 [X.]/02 ([X.]E 220, 45, [X.], 913) bereits ents[X.]hieden, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung der [X.] in § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) n.F. im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums handelte, als er die [X.] von Ausländern vom Besitz bestimmter Aufenthaltstitel na[X.]h dem [X.] abhängig ma[X.]hte und bei einzelnen Titeln, die einen s[X.]hwä[X.]heren aufenthaltsre[X.]htli[X.]hen Status vermitteln, darüber hinaus von einem mindestens dreijährigen re[X.]htmäßigen, gestatteten oder geduldeten Aufenthalt im [X.] sowie von einer bere[X.]htigten Erwerbstätigkeit, vom Bezug laufender Geldleistungen na[X.]h dem [X.] oder von der Inanspru[X.]hnahme von Elternzeit (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 Bu[X.]hst. [X.], Nr. 3 EStG n.F.). Es ist verfassungsre[X.]htli[X.]h unbedenkli[X.]h, dass geduldete Ausländer ni[X.]ht kindergeldbere[X.]htigt sind (vgl. au[X.]h Bes[X.]hluss des Bundesverfassungsgeri[X.]hts --[X.]-- vom 9. Dezember 2009  2 BvR 1957/08, Hö[X.]hstri[X.]hterli[X.]he Finanzre[X.]htspre[X.]hung 2010, 292). An dieser Re[X.]htsansi[X.]ht des Senats hat si[X.]h au[X.]h dur[X.]h die Vorlagebes[X.]hlüsse des Bundessozialgeri[X.]hts na[X.]h Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vom 3. Dezember 2009 [X.] EG 5/08 R, [X.] EG 6/08 R sowie [X.] EG 7/08 R (juris), die zur wortglei[X.]hen Regelung der Bere[X.]htigung von Ausländern zur Inanspru[X.]hnahme von Erziehungsgeld na[X.]h § 1 Abs. 6 des Gesetzes zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit ergangen sind, ni[X.]hts geändert (s. Senatsurteil vom 28. April 2010 [X.], [X.]E 229, 262, [X.], 980). Der Kläger hat ni[X.]ht dargelegt, weshalb die von ihm aufgeworfene Re[X.]htsfrage trotz der bereits vorhandenen Re[X.]htspre[X.]hung erneut klärungsbedürftig geworden sein sollte.

4

In der Re[X.]htspre[X.]hung des [X.] ist ferner geklärt, dass für die [X.] der "Besitz" einer ausrei[X.]henden ausländerre[X.]htli[X.]hen Aufenthaltsgenehmigung na[X.]h dem Ausländergesetz 1990 oder eines aufenthaltsre[X.]htli[X.]hen Titels na[X.]h dem [X.] ents[X.]heidend ist und es ni[X.]ht darauf ankommt, ob ein Anspru[X.]h auf eine entspre[X.]hende Genehmigung bzw. einen entspre[X.]henden Titel besteht (z.B. Senatsbes[X.]hluss vom 31. Juli 2009 [X.]/08, [X.]/NV 2009, 1811). Daher ist es für die Frage der [X.] des [X.] im Streitzeitraum unerhebli[X.]h, ob der Kläger gegenwärtig im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist. Na[X.]h den Feststellungen des Finanzgeri[X.]hts ([X.]) verfügte er jedenfalls in dem insoweit maßgebli[X.]hen Streitzeitraum ni[X.]ht über einen der erforderli[X.]hen Aufenthaltstitel i.S. des § 62 Abs. 2 EStG.

5

2. Die Revision ist au[X.]h ni[X.]ht zur Klärung der Frage zuzulassen, ob "die Unglei[X.]hbehandlung von Empfängern sozialre[X.]htli[X.]hen Kindergeldes, denen Vertrauenss[X.]hutz über die §§ 45, 48 des Zehntes Bu[X.]hes Sozialgesetzbu[X.]h ([X.]) zugebilligt wird, gegenüber den Empfängern von steuerre[X.]htli[X.]hem Kindergeld, die keinen Vertrauenss[X.]hutz reklamieren können, mit dem Glei[X.]hheitsgrundsatz vereinbar" ist. Denn au[X.]h diese Re[X.]htsfrage ist bereits geklärt. So geht der [X.] in ständiger Re[X.]htspre[X.]hung davon aus, dass auf das na[X.]h dem Einkommensteuergesetz zu gewährende Kindergeld die Vors[X.]hriften der Abgabenordnung ([X.]) anzuwenden sind und die diesen gegenüber günstigeren Bestimmungen der §§ 44 ff. [X.] au[X.]h ni[X.]ht analog herangezogen werden können (z.B. Senatsurteil vom 19. November 2008 [X.]/06, [X.]/NV 2009, 357, m.w.N.). Au[X.]h na[X.]h Ansi[X.]ht des [X.] (Bes[X.]hluss vom 6. April 2011  1 BvR 1765/09, zu § 44 [X.], juris) verstößt die verfahrensre[X.]htli[X.]he S[X.]hle[X.]hterstellung bei der Gewährung von Kindergeld na[X.]h dem Einkommensteuergesetz gegenüber einer Kindergeldleistung na[X.]h dem Bundeskindergeldgesetz ni[X.]ht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da sie dur[X.]h [X.] sa[X.]hli[X.]h gere[X.]htfertigt ist. Diese spre[X.]hen dafür, für das na[X.]h dem Einkommensteuergesetz festzusetzende Kindergeld die Anwendung des steuerli[X.]hen Verfahrensre[X.]hts der Abgabenordnung vorzus[X.]hreiben, denn die für die Streitigkeiten aus dem Einkommensteuergesetz zuständigen [X.] sind mit der Anwendung dieses Verfahrensre[X.]hts besonders vertraut.

6

Darüber hinaus hat der [X.] bereits ents[X.]hieden, dass ein [X.] na[X.]h § 227 [X.] gere[X.]htfertigt sein kann, wenn im Hinbli[X.]k auf die Gewährung von Kindergeld Sozialleistungen des Empfängers gekürzt wurden, die bei einer später erfolgenden Rü[X.]kforderung des Kindergeldes ni[X.]ht mehr na[X.]hgezahlt werden können (vgl. Senatsurteile vom 15. März 2007 [X.]/05, [X.]/NV 2007, 1298; in [X.]/NV 2009, 357; vom 18. Dezember 2008 [X.]/06, [X.]/NV 2009, 749, und vom 30. Juli 2009 III R 22/07, [X.]/NV 2009, 1983). Ob hinsi[X.]htli[X.]h der Rü[X.]kforderung des Kindergeldes ein Antrag auf [X.] darauf gestützt werden kann, dass dieses bei der Ermittlung der entspre[X.]henden Sozialleistung als Einkommen des Betroffenen berü[X.]ksi[X.]htigt wurde, kann allerdings in einem die Re[X.]htmäßigkeit der Rü[X.]kforderung betreffenden Revisionsverfahren ni[X.]ht geklärt werden (vgl. Senatsbes[X.]hluss vom 21. Juli 2008 III S 17/08 (PKH), juris).

Meta

III B 130/10

06.05.2011

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 29. April 2010, Az: 14 K 49/10, Urteil

§ 62 Abs 2 EStG, §§ 44ff SGB 10, § 227 AO, § 44 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 06.05.2011, Az. III B 130/10 (REWIS RS 2011, 6933)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6933

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 1765/09

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