Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.04.2013, Az. 2 StR 504/12

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 6695

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2
StR 504/12

vom
11. April
2013
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
Untreue u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat
nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer
am 11. April
2013
gemäß §§ 349 Abs.
2 und 4, 354 Abs. 1 StPO
beschlossen:

1. Auf die Revision der Angeklagten P.

M.

wird das Urteil des [X.] vom 23.
April 2012, soweit es sie betrifft,
a) mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen II.
1-14, 19-23, 26-33, 35-131, 133-142, 147-160, 164-253, 255-267, 273-289, 295-303, 307-319, 322-393 und 397-472 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe und über die Feststellung gemäß §
111i Abs.
2 StPO aufgehoben,
b) in den Fällen II.
15-18, 24, 25, 34, 132, 143-146, 161-163, 254, 268-272, 290-294, 304-306, 320, 321, 394-396 und 473 der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin abgeändert, dass die Angeklagte jeweils des Betruges schuldig ist, im Fall 132 in Tateinheit mit Urkundenfäl-schung.

Ihre weitergehende Revision wird als unbegründet verwor-fen.
2. Auf die Revision des Angeklagten M.

M.

wird das vorgenannte Urteil, soweit es ihn betrifft, mit den Feststel-lungen aufgehoben.
-
3
-
3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des [X.]s zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagte P.

M.

wegen Untreue in 473 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und den Angeklagten M.

M.

wegen Beihilfe zur Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Weiter hat das [X.] festgestellt, dass
bei der Ange-klagten P.

M.

hinsichtlich eines Betrages von 21.505

Angeklagten M.

M.

hinsichtlich eines Betrages von 39.190

ü-che des Verletzten der Anordnung des Verfalls entgegenstehen. Die [X.] [X.] die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel der Angeklagten P.

M.

hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO. Das Rechtsmittel des Angeklagten M.

M.

hat in vollem Umfang Erfolg.

I.
1. Nach den Feststellungen war die Angeklagte P.

M.

ab Mai 2009 als Sachbearbeiterin beim H.

kreis im Fachbereich Soziale Dienste tätig. Dort war sie als persönliche Ansprechpartnerin für [X.] eingesetzt und damit zuständig für die nach dem Zweiten Sozialge-1
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-
4
-
setzbuch ([X.]) zu gewährenden Leistungen zur Eingliederung in Arbeit. Sie hatte [X.] mit Leistungsberechtigten abzuschließen und in diesem Rahmen über die Teilnahme an Fördermaßnahmen zu [X.]. Hierzu war die Angeklagte ermächtigt,

n-gliederungsmaßnahme allein zu entscheiden. Sie konnte sowohl die [X.] als auch den ausführenden Träger frei bestimmen. Die [X.], die von den persönlichen Ansprechpartnern bewilligt worden waren, wurden von ihnen nach Leistungserbringung und Rechnungsstellung in ein Datenverarbeitungsprogramm eingegeben und an die Maßnahmeträger per Überweisung ausgezahlt.
Die Angeklagte entschloss sich, zur Aufbesserung ihrer Einkünfte die ihr eingeräumten Entscheidungsbefugnisse auszunutzen. Auf ihren Vorschlag hin gründete ihr Ehemann, der Angeklagte M.

M.

, Anfang Juni 2009 ein .

I.

H.

, für das er unter seiner Wohnanschrift ein Gewerbe anmeldete und ein Konto einrichtete. Danach beauftragte die Angeklagte im Namen des Kreis-ausschusses des H.

kreises das Unternehmen mit der Durchführung von Schulungen für Langzeitarbeitslose. Der Angeklagte M.

M.

hielt bis Ende September 2009 in eigens dafür angemieteten Räumen Deutsch-
und Mathematik-Kurse ab.
Um ihre Einkünfte weiter zu steigern, wies die Angeklagte P.

M.

in der [X.] vom 16.
Juni 2009 bis zum 23.
März 2010 in 438 Fällen Zahlungen auch für nicht erbrachte Leistungen zu Lasten des H.

kreises an (Fälle II.
1-14, 19-23, 26-33, 35-131, 133-142, 147-160, 164-253, 255-267, 273-289, 295-303, 307-319, 322-393 und 397-472 der Urteilsgründe). Sie erstellte in [X.] ersten [X.] zunächst für fiktive Leistungen des Unternehmens des Angeklagten M.

M.

zur Verschleierung ihres Vorgehens im Namen 3
4
-
5
-
des Kreisausschusses Kostenübernahmen und heftete diese in die Fallakten der Leistungsempfänger. Dort legte die Angeklagte ebenfalls die im Zusam-menwirken mit dem Angeklagten M.

M.

aufgesetzten Scheinrechnun-gen ab, deren Beträge sie an die [X.] überweisen ließ. Einige der insgesamt 74 im gesamten Tatzeitraum an die [X.] geleisteten Zahlungen wies sie aufgrund sog. Vorschussrechnungen an, für die nachfolgend Gegenleistungen nicht er-bracht wurden; teilweise veranlasste sie Zahlungen an die [X.] auch ohne Rechnungen.
Außerdem
meldete die Angeklagte P.

M.

im August 2009
selbst ein [X.]. Deren Namen verwendete sie ab August 2009 ebenfalls, um Zahlungen für angeblich gegenüber Leistungsempfängern erbrachte Fortbil-dungsmaßnahmen auf ihre eigenen Konten veranlassen zu können. Auch hier erstellte sie zur Verschleierung ihres Vorgehens Kostenübernahme-Erklärungen des Kreisausschusses und Scheinrechnungen über fiktive Leis-tungen.
Weiterhin buchte die Angeklagte P.

M.

in einem zweiten [X.] in der [X.] vom 3.
Juli 2009 bis zum 19.
März 2010 in 35 Fällen über Datenverarbeitungsprogramme auch Bar-Auszahlungen für Leistungsempfän-ger (Fälle II.
15-18, 24, 25, 34, 132, 143-146, 161-163, 254, 268-272, 290-294, 304-306, 320, 321, 394-396 und 473 der Urteilsgründe). Den Sachbearbeitern des Fachbereichs Soziale Dienste war die Möglichkeit derartiger Geldauszah-lungen zur Beseitigung dringender Notlagen eingeräumt. Die entsprechenden Auszahlungsanordnungen waren nach einem Vier-Augen-Prinzip
von einem Sachbearbeiter mit Feststellungsbefugnis und einem Sachbearbeiter mit An-ordnungsbefugnis zu unterzeichnen. Die Angeklagte hatte selbst keine der bei-den Befugnisse. Aufgrund falscher Angaben zur Notwendigkeit der Auszahlun-gen und einer nur oberflächlichen Plausibilitätsprüfung auf sachliche und rech-5
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-
nerische Richtigkeit erlangte die Angeklagte jeweils die beiden erforderlichen Unterschriften. Zur Verschleierung ihres wahren Vorhabens erstellte die Ange-klagte auch [X.] über die angeblich wichtigen Gründe. Die Auszah-lungsbeträge wurden jeweils auf Chipkarten aufgeladen, die regulär an die Leistungsempfänger gegen Quittung auszuhändigen gewesen wären. Mit den entsprechend aufgeladenen Karten zog die Angeklagte selbst das Bargeld an den hierfür
vorgesehenen Kassenautomaten, die in den Räumen der Dienst-stelle videoüberwacht aufgestellt waren. Um ihre Vorgehensweise plausibel zu machen, bat sie Ende Juni 2009 ihren Vorgesetzten unter einem Vorwand um die Erlaubnis, selbst anstelle der Hilfeempfänger das Bargeld ziehen zu dürfen. Ihr Vorgesetzter durchschaute ihre wahre Absicht nicht und erhob keine [X.]. Außerdem sorgte sie jeweils für Unterschriften, mit denen sie auf den Auszahlungsanordnungen eine Quittung der angeblichen Zahlungsempfänger über einen Erhalt der Chipkarte vortäuschte. Im Fall 132 fälschte sie hierzu die Unterschrift des betreffenden Leistungsempfängers.
Durch die von der Angeklagten P.

M.

durchgeführten Überwei-sungen und Barauszahlungen im Rahmen vorgetäuschter [X.] bei insgesamt 120 [X.] entstand in den 473 Fällen dem H.

e-trug der Schaden in
den 74
Fällen, in denen die Angeklagte Überweisungen an die [X.] auf das Konto des Angeklagten
M.

M.

für nicht erbrachte Leis-

2. Die Angeklagte P.

M.

hatte
sich in der Hauptverhandlung zu den von ihr veranlassten Überweisungen dahin eingelassen, schon kurz nach
ihrem Dienstantritt ihrem Vorgesetzten, dem Zeugen Ha.

, eine Verbesse-rung der Fördermaßnahmen vorgeschlagen und ihm die Durchführung von Schulungen und Coachings durch das Unternehmen ihres Mannes und durch 6
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7
-
ein eigenes Unternehmen angeboten zu haben. Anschließend habe ihr der Zeuge Ha.

am 8.
Juni 2009 per E-Mail bestätigt, dass ein Pilotprojekt durchgeführt werden solle. Die Kosten für die von ihren Firmen noch zu erbrin-genden Leistungen sollten vorab bis spätestens zum 1.
Quartal 2010 zur [X.] gebracht werden, um ein befristet zur Verfügung stehendes Budget ausschöpfen zu können. Alle Maßnahmen seien mit dem Zeugen Ha.

ab-gesprochen worden. Sie habe die als Vorschuss in Rechnung gestellten Leis-tungen nicht mehr wie vorgesehen bis November 2010 erbringen können, weil sie zuvor vom Dienst freigestellt worden sei.
Das [X.] hat diese Darstellung insbesondere aufgrund der sie bestreitenden Aussage des Zeugen Ha.

als widerlegt erachtet und eine von der Angeklagten am achten Hauptverhandlungstag vorgelegte Mehrfachkopie einer angeblich durch den Zeugen Ha.

versandten E-Mail vom 8.
Juni 2009 unter anderem wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes als Fälschung ange-sehen.

II.
1. Beide Beschwerdeführer beanstanden mit einer
Verfahrensrüge zu Recht eine Verletzung des §
244 Abs.
3 und
Abs.
4 Satz
1 StPO. Dies führt hinsichtlich des Angeklagten M.

M.

zu einer Aufhebung des Urteils insgesamt; die Revision der Angeklagten P.

M.

hat hinsichtlich ihrer Ver-urteilung wegen Untreue in den 438 im Tenor benannten Fällen im ersten [X.] Erfolg.
a) Der Verfahrensrüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Im [X.] vom 21.
Februar 2012 hatte die Angeklagte P.

M.

die Einholung eines Sachverständigengutachtens unter anderem be-8
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-
8
-
züglich des sicherzustellenden und technisch zu untersuchenden [X.] des Zeugen Ha.

zum Beweis für die Tatsache beantragt, dass auf [X.] Dienstcomputer eine von dem Zeugen an die Angeklagte gerichtete E-Mail vom 8.
Juni 2009 gespeichert oder gespeichert gewesen sei, aber inzwischen gelöscht worden sei. Das [X.] wies diesen Beweisantrag mit der Be-

Im [X.] vom 5.
April 2012 wandte sich der Verteidiger mit einem erneuten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur technischen Untersuchung des Dienstcomputers des Zeugen Ha.

gegen diese Ablehnungsbegründung des [X.]s und wiederholte der Sache nach den ersten Beweisantrag. Das [X.] wies den Antrag erneut zu-

b) Die Verfahrensrüge ist jeweils zulässig erhoben.
Die Revisionen haben die Beweisanträge der Angeklagten P.

M.

und ihres Verteidigers sowie die Ablehnungsentscheidungen des [X.]s mitgeteilt und damit die zur Nachprüfung des [X.] erfor-derlichen Tatsachen im Sinne des
§
344 Abs.
2 Satz 2 StPO angegeben. Für die Rüge der fehlerhaften Ablehnung von Beweisanträgen genügen dieser Dar-legungslast grundsätzlich schon eine Wiedergabe des Antrags und des [X.] sowie eine Mitteilung der Tatsachen, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses ergibt (vgl. [X.], Urteil vom dem 24.
Juli 1998 -
3
[X.], [X.], 3284; [X.] in [X.], StPO,
26.
Aufl., §
244 Rn.
372).
Da sich hier die Fehlerhaftigkeit der gerichtlichen [X.] schon aus deren Begründung ergab, bedurfte es der Darlegung weiterer Tatsa-11
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-
9
-
chen nicht. Insbesondere war zur Nachprüfung der [X.] eine Kenntnis einer E-Mail vom 29.
Juni 2009 und eines Beweisantrags Nr.
10 vom 22.
März 2012 nicht erforderlich, deren Inhalte die Revision zur Begründung der Beweisantragsrüge in Bezug genommen, aber in ihrem unmittelbaren Kontext nicht mitgeteilt hat. Entgegen der Auffassung des [X.] ver-letzt es auch nicht die strengen Formerfordernisse des §
344 Abs.
2
Satz
2 StPO, dass von den Beschwerdeführern die angeblich von dem Zeugen
Ha.

an die Angeklagte gesandte E-Mail vom 8.
Juni 2009, auf die sich die Beweisanträge beziehen, unter Wiedergabe ihres genauen Wortlauts und äu-ßeren Erscheinungsbildes lediglich in einem gesonderten Schriftsatz als Anlage zu den Revisionsbegründungsschriften mitgeteilt wird. Denn die von den [X.] in Bezug genommene Kopie einer E-Mail vom 8.
Juni 2009, de-ren Inhalt ohnehin sinngemäß in dem von der Revision im unmittelbaren Zu-sammenhang mit der Beweisantragsrüge mitgeteilten Beweisantrag Nr.
1 vom 21.
Februar 2012 wiedergegeben worden ist, hat Bedeutung allein für die Frage des [X.] nach §
337 Abs.
1 StPO. Zum Beruhen des Urteils auf der [X.] Ablehnung muss die Revision jedoch regelmäßig nicht vortragen (vgl.
[X.], Urteil vom 24.
Juli 1998 -
3 [X.], aaO;
Beschluss vom 24.
Januar 2010 -
1 [X.]; [X.], StPO,
55.
Aufl., §
344 Rn.
27; [X.], aaO).
c) Die Verfahrensrüge ist auch begründet. Die
Anträge genügen den an einen Beweisantrag zu stellenden Anforderungen. Ihre Ablehnung durch die [X.] hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Zwar muss einem in die Form eines Beweisantrags gekleideten Beweis-begehren nach bisheriger Rechtsprechung ausnahmsweise nicht oder allenfalls nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachgegangen werden, wenn die [X.] ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne jede begrün-14
15
-
10
-
dete Vermutung aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellt wurde, so dass
es sich nur um einen nicht ernstlich gemeinten, zum Schein gestellten [X.] handelt. Für die Beurteilung, ob ein aufs Geratewohl gestellter Antrag vor-liegt, ist die Sichtweise eines verständigen Antragstellers entscheidend. Es kommt nicht darauf an, ob das Tatgericht eine beantragte Beweiserhebung für erforderlich hält (vgl. [X.], Beschlüsse vom 5.
März 2003 -
2 StR 405/02, [X.], 497; vom 23.
März 2008 -
2 [X.], [X.], 474; [X.], Beschlüsse
vom 10.
November 1992 -
5 [X.], [X.], 143; vom 2.
Februar 2002 -
3 [X.], [X.], 233; Urteil vom 13.
Juni 2007
-
4
StR 100/07, [X.], 52,
53; [X.], aaO, §
244 Rn.
20 [X.]; ein Festhalten an der bisherigen Rechtsprechung
offen lassend [X.], [X.] vom 19.
September 2007 -
3 [X.], [X.], 9, vom 20.
Juli 2010 -
3 [X.], [X.] 2010, 466, und vom 3.
November 2010 -
1
StR 497/10, NJW 2011, 1239, 1240; kritisch gegenüber der bisherigen [X.]
auch [X.], aaO, Rn.
112; [X.] in [X.] Kommentar,
StPO,
6. Aufl., §
244 Rn.
72).
Jedoch lässt sich selbst nach den Maßstäben der bisherigen [X.] entgegen der Auffassung des [X.] die Beweisbe-hauptung nicht als aufs Geratewohl aufgestellt ansehen. Die Anträge knüpften an eine zur Akte gereichte Kopie der in Frage stehenden E-Mail vom 8.
Juni 2009 an. Die Beweisbehauptung hatte somit einen tatsächlichen Anhaltspunkt und konnte schon deshalb ungeachtet der zahlreichen Umstände, die vom [X.] auch erst nach Würdigung des gesamten [X.] in den Urteilsgründen gegen die Authentizität der E-Mail angeführt worden sind, nicht als nicht ernstlich gemeint gewertet werden. Jedenfalls hat das [X.] mit seiner zur Begründung des ersten Ablehnungsbeschlusses angeführ-ten
Erwägung, dass das Beweisthema auf bloßen Vermutungen beruhe, die Grenzen der vorgenannten Rechtsprechung missachtet. Danach kann es dem 16
-
11
-
Antragsteller grundsätzlich nicht verwehrt sein, auch solche Tatsachen zum Gegenstand eines Beweisantrags zu machen, deren Richtigkeit er lediglich vermutet oder für möglich hält ([X.] Rspr.;
vgl. [X.], Urteile vom 3.
August 1966
-
2 [X.], [X.]St 21, 118, 125; vom 17.
September 1982 -
2 StR 139/82, NJW 1983, 126, 127; Beschlüsse vom 10.
November 1992 -
5 [X.], aaO; vom 2.
Februar 2002 -
3
[X.], aaO; vom 4.
April 2006 -
4 StR 30/06, [X.], 405; [X.], aaO, Rn.
73 [X.]).
Auch soweit das [X.] den der Sache nach wiederholten Beweis-antrag mit seiner zweiten Entscheidung unter Berufung auf eigene Sachkunde zurückgewiesen hat, hat es sich, worauf bereits der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat, auf einen untauglichen Ab-lehnungsgrund gestützt. Dem [X.] ist nicht bekannt, ob überhaupt eine tech-nische Untersuchung des betreffenden Computers erfolgte und hierdurch ent-sprechende Befundtatsachen festgestellt wurden. Schon deshalb ist nicht zu erkennen, dass die Beurteilung der Beweisbehauptung nicht mehr als Allge-meinwissen erfordert hätte. Da im Übrigen schon die Feststellung, ob sich [X.] Daten bzw. deren Spuren auf den Speichermedien eines Computers befinden, spezifisches Fachwissen erfordert, das nicht Allgemeingut von [X.] ist, hätte die eigene Sachkunde einer näheren Darlegung bedurft (vgl. [X.], Urteil vom
10.
Juli 1958 -
4 [X.], [X.]St 12, 18, 20; Beschluss vom 26.
April 2000 -
3
StR 152/00, [X.], 665). Eine solche ist auch den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.
d) Auf der danach rechtsfehlerhaften Ablehnung der Beweisanträge können die Verurteilung der Angeklagten P.

M.

wegen Untreue in den 438 im Tenor benannten Fällen im ersten [X.] und die Verurteilung des Angeklagten M.

M.

wegen Beihilfe zur Untreue beruhen. Das [X.] hat der Tatsache, dass der Zeuge Ha.

bestritten hat, die fragliche E-17
18
-
12
-
Mail vom 8.
Juni 2009 geschrieben zu haben, und dem Umstand, dass es sich bei der von der Verteidigung vorgelegten E-Mail-Kopie offensichtlich um eine Fälschung gehandelt habe, maßgebliche Bedeutung für die Widerlegung der Einlassung
der Angeklagten P.

M.

beigemessen. Der [X.] kann [X.] nicht ausschließen, dass das [X.] zu einer abweichenden Überzeu-gungsbildung gelangt wäre, wenn es den beantragten Beweis erhoben und sich dabei die Beweisbehauptung
bestätigt hätte. In diesem Fall wäre ein tragendes Argument der Beweiswürdigung der Kammer entfallen.
2. Die Aufhebung der Verurteilung der Angeklagten P.

M.

in den vorgenannten Fällen zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die [X.] und über die Feststellung gemäß §
111i Abs.
2 StPO nach sich.
3. Weiterhin führt die Revision
der Angeklagten P.

M.

mit der Sachrüge in den 35 im Tenor benannten Fällen im zweiten [X.] zu einer Änderung des Schuldspruchs.
a) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen insoweit nicht die Verurteilung der Angeklagten wegen Untreue.
Das [X.] hat zwar rechtsfehlerfrei dargelegt, dass die Angeklagte in ihrer Funktion als persönliche Ansprechpartnerin für Langzeitarbeitslose ih-rem Dienstherrn gegenüber vermögensbetreuungspflichtig im Sinne von §
266 StGB war, soweit es um die ihr zur eigenständigen Entscheidung übertragene Zuweisung von [X.] in Eingliederungs-
und Fördermaßnahmen ging. Insoweit bildete die fremdnützige [X.] einen Hauptgegen-stand ihres Dienstauftrags, bei dessen Wahrnehmung sie bis zu der Betrags-r-halb eines Ermessensspielraums hatte (vgl. zu den Voraussetzungen einer Vermögensbetreuungspflicht nach [X.] Rspr.;
[X.], Beschlüsse vom 13.
Sep-19
20
21
22
-
13
-
tember 2010 -
1 [X.], [X.]St 55, 288, 297
f. [X.] und vom 3.
Mai 2012
-
2 StR 446/11, [X.], 40).
Zu dem Bereich der von der Angeklagten selbstständig und eigenver-antwortlich wahrgenommenen Aufgaben zählten jedoch nicht die für akute Not-fälle vorgesehenen Bargeldauszahlungen an Langzeitarbeitslose, und zwar auch nicht hinsichtlich der rein technischen Abwicklung der Auszahlungen durch die allein bei den Sachbearbeitern liegende Aushändigung der [X.] an die Leistungsempfänger, die das [X.] bei seiner rechtli-chen Bewertung in den Blick genommen hat. Für solche Auszahlungen hatte die Angeklagte weder eine Feststellungs-
noch eine Anordnungsbefugnis, son-dern sie benötigte die Unterschriften von zwei hierzu ermächtigten Sachbear-beitern bzw. Teamleitern, die aufgrund ihrer Angaben zur Notwendigkeit einer Barauszahlung deren sachliche und rechnerische Richtigkeit zu prüfen hatten. Nur durch Täuschung dieser Dienststellenmitarbeiter erlangte die Angeklagte die von ihnen unterzeichneten Auszahlungsanordnungen, auf deren Grundlage sie über ein elektronisches Zahlungssystem jeweils die Aufladungen der Geld-karten vornehmen konnte. Mit der erschlichenen Aufladung der Geldkarten, mit denen sie unmittelbar die zugewiesenen Beträge abheben konnte, war der
Vermögensschaden des
H.

kreises auch bereits eingetreten.
b) Diese Täuschungen gegenüber den feststellungs-
und anordnungsbe-fugten Sachbearbeitern über angeblich bei [X.] aufgetretene Notfälle und die hierdurch bewirkte Unterzeichnung der Anordnung von Bar-geldauszahlungen, die sie anschließend für sich selbst vereinnahmte, [X.] stattdessen eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Betruges nach §
263 Abs.1, Abs.
3 Satz
1 Nr.
1 und
4 StGB.
23
24
-
14
-
Der [X.]
hat daher in analoger Anwendung des §
354 Abs.
1 StPO den Schuldspruch entsprechend geändert. §
265 Abs.
1 StPO steht nicht entgegen. Der [X.] schließt aus, dass die Angeklagte sich bei Erteilung eines [X.] rechtlichen Hinweises in tatsächlicher Hinsicht anders verteidigt hätte.
[X.]

[X.] Appl

Berger Krehl
25

Meta

2 StR 504/12

11.04.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.04.2013, Az. 2 StR 504/12 (REWIS RS 2013, 6695)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6695

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 StR 587/09

3 StR 218/10

1 StR 220/09

2 StR 446/11

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