Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.04.2013, Az. 2 StR 504/12

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 6760

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Gegenstand

Strafverfahren: Fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages wegen einer Beweisbehauptung "ins Blaue hinein"


Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 23. April 2012, soweit es sie betrifft,

a) mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen [X.], 19-23, 26-33, 35-131, 133-142, 147-160, 164-253, 255-267, 273-289, 295-303, 307-319, 322-393 und 397-472 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe und über die Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO aufgehoben,

b) in den Fällen [X.], 24, 25, 34, 132, 143-146, 161-163, 254, 268-272, 290-294, 304-306, 320, 321, 394-396 und 473 der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin abgeändert, dass die Angeklagte jeweils des Betruges schuldig ist, im Fall 132 in Tateinheit mit Urkundenfälschung.

Ihre weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

2. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das vorgenannte Urteil, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte [X.]wegen Untreue in 473 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheits[X.]rafe von fünf Jahren und den Angeklagten [X.]wegen Beihilfe zur Untreue zu einer Freiheits[X.]rafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Weiter hat das [X.] fe[X.]ge[X.]ellt, dass bei der Angeklagten [X.]hinsichtlich eines Betrages von 21.505 € und bei dem Angeklagten [X.]hinsichtlich eines Betrages von 39.190 € Ansprüche des Verletzten der Anordnung des Verfalls entgegen[X.]ehen. Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel der Angeklagten [X.]hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen i[X.] es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.]. Das Rechtsmittel des Angeklagten [X.]hat in vollem Umfang Erfolg.

I.

2

1. Nach den Fe[X.][X.]ellungen war die Angeklagte [X.]ab Mai 2009 als Sachbearbeiterin beim [X.] im Fachbereich Soziale Dien[X.]e tätig. Dort war sie als persönliche Ansprechpartnerin für Langzeitarbeitslose eingesetzt und damit zu[X.]ändig für die nach dem [X.] ([X.]) zu gewährenden Lei[X.]ungen zur Eingliederung in Arbeit. Sie hatte [X.] mit Lei[X.]ungsberechtigten abzuschließen und in diesem Rahmen über die Teilnahme an Fördermaßnahmen zu entscheiden. Hierzu war die Angeklagte ermächtigt, über ein Budget von 5.000 € je Eingliederungsmaßnahme allein zu entscheiden. Sie konnte sowohl die Maßnahme als auch den ausführenden Träger frei be[X.]immen. Die [X.], die von den persönlichen Ansprechpartnern bewilligt worden waren, wurden von ihnen nach Lei[X.]ungserbringung und Rechnungs[X.]ellung in ein Datenverarbeitungsprogramm eingegeben und an die Maßnahmeträger per Überweisung ausgezahlt.

3

Die Angeklagte entschloss sich, zur Aufbesserung ihrer Einkünfte die ihr eingeräumten Entscheidungsbefugnisse auszunutzen. Auf ihren Vorschlag hin gründete ihr Ehemann, der Angeklagte [X.], Anfang Juni 2009 ein Einzelunternehmen unter dem Namen „B.       I.             H.   “ ([X.]), für das er unter seiner Wohnanschrift ein Gewerbe anmeldete und ein Konto einrichtete. Danach beauftragte die Angeklagte im Namen des Kreisausschusses des [X.] das Unternehmen mit der Durchführung von Schulungen für Langzeitarbeitslose. Der Angeklagte [X.]hielt bis Ende September 2009 in eigens dafür angemieteten Räumen Deutsch- und Mathematik-Kurse ab.

4

Um ihre Einkünfte weiter zu [X.]eigern, wies die Angeklagte [X.]in der [X.] vom 16. Juni 2009 bis zum 23. März 2010 in 438 Fällen Zahlungen auch für nicht erbrachte Lei[X.]ungen zu La[X.]en des [X.] an (Fälle II. 1-14, 19-23, 26-33, 35-131, 133-142, 147-160, 164-253, 255-267, 273-289, 295-303, 307-319, 322-393 und 397-472 der Urteilsgründe). Sie er[X.]ellte in diesem er[X.]en [X.] zunäch[X.] für fiktive Lei[X.]ungen des Unternehmens des Angeklagten [X.]zur Verschleierung ihres Vorgehens im Namen des Kreisausschusses Ko[X.]enübernahmen und heftete diese in die Fallakten der Lei[X.]ungsempfänger. Dort legte die Angeklagte ebenfalls die im Zusammenwirken mit dem Angeklagten [X.]aufgesetzten Scheinrechnungen ab, deren Beträge sie an die [X.] überweisen ließ. Einige der insgesamt 74 im gesamten Tatzeitraum an die [X.] gelei[X.]eten Zahlungen wies sie aufgrund sog. Vorschussrechnungen an, für die nachfolgend Gegenlei[X.]ungen nicht erbracht wurden; teilweise veranlas[X.]e sie Zahlungen an die [X.] auch ohne Rechnungen.
Außerdem meldete die Angeklagte [X.]im Augu[X.] 2009 selb[X.] ein Gewerbe für „Coaching“ an und gründete in der Folgezeit fünf eigene Scheinunternehmen. Deren Namen verwendete sie ab Augu[X.] 2009 ebenfalls, um Zahlungen für angeblich gegenüber Lei[X.]ungsempfängern erbrachte Fortbildungsmaßnahmen auf ihre eigenen Konten veranlassen zu können. Auch hier er[X.]ellte sie zur Verschleierung ihres Vorgehens Ko[X.]enübernahme-Erklärungen des Kreisausschusses und Scheinrechnungen über fiktive Lei[X.]ungen.

5

Weiterhin buchte die Angeklagte [X.]in einem zweiten [X.] in der [X.] vom 3. Juli 2009 bis zum 19. März 2010 in 35 Fällen über Datenverarbeitungsprogramme auch Bar-Auszahlungen für Lei[X.]ungsempfänger (Fälle II. 15-18, 24, 25, 34, 132, 143-146, 161-163, 254, 268-272, 290-294, 304-306, 320, 321, 394-396 und 473 der Urteilsgründe). Den Sachbearbeitern des Fachbereichs Soziale Dien[X.]e war die Möglichkeit derartiger Geldauszahlungen zur Beseitigung dringender Notlagen eingeräumt. Die entsprechenden Auszahlungsanordnungen waren nach einem Vier-Augen-Prinzip von einem Sachbearbeiter mit Fe[X.][X.]ellungsbefugnis und einem Sachbearbeiter mit Anordnungsbefugnis zu unterzeichnen. Die Angeklagte hatte selb[X.] keine der beiden Befugnisse. Aufgrund falscher Angaben zur Notwendigkeit der Auszahlungen und einer nur oberflächlichen Plausibilitätsprüfung auf sachliche und rechnerische Richtigkeit erlangte die Angeklagte jeweils die beiden erforderlichen Unterschriften. Zur Verschleierung ihres wahren Vorhabens er[X.]ellte die Angeklagte auch [X.] über die angeblich wichtigen Gründe. Die [X.] wurden jeweils auf Chipkarten aufgeladen, die regulär an die Lei[X.]ungsempfänger gegen Quittung auszuhändigen gewesen wären. Mit den entsprechend aufgeladenen Karten zog die Angeklagte selb[X.] das Bargeld an den hierfür vorgesehenen Kassenautomaten, die in den Räumen der Dien[X.][X.]elle videoüberwacht aufge[X.]ellt waren. Um ihre Vorgehensweise plausibel zu machen, bat sie Ende Juni 2009 ihren Vorgesetzten unter einem Vorwand um die Erlaubnis, selb[X.] an[X.]elle der Hilfeempfänger das Bargeld ziehen zu dürfen. Ihr Vorgesetzter durchschaute ihre wahre Absicht nicht und erhob keine Einwände. Außerdem sorgte sie jeweils für Unterschriften, mit denen sie auf den Auszahlungsanordnungen eine Quittung der angeblichen Zahlungsempfänger über einen Erhalt der Chipkarte vortäuschte. Im Fall 132 fälschte sie hierzu die Unterschrift des betreffenden Lei[X.]ungsempfängers.

6

Durch die von der Angeklagten [X.]durchgeführten Überweisungen und Barauszahlungen im Rahmen vorgetäuschter Betreuungsmaßnahmen bei insgesamt 120 Lei[X.]ungsbeziehern ent[X.]and in den 473 Fällen dem [X.] ein Gesamtschaden in einer Höhe von 514.736 €. Dabei betrug der Schaden in den 74 Fällen, in denen die Angeklagte Überweisungen an die [X.] auf das Konto des Angeklagten [X.]für nicht erbrachte Lei[X.]ungen veranlas[X.]e, insgesamt 39.190 €.

7

2. Die Angeklagte [X.]hatte sich in der [X.]uptverhandlung zu den von ihr veranlas[X.]en Überweisungen dahin eingelassen, schon kurz nach ihrem Dien[X.]antritt ihrem Vorgesetzten, dem Zeugen [X.].   , eine Verbesserung der Fördermaßnahmen vorgeschlagen und ihm die Durchführung von Schulungen und Coachings durch das Unternehmen ihres Mannes und durch ein eigenes Unternehmen angeboten zu haben. Anschließend habe ihr der Zeuge [X.].   am 8. Juni 2009 per E-Mail be[X.]ätigt, dass ein Pilotprojekt durchgeführt werden solle. Die Ko[X.]en für die von ihren Firmen noch zu erbringenden Lei[X.]ungen sollten vorab bis späte[X.]ens zum 1. Quartal 2010 zur Abrechnung gebracht werden, um ein befri[X.]et zur Verfügung [X.]ehendes Budget ausschöpfen zu können. Alle Maßnahmen seien mit dem Zeugen [X.].   abgesprochen worden. Sie habe die als Vorschuss in Rechnung ge[X.]ellten Lei[X.]ungen nicht mehr wie vorgesehen bis November 2010 erbringen können, weil sie zuvor vom Dien[X.] freige[X.]ellt worden sei.

8

Das [X.] hat diese Dar[X.]ellung insbesondere aufgrund der sie be[X.]reitenden Aussage des Zeugen [X.].   als widerlegt erachtet und eine von der Angeklagten am achten [X.]uptverhandlung[X.]ag vorgelegte Mehrfachkopie einer angeblich durch den Zeugen [X.].   versandten E-Mail vom 8. Juni 2009 unter anderem wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes als Fälschung angesehen.

II.

9

1. Beide Beschwerdeführer bean[X.]anden mit einer Verfahrensrüge zu Recht eine Verletzung des § 244 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 [X.]. Dies führt hinsichtlich des Angeklagten [X.]zu einer Aufhebung des Urteils insgesamt; die Revision der Angeklagten [X.]hat hinsichtlich ihrer Verurteilung wegen Untreue in den 438 im Tenor benannten Fällen im er[X.]en [X.] Erfolg.

a) Der Verfahrensrüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde: Im [X.]uptverhandlung[X.]ermin vom 21. Februar 2012 hatte die Angeklagte [X.] die Einholung eines Sachver[X.]ändigengutachtens unter anderem bezüglich des sicherzu[X.]ellenden und technisch zu untersuchenden Dien[X.]computers des Zeugen [X.].   zum Beweis für die Tatsache beantragt, dass auf diesem Dien[X.]computer eine von dem Zeugen an die Angeklagte gerichtete E-Mail vom 8. Juni 2009 gespeichert oder gespeichert gewesen sei, aber inzwischen gelöscht worden sei. Das [X.] wies diesen Beweisantrag mit der Begründung zurück, dass „das Bewei[X.]hema auf bloßen Vermutungen beruht“. Im [X.]uptverhandlung[X.]ermin vom 5. April 2012 wandte sich der Verteidiger mit einem erneuten Antrag auf Einholung eines Sachver[X.]ändigengutachtens zur technischen Untersuchung des Dien[X.]computers des Zeugen [X.].   gegen diese Ablehnungsbegründung des [X.]s und wiederholte der Sache nach den er[X.]en Beweisantrag. Das [X.] wies den Antrag erneut zurück, nunmehr mit der Begründung, dass „die Kammer die Beweisfrage aus eigener Sachkunde beurteilen kann“.

b) Die Verfahrensrüge i[X.] jeweils zulässig erhoben.

Die Revisionen haben die Beweisanträge der Angeklagten [X.]und ihres Verteidigers sowie die Ablehnungsentscheidungen des [X.]s mitgeteilt und damit die zur Nachprüfung des [X.] erforderlichen Tatsachen im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] angegeben. Für die Rüge der fehlerhaften Ablehnung von Beweisanträgen genügen dieser Darlegungsla[X.] grundsätzlich schon eine Wiedergabe des Antrags und des Ablehnungsbeschlusses sowie eine Mitteilung der Tatsachen, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses ergibt (vgl. [X.], Urteil vom dem 24. Juli 1998 - 3 [X.], [X.], 3284; [X.] in [X.], [X.], 26. Aufl., § 244 Rn. 372).

Da sich hier die Fehlerhaftigkeit der gerichtlichen [X.] schon aus deren Begründung ergab, bedurfte es der Darlegung weiterer Tatsachen nicht. Insbesondere war zur Nachprüfung der [X.] eine Kenntnis einer E-Mail vom 29. Juni 2009 und eines Beweisantrags Nr. 10 vom 22. März 2012 nicht erforderlich, deren Inhalte die Revision zur Begründung der [X.] in Bezug genommen, aber in ihrem unmittelbaren Kontext nicht mitgeteilt hat. Entgegen der Auffassung des [X.] verletzt es auch nicht die [X.]rengen Formerfordernisse des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.], dass von den Beschwerdeführern die angeblich von dem Zeugen [X.].    an die Angeklagte gesandte E-Mail vom 8. Juni 2009, auf die sich die Beweisanträge beziehen, unter Wiedergabe ihres genauen Wortlauts und äußeren Erscheinungsbildes lediglich in einem gesonderten Schriftsatz als Anlage zu den Revisionsbegründungsschriften mitgeteilt wird. Denn die von den Beweisanträgen in Bezug genommene Kopie einer E-Mail vom 8. Juni 2009, deren Inhalt ohnehin sinngemäß in dem von der Revision im unmittelbaren Zusammenhang mit der [X.] mitgeteilten Beweisantrag Nr. 1 vom 21. Februar 2012 wiedergegeben worden i[X.], hat Bedeutung allein für die Frage des [X.] nach § 337 Abs. 1 [X.]. Zum Beruhen des Urteils auf der fehlerhaften Ablehnung muss die Revision jedoch regelmäßig nicht vortragen (vgl. [X.], Urteil vom 24. Juli 1998 - 3 [X.], aaO; Beschluss vom 24. Januar 2010 - 1 StR 587/09; [X.], [X.], 55. Aufl., § 344 Rn. 27; [X.], aaO).

c) Die Verfahrensrüge i[X.] auch begründet. Die Anträge genügen den an einen Beweisantrag zu [X.]ellenden Anforderungen. Ihre Ablehnung durch die [X.] hält rechtlicher Nachprüfung nicht [X.]and.

Zwar muss einem in die Form eines Beweisantrags gekleideten Beweisbegehren nach bisheriger Rechtsprechung ausnahmsweise nicht oder allenfalls nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne jede begründete Vermutung aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufge[X.]ellt wurde, so dass es sich nur um einen nicht ern[X.]lich gemeinten, zum Schein ge[X.]ellten Beweisantrag handelt. Für die Beurteilung, ob ein aufs Geratewohl ge[X.]ellter Antrag vorliegt, i[X.] die Sichtweise eines ver[X.]ändigen Antrag[X.]ellers entscheidend. Es kommt nicht darauf an, ob das Tatgericht eine beantragte Beweiserhebung für erforderlich hält (vgl. [X.], Beschlüsse vom 5. März 2003 - 2 [X.], [X.], 497; vom 23. März 2008 - 2 [X.], [X.], 474; [X.], Beschlüsse vom 10. November 1992 - 5 StR 474/92, [X.], 143; vom 2. Februar 2002 - 3 [X.], [X.], 233; Urteil vom 13. Juni 2007 - 4 StR 100/07, [X.], 52, 53; [X.], aaO, § 244 Rn. 20 mwN; ein Fe[X.]halten an der bisherigen Rechtsprechung offen lassend [X.], Beschlüsse vom 19. September 2007 - 3 [X.], [X.], 9, vom 20. Juli 2010 - 3 [X.], [X.] 2010, 466, und vom 3. November 2010 - 1 StR 497/10, NJW 2011, 1239, 1240; kritisch gegenüber der bisherigen Rechtsprechung auch [X.], aaO, Rn. 112; [X.] in [X.] Kommentar, [X.], 6. Aufl., § 244 Rn. 72).

Jedoch läs[X.] sich selb[X.] nach den Maß[X.]äben der bisherigen Rechtsprechung entgegen der Auffassung des [X.] die Beweisbehauptung nicht als aufs Geratewohl aufge[X.]ellt ansehen. Die Anträge knüpften an eine zur Akte gereichte Kopie der in Frage [X.]ehenden E-Mail vom 8. Juni 2009 an. Die Beweisbehauptung hatte somit einen tatsächlichen Anhaltspunkt und konnte schon deshalb ungeachtet der zahlreichen Um[X.]ände, die vom [X.] auch er[X.] nach Würdigung des gesamten [X.] in den Urteilsgründen gegen die Authentizität der E-Mail angeführt worden sind, nicht als nicht ern[X.]lich gemeint gewertet werden. Jedenfalls hat das [X.] mit seiner zur Begründung des er[X.]en Ablehnungsbeschlusses angeführten Erwägung, dass das Bewei[X.]hema auf bloßen Vermutungen beruhe, die Grenzen der vorgenannten Rechtsprechung missachtet. Danach kann es dem Antrag[X.]eller grundsätzlich nicht verwehrt sein, auch solche Tatsachen zum Gegen[X.]and eines Beweisantrags zu machen, deren Richtigkeit er lediglich vermutet oder für möglich hält ([X.]. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 3. Augu[X.] 1966 - 2 [X.], [X.]St 21, 118, 125; vom 17. September 1982 - 2 StR 139/82, NJW 1983, 126, 127; Beschlüsse vom 10. November 1992 - 5 StR 474/92, aaO; vom 2. Februar 2002 - 3 [X.], aaO; vom 4. April 2006 - 4 StR 30/06, [X.], 405; [X.], aaO, Rn. 73 mwN).

Auch soweit das [X.] den der Sache nach wiederholten Beweisantrag mit seiner zweiten Entscheidung unter Berufung auf eigene Sachkunde zurückgewiesen hat, hat es sich, worauf bereits der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat, auf einen untauglichen Ablehnungsgrund ge[X.]ützt. Dem [X.] i[X.] nicht bekannt, ob überhaupt eine technische Untersuchung des betreffenden Computers erfolgte und hierdurch entsprechende Befundtatsachen fe[X.]ge[X.]ellt wurden. Schon deshalb i[X.] nicht zu erkennen, dass die Beurteilung der Beweisbehauptung nicht mehr als Allgemeinwissen erfordert hätte. Da im Übrigen schon die Fe[X.][X.]ellung, ob sich be[X.]immte Daten bzw. deren Spuren auf den Speichermedien eines Computers befinden, spezifisches Fachwissen erfordert, das nicht Allgemeingut von Richtern i[X.], hätte die eigene Sachkunde einer näheren Darlegung bedurft (vgl. [X.], Urteil vom 10. Juli 1958 - 4 StR 211/58, [X.]St 12, 18, 20; Beschluss vom 26. April 2000 - 3 [X.], [X.], 665). Eine solche i[X.] auch den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.

d) Auf der danach rechtsfehlerhaften Ablehnung der Beweisanträge können die Verurteilung der Angeklagten [X.]wegen Untreue in den 438 im Tenor benannten Fällen im er[X.]en [X.] und die Verurteilung des Angeklagten [X.]wegen Beihilfe zur Untreue beruhen. Das [X.] hat der Tatsache, dass der Zeuge [X.].   be[X.]ritten hat, die fragliche E-Mail vom 8. Juni 2009 geschrieben zu haben, und dem Um[X.]and, dass es sich bei der von der Verteidigung vorgelegten E-Mail-Kopie offensichtlich um eine Fälschung gehandelt habe, maßgebliche Bedeutung für die Widerlegung der Einlassung der Angeklagten [X.]beigemessen. Der [X.] kann daher nicht ausschließen, dass das [X.] zu einer abweichenden Überzeugungsbildung gelangt wäre, wenn es den beantragten Beweis erhoben und sich dabei die Beweisbehauptung be[X.]ätigt hätte. In diesem Fall wäre ein tragendes Argument der Beweiswürdigung der Kammer entfallen.

2. Die Aufhebung der Verurteilung der Angeklagten [X.]in den vorgenannten Fällen zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamt[X.]rafe und über die Fe[X.][X.]ellung gemäß § 111i Abs. 2 [X.] nach sich.

3. Weiterhin führt die Revision der Angeklagten [X.]mit der Sachrüge in den 35 im Tenor benannten Fällen im zweiten [X.] zu einer Änderung des Schuldspruchs.

a) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Fe[X.][X.]ellungen tragen insoweit nicht die Verurteilung der Angeklagten wegen Untreue.

Das [X.] hat zwar rechtsfehlerfrei dargelegt, dass die Angeklagte in ihrer Funktion als persönliche Ansprechpartnerin für Langzeitarbeitslose ihrem Dien[X.]herrn gegenüber vermögensbetreuungspflichtig im Sinne von § 266 StGB war, soweit es um die ihr zur eigen[X.]ändigen Entscheidung übertragene Zuweisung von [X.] in Eingliederungs- und Fördermaßnahmen ging. Insoweit bildete die fremdnützige [X.] einen [X.]uptgegen[X.]and ihres Dien[X.]auftrags, bei dessen Wahrnehmung sie bis zu der Betragsgrenze von 5.000 € die Möglichkeit zur verantwortlichen Entscheidung innerhalb eines Ermessensspielraums hatte (vgl. zu den Voraussetzungen einer Vermögensbetreuungspflicht nach [X.]. Rspr.; [X.], Beschlüsse vom 13. Sep-tember 2010 - 1 [X.], [X.]St 55, 288, 297 f. mwN und vom 3. Mai 2012 - 2 StR 446/11, [X.], 40).

Zu dem Bereich der von der Angeklagten selb[X.][X.]ändig und eigenverantwortlich wahrgenommenen Aufgaben zählten jedoch nicht die für akute Notfälle vorgesehenen Bargeldauszahlungen an Langzeitarbeitslose, und zwar auch nicht hinsichtlich der rein technischen Abwicklung der Auszahlungen durch die allein bei den Sachbearbeitern liegende Aushändigung der [X.] an die Lei[X.]ungsempfänger, die das [X.] bei seiner rechtlichen Bewertung in den Blick genommen hat. Für solche Auszahlungen hatte die Angeklagte weder eine Fe[X.][X.]ellungs- noch eine Anordnungsbefugnis, sondern sie benötigte die Unterschriften von zwei hierzu ermächtigten Sachbearbeitern bzw. Teamleitern, die aufgrund ihrer Angaben zur Notwendigkeit einer Barauszahlung deren sachliche und rechnerische Richtigkeit zu prüfen hatten. Nur durch Täuschung dieser Dien[X.][X.]ellenmitarbeiter erlangte die Angeklagte die von ihnen unterzeichneten Auszahlungsanordnungen, auf deren Grundlage sie über ein elektronisches Zahlungssy[X.]em jeweils die Aufladungen der Geldkarten vornehmen konnte. Mit der erschlichenen Aufladung der Geldkarten, mit denen sie unmittelbar die zugewiesenen Beträge abheben konnte, war der Vermögensschaden des [X.]es auch bereits eingetreten.

b) Diese Täuschungen gegenüber den fe[X.][X.]ellungs- und anordnungsbefugten Sachbearbeitern über angeblich bei Lei[X.]ungsbeziehern aufgetretene Notfälle und die hierdurch bewirkte Unterzeichnung der Anordnung von Bargeldauszahlungen, die sie anschließend für sich selb[X.] vereinnahmte, begründen [X.]attdessen eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Betruges nach § 263 Abs.1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 4 StGB.

Der [X.] hat daher in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 [X.] den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 Abs. 1 [X.] [X.]eht nicht entgegen. Der [X.] schließt aus, dass die Angeklagte sich bei Erteilung eines entsprechenden rechtlichen Hinweises in tatsächlicher Hinsicht anders verteidigt hätte.

[X.]                       [X.]                       Appl

                Berger                       Krehl

Meta

2 StR 504/12

11.04.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankfurt, 23. April 2012, Az: 5/29 KLs 7340 Js 213772/10 (1/11)

§ 244 Abs 3 StPO, § 244 Abs 4 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.04.2013, Az. 2 StR 504/12 (REWIS RS 2013, 6760)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6760

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