Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.11.2004, Az. III ZR 372/03

III. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 907

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Entscheidungstext


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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]
Verkündet am: 4. November 2004 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja

[X.] § 9; [X.] §§ 5 Abs. 5, 24

Besteht der begründete Verdacht, daß - enteignungsrechtlich zu entschä-digende - Baulichkeiten und Anlagen mit Altlasten befallen sind, so kann sich daraus eine Wertminderung (Reduzierung der Entschädigung) nach der Höhe der Sanierungskosten (einschließlich Untersuchungs- und Siche-rungskosten) ergeben.

BauGB § 221 Abs. 1, 2; ZPO § 531 Abs. 2

Zur Anwendbarkeit der Präklusionsvorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO im [X.] Berufungsverfahren.

[X.], Urteil vom 4. November 2004 - [X.] - OLG [X.]

LG [X.] - 2 -

[X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter [X.] und die Richter [X.], [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Die Revision des Beteiligten zu 1 gegen das Urteil des Bauland-senats des [X.]s [X.] vom 3. Dezember 2003
wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 1 hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu
tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

Durch notariellen Kaufvertrag vom 29. August 1991 mit Änderungen vom 21. Oktober 1991 erwarb die Beteiligte zu 2 (Bundesstraßenverwaltung) von dem Beteiligten zu 1 für die Durchführung des Neubaus der Ortsumgehung [X.]nach Maßgabe des Planfeststellungsbeschlusses vom 21. Mai 1991 eine 8.270 m² große Teilfläche des Flurstücks 1813 der Gemarkung [X.]einschließlich der darauf befindlichen Gebäude und Anlagen. Die Übergabe erfolgte zum 1. Oktober 1991. Am 31. Oktober 1991 wurde die Beteiligte zu 2 - 3 -

im Grundbuch als Eigentümerin des neu gebildeten Flurstücks 1813/3 einge-tragen.

Die Veräußerung des [X.] erfolgte "in seinem gegenwärti-gen Zustand, wie er von der Käuferin besichtigt worden ist bzw. besichtigt wer-den konnte" (§ 2). Zur "Mängelhaftung" hieß es in § 7: "1. Der Verkäufer haftet bezüglich Sachmängeln, Beschaffenheit und Flächenmaß des Grundstückes nur insoweit, als er auch im Falle einer Enteignung haften würde.

2. Der Verkäufer versichert, daß ihm von Schadstoffen auf und in dem Grundstück nichts bekannt ist."

Der Kaufpreis war aufgeteilt in einen bereits zum Zeitpunkt des [X.] für die Fläche des verkauften Grundstücks (100 DM/m² = 827.000 DM für 8.270 m²) und einen weiteren Kauf-preisanteil "für die auf der veräußerten Teilfläche aufstehenden Gebäude und die dort sich befindlichen Anlagen". Letzterer sollte durch ein Wertgutachten der [X.] [X.]ermittelt werden. Für den Fall, daß das Ergebnis des Wertermittlungsgutachtens nicht von beiden Parteien akzeptiert wurde, hatte die Beteiligte zu 2 80 % des sich aus dem Gutachten ergebenden Betrages "als Abschlagszahlung auf den 2. Kaufpreisanteil" auszuzahlen (§ 3 Abs. 1b); beiden Parteien sollte es dann vorbehalten bleiben, "in einem Verfah-ren gem. § 27 Abs. 3 des Landesentschädigungsgeset[X.] (gemeint: Landes-enteignungsgesetz) die Enteignungsbehörde anzurufen zum Zwecke der Fest-setzung des [X.] durch die Entschädigungsbehörde". - 4 -

Nachdem die [X.] [X.]unter dem 11. Dezember 1991 ein Gutachten erstattet hatte, das für die Gebäude und Anlagen einen Wert von 334.000 DM ergab, aber weder von dem Beteiligten zu 1 noch von der Beteiligten zu 2 akzeptiert wurde, zahlte die Beteiligte zu 2 an den [X.] zu 1 80 % dieses Betrages (= 267.200 DM). Die [X.] [X.]

nahm im Einvernehmen beider Seiten eine Überarbeitung ihres Gut-achtens vor, die (unter dem 9. Juli 1992) einen Wert von 343.350 DM ergab. In der Folgezeit verweigerte jedoch der Beteiligte zu 2 weitere Zahlungen mit der Begründung, es bestehe der Verdacht von Altlasten.

Daraufhin erhob der Beteiligte zu 1 - mit der Behauptung, es sei bereits eine bindende Einigung auf den Wert des überarbeitenden Gutachtens der [X.] vom 9. Juli 1992 erfolgt - Klage gegen die Beteiligte zu 2 auf Zahlung von - soweit hier von Interesse - 66.800 DM. In jenem Prozeß, in dem die Beklagte zu 2 im Wege der Widerklage die Feststellung einer Scha-densersatzpflicht des Beteiligten zu 1 wegen arglistigen Verschweigens der [X.] auf der betreffenden Teilfläche, hilfsweise die Berechtigung der [X.] zu 2 zur Minderung des Kaufpreises begehrte, wies letztinstanzlich das [X.] [X.] mit Urteil vom 6. Juli 1994 die Klage (als derzeit unbegründet) und die Widerklage ab.

In dem von der Beteiligten zu 2 beantragten Verfahren vor der Enteig-nungsbehörde hat der Beteiligte zu 3 mit Bescheid vom 6. April 2000 die [X.] auf der veräußerten Teilfläche des Flurstücks 1813 aufstehenden Gebäude und Anlagen "auf DM 0,00" festgesetzt und angeord-net, daß der Beteiligte zu 1 den an ihn bereits ausgezahlten Betrag von - 5 -

267.200 DM zurückzuerstatten habe. Zur Begründung heißt es in diesem Be-scheid, die Entschädigungshöhe berechne sich aus dem durch das ergänzte Gutachten der [X.] ermittelten Gebäude- und Anlagenwert von 343.350 DM abzüglich folgender, in der Summe 401.116,29 DM ausmachen-der, Kosten einer - der Beteiligten zu 2 in der [X.] wegen Verdachts einer Kontaminierung durch die frühere Nutzung als Stuhlfabrik zur Auflage gemachten - "begleitenden Altlastenermittlung": - Entsorgung von kontaminiertem Material – 8.790,56 DM, - Ausbau von [X.] – 3.359,95 DM, - Sanierung [X.] – 144.891,76 DM, - Sanierung Baugelände – 55.041,15 DM, - [X.] – 137.913,75 DM, - Untergrunduntersuchung nach Abschluß
der A[X.]rucharbeiten – 17.797,63 DM, - Entsorgung von Sonderabfällen –
(zwei Rechnungen) – 18.121,52 DM,

9.789,97 DM, - Gebührenbescheid Entsorgungsnachweis
Landratsamt – 100,00 DM, - Abfallgebühren gemäß Bescheid des Land-
ratsamtes – 5.310,00 DM.

Dem hiergegen gerichteten Antrag des Beteiligten zu 1 auf gerichtliche Entscheidung hat das Landgericht (Kammer für [X.]) nur insoweit stattgegeben, als es die Rückzahlungsanordnung der Beteiligten zu 3 über den Betrag von 267.200 DM aufgehoben hat. Die von dem Beteiligten zu 1 gegen die Zurückweisung seines weitergehenden Antrags gerichtete Berufung - zu-letzt mit dem Begehren auf Festsetzung der Entschädigung für die aufstehen-- 6 -

den Gebäude und Anlagen auf 175.552,06 • (= 343.350 DM), hilfsweise auf Verurteilung des Beteiligten zu 2 zur Zahlung eines Entschädigungsbetrages von [X.] • (= 76.150 DM) nebst Zinsen an den Beteiligten zu 1 - ist vom [X.] (Senat für [X.]) zurückgewiesen worden. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Beteiligte zu 1 seinen Antrag auf Festsetzung einer Entschädigung in Höhe des ungekürzten Betrages des überarbeiteten [X.] weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

[X.]

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Für die Höhe der von der Enteig-nungsbehörde festzusetzenden Entschädigung für die aufstehenden Gebäude und Anlagen sei deren Verkehrswert zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vom 29. August 1991 maßgebend. Es komme dabei auf den damaligen objektiven Zustand, nicht dagegen auf die subjektiven Kenntnisse und Vorstellungen der [X.] an; damals vorhandene Schadstoffbelastungen seien des-halb zu berücksichtigen, ohne daß es darauf ankäme, ob eine oder beide [X.] Kenntnis hiervon hatten. Vorhandene Schadstoffbelastungen seien bei der Wertermittlung durch einen Abzug zu berücksichtigen, weil ihr Vorhandensein die Beschaffenheit und die tatsächlichen Eigenschaften des Grundstückes (§ 5 Abs. 5 [X.]) mitpräge. Die Wertermittlung habe in diesen Fällen regelmäßig - 7 -

in der Weise zu erfolgen, daß vom "fiktiven Wert ohne Kontaminationen" die Kosten der Erfassung, Gefährdungsabschätzung, Sanierung und Überwachung in Abzug gebracht würden. Nicht begründet sei in diesem Zusammenhang der Einwand des Beteiligten zu 1, daß er nach dem notariellen Kaufvertrag für das Risiko etwa vorhandener Altlasten nicht einzustehen habe. Die [X.] hätten nämlich eine Freizeichnung des Beteiligten zu 1 hinsichtlich der Sachmängel, insbesondere auch Schadstoffbelastungen, gerade nicht für den Fall der Entschädigungsfestsetzung vereinbart. Die Regelung in § 7 des [X.], wonach der Verkäufer bezüglich Sachmängel, Beschaffenheit und Flächenmaß des Grundstückes nur insoweit hafte, "als er auch im Falle einer Enteignung haften würde", sei bei Anwendung der Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB dahin zu verstehen, daß die Rechte der Beteiligten zu 2 gerade nicht über die ihr bei Durchführung eines Enteignungsverfahrens zu-kommende Rechtsposition hinaus geschmälert werden sollten. Da eine Schad-stoffbelastung auch bei Durchführung eines Enteignungsverfahrens entschädi-gungsmindernd zu berücksichtigen wäre, gelte dies ohne Einschränkung auch für das Entschädigungsfestsetzungsverfahren.

Im Streitfall sei auf dieser Grundlage (mit dem Beteiligten zu 3) der Ver-kehrswert der aufstehenden Gebäude und Anlagen mit "0,00 DM" anzuneh-men. Es sei davon auszugehen, daß bei Abschluß des Kaufvertrages Schad-stoffbelastungen der Gebäude und Anlagen vorlagen, deren späterer Erkun-dung und Beseitigung für die Beteiligte zu 2 Zusatzkosten in Höhe von 401.116,29 DM = 205.087,50 • verursacht habe. Beides - das Vorhandensein von Schadstoffbelastungen bei Vertragsschluß sowie die Angaben der [X.] zu 2 zur Höhe der Erkundungs- und Beseitigungskosten - sei in erster In-stanz unstreitig gewesen. Das erstmalige Bestreiten des Beteiligten zu 1 in der - 8 -

Berufungsinstanz müsse gemäß § 531 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 221 Abs. 1 BauGB zurückgewiesen werden, ebenso wie das erstmalige Vorbringen des Beteiligten zu 1, es handele sich bei den von der Beteiligten zu 2 geltend gemachten Mehrkosten nicht um Sanierungskosten, wie sie im gewöhnlichen Geschäfts-verkehr bei der Grundstücksbewertung zu berücksichtigen gewesen wären. Zwar seien die Vorschriften über die Zurückweisung verspäteten Vorbringens im baulandgerichtlichen Verfahren, das in beschränktem Umfang dem [X.] unterliege (§ 221 Abs. 2 BauGB), nicht uneingeschränkt an-wendbar. Soweit aber selbst im Verfahren nach der Verwaltungsgerichtsord-nung eine Zurückweisung zu erfolgen hätte, stehe der [X.] einer Anwendung der Verspätungsvorschriften der ZPO im Baulandverfah-ren nicht entgegen. § 531 ZPO sei deshalb im Baulandverfahren jedenfalls dann anwendbar, wenn auch die Voraussetzungen für eine Zurückweisung im [X.] gemäß § 128a VwGO vorlägen. Dies sei hier im Hinblick auf die bereits in erster Instanz durch Verfügung des Vorsitzenden der Kammer für [X.] vom 15. August 2000 an den Beteiligten zu 1 erfolgte [X.] zur Begründung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung der Fall. Die Zulassung des neuen Vortrags in der Berufungsinstanz würde im Hinblick auf erforderlichen Zeugenbeweis und die Notwendigkeit eines Sachverständi-gengutachtens den Rechtsstreit verzögern, ohne daß diese Verzögerung durch zumutbare prozeßleitende Maßnahmen des Berufungsgerichts zu vermeiden gewesen wäre.

Somit sei weiterhin von den Feststellungen der Kammer für Baulandsa-chen auszugehen, daß die Gebäude und Anlagen mit Schadstoffen belastet waren und die hierdurch notwendigen Kosten der Sanierung (einschließlich Erkundung und Überwachung) 401.116,29 DM (= 205.087,50 •) betragen. [X.] 9 -

se Sanierungskosten seien in Abzug zu bringen von dem in erster Instanz ebenfalls unstreitigen "fiktiven (ohne Schadstoffbelastungen gedachten)" Ver-kehrswert der Gebäude und Anlagen von 343.350 DM (= 175.552,06 •). Es sei offenkundig und ohne Sachverständigenhilfe festzustellen, daß [X.], deren Sanierung deutlich über dem fiktiven Verkehrswert läge, im [X.] einen Wertverlust auf "0" bewirkten. Daß die Sanierungs-kosten im vorliegenden Fall den Grundstückseigentümer träfen und nicht auf Dritte oder die öffentliche Hand verlagert gewesen seien, werde bereits im [X.] der Beteiligten zu 3 zutreffend dargelegt.

I[X.]

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. a) Es ist nicht zu beanstanden, daß die von den Kaufvertragsparteien gemäß § 3 Abs. 1b des [X.]. § 27 Abs. 3 des [X.] Landesenteignungsgeset[X.] ([X.]) [X.] (Beteiligte zu 3) den Gebäude- und Anlagenwert nach objektiven Maßstäben, wie sie für die Enteignungsentschädigung gelten (vgl. § 9 [X.]) festgesetzt hat, und nicht - wie die Revision es befürwortet - im [X.] der Festlegung eines weiteren Kaufpreisanteils unter vorrangiger Berück-sichtigung der subjektiven Vorstellungen der Vertragsparteien sowie der [X.] derselben bei Abschluß des Kaufvertrages, mit der Maßgabe - nach der Vorstellung der Revision -, daß ein Abzug für die Kosten der Entsorgung von Altlasten nur berechtigt wäre, wenn der Beteiligte zu 1 als Verkäufer zum Zeit-punkt des Vertragsabschlusses die Altlasten positiv gekannt hätte. Der von der - 10 -

Revision vertretene [X.] ("im Lichte des notariellen [X.]") scheitert schon an der tatrichterlich einwandfreien - im [X.] verbindlichen - gegenteiligen Vertragsauslegung des Berufungsgerichts. [X.] hat das Berufungsgericht insbesondere aus dem [X.] der Regelungen in den §§ 2 und 7 entnommen, daß die Rechtsposition der Beteiligten zu 2 als Käuferin, was den weiteren "Kaufpreisanteil" anging, nicht schlechter sein sollte, als sie sich bei Durchführung eines Enteignungs-verfahrens dargestellt hätte. Diese Auslegung liegt schon deshalb nahe, weil es sich bei dem Kaufvertrag vom 29. August 1991 um einen [X.] eines sonst nicht zu umgehenden Enteignungsverfahrens zur [X.] des Planfeststellungsbeschlusses vom 21. Mai 1991 handelte.

b) Nach den sich insbesondere aus der [X.] ([X.]) ergebenden Grundsätzen für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken, die die Beteiligte zu 3 als Enteignungsbehörde und die [X.] im baulandgerichtlichen Verfahren auch für die hier vertraglich vorge-sehene Festsetzung eines vom Bodenwert getrennten "Gebäude- und Anla-genwertes" sinngemäß heranziehen durften, gehören zur "Beschaffenheit" der in Rede stehenden Baulichkeiten und Anlagen auch Verunreinigungen [X.] durch Ablagerungen (vgl. § 5 Abs. 5 [X.]). Nicht anders als beim Grund und Boden selbst (vgl. dazu [X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.] BauGB § 5 [X.] [Stand: November 1990] Rn. 110) kann sich aufgrund der Verunreinigung eine Wertminderung ergeben, die nach den Kosten bemessen werden kann, die für die Sanierung aufgebracht werden müssen; dabei setzen sich die Kosten aus den Untersuchungs-, Sicherungs- und den eigentlichen Sanierungskosten zusammen ([X.] [X.]O).
- 11 -

[X.]) Der [X.] des Berufungsgerichts (wie schon der [X.]), bei dem die Wertminderung auch zu einer Bewertung der Gebäude und Anlagen mit insgesamt "0" führen kann, ist daher nicht zu bean-standen. Nicht gefolgt werden kann der Revision, soweit sie rügt, die [X.] hätten mit dem Ansatz der Sanierungskosten wegen Altlasten neben einem 30 %igen pauschalen Abschlag u.a. wegen "wirtschaftlicher Überalte-rung" gegen das Verbot der doppelten Berücksichtigung eines und desselben [X.] (vgl. Ziff. 3.6.3.2. Abs. 2 Satz 2 der [X.] 1991 [[X.]] vom 11. Juni 1991, BAnz. [X.] versto-ßen. Es handelt sich vielmehr um unterschiedliche Minderungsgesichtspunkte. Der dem von der Revision zitierten Senatsurteil vom 14. März 2002 ([X.]/00 - NJW-RR 2002, 1240, 1242) zugrunde liegende Sachverhalt ist hiermit nicht vergleichbar: Dort ging es lediglich um die "Gefahr" von Bodenverunreini-gungen und spezifischen Altlasten auf öffentlich genutzten Verkehrsflächen; hier geht es um konkret vorliegende Altlasten (Sanierungskosten pp.), denen bewertungsmäßig gegenüber den Gründen, die zu einem anderen Abschlag - etwa nach § 25 [X.] - geführt haben, eigenständige Bedeutung zukommt.

[X.]) Die [X.] verweist zwar zutreffend auf die Möglichkeit, daß Bela-stungen eines Grundbesit[X.] durch Altlasten im Einzelfall einen - u.U. bei der [X.] zu berücksichtigenden - Ausgleich dadurch finden [X.], daß ein Anspruch gegen einen früheren Eigentümer auf Beseitigung der Altlasten besteht (vgl. [X.] [X.]O). Das Berufungsgericht hat aber unter Be-zugnahme auf den Entschädigungsfeststellungsbescheid der Beteiligten zu 3 im vorliegenden Fall eine Verlagerung der [X.] auf einen Dritten verneint. Die Beteiligte zu 3 hat in ihrem Bescheid unter anderem darauf [X.], daß bei der zuständigen Behörde "nicht vorgesehen" sei, gegen den - 12 -

Inhaber der ehemaligen Stuhlfabrik M. als Verursacher oder sonst einen Dritten vorzugehen. Ob diese Begründung ausreichend war, mag dahinstehen. Die [X.], die dies rügt, zeigt jedenfalls selbst nicht auf, welcher konkrete, auch realisierbare, Anspruch gegen welche Person insoweit bestand oder [X.].

2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, daß das [X.] das erstmalige Bestreiten des Beteiligten zu 1, sowohl was das Vorhandensein der Altlasten bei Abschluß des Kaufvertrages vom 29. August 1991, als auch was die Höhe der von der Beteiligten zu 2 behaupteten und im Entschädigungsfeststellungsbescheid der Beteiligten zu 3 aufgelisteten [X.] angeht, im Berufungsverfahren nicht zugelassen hat (§ 531 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 221 Abs. 1 Satz 1 BauGB).

a) Nach § 531 Abs. 2 ZPO sind im Berufungsverfahren neue Angriffs- und Verteidigungsmittel - abgesehen von den Tatbeständen der Nummern 1 und 2 dieses Absat[X.], die hier ersichtlich nicht vorliegen - nur zuzulassen, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne daß dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.

Dem Berufungsgericht ist jedenfalls im Ergebnis darin beizutreten, daß § 531 Abs. 2 ZPO auch im [X.] des vorliegenden baulandge-richtlichen Verfahrens anwendbar war.

[X.]) In [X.] sind grundsätzlich die bei Klagen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten geltenden Vorschriften, insbesondere also die Zivilprozeß-ordnung, entsprechend anzuwenden (§ 221 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Die infolge - 13 -

dieser Verweisung mit in den Blick zu nehmenden Vorschriften der Zivilpro-zeßordnung über die Zurückweisung verspäteten Vorbringens (Präklusion; u.a.: § 531 Abs. 2 ZPO) stehen allerdings, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, in einem Spannungsverhältnis zu der weiteren Regelung in § 221 Abs. 2 BauGB, wonach - während im Zivilprozeß der Verhandlungsgrundsatz gilt - das [X.] auch von Amts wegen die Aufnahme von Beweisen anordnen und nach Anhörung der Beteiligten auch solche Tatsachen berücksichtigen kann, die von ihnen nicht vorgebracht worden sind.

Diese Regelung, die früher überwiegend als "[X.] wurde, die es dem Gericht nach seinem Ermessen freistelle, vom [X.] zum Untersuchungsgrundsatz überzugehen (vgl. [X.], Rechtsschutz in [X.] [Diss. 1973], [X.] ff; [X.], in: [X.]/[X.]/ [X.]/[X.], [X.]O § 221 BauGB [Stand: Februar 2000] Rn. 10), begründet nach dem heute vorherrschenden Verständnis eine gerichtliche "Be-fugnis" im Sinne gegebenenfalls einer Verpflichtung des Gerichts zur Anwen-dung des Untersuchungsgrundsat[X.], wenn nämlich sonst eine Verletzung der Wahrheitspflicht zu befürchten wäre und wenn wichtige öffentliche Interessen im Spiel sind ([X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]O [Stand: Februar 2004] Rn. 10; [X.], in: [X.] Kommentar zum BauGB 2. Aufl. § 221 Rn. 8; [X.], in: [X.], BauGB 6. Aufl. § 221 Rn. 7; [X.], in: [X.]/ [X.]/[X.], BauGB 8. Aufl. § 221 Rn. 2). Der Senat hat in seinem Urteil vom 7. Februar 1974 - [X.] - NJW 1974, 947 (zu § 161 Abs. 2 BBauG) ausgeführt, die Vorschrift mache es dem Gericht zur Pflicht, die von einem der Beteiligten in das gerichtliche Verfahren eingeführten Behauptungen, soweit sie rechtlich erheblich sind, von Amts wegen zu klären.
- 14 -

[X.]) Die (begrenzte) Geltung des Untersuchungsgrundsat[X.] im bauland-gerichtlichen Verfahren bedeutet jedoch nicht den generellen Ausschluß der Anwendung der Präklusionsvorschriften der Zivilprozeßordnung (so aber [X.], [X.]O [Stand: Februar 2000] Rn. 11 bezüglich § 296 ZPO und § 528 ZPO a.F.; in seiner Kommentierung zu § 221 Abs. 2 BauGB in der neuesten Bearbeitung Februar 2004 Rn. 10 geht er allerdings hierauf nicht mehr ein). Dies wird ins-besondere durch die neuere Entwicklung des Verfahrensrechts für den verwal-tungsgerichtlichen Prozeß deutlich, der seit eh und je vom [X.] beherrscht wird (§ 86 VwGO). Während die Verwaltungsgerichtsord-nung im Gegensatz zur Zivilprozeßordnung früher keine Regelungen kannte, die dem Gericht die Zurückweisung verspäteten Vorbringens erlaubten, wurden durch das Vierte Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 17. Dezember 1990 ([X.] I S. 2809) mit den §§ 87b und 128a VwGO solche - sich an § 296 ZPO und an § 528 ZPO a.F. anlehnende - [X.]. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und Fachliteratur stehen zwar der Untersuchungsgrundsatz und das gerichtliche Zurückwei-sungsrecht in einem gewissen Spannungsverhältnis, schließen sich aber [X.] aus (vgl. [X.], Beschluß vom 15. April 1998 - 2 [X.]/98 - juris; [X.], in: [X.]/von [X.], VwGO 13. Aufl. § 87b Rn. 2; [X.] [X.]O § 128a Rn. 1; Stelkens NVwZ 1991, 209, 213 f).

(1) Diese Rechtsentwicklung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß unabhängig von [X.] anerkanntermaßen auch in diesem, vom [X.], Prozeß allgemeine Mitwirkungspflichten (Mitwirkungslasten) der Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts bestehen (vgl. [X.] in: [X.]/[X.], VwGO 13. Aufl. § 86 Rn. 11 ff; § 87b Rn. 1). Kommen die Beteiligten dieser - 15 -

Pflicht nicht nach, obwohl ihnen dies ohne weiteres möglich und zumutbar wä-re, so hat dies grundsätzlich in gewissem Umfang eine Verringerung der [X.] an die Aufklärungspflicht des Gerichts zur Folge ([X.] [X.]O § 86 Rn. 12; [X.] DVBl. 1994, 1407, 1408). Es ist nach allgemeinen verfahrens-rechtlichen Grundsätzen zunächst Sache des Betroffenen, nicht offenkundige oder naheliegende Tatsachen, die in seiner Sphäre liegen, vorzutragen (vgl. [X.] [X.]O). Die Pflicht der Tatsachengerichte zur Aufklärung des [X.] (§ 86 Abs. 1 VwGO) findet ihre Grenze dort, wo das Klagevorbringen kei-nen tatsächlichen Anlaß zu weiterer Sachaufklärung bietet ([X.] NVwZ-RR 1991, 587, 588 m.w.N.; [X.], Beschluß vom 15. April 1998 [X.]O). Ohne ei-nen Anhalt für die Annahme, daß ein Kläger bei seiner Rechtsverfolgung von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist und deshalb einen zur Wahrneh-mung seiner Rechte gebotenen Tatsachenvortrag unterlassen hat, kommt auch eine Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO nicht in Betracht ([X.], [X.] vom 18. Dezember 1990 - 5 ER 625.90 - [[X.] 310 § 86 Abs. 3 Nr. 42]; [X.], Beschluß vom 15. April 1998 [X.]O). Zu berücksichtigen ist auch, daß durch das Sechste Gesetz zur Änderung der [X.] vom 1. November 1996 ([X.] I S. 1626) die bisher im Regelfall zu-lassungsfreie Berufung durch eine allgemeine Zulassungsberufung ersetzt [X.] ist (vgl. § 124 Abs. 1, 2 VwGO). Dem liegt eine Zielvorstellung des [X.] zugrunde, wonach eine Tatsacheninstanz regelmäßig ausreichen und die zweite Tatsacheninstanz nur in solchen Verfahren zur Verfügung ste-hen soll, in denen eine Überprüfung der Entscheidung erster Instanz von der Sache her notwendig ist (vgl. [X.] [X.]O § 125 Rn 2 m.w.N.).

(2) Vor diesem Hintergrund ist es daher auch unbedenklich, im Bauland-verfahren unbeschadet der (begrenzten) Geltung des Untersuchungsgrundsat-- 16 -

[X.] aufgrund der sonstigen Verweisung des § 221 Abs. 1 BauGB auf die [X.] auch die über die bisherigen Präklusionsvorschriften noch hinausgehende - von der Feststellung einer Verzögerung des Rechtsstreits unabhängige, neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Berufungsverfahren nur noch ausnahmsweise zulassende - Vorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO n.F. als grundsätzlich anwendbar anzusehen. Anders wäre es, wenn eine Rege-lung wie die in § 531 Abs. 2 ZPO in einer Verfahrensordnung, für die allgemein der Untersuchungsgrundsatz gilt, als "systemwidrig" angesehen werden müßte. Dies läßt sich jedoch mit Blick auf die im [X.] bereits geltenden Präklusionsmöglichkeiten nicht sagen.

[X.]) Im Streitfall hätte danach das Berufungsgericht das neue Vorbringen (Bestreiten) des Beteiligten zu 1 bezüglich des Vorhandenseins von Altlasten in den hier in Rede stehenden Gebäuden und Anlagen sowie bezüglich der Höhe der "Sanierungs"-Aufwendungen der Beteiligten zu 2 nur dann zulassen müssen, wenn aus seiner Sicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtig-keit oder Vollständigkeit der diesbezüglichen Feststellungen der Kammer für [X.] oder in dem zugrundeliegenden Entschädigungsfeststellungs-bescheid der Beteiligten zu 3 nahegelegt hätten (vgl. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) bzw. sich insoweit das Vorliegen eines erstinstanzlichen Verfahrensfehlers (Aufklärungsmangel) aufgedrängt hätte. Weder unter dem einen noch unter dem anderen Blickwinkel hatte vorliegend das Berufungsgericht Anlaß, die erstinstanzlichen Entscheidungsgrundlagen in Frage zu stellen. Auch das [X.] der Revision des Beteiligten zu 1 führt insoweit zu keiner anderen Be-urteilung.
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(1) Entgegen der Revision gab es für die Vorinstanzen nach der vor [X.] des Beteiligten zu 1 gegebenen Aktenlage keinen Grund, die in dem Entschädigungsfeststellungsbescheid der Beteiligten zu 3 mitgeteilten Ergebnisse des (ergänzten) Gutachtens der OFD [X.] vom 11. Dezember 1991/8. Juli 1992 näher ("auf Plausibilität") zu überprüfen, denn das Ergebnis der sachverständigen Begutachtung als solches war vor den Beteiligten im gerichtlichen Verfahren überhaupt nicht (mehr) in Frage ge-stellt worden.

(2) Dasselbe gilt hinsichtlich des Vorhandenseins (des begründeten [X.]) von Altlasten im Bereich der streitgegenständlichen Gebäude und An-lagen bei [X.]. Dieses war in erster Instanz unstreitig und brauchte daher vom [X.] nicht hinterfragt zu werden.

(3) Der [X.] kann schließlich auch nicht gefolgt werden, soweit sie meint, gegen die Höhe der von den Vorinstanzen berücksichtigten [X.] bestünden "offenkundige Bedenken", denen von Amts wegen nachzugehen gewesen wäre. Die Revision verweist insoweit nur auf Einwände, die der Beteiligte zu 1 erstmalig mit seiner Berufungsbegründung erhoben hat. Bis dahin waren die im Entschädigungsfeststellungsbescheid einzeln aufge-führten Rechnungsbeträge - als den Gebäuden und Anlagen, deren Entschädi-gung noch offen stand, zuzuordnende Sanierungskosten wegen Altlasten - un-streitig. Diese Rechnungsbeträge ließen weder aus sich heraus irgendwelche Unklarheiten erkennen, noch bedurften sie, solange der Beteiligte zu 1 sie nicht in Zweifel zog, einer weiteren "Spezifizierung".
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b) Das Berufungsgericht hat den Tatbestand (auch) für einen Ausschluß neuen Vorbringens nach § 531 Abs. 2 ZPO rechtsfehlerfrei als gegeben ange-sehen. Darauf, ob - wie das Berufungsgericht weiter angenommen hat, was die Revision jedoch in Abrede stellt - auch die Voraussetzungen für eine Zurück-weisung im [X.] (§ 128a Abs. 1 i.V.m. § 87b Abs. 1 und 2 VwGO) vorgelegen haben, kommt es nicht an.

[X.]) Ohne Erfolg beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang Darlegungen dazu vermißt hat, daß das Unterlassen des in Rede stehenden Vorbringens im ersten Rechtszug nicht nachlässig war (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Ihr kann weder in ihrer Auffassung gefolgt werden, der Beteiligte zu 1 hätte im ersten Rechtszug angesichts seiner gegen die [X.] von Sanierungskosten gerichteten Argumentation keine Einwen-dungen gegen die Höhe der von der Beteiligten zu 2 geltend gemachten Ko-sten zu erheben brauchen, noch darin, daß die Kammer für [X.] ihm einen Hinweis hätte geben müssen, daß sie seinen grundsätzlichen Standpunkt nicht teile. Die Möglichkeit, daß das [X.] in diesem [X.] entscheiden könnte, lag klar auf der Hand.

[X.]) Die weitere Rüge der Revision, das Berufungsericht habe dem [X.] zu 1 nicht rechtzeitig rechtliches Gehör zu der in Betracht gezogenen Zurückweisung seines neuen Vorbringens gewährt, geht schon deshalb in [X.], weil unter dem 18. Juli 2003 mit der Ladung zum Verhandlungstermin ein entsprechender Hinweis des Vorsitzenden des [X.] an die [X.] ergangen war.
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3. Soweit das Berufungsgericht den auf Verurteilung der Beteiligten zu 2 (höchst vorsorglich: des Beteiligten zu 3) zur Zahlung eines (weiteren) [X.] von [X.] • (= 76.150 DM) gerichteten Hilfsantrag des Beteiligten zu 1 als unzulässig zurückgewiesen hat, verfolgt die Revision zwar auch dieses Hilfsbegehren weiter. Gegen die zutreffende Begründung des Berufungsgerichts, daß in dem vorliegenden Verfahren auf Festsetzung einer Entschädigung - durch die gegebenenfalls auch ein Vollstreckungstitel begrün-det wird (vgl. § 36 [X.]) - keine unmittelbare Zahlungsklage erhoben werden kann, vermag sie jedoch nichts zu erinnern.

[X.] [X.]

[X.] Herrmann

Meta

III ZR 372/03

04.11.2004

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.11.2004, Az. III ZR 372/03 (REWIS RS 2004, 907)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 907

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