Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.01.2022, Az. 6 StR 388/21

6. Strafsenat | REWIS RS 2022, 2101

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Gegenstand

Schwerer Bandendiebstahl: Anforderungen an das Vorliegen einer Bandenabrede


Tenor

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 18. Dezember 2020 in den Schuld- und Strafaussprüchen aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben - mit Ausnahme derjenigen zur Bande - aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]    wegen Diebstahls in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und den Angeklagten [X.]wegen Diebstahls in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt sowie Entscheidungen über die Einziehung des Wertes von Taterträgen und den Anrechnungsmaßstab für erlittene Auslieferungshaft getroffen; von weiteren Tatvorwürfen hat es sie freigesprochen. Die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft richten sich dagegen, dass die Angeklagten in den [X.] nicht jeweils des schweren Bandendiebstahls schuldig gesprochen worden sind. Die vom [X.] vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg.

I.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s entwendeten der Angeklagte [X.]    und mindestens zwei Mittäter - die gesondert verfolgten [X.]      und [X.]      - aufgrund eines gemeinsamen Tatplans in der Nacht zum 4. Juni 2019 in        einen Pkw der Marke [X.], wobei der Angeklagte oder ein Mittäter das Fahrzeug entweder dadurch öffnete, dass er sich die Eigenschaften des „[X.] zunutze machte, oder unter Verwendung eines sogenannte [X.]. Anschließend starteten sie das Fahrzeug mithilfe eines mobilen [X.] über die [X.] und programmierten einen „[X.]“, der einen späteren Start des Autos ermöglichte. Danach wurde das Fahrzeug [X.]      übergeben, der es zur gewinnbringenden Verwertung als Kurier nach [X.] fahren sollte. [X.]    und [X.]      fuhren ihm mit einem anderen Pkw voraus, um ihn vor etwaigen Polizeikontrollen oder anderen Hindernissen zu warnen (Fall 1 der Urteilsgründe).

3

Zwischen dem 12. September 2019, 16 Uhr, und dem Morgen des 13. September 2019 entwendete der Angeklagte [X.]    gemeinsam mit dem gesondert verfolgten [X.]     und mindestens einem weiteren Mittäter auf die gleiche Weise wie im Fall 1 erneut in        einen Pkw der Marke [X.]. In diesem Fall fungierte [X.]     als Kurier, [X.]    und ein Mittäter fuhren ihm voraus (Fall 2 der Urteilsgründe).

4

Am 16. September 2019 reisten die beiden Angeklagten von [X.] nach [X.] ein, um in        Fahrzeuge der Marke [X.] zu entwenden und von [X.] zur gewinnbringenden Verwertung nach [X.] bringen zu lassen. Sie hatten mit den gesondert verfolgten [X.]     und [X.]        vereinbart, dass diese später nachkommen und jeweils ein Auto nach [X.] überführen sollten. Der Angeklagte [X.] hatte zudem den gesondert verfolgten [X.].   als dritten Kurierfahrer angeworben. Noch in derselben Nacht entwendeten die Angeklagten auf die gleiche Weise wie in den vorgenannten Fällen zwei Pkw und zwischen dem 17. September 2019, 17 Uhr, und dem 18. September 2019, 6 Uhr, ein drittes Fahrzeug. In der Nacht zum 18. September 2019 reisten [X.]     , [X.]       und [X.].   von [X.] nach        . Dort übergaben die Angeklagten ihnen jeweils eines der entwendeten Fahrzeuge, um es nach [X.] zu bringen. Die Angeklagten fuhren voraus, und die drei Kuriere folgten ihnen in Abständen (Fälle 3 bis 5 der Urteilsgründe).

5

In der Nacht zum 26. September 2019 entwendeten die Angeklagten in        auf die gleiche Weise wie zuvor einen weiteren Pkw der Marke [X.]. Auch in diesem Fall fungierte der gesondert verfolgte [X.].   als Kurier, die Angeklagten fuhren ihm voraus (Fall 6 der Urteilsgründe).

6

2. Das [X.] hat die Taten jeweils als Diebstahl im besonders schweren Fall (§ 242 Abs. 1, § 243 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 und 3 StGB) angesehen. Die Täterschaft des Angeklagten [X.]    und des gesondert verfolgten [X.]       im Fall 1 der Urteilsgründe hat es unter anderem darauf gestützt, dass beide schon früher in zeitlicher und räumlicher Nähe zu [X.] in        aufgefallen waren: Sie wurden kontrolliert, als sie in der Nacht zum 5. März 2019 auf der [X.] in Richtung [X.] fuhren und als sie in der Nacht zum 26. April 2019 auf der [X.] zwischen den Anschlussstellen         und          unterwegs waren; in beiden Nächten war in        ein Pkw entwendet worden. Bereits am 20. Juni 2018 waren [X.]    , [X.]       und eine dritte Person auf einem an der [X.] gelegenen Rastplatz einer Kontrolle unterzogen worden, bei der in ihrem Pkw sechs unbenutzte sogenannte Arbeitshandys gefunden worden waren, die häufig im Zusammenhang mit Kfz-Diebstählen zur Kommunikation mit Kurierfahrern verwendet werden.

7

Die Annahme gewerbsmäßigen Handelns hat das [X.] wie folgt begründet:

8

Der hohe Organisationsgrad, die Zahlung von Lohn an die Kurierfahrer und das notwendige Equipment in Form des kostspieligen OBD-[X.]ols sprächen dafür, dass beide Angeklagte in der Absicht gehandelt hätten, sich durch die Entwendung der Fahrzeuge eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen. Beim Angeklagten [X.]    komme die Anzahl der [X.] hinzu, in denen er in Erscheinung getreten sei. Angesichts der Einbindung des Angeklagten [X.]in die Organisation, die unter anderem darin zum Ausdruck komme, dass er den Kurierfahrer [X.].   angeworben habe, sei auch bei ihm von einer von Anfang an bestehenden Wiederholungsabsicht auszugehen.

II.

9

Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht, dass das [X.] die Angeklagten jeweils nur des Diebstahls, nicht jedoch des schweren Bandendiebstahls (§ 244a Abs. 1 StGB) schuldig gesprochen hat. Die zugrundeliegende Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Das [X.] hat dazu ausgeführt:

Die Kammer habe nicht die Überzeugung gewonnen, dass sich der Angeklagte [X.]    sowie [X.]       und [X.]     zur fortgesetzten Begehung von [X.] zusammengeschlossen hätten. Eine gemeinsame Tatbegehung dieser Personen habe nur im Fall 1 der Urteilsgründe festgestellt werden können. Zwar spreche der Umstand, dass [X.]    und [X.]       bereits früher im Zusammenhang mit Kfz-Diebstählen in Erscheinung getreten seien, dafür, dass beide vereinbart haben könnten, für eine gewisse Dauer eine Mehrzahl von Straftaten zu begehen. Eine entsprechende Abrede mit [X.]      lasse sich aber nicht sicher feststellen. Das gelte auch für eine mögliche Zugehörigkeit von [X.]    und [X.]      zu einer organisierten Gruppe von Autodieben und -verwertern, die es nach polizeilichen Erkenntnissen in [X.] gebe; es sei möglich, dass [X.]    und [X.]       eigenständig agiert hätten.

Entsprechend verhalte es sich in den Fällen 2 bis 6 der Urteilsgründe. Ein bandenmäßiger Zusammenschluss des Angeklagten [X.]    mit dem Angeklagten [X.] sowie den gesondert verfolgten [X.]       , [X.]     und [X.].   sei möglich, aber nicht sicher feststellbar.

2. Diese Ausführungen stoßen auch eingedenk des insoweit beschränkten revisionsrechtlichen [X.] (vgl. etwa [X.], Urteil vom 16. November 2006 - 3 [X.], [X.], 384, 387; Beschluss vom 14. März 2012 - 5 StR 8/12, [X.], 21, 22) auf durchgreifende rechtliche Bedenken. In der Antragsschrift des [X.]s ist zum Vorliegen einer Bandenabrede Folgendes ausgeführt:

„Die [X.] hat zwar einen hohen Organisationsgrad unter stetiger Wiederholung desselben Tatbegehungsmusters und [X.] festgestellt. Auch hat sie eine von Beginn an bestehende Einbindung des Angeklagten [X.] in die Organisation angenommen ([X.]). Schließlich ist sie von einer Vereinbarung zwischen dem Angeklagten [X.]    und dem gesondert verurteilten [X.]     ausgegangen ([X.]), dies insbesondere wegen der getroffenen Feststellungen zu einer ‚auffallenden Häufigkeit von gemeinsamem Erscheinen‘ des Angeklagten [X.]    und des gesondert verurteilten [X.]       ‚in zeitlicher, räumlicher und sachlicher Nähe zu weiteren Diebstählen von Pkw der Marke [X.] in       ‘ und deren damit naheliegenden jeweiligen Tatbeteiligung an diesen, bei denen sie einen Zusammenhang unter anderem über den gesondert verfolgten, späteren Mittäter [X.]      hergestellt hat ([X.] ff.). Die [X.] hat dabei aber den naheliegenden Schluss, dass sich jedenfalls der Angeklagte [X.]    , der gesondert verurteilte [X.]       und der Angeklagte [X.] zu einer Bande zur fortgesetzten Begehung von Diebstählen verbunden haben, nicht weiter in den Blick genommen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der [X.] und der festgestellten Organisationseinbindung des Angeklagten [X.] nicht nachvollziehbar, die auch nach der Überzeugung der [X.] darin zum Ausdruck gekommen ist, dass der immerhin in vier Fällen beteiligte Angeklagte [X.] eigenständig Kurierfahrer angeworben hat ([X.]).

Das Vorliegen einer Bandenabrede kann auch aus dem konkret feststellbaren, wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden ([X.], Urteil vom 22.05.2019 - 2 StR 353/18 -, Rn. 33, juris). Ein solches wiederholtes deliktisches Zusammenwirken von mindestens drei Personen liegt nach den Urteilsfeststellungen vor.

Indizien, die gegen eine Bandenabrede sprechen, sind den Urteilsgründen hingegen nicht zu entnehmen. Auch das zum Teil wechselnde Zusammenwirken insbesondere bezüglich der jeweiligen Kurierfahrer spricht aus den dargelegten Gründen nicht gegen das Bestehen einer Bande und einer Bandenabrede im Sinne der §§ 244, 244a StGB. Mitglied einer Bande kann darüber hinaus auch sein, wer eine künftige (dauerhafte) Gehilfentätigkeit zugesagt hat. Der Mitgliedschaft steht daher nicht entgegen, dass einzelne Beteiligte stets nur Gehilfen sein sollen (Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 244 Rn. 39). Vor diesem Hintergrund ist auch das wiederholte Auftreten der mit den Angeklagten zusammenwirkenden Kurierfahrer - insbesondere im Fall [X.] - nicht hinreichend von der [X.] berücksichtigt worden.“

3. Es ist nicht auszuschließen, dass das [X.] die Angeklagten bei [X.] Würdigung jeweils des schweren Bandendiebstahls für schuldig befunden hätte. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung zum Vorliegen einer Bande. Die Aufhebung der Schuldsprüche zieht diejenige der Strafaussprüche nach sich.

Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat die zur Bande getroffenen Feststellungen auf. Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum objektiven und subjektiven Tatgeschehen im Übrigen sowie der Einziehungs- und der [X.] bedarf es nicht, weil sie von dem Rechtsfehler, der zur Aufhebung der Schuldsprüche führt, nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Die Feststellungen können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

[X.]     

        

König     

        

Feilcke

        

Tiemann     

        

von [X.]     

        

Meta

6 StR 388/21

12.01.2022

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Rostock, 18. Dezember 2020, Az: 11 KLs 73/20 (2)

§ 25 Abs 2 StGB, § 27 StGB, § 243 StGB, § 244 Abs 1 Nr 2 StGB, § 244a Abs 1 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.01.2022, Az. 6 StR 388/21 (REWIS RS 2022, 2101)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2101

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5 StR 8/12

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