Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.09.2010, Az. 3 StR 359/10

3. Strafsenat | REWIS RS 2010, 2960

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Gegenstand

Verständigung im Strafverfahren: Fehlerhafter Schuldspruch bei Verständigungsurteil; Vereinbarung einer bestimmten Strafe bei Geständnis


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. Juni 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

2

1. Nach den Feststellungen war der Angeklagte bei dem gesondert Verfolgten [X.] als Lastkraftwagenfahrer angestellt. Spätestens im September 2004 vereinbarte er mit [X.] und dem gesondert Verfolgten [X.]., dass er in Zukunft gegen zusätzliche Bezahlung zum gewinnbringenden Handel bestimmtes Haschisch in großen Mengen transportieren werde. Anschließend brachte er in zwei Fällen im Zusammenwirken mit [X.] und [X.]. nach Erteilung entsprechender Aufträge durch die gesondert Verfolgten A. und [X.] mit einem Lastkraftwagen aus einer Lagerhalle des [X.] in V./[X.] 300 kg Haschisch nach [X.] (Fall 1.) und 1,8 Tonnen Haschisch nach [X.] (Fall 2.), das jeweils einen Wirkstoffgehalt von mindestens 3 % THC hatte.

3

Die Urteilsgründe enthalten folgenden Hinweis: "Dem Urteil ist eine Verständigung gemäß § 257c [X.] vorausgegangen. Diese hatte den Inhalt, dass die Kammer im Fall eines glaubhaften Geständnisses gemäß den Vorwürfen der Anklageschrift - mit Ausnahme des Vorwurfs der bandenmäßigen Begehung - auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren erkennen werde."

4

Bei der Strafzumessung hat das [X.] nach Abwägung mehrerer zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten sprechender Umstände jeweils einen minder schweren Fall des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verneint und aus Freiheitsstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten (Fall 1.) und vier Jahren und sechs Monaten (Fall 2.) die vereinbarte Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt.

5

2. Gegen den Schuldspruch bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Nach den getroffenen Feststellungen erschöpften sich die Tatbeiträge des Angeklagten in bloßen Kurierfahrten und im Fall 2. zusätzlich darin, dass er in der Lagerhalle das Haschisch in Holzkisten packte. Solche für den Betäubungsmittelhandel untergeordnete Tätigkeiten, die sich insbesondere auf den bloßen Transport des Rauschgifts beschränken, sind nach der neueren Rechtsprechung als Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu werten ([X.], Urteil vom 28. Februar 2007 - 2 [X.], [X.]St 51, 219, 223 f.; [X.], Beschluss vom 30. März 2007 - 2 StR 81/07, [X.], 246 ff.). In Tateinheit hierzu macht sich der Kurier, der - wie hier - das Rauschgift über eine längere Strecke transportiert, regelmäßig wegen (mit-)täterschaftlichen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar ([X.], Urteil vom 15. Oktober 1997 - 2 StR 393/97, [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Besitz 4; [X.], Urteil vom 17. Oktober 2007 - 2 [X.], [X.], 54 f.; [X.], BtMG, 3. Aufl., § 29 Rn. 1185, 1195 f., 1225).

6

3. Eine Änderung des Schuldspruchs durch den Senat kommt nicht in Betracht, weil die Urteilsgründe widersprüchlich sind und deshalb keine zweifelsfrei rechtliche Würdigung ermöglichen.

7

Auf der Grundlage der Feststellungen ist der Angeklagte schuldig des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Mitglied einer Bande (§ 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, §§ 27, 52 StGB). Die Voraussetzungen eines bandenmäßigen Handelns sind festgestellt. Danach haben sich die gesondert Verfolgten [X.] und [X.]. mit dem Angeklagten verbunden, um künftig für eine gewisse Dauer an im Einzelnen noch ungewissen Betäubungsmittelgeschäften mitzuwirken, an denen sie sich entsprechend der getroffenen Abrede  auch tatsächlich beteiligten ([X.], Beschluss vom 22. März 2001 - [X.], [X.]St 46, 321). Mitglied einer Bande kann auch eine Person sein, der nach der [X.] nur Aufgaben zufallen, die sich als Gehilfentätigkeit darstellen ([X.], Beschluss vom 15. Januar 2002 - 4 StR 499/01, [X.]St 47, 214). Eine Bande kann sich sogar nur aus einem Haupttäter und zwei Gehilfen zusammensetzen ([X.], Beschluss vom 19. April 2006 - 4 [X.], [X.], 33 f.).

8

Nach der Beweiswürdigung beruhen die Feststellungen zur banden-mäßigen Begehungsweise auf der glaubhaften geständigen Einlassung des Angeklagten. Demgegenüber folgt aus dem Hinweis auf die Verständigung und dem Schuldspruch jedoch, dass sich das Geständnis nicht auf die bandenmäßige Begehung beziehen sollte. Dieser Hinweis lässt zudem besorgen, dass Gegenstand der Verständigung unter Verstoß gegen § 257c Abs. 3 Satz 3 [X.] der Schuldspruch war.

9

Die fehlerhafte rechtliche Würdigung und der dargestellte Widerspruch in den Urteilsgründen führt zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen.

4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Bei einer Verständigung zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten darf gemäß § 257c Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 [X.] für den Fall eines Geständnisses lediglich ein Strafrahmen mit einer Ober- und Untergrenze vereinbart werden. Die Verständigung auf eine bestimmte Strafe ist unzulässig ([X.], [X.], 53. Aufl., § 257c Rn. 11). Da das [X.] eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren vereinbart und ausgesprochen hat, lassen die an sich [X.] besorgen, dass diese nicht ernst gemeint sind, sondern lediglich formal die bereits feststehende Strafe begründen sollen (vgl. [X.] aaO).

Das neue Tatgericht wird zu prüfen haben, ob die vom Angeklagten in [X.] erlittene verfahrensfremde Untersuchungshaft in entsprechender Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 im Falle der Verurteilung auf eine zu verhängende Strafe anzurechnen ist (vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl., § 51 Rn. 6a mwN).

Becker                           [X.]                                von [X.]

                 Schäfer                              [X.]

Meta

3 StR 359/10

28.09.2010

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Duisburg, 10. Juni 2010, Az: 35 KLs 121 Js 44/09 (1/10), Urteil

§ 257c Abs 2 S 1 StPO, § 257c Abs 2 S 2 StPO, § 257c Abs 3 S 2 StPO, § 261 StPO, § 267 StPO, § 353 StPO, § 29 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 30 Abs 1 Nr 1 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.09.2010, Az. 3 StR 359/10 (REWIS RS 2010, 2960)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2960

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