Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.07.2015, Az. 4 B 32/14

4. Senat | REWIS RS 2015, 7506

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Gegenstand

Keine drittschützende Wirkung des § 27g Abs. 4 Satz 1 LuftVG


Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1. Der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht schlüssig dargetan.

3

Die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz aus zu beurteilen, auch wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte (stRspr, vgl. z.[X.]. [X.], [X.]eschluss vom 23. Januar 1996 - 11 [X.] 150.95 - [X.] 424.5 [X.] Nr. 1). Der Vortrag, das vorinstanzliche Urteil sei verfahrensfehlerhaft, weil der Verwaltungsgerichtshof für die [X.]eurteilung der Rechtmäßigkeit des [X.] zu Unrecht auf die Sach- und Rechtslage bei dessen Erlass abstellt, ist deshalb unschlüssig.

4

2. Die Rechtssache hat auch nicht die grundsätzliche [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die [X.]eschwerde beimisst.

5

a) Nach Auffassung der [X.]eschwerde ist "die Rechtsfrage der formellen Rechtswidrigkeit des [X.] aufgrund der Fristversäumnis" (gemeint ist: nach § 27g Abs. 4 Satz 1 [X.]) von grundsätzlicher [X.]edeutung. Damit verfehlt die [X.]eschwerde die [X.] des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

6

Der Zulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen [X.]edeutung setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung bestehen soll ([X.], [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Denn die Rechtswidrigkeit des [X.] ist keine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts. Auch der [X.]egründung dieser Grundsatzrüge lässt sich eine bestimmt formulierte Rechtsfrage nicht entnehmen. Der Sache nach wendet sich die [X.]eschwerde vielmehr gegen die dem angegriffenen Urteil zugrunde liegende rechtliche Würdigung. Mit Angriffen hierauf kann der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht dargetan werden ([X.], [X.]eschluss vom 12. Juni 1998 - 7 [X.] 73.98 - juris Rn. 2).

7

Aber selbst wenn man zugunsten der [X.]eschwerde annimmt, sie wolle in einem Revisionsverfahren rechtsgrundsätzlich klären lassen, ob die Regelung in § 27g Abs. 4 Satz 1 [X.] auch der Sicherung von Rechten desjenigen dient, dem der [X.]esitz entzogen werden soll, führt die Grundsatzrüge nicht zur Zulassung der Revision. Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift des revisiblen Rechts enthält gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in einem Revisionsverfahren zu klärende Thematik. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach ständiger Rechtsprechung aller Senate des [X.]undesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage vorhandener Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt (stRspr, z.[X.]. [X.], [X.]eschluss vom 28. Mai 1997 - 4 [X.] 91.97 - NVwZ 1998, 172). So liegen die Dinge hier.

8

§ 27g Abs. 4 Satz 1 [X.] bestimmt, dass der [X.]eschluss über die [X.]esitzeinweisung dem Unternehmer und den [X.]etroffenen spätestens zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung zuzustellen ist. Nach - soweit ersichtlich - einheitlicher obergerichtlicher Rechtsprechung (OVG [X.]autzen, [X.]eschluss vom 2. Dezember 1998 - 1 S 466/98 - NVwZ-RR 1999, 487 § 21 Abs. 4 Satz 1 [X.]>; [X.], [X.]eschluss vom 11. Februar 1999 - 5 S 2379/98 - NVwZ-RR 1999, 487 § 18f Abs. 4 Satz 1 [X.]>; vgl. auch [X.], [X.]eschluss vom 11. März 1999 - 2 EO 1247/98 - NVwZ-RR 1999, 488 <489> § 29a Abs. 2 Satz 1 P[X.]efG) sollen die durch das Gesetz zur Vereinfachung der Planungsverfahren für Verkehrswege vom 17. Dezember 1993 ([X.]G[X.]l. I S. 2123 - Planungsvereinfachungsgesetz -) in den verschiedenen [X.] eingeführten Fristen allein dem öffentlichen Interesse der [X.]eschleunigung des Verfahrens bei der Planung von Verkehrswegen dienen, nicht hingegen der Sicherung von Rechten desjenigen, dem der [X.]esitz entzogen werden soll. Dieser [X.]eschleunigungsgedanke kommt auch in den Gesetzesmaterialien ([X.]T-Drs. 12/4328 S. 17) zum Ausdruck.

9

Entgegen der Auffassung der [X.]eschwerde steht der Wortlaut des § 27g Abs. 4 Satz 1 [X.] dieser Auslegung nicht entgegen. Richtig ist zwar, dass die [X.] "einzuhalten ist", die Enteignungsbehörde also zur Einhaltung der Frist verpflichtet ist. Hiervon ist auch der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen. Im Wortlaut der Vorschrift kommt indes nicht zum Ausdruck, ob der Gesetzgeber die Einhaltung der Frist allein im öffentlichen Interesse oder auch zum Schutz desjenigen angeordnet hat, dem der [X.]esitz entzogen werden soll. Auch der von der [X.]eschwerde angestellte systematische Vergleich mit § 27g Abs. 4 Satz 3 [X.] bringt insoweit keine näheren Aufschlüsse.

Sinn und Zweck des § 27g Abs. 4 Satz 1 [X.] lassen sich für die Auffassung der [X.]eschwerde ebenfalls nicht ins Feld führen. Soweit die [X.]eschwerde meint, durch die [X.] sichere der Gesetzgeber, dass es zwischen der Anhörung und der Zustellung des [X.]eschlusses über die [X.]esitzeinweisung zu keiner großen Veränderung komme, bleibt sie hierfür eine überzeugende [X.]egründung schuldig. Ihr Hinweis, andernfalls bestehe die Gefahr, dass sich die tatsächlichen Voraussetzungen zwischen Anhörung und [X.]esitzeinweisung verändern könnten und der [X.]etroffene keine Möglichkeit habe, hierzu Stellung zu nehmen, trägt schon deshalb nicht, weil es nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs für die [X.]eurteilung der Rechtmäßigkeit der [X.]esitzeinweisung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses ankommt. Das weitere Argument der [X.]eschwerde, jeder [X.]ürger könne darauf vertrauen, dass es nach Ablauf der Frist keine [X.]esitzeinweisung geben wird, ist zirkulär, weil es ein subjektiv schutzwürdiges Vertrauen voraussetzt und deshalb nicht zur [X.]egründung desselben herangezogen werden kann. Im Übrigen ist ihm mit der obergerichtlichen Rechtsprechung ([X.], [X.]eschluss vom 11. Februar 1999 - 5 S 2379/98 - NVwZ-RR 1999, 487) entgegenzuhalten, dass das Interesse desjenigen, dem der [X.]esitz entzogen werden soll, eher dahin gehen dürfte, möglichst lange im [X.]esitz des ihm gehörenden und gegebenenfalls auch von ihm genutzten Grundstücks zu bleiben. Äußerste verfassungsrechtliche Grenzen wie etwa das rechtsstaatliche Gebot der [X.]elastungsklarheit und -vorhersehbarkeit ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 5. März 2013 - 1 [X.]vR 2457/08 - NVwZ 2013, 1004; vgl. auch [X.], Urteil vom 20. März 2014 - 4 [X.] 11.13 - [X.]E 149, 211 Rn. 16) sind im Falle einer vom Gesetzgeber im [X.]eschleunigungsinteresse nachträglich eingeführten [X.] ersichtlich nicht berührt. Sie zwingen nicht dazu, der Vorschrift im Wege der Auslegung drittschützende Wirkung beizumessen. Vollends an der Sache vorbei geht das von der [X.]eschwerde angeführte Gebot der Waffengleichheit zwischen einerseits Planfeststellungsbehörde und Flughafenbetreiber und andererseits betroffenen [X.]ürgern.

Es liegt deshalb auf der Hand und bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass die [X.] des § 27g Abs. 4 Satz 1 [X.] - wie vom Verwaltungsgerichtshof angenommen - allein der [X.]eschleunigung des Verfahrens dient mit der Folge, dass die Klägerin durch eine Überschreitung dieser Frist nicht in eigenen Rechten verletzt wird.

b) Die [X.] verfehlt die [X.]eschwerde auch, soweit sie sich im Gewande der Grundsatzrüge gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs wendet, dass für die [X.]eurteilung der Rechtmäßigkeit des [X.]eschlusses über die [X.]esitzeinweisung auf die Sach- und Rechtslage bei dessen Erlass abzustellen sei. Auch insoweit gilt, dass mit Angriffen gegen die dem angegriffenen Urteil zugrunde liegende rechtliche Würdigung der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht dargetan werden kann. Im Übrigen lässt die [X.]eschwerde auch völlig im Unklaren, welchen Zeitpunkt sie anstelle des Zeitpunkts des Erlasses des [X.] für richtig hält.

c) In Angriffen gegen die vorinstanzliche rechtliche Würdigung erschöpft sich schließlich auch der - überdies über weite Strecken völlig unsubstantiierte - Vortrag, das angegriffene Urteil enthalte "mehrere fehlerhafte Rechtsanwendungen", die auch Rechtsfragen von grundsätzlicher [X.]edeutung beträfen.

3. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 B 32/14

28.07.2015

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 25. März 2014, Az: 9 C 2177/13.T, Urteil

§ 27g Abs 4 S 1 LuftVG, § 27g Abs 4 S 3 LuftVG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.07.2015, Az. 4 B 32/14 (REWIS RS 2015, 7506)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7506

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1 BvR 2457/08

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