Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.11.2019, Az. EnVR 66/18

Kartellsenat | REWIS RS 2019, 1697

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Gegenstand

Anschluss mehrerer Reihenhäuser an öffentliches Netz der allgemeinen Energieversorgung als Kundenanlage


Leitsatz

Netze BW

Richtet sich die Beschwerde gegen eine Entscheidung der nach Bundesrecht zuständigen Bundesnetzagentur, ist eine Landesregulierungsbehörde nicht nach § 79 Abs. 2 EnWG am Verfahren beteiligt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des [X.] vom 13. Juni 2018 wird auf Kosten der Antragsgegnerin, die auch die notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur und der weiteren Beteiligten zu tragen hat, zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

A. Die Antragsgegnerin (fortan auch: Beschwerdeführerin) ist ein Energieversorgungsunternehmen und ausschließlich als Netzbetreiberin tätig. Die Antragstellerin erstellte als Bauträgerin in der Gemeinde P.      20 Reihenhäuser an der [X.]      ".

2

Die 20 Reihenhäuser bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft und sind auf einem Grundstück im Rechtssinn errichtet. Jeder Reihenhausinhaber hat 1/20 Miteigentum inne. Die Reihenhäuser Nr. 1 bis 14 liegen südöstlich des [X.]     , die Reihenhäuser Nr. 15 bis 20 nordwestlich. Die Antragstellerin vermarktet zudem die dezentrale Versorgung aller Reihenhäuser mit Strom und Wärme durch ein Blockheizkraftwerk. Das von einem Dritten betriebene Blockheizkraftwerk befindet sich nebst allen Hausanschlüssen für Strom, Gas, Wasser und Telekommunikation, dem gemeinsamen Zählerplatz sowie dem Netzverknüpfungspunkt zum Netz der Antragsgegnerin im [X.] der Reihenhäuser Nr. 13 und 14. Das Leitungsnetz ab dem Netzverknüpfungspunkt zu den einzelnen Reihenhäusern unterhalten künftig sämtliche Eigentümer der Reihenhäuser als Wohnungseigentümergemeinschaft.

3

Die Antragstellerin begehrte im November 2015 den [X.] der Reihenhäuser an das öffentliche Netz der allgemeinen Versorgung der Antragsgegnerin als Kundenanlage gemäß § 3 Nr. 24a [X.]. Die Antragsgegnerin stufte die Energieanlage als Energieversorgungsnetz ein. Die Parteien schlossen im Oktober 2016 einen [X.], wonach die Reihenhäuser Nr. 1 bis 14 als Kundenanlage an das Netz der Antragsgegnerin angeschlossen wurden; eine Einbeziehung der Reihenhäuser Nr. 15 bis 20 lehnte die Antragsgegnerin ab, eine Behandlung der Reihenhäuser Nr. 15 bis 20 als weitere, eigenständige Kundenanlage lehnte die Antragstellerin ab.

4

Daraufhin beantragte die Antragstellerin bei der [X.] ein Missbrauchsverfahren gegen die Antragsgegnerin mit dem Ziel, dieser aufzugeben, die Energieanlage in P.      über einen gemeinsamen Netzverknüpfungspunkt und einen gemeinsamen Zählerplatz als Kundenanlage nach § 3 Nr. 24a [X.] an ihr Netz der allgemeinen Versorgung anzuschließen. Die [X.] gab dem Antrag statt.

5

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragsgegnerin gegen die von der [X.] ausgesprochene Verpflichtung, die Energieanlage der Antragstellerin über den gemeinsamen Netzverknüpfungspunkt als Kundenanlage an ihr Netz anzuschließen und erforderlichenfalls Zählpunkte nach § 20 Abs. 1d [X.] bereitzustellen.

6

Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Antragstellerin verfolgt mit ihrer Rechtsbeschwerde den Beschwerdeantrag weiter.

7

B. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

8

I. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Antragstellerin sei nach § 31 [X.] für ein Missbrauchsverfahren antragsbefugt. Die von der [X.] ausgesprochene Verpflichtung der Antragsgegnerin sei zutreffend, weil das Verhalten der Antragsgegnerin missbräuchlich sei. Die Reihenhäuser [X.]     Nr. 1 bis 20 stellten eine einheitliche Kundenanlage dar und seien als solche anzuschließen. Daher stelle auch die angebotene Zurverfügungstellung zweiter Zählpunkte einen Verstoß gegen § 20 Abs. 1d [X.] dar.

9

Die [X.] habe rechtsfehlerfrei die Versorgungsinfrastruktur der Antragstellerin als eine Kundenanlage gemäß § 3 Nr. 24a [X.] eingeordnet. Die Tatbestandsvoraussetzungen seien erfüllt. Zutreffend nehme die [X.] an, dass sich die Energieanlage auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet befinde. Entscheidend für § 3 Nr. 24a [X.]. a [X.] sei die von außen wahrnehmbare, durch die innere Verbundenheit geschaffene räumliche Gebietseinheit. Diese dürfe nicht durch störende oder trennende Unterbrechungen aufgehoben sein. Demgemäß sei eine das Gebiet durchschneidende Straße regelmäßig ein trennendes Element, welches der Annahme eines räumlich zusammengehörenden Gebietes entgegenstehe. Ob im Einzelfall gleichwohl noch ein räumlich zusammengehörendes Gebiet angenommen werden könne, richte sich nach einer Gesamtwürdigung, welche die Ausgestaltung der Verkehrsquerung, die Breite und Widmung der Straße sowie Art und Ausmaß der Nutzung zu berücksichtigen habe. Maßgeblich sei insbesondere, ob die Straße hauptsächlich der Erschließung des Gebietes diene.

Nach diesen Maßstäben sei die Einschätzung der [X.] zutreffend, dass sich die Energieanlage zur Versorgung der Reihenhäuser auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet befinde. Das Gebiet sei geografisch relativ begrenzt, überschaubar und nicht besonders groß. Die Querung durch den [X.]     ändere daran nichts. Dieser sei nicht besonders breit und eine typische Wohngebietsstraße und diene in erster Linie nur der Erschließung der Reihenhäuser.

Die weiteren Voraussetzungen des § 3 Nr. 24a [X.]. b bis d [X.] seien ebenfalls erfüllt. Insbesondere werde die Energieanlage zum Zwecke der Belieferung der angeschlossenen Letztverbraucher unentgeltlich und diskriminierungsfrei zur Verfügung gestellt. Alle Aufwendungen für die Installation der Versorgungseinrichtungen seien Teil des Kaufpreises gewesen.

II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.

1. Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Antragstellerin einen gemäß § 31 [X.] zulässigen Antrag auf ein Missbrauchsverfahren gegen die Beschwerdeführerin gestellt hat.

2. Ohne Erfolg macht die Beschwerdeführerin geltend, das Beschwerdegericht habe eine Beiladung der [X.] unterlassen. Es ist schon zweifelhaft, ob sich die Beschwerdeführerin auf die unterbliebene Beteiligung berufen kann, weil sie hierdurch grundsätzlich nicht beschwert ist (vgl. [X.]/[X.], Energierecht, 2017, § 79 [X.] Rn. 23). Das kann jedoch dahinstehen.

Es fehlt bereits an einem Verfahrensfehler. Eine Beiladung durch das Beschwerdegericht selbst ist von § 79 Abs. 1 [X.] nicht vorgesehen. Ebenso wenig gewährt § 79 Abs. 2 [X.] der Landesregulierungsbehörde die Stellung eines Beteiligten. Regulierungsbehörde im Sinne des § 79 Abs. 2 [X.] ist nur die [X.] ([X.], Beschluss vom 13. November 2007 - [X.] 23/07, [X.]Z 174, 324 Rn. 11). Eine entsprechende Anwendung des § 79 Abs. 2 [X.] auf eine Beschwerde gegen Entscheidungen der [X.] als nach Bundesrecht zuständiger Behörde scheidet aus. Es fehlt bereits an der Vergleichbarkeit der Interessenlage; die Beteiligung der [X.] soll die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung im Vollzug des Energiewirtschaftsgesetzes sichern, indem der [X.] ermöglicht wird, abweichende Entscheidungen der [X.] überprüfen zu lassen (vgl. [X.]Z 174, 324 Rn. 13).

3. Im Ergebnis zutreffend hat das Beschwerdegericht angenommen, die [X.] habe das Verhalten der Beschwerdeführerin zu Recht als mit den Vorgaben in den Bestimmungen in Teil 2, Abschnitte 2 und 3 des [X.] nicht vereinbar gehalten (§ 31 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Es liegt ein Verstoß der Antragsgegnerin gegen § 20 Abs. 1d [X.] vor.

a) Gemäß § 20 Abs. 1d Satz 1 [X.] hat der Betreiber eines Energieversorgungsnetzes, an das eine Kundenanlage oder eine Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung angeschlossen ist, den Zählpunkt zur Erfassung der durch die Kundenanlage aus dem Netz der allgemeinen Versorgung entnommenen und in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeisten Strommenge (Summenzähler) sowie alle Zählpunkte bereitzustellen, die für die Gewährung des [X.] für [X.] innerhalb der Kundenanlage im Wege der Durchleitung (bilanzierungsrelevante [X.]) erforderlich sind. Entscheidend ist daher, ob die von der Antragstellerin für alle Reihenhäuser vorgesehene einheitliche Elektrizitätsversorgung über ein Blockheizkraftwerk eine Kundenanlage im Sinne des § 3 Nr. 24a [X.] darstellt.

b) Mit Recht hat das Beschwerdegericht das Vorliegen einer einheitlichen Kundenanlage bejaht.

aa) Der [X.] hat bereits entschieden, dass ein zentrales Kriterium einer nicht regulierungsbedürftigen Kundenanlage nach § 3 Nr. 24a [X.]. d [X.] darin liegt, dass die Anlage jedermann zur Belieferung der Letztverbraucher mit Strom diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird ([X.], Beschluss vom 18. Oktober 2011 - [X.] 68/10, [X.] 2012, 144 Rn. 12; Beschluss vom 12. November 2013 - [X.] 11/13, juris Rn. 2). Diese Voraussetzung ist nach den [X.] und [X.] Feststellungen des [X.] erfüllt.

bb) Zu Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, dass die Energieanlage für die Reihenhäuser Nr. 1 bis 20 sich auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet im Sinne des § 3 Nr. 24a [X.]. a [X.] befinden.

Soweit das Beschwerdegericht im Hinblick auf die Bedeutung einer Straße zu hohe rechtliche Anforderungen an den Begriff des räumlich zusammengehörenden Gebietes im Sinne des § 3 Nr. 24a [X.]. a [X.] gestellt hat, haben sich diese im Streitfall nicht ausgewirkt.

Wie der Senat mit Beschluss vom 12. November 2018 ([X.] 65/18, [X.]) entschieden und näher begründet hat, liegt ein räumlich zusammengehörendes Gebiet auch dann vor, wenn sich die Kundenanlage über mehrere Grundstücke erstreckt und diese Grundstücke so gut wie ausschließlich über die Kundenanlage versorgt werden, sofern die Grundstücke aneinander angrenzen und nicht verstreut liegen und auf diese Weise ein geschlossenes, von den äußeren Grundstücksgrenzen begrenztes Gebiet darstellen. Dabei ist es unschädlich, wenn ein so abgegrenztes Gebiet Straßen, ähnliche öffentliche Räume oder vereinzelte, nicht ins Gewicht fallende andere Grundstücke einschließt, welche nicht durch die Kundenanlage versorgt werden.

Diese Voraussetzungen für ein räumlich zusammengehörendes Gebiet sind nach den Feststellungen des [X.] erfüllt. Die von der Kundenanlage versorgten Häuser befinden sich auf einem Grundstück im Rechtssinne. Die von der Kundenanlage versorgten Reihenhäuser stehen auf aneinander angrenzenden Grundstücksflächen. Soweit der [X.]     als öffentliche Verkehrsfläche zwischen den Reihenhäusern liegt, ist er nicht geeignet, die räumliche Zusammengehörigkeit aufzuheben. Denn das Gebiet lässt sich durch eine feste Grenze nach außen abgrenzen, ohne dass es - abgesehen von den öffentlichen Verkehrsflächen - andere, nicht von der Kundenanlage versorgte Grundstücke umschlösse oder von solchen gar geteilt würde. Es ist nicht festgestellt, dass sich auf dem von der Kundenanlage erfassten [X.] befinden, die anderweitig versorgt werden.

cc) Die Ausführungen des [X.] zu den weiteren Anforderungen an eine Kundenanlage nach § 3 Nr. 24a [X.]. b und c [X.] greift die Rechtsbeschwerdeführerin nicht an; Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.

c) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat sich das Verfahren nicht dadurch erledigt, dass sie einen Netzanschluss für die Reihenhäuser Nr. 1 bis 14 durchführte und der Antragstellerin überließ, die Reihenhäuser Nr. 15 bis 20 selbständig an den Verknüpfungspunkt anzubinden und dies inzwischen erfolgt ist. Denn die Beschwerdeführerin weigert sich, die Energieanlage für alle Reihenhäuser dauerhaft als eine einheitliche Kundenanlage anzuerkennen. Die bloß faktische Anbindung der Energieanlage der Antragstellerin an das Netz lässt das Bedürfnis für die von der [X.] ausgesprochene Verpflichtung der Beschwerdeführerin nicht entfallen.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 2 [X.]. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.

Meier-Beck     

      

Bacher     

      

Schoppmeyer

      

Tolkmitt     

      

[X.]     

      

Meta

EnVR 66/18

12.11.2019

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 13. Juni 2018, Az: VI-3 Kart 77/17 (V), Beschluss

§ 79 Abs 2 EnWG, § 3 Nr 24a EnWG, § 20 Abs 1d S 1 EnWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.11.2019, Az. EnVR 66/18 (REWIS RS 2019, 1697)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1697

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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