Bundessozialgericht, Beschluss vom 29.12.2015, Az. B 13 R 392/15 B

13. Senat | REWIS RS 2015, 36

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Fristversäumung - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Verschulden von Hilfspersonen des bevollmächtigten Rechtsanwaltes - unverzichtbares Organisationserfordernis


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm wegen der versäumten Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 1. Oktober 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Das [X.] hat mit Urteil vom 1.10.2015 einen Anspruch des [X.] im Zugunstenverfahren auf Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit von Juni 2006 bis Mai 2015 verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil, das seinem Prozessbevollmächtigten am 5.10.2015 zugestellt worden ist, hat dieser mit Schriftsatz vom 5.11.2015, beim BSG am 9.11.2015 per Telefax eingegangen, Beschwerde eingelegt.

2

Mit Telefax vom 19.11.2015 hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sein Prozessbevollmächtigter auf eine eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten [X.] vom selben Tag Bezug genommen und ausgeführt, der [X.] sei von ihm am 4.11.2015 diktiert sowie am 5.11.2015 von Frau [X.] geschrieben und ihm zur Unterschrift vorgelegt worden. Er habe die Unterschriftenmappe "dann der Rechtsanwaltsfachangestellten wieder übergeben" und am 5.11.2015 gegen 17 Uhr die Kanzlei "mit dem Wissen verlassen, dass die Frist durch Fertigung sowie Unterzeichnung des [X.]es erfüllt wird". Frau [X.] habe jedoch anscheinend eine weitere Unterschriftenmappe auf die bereits unterzeichnete, aber noch nicht endbearbeitete Mappe und beide zusammen auf seinen Schreibtisch gelegt. Ihm sei erst am 9.11.2015 (Montag) aufgefallen, dass in der zweiten Unterschriftenmappe noch der bereits unterschriebene [X.] gelegen habe, welcher ganz offensichtlich nicht am 5.11.2015 gefaxt worden sei. Am 5.11.2015 habe er jedoch davon ausgehen können, dass auf die sonst stets zuverlässige und äußerst korrekte Rechtsanwaltsfachangestellte Verlass sei und der Schriftsatz noch an diesem Tag gefaxt werde.

3

II. 1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist abzulehnen.

4

Gemäß § 67 Abs 1 [X.] ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist nach § 67 Abs 2 [X.] binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden und innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen.

5

Der Kläger hat die Monatsfrist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 160a Abs 1 S 2 [X.]), welche am 5.11.2015 (Donnerstag) ablief, versäumt. Er hat die Beschwerde am 9.11.2015 (Montag) unmittelbar nach Aufdeckung der Fristversäumung durch seinen Prozessbevollmächtigten eingelegt und somit noch innerhalb der Antragsfrist (§ 67 Abs 2 [X.] [X.]) nachgeholt (zum Wegfall des Hindernisses vgl [X.] Beschluss vom 11.1.1991 - 1 BvR 1435/89 - NJW 1992, 38 - Juris RdNr 16). Gleichwohl kann ihm Wiedereinsetzung nicht gewährt werden. Denn er hat nicht glaubhaft gemacht, dass sein Prozessbevollmächtigter, dessen Verschulden er sich zurechnen lassen muss (§ 73 Abs 6 [X.] [X.] iVm § 85 Abs 2 ZPO), unverschuldet verhindert war, die Frist einzuhalten.

6

Zwar darf ein bevollmächtigter Rechtsanwalt Hilfstätigkeiten - wie hier die rechtzeitige Übersendung fristwahrender Schriftsätze mittels Telefax an das Gericht - gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Mitarbeitern zur eigenverantwortlichen Erledigung übertragen. Ein Verschulden von Hilfspersonen gilt aber als eigenes Verschulden des Rechtsanwalts, wenn die Nichteinhaltung der Frist darauf beruht, dass dieser es versäumt hat, durch eine zweckmäßige Büroorganisation - insbesondere hinsichtlich der Fristen- und Terminüberwachung und der [X.] - ausreichende Vorkehrungen zur Vermeidung von Fristversäumnissen zu treffen (stRspr - s BSG Beschluss vom 27.5.2008 - B 2 U 5/07 R - [X.] 4-1500 § 67 [X.] RdNr 14 mwN; zur Rspr des [X.], NJW 2015, 2004, 2006).

7

So verhält es sich hier. Der Prozessbevollmächtigte des [X.] ist nach seinen eigenen Angaben - offenkundig unzutreffend - davon ausgegangen, dass die Frist bereits "durch Fertigung sowie Unterzeichnung des [X.]es erfüllt wird". Dass er in seiner Kanzlei irgendwelche Anweisungen zur Fristenüberwachung und [X.] getroffen oder dass eine solche Kontrolle tatsächlich stattgefunden hat, trägt er jedoch nicht vor.

8

Ein Rechtsanwalt ist aber verpflichtet, durch organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von [X.] in größtmöglichem Umfang auszuschließen; hierzu gehört insbesondere eine wirksame [X.], durch die gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen (vgl BSG Beschlüsse vom 19.5.2005 - B 10 EG 3/05 B - und vom 24.9.2014 - B 9 SB 27/14 B - jeweils in [X.]). Unverzichtbares Organisationserfordernis sind ausreichende Einrichtungen zur Vermeidung von Fehlern bei der Behandlung von [X.] (stRspr, vgl zB [X.] vom 28.11.1990 - [X.] - NJW 1991, 1178; BVerwG Beschluss vom 4.10.2002 - 5 C 47/01, 5 [X.]/01 - [X.] 54, 390; [X.] Beschluss vom 7.7.2003 - [X.]/03 - [X.]/NV 2003, 1440; BSG Beschluss vom 19.5.2005 - B 10 EG 3/05 B - Juris). Wenn danach jeder Rechtsanwalt eine [X.] für fristwahrende Schriftsätze eingerichtet haben muss, kann dies zB derart organisiert sein, dass ein Fristenbuch geführt wird, in dem für jeden fristwahrenden Schriftsatz die maßgebliche Frist eingetragen und erst nach tatsächlich erfolgter Absendung durchgestrichen wird, sowie dass am Schluss eines jeden Arbeitstags eine Überprüfung der noch erforderlichen Erledigungen stattfindet (vgl dazu [X.] vom 18.3.1987 - 9b [X.] - [X.], 213, 216 = [X.] 1500 § 67 [X.]; BSG Beschluss vom 19.5.2005 - B 10 EG 3/05 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom [X.] - B 6 KA 41/05 R - [X.], 235; s auch [X.] vom 28.11.1990 - [X.] - NJW 1991, 1178 f sowie [X.], NJW 2015, 2004, 2007).

9

Wäre am Abend des 5.11.2015 eine solche Fristen- und [X.] vorgenommen worden, so hätte auffallen müssen, dass der unterzeichnete [X.] nicht per Telefax an das Gericht übersandt worden war, sondern noch in der nicht endbearbeiteten Unterschriftenmappe auf dem Schreibtisch des Rechtsanwalts lag; die Übermittlung hätte dann noch rechtzeitig erfolgen können. Da der Prozessbevollmächtigte des [X.] aber schon nicht vorgebracht hat, die Durchführung der erforderlichen Fristen- und [X.] durch organisatorische Vorgaben in seiner Kanzlei sichergestellt zu haben, scheidet mangels Glaubhaftmachung eines fehlenden Verschuldens die Wiedereinsetzung in die versäumte [X.] aus.

2. Die nicht fristgerecht eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ohne Zuziehung [X.] als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 [X.] iVm § 169 [X.]).

3. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 [X.].

Meta

B 13 R 392/15 B

29.12.2015

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Nordhausen, 9. November 2014, Az: S 3 R 7782/11, Urteil

§ 67 Abs 1 SGG, § 160a Abs 1 S 2 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 29.12.2015, Az. B 13 R 392/15 B (REWIS RS 2015, 36)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 36

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