Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2016, Az. 5 AZR 425/15

5. Senat | REWIS RS 2016, 15693

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Gegenstand

Annahmeverzug - Anrechnung von Zwischenverdienst - Gesamtberechnung


Leitsatz

Nach § 615 Satz 2 BGB ist Zwischenverdienst auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs in dem Umfang anzurechnen, wie er dem Verhältnis der beim Arbeitgeber ausgefallenen Arbeitszeit zu der im neuen Dienstverhältnis geleisteten entspricht.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 1. Juli 2015 - 1 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anrechnung von [X.] auf Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs.

2

Die Beklagte ist eine in Abwicklung befindliche sog. geöffnete Betriebskrankenkasse. Die Klägerin war bei ihr seit 1998 zwölf Stunden wöchentlich beschäftigt. Das [X.] ordnete die Schließung der Beklagten zum 31. Dezember 2011 an. Die Beklagte teilte der Klägerin mit, das Arbeitsverhältnis werde mit dem Tag der Schließung enden, und kündigte das Arbeitsverhältnis hilfsweise außerordentlich zum 31. Dezember 2011 sowie äußerst hilfsweise ordentlich. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage. Mit Beschluss vom 9. April 2014 stellte das [X.] Zustandekommen und Inhalt eines Vergleichs fest, der [X.]. regelt:

        

„1. Es besteht Einigkeit, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2013 beendet worden ist.

        

2. Die Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt auf der Basis des [X.] zum Zeitpunkt der Schließung zuzüglich vertraglicher Sonderzahlungen … abzurechnen und sich hieraus ergebende Nettoansprüche an die Klägerseite auszuzahlen, soweit Ansprüche nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen sind.“

3

Seit 1. Jan[X.]r 2012 ist die Klägerin in einem anderen Arbeitsverhältnis wöchentlich 17 Stunden beschäftigt.

4

Die Beklagte berechnete den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs für das [X.] mit 13.846,80 Euro brutto und für das [X.] mit 13.839,31 Euro brutto. Da die Klägerin im neuen Arbeitsverhältnis im [X.] Vergütung iHv. 14.947,57 Euro brutto und im [X.] iHv. 15.593,63 Euro brutto bezogen hatte, lehnte die Beklagte eine Zahlung unter Hinweis auf die Anrechnung dieser Vergütung ab.

5

Die Klägerin meint, der Vergütungsanteil, den sie wegen der neuen längeren Arbeitszeit bezogen habe, sei nicht anrechnungsfähig.

6

Die Klägerin hat - soweit in der Revision noch von Relevanz - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.127,61 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der anderweitig erzielte Verdienst sei vollständig anzurechnen.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klägerin den noch streitigen Betrag nebst Zinsen zugesprochen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden. Die Klägerin muss sich auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs nicht den gesamten von ihr erzielten [X.] anrechnen lassen.

I. Der Vergütungsanspruch für die [X.] vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2013 folgt aus § 611 Abs. 1 iVm. § 615 Satz 1 BGB.

1. Nach § 615 Satz 1 BGB kann der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug kommt. Der Arbeitnehmer muss die infolge des Annahmeverzugs ausgefallene Arbeit nicht nachleisten. Unstreitig geriet die Beklagte mit Ablauf des 31. Dezember 2011 in Annahmeverzug. Dieser endete zu dem im [X.] vereinbarten Beendigungszeitpunkt, dem 31. Dezember 2013.

2. Dahinstehen kann, ob die Parteien im [X.] die Anrechnung von [X.] auf den Vergütungsanspruch gemäß § 615 Satz 2 BGB ausgeschlossen haben. Der in der Revision noch streitige Teil der Forderung unterliegt keiner Anrechnung.

a) Nach § 615 Satz 2 BGB ist auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs ua. das anzurechnen, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung seiner Dienste verdient hat. Im Streitfall haben die Parteien eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2013 durch [X.] geregelt. Damit fehlt es an einer Entscheidung des Gerichts zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses iSd. § 11 [X.], weshalb diese Norm als Anrechnungsvorschrift ausscheidet.

b) Doch muss sich die Klägerin nach § 615 Satz 2 BGB nicht den gesamten von ihr erzielten [X.] anrechnen lassen. [X.] ist nur derjenige [X.], den sie während der Arbeitszeit erzielt hat, in der sie im Annahmeverzugszeitraum bei der Beklagten hätte Arbeitsleistungen erbringen müssen. Die [X.] darf sich nicht ausschließlich an der Höhe der Vergütung orientieren, sondern muss auch die gegenüber der Beklagten geschuldete Arbeitszeit berücksichtigen.

aa) Der anderweitige Verdienst des Arbeitnehmers ist auf die Vergütung für die gesamte Dauer des Annahmeverzugs anzurechnen und nicht nur auf die Vergütung für den [X.]abschnitt, in dem der anderweitige Erwerb gemacht wurde. Für die erforderliche Vergleichsberechnung ([X.]) ist die Vergütung für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste zu ermitteln. Dieser Gesamtvergütung ist gegenüberzustellen, was der Arbeitnehmer in der betreffenden [X.] anderweitig erwirbt ([X.] 12. Dezember 2006 - 1 [X.]/06 - Rn. 33, [X.]E 120, 308; 16. Mai 2012 - 5 [X.] - Rn. 29, [X.]E 141, 340).

bb) [X.] ist ausschließlich das, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung desjenigen Teils seiner Arbeitskraft erwirbt, die er dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen verpflichtet war. [X.] ist damit der Vergütungsanspruch für die [X.], für welche Arbeitsleistungen zu erbringen waren, und der Verdienst, den der Arbeitnehmer in dieser [X.] anderweitig erworben hat ([X.] 12. Juli 1904 - [X.] 146/04 - [X.]Z 58, 402). Also ist [X.] auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs in dem Umfang anzurechnen, wie er dem Verhältnis der beim Arbeitgeber ausgefallenen Arbeitszeit zu der im neuen Dienstverhältnis geleisteten entspricht. Es ist anhand der Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob der anderweitige Verdienst kausal durch das Freiwerden von der bisherigen Arbeitspflicht ermöglicht wurde ([X.] 6. September 1990 - 2 [X.] - zu [X.] 3 d der Gründe).

c) Demnach muss sich die Klägerin nur das anrechnen lassen, was sie in der Arbeitszeit erwarb, in der sie bei der Beklagten zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen wäre. Die bezogene Vergütung für darüber hinaus erbrachte Arbeitsleistungen ist nicht in die [X.] einzubeziehen. [X.] ist somit nicht der anderweitige Verdienst für 17, sondern lediglich für zwölf Wochenstunden. Es verbleibt ein Anspruch der Klägerin iHv. 6.127,61 Euro brutto.

II. Der Anspruch auf Prozesszinsen folgt aus § 291 iVm. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Als Beginn der Verzinsung haben die Vorinstanzen zutreffend den Tag nach Zustellung der Klage festgesetzt ( vgl. [X.] 19. August 2015 - 5 [X.] - Rn. 30 mwN).

[X.]. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Volk    

        

        

        

    Ernst Bürger    

        

    A. [X.]    

                 

Meta

5 AZR 425/15

24.02.2016

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 20. Januar 2015, Az: 2 Ca 4459/14, Urteil

§ 615 S 1 BGB, § 615 S 2 BGB, § 611 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2016, Az. 5 AZR 425/15 (REWIS RS 2016, 15693)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 1674 REWIS RS 2016, 15693


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 5 AZR 425/15

Bundesarbeitsgericht, 5 AZR 425/15, 24.02.2016.


Az. 2 Ca 4459/14

Arbeitsgericht Düsseldorf, 2 Ca 4459/14, 20.01.2015.


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Referenzen
Wird zitiert von

4 Sa 306/18

7 U 2465/18

7 U 2466/18

7 Sa 813/15

7 Sa 483/21

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