Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2012, Az. 10 AZR 809/11

10. Senat | REWIS RS 2012, 2203

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Gegenstand

Wettbewerbsverbot - Herausgabe anderweitiger Vergütung


Leitsatz

Ein Anspruch aus § 60 iVm. § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB auf Herausgabe bezogener Vergütung setzt voraus, dass diese unmittelbar aus Drittgeschäften erzielt wird, die der Arbeitnehmer unter Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot am Markt tätigt. Der Anspruch erstreckt sich nicht auf das für eine sonstige wettbewerbswidrige Tätigkeit erzielte Festgehalt.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 12. September 2011 - 9 [X.]/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Revision hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche.

2

Der [X.] war für die Klägerin als Produktionsmanager und technischer Leiter tätig. Die Parteien schlossen in einem Kündigungsschutzverfahren einen durch Beschluss des Arbeitsgerichts vom 1. Dezember 2009 festgestellten Vergleich mit auszugsweise folgendem Wortlaut:

        

„§ 1   

        

Das Arbeitsverhältnis endet aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung vom 2. Oktober 2009 aus betrieblichen Gründen zum 31. Januar 2010. Verschuldensvorwürfe gegenüber dem Kläger sind mit der Kündigung nicht verbunden.

                 
        

§ 2     

        

Der Kläger wird bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung und unter Anrechnung restlicher oder noch entstehender Urlaubsansprüche und eventueller Freizeitausgleichsansprüche. Die [X.] zahlt an den Kläger eine monatliche Vergütung ab dem 1. Oktober 2009 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses in Höhe von 6.200,00 Euro brutto, soweit die Ansprüche nicht auf die Krankenkasse übergegangen sind.

                 
        

§ 3     

        

Die [X.] zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Sozialabfindung entsprechend §§ 9, 10 [X.], §§ 24, 34 EStG in Höhe von 18.000,00 Euro brutto.

        

…       

        

§ 5     

        

Damit sind sämtliche finanziellen Ansprüche zwischen den Parteien aus dem Arbeitsverhältnis erledigt. …“

3

Der [X.] steht spätestens seit dem 1. Dezember 2009 in einem Arbeitsverhältnis mit einer Wettbewerberin der Klägerin. Er bezog dort für Dezember 2009 und Januar 2010 jeweils eine Vergütung von 6.000,00 Euro brutto. Der [X.] schlug der Klägerin Anfang Dezember 2009 vor, das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden. Die Klägerin reagierte nicht. Sie zahlte dem [X.]n für Dezember 2009 die im Vergleich vereinbarte Vergütung. Unmittelbar nach Kenntnisnahme von der neuen Tätigkeit des [X.]n am 15. Januar 2010 kündigte sie das Arbeitsverhältnis fristlos. Der Kündigungsschutzklage des [X.]n ist rechtskräftig stattgegeben worden. Die Klägerin hat dem [X.]n für Januar 2010 keine Vergütung gezahlt.

4

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der [X.] sei auch während der vereinbarten Freistellung an das Wettbewerbsverbot gebunden gewesen und deshalb nach § 61 Abs. 1 HGB verpflichtet, die von der Wettbewerberin in dieser Zeitspanne bezogene Vergütung herauszugeben. Zumindest müsse er sich diese Vergütung auf seine Ansprüche gegen die Klägerin anrechnen lassen; er sei deshalb ungerechtfertigt bereichert und müsse die von der Klägerin im Dezember 2009 bezogene Vergütung in entsprechender Höhe zurückzahlen. Für den Monat Januar 2010 schulde sie nach Anrechnung der von der Wettbewerberin bezogenen Vergütung von 6.000,00 Euro brutto nur noch 200,00 Euro brutto.

5

Die Klägerin macht mit dem Hauptantrag die Herausgabe der Vergütung des [X.]n bei der Wettbewerberin in den Monaten Dezember 2009 und Januar 2010 zuzüglich der Arbeitgeberanteile zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag geltend. Mit den [X.] fordert sie die von ihr geleistete Vergütung für Dezember 2009 zuzüglich der Arbeitgeberanteile überwiegend zurück und begehrt Feststellung der verbleibenden Vergütungspflicht für Januar 2010.

6

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

den [X.]n zu verurteilen, an sie 13.829,29 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

2.    

hilfsweise

                 

a)    

den [X.]n zu verurteilen, an sie 6.905,98 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

                 

b)    

festzustellen, dass der Vergütungsanspruch des [X.]n aus dem beendeten Arbeitsverhältnis der Parteien für den Monat Januar 2010 nur noch 200,00 Euro beträgt.

7

Der [X.] hat beantragt, die Klage abzuweisen.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Zahlungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

I. Die Klage ist mit dem Hauptantrag unbegründet. Für einen Anspruch auf Herausgabe der bei der Wettbewerberin bezogenen Vergütung gibt es keine Anspruchsgrundlage.

1. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 60, 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB.

a) Nach § 60 Abs. 1 HGB darf der [X.] ohne Einwilligung des [X.] weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweig des [X.] für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. Nach § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB kann der Prinzipal bei einer Verletzung der dem [X.]n aus § 60 HGB obliegenden Verpflichtung statt Schadensersatz ua. verlangen, dass dieser die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgibt.

b) Die Vorschriften der §§ 60, 61 HGB finden Anwendung. Der Beklagte war zwar nicht [X.] iSv. § 59 HGB, weil er keine kaufmännischen Dienste geleistet hat; das Wettbewerbsverbot gilt aber in gleicher Weise für andere Arbeitnehmer (st. Rspr., [X.] 24. März 2010 - 10 [X.]/09 - Rn. 15, [X.]E 134, 43; 26. September 2007 - 10 [X.] - Rn. 17 f., [X.]E 124, 133).

c) Der Beklagte war während der Freistellung an das Wettbewerbsverbot gebunden.

aa) Das Wettbewerbsverbot des § 60 Abs. 1 HGB gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses ([X.] 28. Januar 2010 - 2 [X.] - Rn. 22, [X.] § 626 Nr. 227 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30) und damit nach einer Kündigung auch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ([X.] 30. Mai 1978 - 2 [X.] 598/76 - zu II 1 der Gründe, [X.] HGB § 60 Nr. 9 = EzA HGB § 60 Nr. 11).

bb) Die Parteien haben das Wettbewerbsverbot in dem [X.] vom 1. Dezember 2009 nicht aufgehoben. Die Freistellung des Arbeitnehmers hebt das Wettbewerbsverbot nicht auf ([X.] 20. März 1984 - 3 [X.] 32/82 - zu I 2 b der Gründe; 30. Mai 1978 - 2 [X.] 598/76 - zu II 1 der Gründe, [X.] HGB § 60 Nr. 9 = EzA HGB § 60 Nr. 11). Der Arbeitgeber hat auch dann ein erkennbares Interesse an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots, wenn der Arbeitnehmer von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt ist. Eine andere Auslegung einer Freistellungsvereinbarung ist denkbar, wenn die Anrechnung anderweitigen Verdienstes ausdrücklich vereinbart ist ([X.] 6. September 2006 - 5 [X.] 703/05 - Rn. 22, [X.]E 119, 232). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

d) Der Beklagte hat mit seiner Tätigkeit für die Wettbewerberin gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen. Das [X.] hat zwar zu der konkret ausgeübten Tätigkeit keine Feststellungen getroffen (zur Bestimmung der Reichweite des Wettbewerbsverbots: vgl. [X.] 24. März 2010 - 10 [X.]/09 - Rn. 15 ff., [X.]E 134, 43); die herausgehobene Tätigkeit des Beklagten bei der Klägerin und die in nahezu gleicher Höhe vereinbarte Vergütung bei der Wettbewerberin lassen aber begründete Zweifel an einem Verstoß nicht zu.

e) Der Anspruch auf Herausgabe der Vergütung besteht nicht, weil das von der Wettbewerberin bezogene Festgehalt des Beklagten keine iSv. § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB „aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung“ ist.

aa) „Geschäfte machen“ iSd. Norm ist eine, wenn auch nur spekulative, auf Gewinn gerichtete Teilnahme am Geschäftsverkehr ([X.] 11. August 1987 - 8 [X.] 609/84 - zu II 3 c der Gründe, [X.] § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 90 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 43; 24. April 1970 - 3 [X.] 324/69 - zu I 1 b der Gründe, [X.] HGB § 60 Nr. 5 = EzA HGB § 60 Nr. 3). Untersagt ist der Abschluss von Umsatzgeschäften im [X.] ([X.] 20. September 2006 - 10 [X.] 439/05 - Rn. 26, [X.]E 119, 294) oder das Anbieten von Diensten und Leistungen gegenüber [X.] im Marktbereich des Arbeitgebers ([X.] 16. Juni 1976 - 3 [X.] 73/75 - zu II 1 der Gründe, [X.] § 611 [X.]epflicht Nr. 8 = EzA BGB § 611 [X.]epflicht Nr. 1). Der Arbeitnehmer muss als Wettbewerber seines Arbeitgebers am Markt auftreten, also zu seinem Vorteil die gleichen Marktchancen nutzen ([X.] 11. August 1987 - 8 [X.] 609/84 - aaO). Tätigt der Arbeitnehmer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit einer Wettbewerberin „Geschäfte für fremde Rechnung“, indem er aktiv werbend im [X.] auftritt und für Rechnung der Wettbewerberin Geschäfte abschließt oder anbahnt, kann unmittelbar aus solchen [X.]n bezogene Vergütung nach § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB herausverlangt werden.

bb) Dass der Beklagte für die Wettbewerberin im Marktbereich der Klägerin [X.] getätigt hat, hat diese nicht vorgetragen. Der Beklagte hat einen Arbeitsvertrag mit einer Wettbewerberin geschlossen. Dies ist kein „Geschäft“ iSd. §§ 60, 61 HGB ([X.] 15. Februar 1962 - 5 [X.] 79/61 - zu II 2 b der Gründe, [X.] HGB § 61 Nr. 1); der Arbeitnehmer tritt beim Abschluss eines weiteren Arbeitsvertrags nicht am Markt im Wettbewerb zu seinem bisherigen Arbeitgeber auf.

cc) Der Anspruch auf ein Festgehalt ist regelmäßig auch keine „Vergütung“ iSd. § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB, deren Herausgabe verlangt werden kann ([X.]/[X.]. § 61 Rn. 9). „Vergütung“ ist demnach das für einen bestimmten Geschäftsabschluss bezogene Entgelt, nicht aber das Gehalt für eine sonstige (wettbewerbswidrige) Tätigkeit. Dies ergibt die Auslegung der Norm.

(1) Hierfür spricht bereits der Gesetzeswortlaut. § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB verpflichtet zur Herausgabe bzw. Abtretung der „aus Geschäften für fremde Rechnung bezogenen Vergütung“. Ein Anspruch setzt voraus, dass tatsächlich Geschäfte abgeschlossen wurden. Zwischen der Vergütung und dem abgeschlossenen Geschäft muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen; die Vergütung muss „aus“ dem Geschäft folgen, also auf ihm beruhen.

(2) Die Systematik der Vorschrift bestätigt das. Grundsätzlich löst ein Verstoß gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot nach § 61 Abs. 1 Halbs. 1 HGB einen Anspruch auf Schadensersatz aus. Das Eintrittsrecht des Arbeitgebers nach § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB ist seinem Wesen nach eine pauschale Schadensersatzregelung und erleichtert dem Arbeitgeber die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs. Der Arbeitgeber darf ohne Nachweis eines besonderen Schadens in bestimmte Geschäfte eintreten und die Vergütung herausverlangen. Aus der [X.] zum Schadensersatzrecht ergibt sich aber, dass das Eintrittsrecht des Arbeitgebers nur dann besteht, wenn es ohne wesentliche Umstellung des Inhalts der verbotswidrig vorgenommenen Geschäfte verwirklicht werden kann ([X.] 15. Februar 1962 - 5 [X.] 79/61 - zu II 1 der Gründe, [X.] HGB § 61 Nr. 1). Ein Eintritt des Arbeitgebers in ein Arbeitsverhältnis scheidet aus.

(3) Für diese Auslegung spricht schließlich die Entstehungsgeschichte der Norm. § 56 Abs. 3 des [X.] ([X.]) vom 31. Mai 1861 sah bei Verletzung des Wettbewerbsverbots neben einem Schadensersatzanspruch nur das Recht des [X.] vor, die von dem [X.]n für eigene Rechnung abgeschlossenen Geschäfte an sich zu ziehen. Das [X.] entschied sodann, dass ein Arbeitgeber nicht die Provisionen herausverlangen könne, die ein [X.] durch den Abschluss von Handelsgeschäften für Rechnung eines Konkurrenzunternehmens verdient habe, weil es sich dabei um Geschäfte für fremde und nicht für eigene Rechnung handele ([X.] 8. Dezember 1882 - II 390/82 - [X.]Z 8, 48). Um die Ungleichbehandlung von Geschäften für eigene und fremde Rechnung zu beseitigen, wurde die jetzige Regelung in das am 1. Januar 1900 in [X.] getretene HGB aufgenommen (zunächst § 53 HGB; vgl. Begründung zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das [X.] von 1895, S. 52; zur Entstehungsgeschichte des § 61 HGB auch: [X.] als haftungsrechtliches Problem S. 397 f.). Motiv für die Einführung der jetzigen Regelung war es, dem Arbeitgeber den Zugriff auf die vom [X.]n verdienten Provisionen unabhängig davon zu ermöglichen, ob es sich um Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung handelt. Der Zugriff auf laufendes Arbeitsentgelt ohne unmittelbaren Bezug zu konkreten ([X.] war nicht beabsichtigt.

dd) Der Arbeitgeber wird durch [X.] nicht rechtlos gestellt; ihm bleibt unbenommen, nach § 61 Abs. 1 Halbs. 1 HGB Schadensersatz zu verlangen, dessen Geltendmachung durch ein Auskunftsverlangen vorbereitet werden kann ([X.] 21. Oktober 1970 - 3 [X.] 479/69 - [X.] § 242 Auskunftspflicht Nr. 13 = EzA HGB § 60 Nr. 5). Für die von der Revision vertretene analoge Anwendung des § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB auf den Abschluss von Arbeitsverträgen ist danach kein Raum. Auch wenn das Wettbewerbsverbot über § 59 HGB hinaus für andere Arbeitnehmer gilt (siehe oben zu b), besteht keine planwidrige Regelungslücke; § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB will keineswegs all das abschöpfen, was infolge eines wettbewerbswidrigen Verhaltens erlangt wird.

2. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 61 Abs. 1 Halbs. 1 HGB ist nicht geltend gemacht, ein Schaden aufgrund der Verletzung des Wettbewerbsverbots nicht dargelegt worden. Die Klägerin hat sich auch nicht auf eine sonstige Pflichtverletzung des Beklagten berufen, die zur Weiterzahlung des Gehalts und damit zu einem Schaden geführt hat.

3. Aus angemaßter Eigengeschäftsführung gemäß § 687 Abs. 2, § 681 Satz 2, § 667 BGB kann die Klägerin keinen Anspruch herleiten, weil der Abschluss des Arbeitsvertrags mit der Wettbewerberin für den Beklagten kein „fremdes“, sondern ein eigenes Geschäft war.

4. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 285 Abs. 1 BGB.

a) Nach dieser Vorschrift kann der Gläubiger Herausgabe des Ersatzes verlangen, wenn der Schuldner infolge des Umstands, aufgrund dessen er die Leistung nach § 275 Abs. 1 bis Abs. 3 BGB nicht zu erbringen braucht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz erlangt.

b) Ob Handlungen und Unterlassungen „Gegenstände“ iSd. § 285 Abs. 1 BGB sind, ist umstritten (dafür [X.] NJW 2003, 2049; [X.]/[X.]/[X.] BGB 2009 § 285 Rn. 24; [X.]/[X.]/[X.] 3. Aufl. § 285 Rn. 6; [X.]/[X.] BGB 71. Aufl. § 285 Rn. 5; [X.]/[X.] 6. Aufl. § 285 Rn. 5 f.; vgl. zu § 281 BGB aF auch [X.] 25. April 1997 - [X.] 4/96 - zu 2 c der Gründe, [X.]Z 135, 284), kann aber unentschieden bleiben. Der Beklagte konnte zwar nach Aufnahme der Tätigkeit für die Wettbewerberin seine Verpflichtung zur Unterlassung von Wettbewerb nicht mehr erfüllen. Voraussetzung eines Anspruchs nach § 285 Abs. 1 BGB ist aber, dass der Schuldner aufgrund eines bestimmten Umstands von seiner Primärpflicht zur Leistung des geschuldeten Gegenstands frei wird und aus diesem Grund einen Ersatz für eben den Gegenstand erlangt ([X.] 25. April 2005 - II [X.]/03 - zu I 2 d der Gründe, ZIP 2005, 1136; [X.]/[X.]/[X.] BGB § 285 Rn. 43). An dieser Identität fehlt es. Der Beklagte hat gegen die Wettbewerberin keinen Anspruch auf Vergütung wegen des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot, sondern als Gegenleistung für die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung unabhängig von einem Wettbewerbsverstoß.

5. Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB. Der Beklagte hat das von der Klägerin begehrte Gehalt durch Leistung der Wettbewerberin und nicht in sonstiger Weise auf Kosten der Klägerin erlangt. Ein Bereicherungsanspruch der Klägerin scheidet bereits wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Leistungsbeziehung aus.

II. Die Klage ist mit den [X.] unbegründet. Ein Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der für Dezember 2009 gezahlten Vergütung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB besteht nicht. Die Zahlung ist nicht ohne Rechtsgrund erfolgt; die von der Wettbewerberin bezogene Vergütung ist auf den Vergütungsanspruch des Beklagten gegen die Klägerin nicht anzurechnen. Deshalb ist auch der Feststellungsantrag unbegründet.

1. Die Anrechnung folgt nicht aus § 615 Satz 2 BGB.

a) Gemäß § 615 Satz 2 BGB ist der Wert desjenigen, was der Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs aus einer anderweitigen Verwendung seiner Dienste erwirbt, auf die vom Arbeitgeber nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 BGB geschuldete Vergütung anzurechnen. Annahmeverzug setzt voraus, dass der Arbeitnehmer die Erbringung von Arbeitsleistung schuldet. Ist dies nicht der Fall, kann der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung nicht in Verzug geraten ([X.] 19. März 2002 - 9 [X.] 16/01 - zu II 2 a der Gründe, EzA BGB § 615 Nr. 108; 23. Januar 2001 - 9 [X.] 26/00 - zu I 1 der Gründe, [X.]E 97, 18; 9. November 1999 - 9 [X.] 922/98 - zu I 3 a der Gründe); auch eine Anrechnung von Zwischenverdienst nach § 615 Satz 2 BGB scheidet dann aus ([X.] 6. September 2006 - 5 [X.] 703/05 - Rn. 24, [X.]E 119, 232; 19. März 2002 - 9 [X.] 16/01 - aaO). Wird vertraglich eine Freistellung des Arbeitnehmers bestimmt, kommt es für die Frage der Anrechnung eines anderweitigen Verdienstes vorrangig auf die Auslegung des Vertrags an.

b) Die Parteien haben in § 2 des [X.]s vom 1. Dezember 2009 vereinbart, dass der Beklagte bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche und mit Zahlung bestimmter Beträge von der Arbeitsleistung freigestellt wird. Die Freistellung war, wie die zeitlich nicht festgelegte Anrechnung auf Urlaubsansprüche zeigt, unwiderruflich (vgl. [X.] 14. März 2006 - 9 [X.] 11/05 - Rn. 19 f., [X.] [X.] § 7 Nr. 32 = EzA [X.] § 7 Nr. 117) und hat die Arbeitspflicht des Beklagten aufgehoben (vgl. [X.] 23. Januar 2008 - 5 [X.] 393/07 - Rn. 13, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 22; 29. September 2004 - 5 [X.] 99/04 - zu II 2 a der Gründe, [X.]E 112, 120; 19. März 2002 - 9 [X.] 16/01 - zu II 2 c der Gründe, EzA BGB § 615 Nr. 108). Der Anspruch des Beklagten auf Vergütung folgt unmittelbar aus § 2 Satz 2 des Vergleichs in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag und nicht (mehr) aus § 615 Satz 1 BGB (vgl. [X.] 29. September 2004 - 5 [X.] 99/04 - aaO; 19. März 2002 - 9 [X.] 16/01 - zu II 2 d der Gründe, aaO; im Grundsatz auch für Arbeitsunfähigkeit: [X.] 23. Januar 2008 - 5 [X.] 393/07 - aaO; 29. September 2004 - 5 [X.] 99/04 - aaO). Eine Anrechnung anderweitig erzielter Vergütung aufgrund von § 615 Satz 2 BGB scheidet deshalb aus.

2. Die Parteien haben die Anrechnung anderweitigen Einkommens nicht geregelt. Gegen eine konkludent vereinbarte Anrechnung spricht die konkrete Bezifferung der Vergütungsansprüche und die ohne zeitliche Festlegung vereinbarte Erfüllung von Urlaubsansprüchen durch die Freistellung. Damit überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Festlegung der zeitlichen Lage seines Urlaubs innerhalb des [X.] ([X.] 14. März 2006 - 9 [X.] 11/05 - Rn. 20, [X.] [X.] § 7 Nr. 32 = EzA [X.] § 7 Nr. 117); während des Urlaubs erfolgt keine Anrechnung anderweitigen Verdienstes ([X.] 25. Februar 1988 - 8 [X.] 596/85 - [X.]E 57, 366; [X.]/[X.] 12. Aufl. § 8 [X.] Rn. 4). Deshalb findet nach dem [X.] vom 1. Dezember 2009 jedenfalls bei nicht wettbewerbswidriger Tätigkeit des Beklagten keine Anrechnung statt. Dieses Verständnis des Vergleichs entspricht auch der Auffassung beider Parteien. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien eine Anrechnung von Vergütung demgegenüber für den Fall eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot vereinbaren wollten, bestehen, wie das [X.] zutreffend erkannt hat, nicht.

3. Eine ergänzende Auslegung des [X.]s im Hinblick auf eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes kommt nicht in Betracht. Eine Freistellungsvereinbarung ohne Anrechnungsregelung ist nicht lückenhaft ([X.] 30. September 1982 - 6 [X.] 802/79 - zu II 2 der Gründe; 9. November 1999 - 9 [X.] 922/98 - zu I 4 der Gründe). Die Ausgleichsklausel zeigt zudem, dass die Parteien eine abschließende Regelung wollten.

4. Eine Anrechnung ist auch nicht nach [X.] und Glauben gemäß § 242 BGB geboten.

a) Unerlaubte [X.] des Arbeitnehmers können Schadensersatzansprüche auslösen, mit denen gegen [X.] aufgerechnet werden kann. Regelmäßig berechtigen sie den Arbeitgeber aber nicht, die Zahlung der vereinbarten Vergütung zu verweigern. Allenfalls in besonders krass liegenden Fällen, in denen sich der Arbeitnehmer gegenüber dem anderen Teil grob verwerflich verhalten hat, kann dem Vergütungsanspruch der Arglisteinwand entgegengehalten werden ([X.] 19. Oktober 1987 - II ZR 97/87 - zu 1 der Gründe, [X.] § 611 [X.] Nr. 33). Die Leistungsverweigerung muss in einem angemessenen Verhältnis zum beanstandeten Verhalten stehen, übertriebene, den objektiven Gegebenheiten unangepasste Reaktionen sind nicht erlaubt; auch das Maß der Enttäuschung oder der Verärgerung über einen Mitarbeiter ist nicht maßgebend (zur Entziehung eines [X.] bei Konkurrenztätigkeit: [X.] 3. April 1990 - 3 [X.] 211/89 - zu II 2 c der Gründe, [X.]E 64, 298). Entsprechendes gilt für die teilweise Verweigerung der [X.] in Höhe des anderweitigen Verdienstes des Arbeitnehmers.

b) Umstände, die über die bloße Verletzung des Wettbewerbsverbots hinausgehen und das Verhalten des Beklagten als besonders verwerflich erscheinen lassen, hat das [X.] nicht festgestellt. Auch der Sachvortrag der Klägerin gibt dafür nichts her. Es ist nicht zu erkennen, dass der Verstoß des Beklagten gegen das Wettbewerbsverbot überhaupt negative Auswirkungen auf das Geschäft und die Interessen der Klägerin gehabt hat. Bei einer solchen Sachlage verwirkt der Vergütungsanspruch regelmäßig nicht. Durch die Anwendung des § 242 BGB dürfen die gesetzlichen Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs, insbesondere Schaden und haftungsausfüllende Kausalität, nicht umgangen werden.

c) Dass dem Beklagten für den Streitzeitraum nach der [X.] eine „doppelte Vergütung“ zusteht, beruht auf der einvernehmlichen Freistellung des Beklagten ohne Anrechnung anderweitigen Verdienstes. Dieses Ergebnis kann nicht als schlechthin unangemessen angesehen werden. Eine „doppelte Vergütung“ hätte der Beklagte, wie die Klägerin einräumt, auch bei Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit unter Einhaltung des Wettbewerbsverbots beanspruchen können.

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch     

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    D. Kiel    

        

    Die Amtszeit des ehrenamtlichen
Richters Beck ist abgelaufen.
Mikosch    

                 

Meta

10 AZR 809/11

17.10.2012

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Freiburg (Breisgau), 22. März 2011, Az: 5 Ca 147/10, Urteil

§ 242 BGB, § 285 Abs 1 BGB, § 611 BGB, § 615 BGB, § 667 BGB, § 681 BGB, § 687 Abs 2 BGB, § 812 Abs 1 BGB, § 60 Abs 1 HGB, § 61 Abs 1 Halbs 2 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2012, Az. 10 AZR 809/11 (REWIS RS 2012, 2203)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2203

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1 Ca 826/22

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11 Sa 1023/18

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