Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.11.2007, Az. 1 StR 370/07

1. Strafsenat | REWIS RS 2007, 1067

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[X.]/07 vom 6. November 2007 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 6. November 2007 beschlos-sen: Auf die Revision des Angeklagten [X.] wird das Urteil des [X.] vom 26. Februar 2007, soweit es ihn [X.], mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das Verfahren richtete sich zunächst gegen fünf Angeklagte. Ein [X.] - [X.] - wurde nach Abtrennung seines Verfah-rens aufgrund seines dann abgegebenen Geständnisses frühzeitig abgeurteilt. Später verurteilte das [X.] die übrigen vier Angeklagten - [X.], [X.], [X.] und T a. - mit dem angefochtenen Urteil zu Freiheitsstrafen und zwar den Beschwerdeführer [X.]wegen gefährli-cher Körperverletzung in [X.]teinheit mit versuchter Nötigung zu der Freiheits-strafe von vier Jahren. Die Revision dieses Angeklagten hat mit einer Verfah-rensrüge Erfolg. 1 - 3 - Mit einer Verfahrensrüge beanstandet der Angeklagte die fehlende [X.] damit, dass der Belastungszeuge seine Angaben aufgrund einer allein mit ihm getroffenen Urteilsabsprache gemacht hat (Verstoß gegen § 261 StPO). 2 1. Dem liegt Folgendes zu Grunde: 3 a) Nach den Urteilsfeststellungen erteilte der frühere Mitangeklagte und spätere Zeuge [X.] dem Angeklagten [X.] den [X.] zur gewaltsamen Durchsetzung einer —nicht einklagbarenfi Geldforderung gegen den [X.]. [X.] bediente sich bei der - letztlich erfolglosen - Umsetzung dann seinerseits dreier weiterer Personen, der [X.] , [X.]und [X.]. , die den wirtschaftlichen [X.] der Aktion nicht im Einzelnen kannten. 4 T. , [X.] , [X.]und [X.]. haben sich in der gegen sie gerichteten Hauptverhandlung entweder zur Sache überhaupt nicht oder abweichend vom [X.]tvorwurf eingelassen. Entscheidende Grundlage für wesentliche Feststellun-gen der [X.] insbesondere zum [X.]thintergrund und zur Vorgeschichte waren die Angaben des Auftraggebers [X.]. Dieser hat —vor der Kammer als Angeklagter und nach Abtrennung des Verfahrens und rechtskräftiger Verurtei-lung als Zeuge glaubhaft ausgesagt. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte [X.] gesehen, dass [X.]insoweit die Unwahrheit gesagt haben könnte. Zwar hat die [X.] die genauen Hintergründe der Auseinandersetzung zwi-schen [X.] und dem Geschädigten nicht klären können. Dafür dass [X.] Angaben aber jedenfalls insoweit den [X.]tsachen entsprachen, als er eine recht-lich nicht durchsetzbare Forderung mit Gewalt durchsetzen wollte, spricht be-reits, dass er insoweit die gleichen Angaben im Verfahren gegen sich gemacht hat und sich dadurch belastetefi. Eine weitergehende Würdigung dieser [X.] - 4 - ge, die Darstellung der Umstände ihres Zustandekommens sowie die Ausei-nandersetzung damit enthalten die Urteilsgründe nicht. b) Zur [X.] teilt die Revisionsbegründung Folgendes mit (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO): 6 Das Verfahren richtete sich zunächst - wie bereits bekannt - gegen die fünf Angeklagten [X.] , T. , [X.] , [X.] und [X.]. . Am ersten Verhandlungstag machten die Angeklagten nur Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen. Danach kam es zu [X.], die jedoch zu keinem gemeinsamen Ergebnis führten. Zu Beginn des zweiten [X.] wurde das Verfahren gegen den Ange-klagten [X.]abgetrennt und sofort fortgesetzt. Das Verfahren gegen die üb-rigen Angeklagten wurde unterbrochen und dessen Fortsetzung um 13.30 Uhr verfügt. Die Angeklagten [X.] , [X.] , [X.]. und [X.] verließen den [X.]. 7 In der nunmehr allein gegen den Angeklagten [X.]fortgeführten Hauptverhandlung gab der Vorsitzende die Erklärung ab, 8 —dass die Beteiligten [X.] geführt haben, und zwar des Inhalts, dass der Angeklagte im Falle eines Geständnisses im Sinne der Anklageschrift eine maximale Freiheitsstrafe (Strafobergren-ze) von drei Jahren drei Monaten zu erwarten hat und dass er auf [X.] der sichergestellten 3.750 Euro verzichtet; dieser Betrag soll als Schmerzensgeld zu Gunsten des Geschädigten [X.]dienenfi. Die Verteidiger des Angeklagten [X.]gaben daraufhin folgende von ihnen schriftlich vorformulierte und von ihnen unterschriebene Erklärung ab: 9 —Ich gestehe, daß ich eine auf dem Rechtsweg meiner Ansicht nach nicht durchsetzbare Geldforderung von [X.] gegen [X.]dadurch - 5 - durchsetzen wollte, daß ich andere Personen dazu veranlasste, gegen ihn Druck auszuüben, wobei ich billigend in Kauf nahm, daß dies durch Einsatz von Gewalt und Schlägen erfolgen würde. Es ging [X.] nicht darum, den Zeugen [X.] von der Geltendma-chung irgendwelcher eigener Forderungen abzuhalten. Ich habe [X.]die Adresse des [X.] genannt, woraufhin

[X.] am 18. März 2006 in [X.] von mehreren Per-sonen aufgesucht und geschlagen wurde. Ich bedaure mein Verhalten zutiefst und bin damit einverstanden, daß der bei [X.] sichergestellte Gesamtgeldbetrag, der der Firma Te. GmbH gehört, deren alleiniger Gesellschafter und [X.] ich bin, in Höhe von 3.750 Euro nicht an [X.], sondern an den Ge-schädigten [X.] als Schmerzensgeld für die erlittenen Verlet-zungen herausgegeben wirdfi. Der Angeklagte [X.]akzeptierte diese Erklärung als eigene. 10 Der Vertreter der Staatsanwaltschaft gab eine Erklärung zu einer mögli-chen Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 StPO ab im Hinblick auf [X.] aus der Vernehmung des [X.]. 11 Nach Verlesung des [X.] hinsichtlich des [X.] [X.], den Schlussvorträgen, der Gewährung des letzten Wortes, in dem sich der Angeklagte den Ausführungen seiner Verteidiger anschloss, und der Beratung wurde das Urteil verkündet. Nach Belehrung verzichteten sowohl der Angeklagte, als auch die Staatsanwaltschaft auf Rechtsmittel. 12 Die Hauptverhandlung gegen die übrigen vier Angeklagten, darunter der Beschwerdeführer, wurde noch am selben [X.]g fortgesetzt. Am neunten der insgesamt 13 Verhandlungstage wurde [X.] als Zeuge zur Sache gehört. Durch diese Vernehmung kann auch - im Wege des [X.] - über den Inhalt der in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren für ihn [X.] - 6 - benen Erklärung sowie über seine Verurteilung Beweis erhoben worden sein - weshalb auch eine weitere, schon auf eine fehlende Erhebung dieser in den Urteilsgründen teilweise erwähnten Vorgänge abzielende Rüge der Verletzung des § 261 StPO nicht trägt. 2. Vor diesem, erst durch das vom [X.] erhellten [X.] erweist sich die Beweiswürdigung des [X.] als lückenhaft. Dies aufzudecken, bedurfte es in diesem Fall - anders als in der Sache [X.], 161, 166 - der Erhebung einer Verfahrensrüge. In den Urteilsgründen ist zwar erwähnt, dass die Angaben des Zeugen [X.]

auf ein Geständnis in dem ge-gen ihn gerichteten - abgetrennten - Verfahren zurückgehen. Die [X.] hebt bei der Bewertung der Glaubwürdigkeit sogar ausdrücklich auf die Kon-stanz seiner Angaben als Angeklagter und Zeuge ab. Sie verschweigt aber zwei maßgebliche Punkte und setzt sich in der Konsequenz damit auch nicht [X.]. 14 - Die [X.] teilt schon nicht mit, dass sich der Angeklagte in dem gegen ihn gerichteten Verfahren zur Sache überhaupt nicht persönlich eingelassen, sondern nur eine von den Verteidigern verfasste und ver-lesene Erklärung pauschal bestätigt hat. - Vor allem teilt die [X.] aber nicht mit, dass das —[X.] des Zeugen [X.]in dem gegen ihn gerichteten Verfahren auf einer verfahrensbeendenden Absprache beruhte und wie diese zustande kam. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint der Hinweis auf die [X.] der Angaben des Zeugen im Hinblick auf dessen Glaubwürdigkeit nämlich in einem ganz anderen Licht. Dies hätte der Erörterung bedurft. 15 - 7 - Zwar ist ein Geständnis, das aufgrund einer verfahrensbeendenden [X.] abgegeben wurde, nicht von vorneherein unglaubwürdig. Dies ist im Grundsatz auch bei einer von den Verteidigern vorformulierten, vom Angeklag-ten lediglich pauschal übernommenen Erklärung nicht ausgeschlossen. [X.] bedürfen von Anderen für Angeklagte vorformulierte und von diesen nur summarisch bestätigte Geständnisse generell besonders kritischer Betrachtung hinsichtlich ihrer Substanz, ihrer Übereinstimmung mit dem Ermittlungsergebnis sowie dahingehend, ob sie wirklich als von dem jeweiligen Angeklagten stam-mend, als von diesem akzeptiert angesehen werden können. Legt der Ange-klagte ein Geständnis ab, so soll er dies im Grundsatz mit eigenen Worten tun (vgl. auch [X.] Nr. 45 Abs. 2), gegebenenfalls ergänzend zu der von seinem Verteidiger verlesenen Erklärung. Auch insoweit gilt jedoch der Grundsatz der freien richterlichen Überzeugungsbildung. Bei Geständnissen, die auf Verfah-rensabsprachen beruhen, muss diese aber in ihren Grundlagen und deren [X.] in den Urteilsgründen besonderen Anforderungen genügen (vgl. [X.]St 50, 40, 49; [X.], 2424; [X.], [X.]. vom 13. Juni 2007 - 3 [X.] - Rdn. 18). 16 Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Vereinbarung im Verfahren gegen den späteren Zeugen [X.]einer unzulässigen (vgl. [X.]St 50, 40, 50) Absprache über Elemente des Schuldspruchs (Erpressung, hier räube-rische versuchte, aber versucht nur mangels Erlangung des Vermögensvorteils) zumindest sehr nahe kommt. Denn die dem Angeklagten in den Mund gelegte Formulierung —eine auf dem Rechtsweg meiner Ansicht nach nicht durchsetzba-ren Geldforderung von [X.] gegen [X.] fi besagt noch nichts über die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils und den Vorstellungen des damaligen Angeklagten hierüber. Immerhin gab der Angeklagte [X.], der in der Hauptverhandlung zur Sache schwieg, im Ermittlungsverfahren noch an ([X.]), [X.]habe ihm erzählt, der Geschädigte habe 39.000,-- • Schulden bei 17 - 8 - ihm. Den Vorschlag, dies gerichtlich geltend zu machen, habe er nur abgelehnt, weil dies zu zeitaufwändig sei. Für das jetzt der Revision zugrundeliegende Ur-teil ist das nicht von unmittelbarer Bedeutung. In diesem wird noch hinreichend deutlich festgestellt, dass [X.]einen rechtswidrigen Vermögensvorteil [X.]. Von Bedeutung in diesem Verfahren ist jedoch, dass dem Geständnis des [X.] der Sache nach eine verfahrensbeendende Absprache zu Las-ten Dritter, auch des Beschwerdeführers [X.], zugrunde lag. Der Senat hat in [X.], 161 entschieden, dass bei der Verurteilung eines Angeklagten aufgrund von Geständnissen der Mitangeklagten, die Gegenstand einer verfah-rensbeendenden Absprache waren, die Glaubhaftigkeit dieser Geständnisse in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise gewürdigt werden muss. Dazu gehören insbesondere das Zustandekommen und der Inhalt der Abspra-che. Denn bei dieser Sachlage besteht die Gefahr, dass die Mitangeklagten den [X.] zu Unrecht belasten, weil sie sich dadurch für die eigene [X.] Vorteile versprechen. In einem solchen Fall hat der [X.]trichter die Geständnisse der anderen Angeklagten kritisch zu würdigen ([X.]/[X.], FS aus Anlass des fünfzigjährigen Bestehens des [X.] S. 641, 657 m.w.N.). Maßgeblich für die Bewertung ist die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Geständnisse. Dies schließt auch das Zustandekommen, den Inhalt - ein-schließlich von der Staatsanwaltschaft zugesagter Einstellungen gemäß § 154 StPO - und gegebenenfalls das Scheitern einer verfahrensbeendenden Abspra-che mit ein. Nur so kann das Revisionsgericht überprüfen, dass sich die ge-ständigen Angeklagten durch ein Geständnis gegen die Zusage einer - im Ein-zelfall nicht schuldangemessenen - Strafe nicht nur eigene Vorteile verschafft, sondern sich auch zutreffend eingelassen haben. Für den hier vorliegenden Fall, dass der geständige frühere Mitangeklagte nach rechtskräftigem [X.] seines Verfahrens als Zeuge gehört wird, gilt nichts anderes. Im [X.] - genden Fall kommt die Zusage der Staatsanwaltschaft zur Einstellung eines weiteren - drohenden - Ermittlungsverfahrens gemäß § 154 StPO hinzu. Nach den Gründen des angefochtenen Urteils kommt den Angaben des Zeugen [X.] insbesondere im Hinblick auf die Hintergründe der [X.]t und de-ren Vorgeschichte ausschlaggebende Bedeutung zu. Andere indizielle [X.]tsa-chen, wie etwa Passagen aus der Telefonüberwachung, hat die [X.] zum Teil erst vor dem Hintergrund seiner Angaben bewerten können (vgl. [X.] unten). 19 Der Senat vermag deshalb nicht auszuschließen, dass das Urteil auch gegen den Angeklagten [X.]auf der lückenhaften Erörterung des [X.]s des —Geständnissesfi des [X.] in dem gegen ihn gerichteten Verfahren und damit der lückenhaften Bewertung seiner Angaben als Zeuge in diesem Verfahren beruht. 20 Die Sache bedarf daher schon deshalb neuer Verhandlung und Ent-scheidung. Auf die übrigen [X.] kommt es daher nicht mehr an. 21 [X.]Wahl Kolz Hebenstreit [X.]

Meta

1 StR 370/07

06.11.2007

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.11.2007, Az. 1 StR 370/07 (REWIS RS 2007, 1067)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 1067

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