Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.03.2006, Az. 2 StR 585/05

2. Strafsenat | REWIS RS 2006, 4372

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 585/05 vom 22. März 2006 in der Strafsache gegen wegen Mordes - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 22. März 2006, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am [X.] Dr. [X.], die Richterin am [X.] Dr. [X.], [X.] am [X.] Prof. Dr. Fischer, die Richterin am [X.] Roggenbuck, [X.] am [X.] Dr. Appl, [X.]

als Vertreter der [X.]schaft, Rechtsanwalt , Rechtsanwalt , Rechtsanwalt als Verteidiger, Rechtsanwalt als Vertreter der Nebenkläger [X.], [X.], [X.]und [X.], Rechtsanwalt als Vertreter des Nebenklägers [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 1. April 2005 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Seine auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision führt zur Aufhebung des Urteils. 1 1. Nach den Feststellungen des [X.]s war ein Sohn des [X.] [X.] , des Onkels des Angeklagten, bei dem dieser zur Tatzeit lebte, zu einem früheren Zeitpunkt erschossen worden. Man machte dafür Personen im Umfeld des späteren [X.] [X.] [X.] verantwortlich; dies führte zu einer feindse-lig gespannten Lage zwischen beiden Familien. 2 Am [X.] wollte der Angeklagte zusammen mit einem weiteren Nef-fen des [X.] , [X.]

, eine Diskothek in [X.]

aufsuchen. Sie [X.] dort nicht eingelassen, weil [X.]mit Hausverbot belegt war und weil sich in der Diskothek [X.] K.

mit einigen seiner Freunde aufhielt. Es kam [X.] zu einer Schlägerei mit den für das Sicherungsunternehmen des [X.]tätigen Türstehern; Sa. wurde hierbei verletzt. In Anwesenheit der her-beigerufenen Polizeibeamten, die die Lage zu klären versuchten, drohte der Angeklagte den Türstehern mit den Worten: "Das gibt Rache; wir kommen [X.]fi; ihm wurde daraufhin ein Platzverweis erteilt. Der Angeklagte fuhr auf [X.] Aufforderung des [X.] [X.]zunächst wieder zu dessen Wohnung. [X.] wurde ambulant im Krankenhaus behandelt und begab sich dann gemeinsam mit seinem Bruder [X.] ebenfalls zu [X.] . Als man [X.]von dem Vorfall berichtete, beschloss dieser, zu der [X.] zu fahren; dort sollten die Türsteher verprügelt werden. [X.]legte eine schusssichere Weste an und nahm eine [X.] mit; der Angeklagte bewaffnete sich mit einer Pistole [X.] 7,65 mm; gemeinsam mit den [X.] Sa. , dem [X.] [X.]und dem ebenfalls telefonisch herbeige-rufenen [X.]. , der aber nur vermitteln wollte, fuhr man zur Diskothek. Auf der Fahrt dorthin vereinbarten [X.]und der Angeklagte, "dieser solle auf [X.] s Aufforderung hin von der Schusswaffe Gebrauch machen und mit ihr nicht etwa nur drohen, sondern tödliche Schüsse abfeuern" ([X.]). 4 Vor der Diskothek stieß man - möglicherweise zufällig - auf [X.] [X.] , der telefonierte. Nachdem [X.]. ihn begrüßt hatte, ging [X.]zum Fahr-zeug des [X.] und fragte diesen, was los sei. [X.] stieg nun, ohne die [X.] mitzunehmen, aus dem Fahrzeug aus, ging sofort aggressiv auf [X.]zu und beschimpfte diesen, wobei er ihn möglicherweise auch für den Tod seines [X.] verantwortlich machte. [X.]wich zurück und redete beschwichtigend auf [X.]ein. Bei B.

standen der Angeklagte und die [X.] ; [X.] und [X.]. hielten sich im Hintergrund. Aus der Diskothek liefen [X.] von [X.]auf die Straße, um diesem beizustehen. Es entstand ein Gerangel; [X.]

wurde zu Boden geschlagen. Nun wendete sich [X.]zu dem hinter ihm stehenden Angeklagten und richtete an 5 - 5 - diesen in [X.] Sprache die Aufforderung: "[X.], [X.]!", was "mach, mach!", aber auch "zieh, zieh!" bedeuten kann. Hierauf zog der Angeklagte sei-ne Pistole hervor, lud sie durch und schoss in Tötungsabsicht dreimal auf [X.]

. Dieser wurde aus kurzer Entfernung zunächst von vorn und, nachdem er sich abgewandt hatte, zweimal von hinten getroffen. Der Angeklagte gab [X.] einen weiteren Schuss auf einen Bruder von [X.] K.

ab und traf ihn in den [X.]. Sodann wandte er sich zur Flucht. In dem unmittelbar an-schließenden [X.]mpfgeschehen wurde auch [X.]

von einem bislang unbe-kannten Täter erschossen, möglicherweise von [X.] [X.] . Dieser war nach den Schüssen des Angeklagten zunächst zusammengesackt, stand aber [X.] auf und lief eine Strecke von 20 bis 25 Metern hinter dem Angeklagten her; dann brach er erneut zusammen. Er verstarb kurz darauf infolge der Verlet-zung, die er durch den zweiten Schuss erlitten hatte. Der Angeklagte begab sich zu einem Platz in der [X.] und rief von dort aus einen Bekannten an, von dem er sich abholen und zur Wohnung des [X.]fahren ließ. Ihm gegenüber erwähnte er den Vorfall nicht. Als er eine Stunde nach der Tat die Wohnung des [X.]
nach kurzem Aufenthalt verließ, wurde er festgenommen. Eine Waffe wurde bei ihm nicht gefunden; eine Unter-suchung auf Schmauchspuren ergab, dass sich an dem Angeklagten keine [X.] fanden, wie sie bei einem Schützen zu erwarten sind, sondern nur solche, die bei Personen gegeben sind, die sich im weiteren [X.] einer Schmauchwolke aufgehalten haben. 6 2. Jedenfalls zwei der vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen sind begründet. 7 - 6 - a) Zutreffend rügt die Revision, dass das [X.] einen Antrag der Verteidigung, den rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. [X.] nochmals ergänzend zu vernehmen, zu Unrecht abgelehnt hat. 8 9 aa) Der Sachverständige, der die Sektion der Leiche des getöteten [X.] [X.] vorgenommen hatte, hatte bei seiner Vernehmung ausgesagt, der Tod sei infolge eines Schusses eingetreten, der das [X.] von hinten getroffen und eine Hauptschlagader eröffnet hatte. Nach diesem Treffer sei [X.] [X.]angesichts des sofortigen massiven [X.] allenfalls noch sechs bis zehn Sekunden bei Bewusstsein und handlungsfähig gewesen und habe allenfalls noch eine Strecke von zehn Metern laufen können. Zu einem späteren Zeitpunkt in der Hauptverhandlung wurde der Sach-verständige Dr. Sch. vernommen; dieser sagte aus, Blutspuren des Getö-teten seien in einer Entfernung von 20 bis 25 Metern von dem Ort aufgefunden worden, an dem [X.]

sich nach den Feststellungen zum Zeitpunkt der Schussabgabe durch den Angeklagten befand. Zeugen hatten darüber hinaus unterschiedliche Abläufe dargestellt, aus denen sich nach Auffassung der [X.] ein Laufweg von [X.] K.

nach der Schussabgabe durch den [X.] von ca. 40 Metern ergab. Mit ihrem Antrag beantragte die Verteidi-gung, den Sachverständigen Prof. Dr. [X.]im Hinblick auf die vom [X.]. dargelegten neuen Tatsachen nochmals zu verneh-men. Der Antrag führte aus, das ergänzende Gutachten werde ergeben, dass [X.] [X.] nach dem zur Aufreißung der Brustarterie führenden tödlichen Tref-fer weder in der Lage gewesen sei, noch einmal aufzustehen, noch dazu, die genannte Strecke zurückzulegen. 10 Das [X.] hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, der Sachverständige sei zu dem Beweisthema bereits vernommen worden; es 11 - 7 - sei nicht zu erwarten, dass eine ergänzende Befragung zu neuen Erkenntnis-sen führen werde. In den Urteilsgründen hat es ausgeführt, tödlich sei der [X.] abgegebene Schuss gewesen; dieser habe [X.] [X.]bei einer Ausweichbewegung von hinten getroffen. Das Gutachten des Sachver-ständigen Prof. Dr. [X.]

stehe den Feststellungen zum Tatablauf nicht ent-gegen. Seine Ansicht, [X.] [X.]habe nach dem tödlichen Treffer nicht mehr weiter als 10 Meter laufen können, sei "nicht absolut zu sehen", denn Haltung und körperliche Bewegung des [X.] seien nicht rekonstruierbar. Die Schlagader sei möglicherweise erst durch die Laufbewegung weiter [X.]; überdies sei [X.] K.

ein durchtrainierter Sportler gewesen. Der tödli-che Schuss könne das [X.] nach dem Ergebnis des rechtsmedizinischen Gutachtens nicht erst beim Laufen getroffen haben ([X.], 43). [X.]) Mit der zitierten Begründung durfte der Antrag der Verteidigung nicht abgewiesen werden. Dabei kann dahinstehen, ob im Hinblick auf die durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch.

eingeführten neuen Anknüp-fungstatsachen ein Beweisantrag vorlag, der nur aus den Gründen des § 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 StPO hätte abgelehnt werden können. Jedenfalls gebot hier die Aufklärungspflicht, deren Verletzung die Revision hilfsweise rügt, die Erhebung des Beweises. Bei den durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch. eingeführten Tatsachen handelte es sich um wesentliche neue Anknüpfungstatsachen, zu denen der Sachverständige Prof. Dr. [X.]noch nicht gehört worden war. Dem steht nicht entgegen, dass er bereits allgemein zu dem Beweisthema befragt worden war. 12 Soweit das [X.] den Widerspruch zwischen den Ergebnissen beider Gutachten dahin gehend relativiert hat, der Befund des Sachverständi-gen Prof. Dr. [X.]sei "nicht absolut" zu sehen, der Sachverständige könne sich bei seiner Bewertung somit auch geirrt haben, weil für die Beurteilung [X.] - 8 - vante Tatsachen wie Körperhaltung und Blutdruck nicht rekonstruierbar seien, schöpft dies die Beweisbehauptung des Antrags nicht aus. Die Begründung übersieht auch, dass der Sachverständige die Obduktion des [X.] selbst vorgenommen hatte. Die Lage der Verletzungen und der Verlauf der Schusska-näle sowie die hieraus möglichen Rückschlüsse auf die Körperhaltung des Op-fers und die Position des Schützen bei der Schussabgabe waren ihm daher ebenso bekannt wie der Umstand, dass es sich bei dem [X.] um [X.] handelte. Soweit das [X.] erwo-gen hat, die von dem Schuss getroffene Schlagader könne erst infolge der Laufbewegung des [X.] "weiter aufgerissen" sein, setzte die Ablehnung der Beweiserhebung mit dieser Begründung voraus, dass eine solche nachträg-liche Erweiterung der Verletzung für den obduzierenden Sachverständigen nicht erkennbar gewesen wäre. Es ist nicht ersichtlich, auf Grund welcher Sachkunde das [X.] mit der erforderlichen Sicherheit zu dieser Annahme gelangen konnte. Auch angesichts der sonstigen Beweislage, insbesondere der Unzuver-lässigkeit der miteinander vielfach unvereinbaren Aussagen von Zeugen, die überwiegend einem der beiden "Lager" zuzuordnen waren, und des Mangels an objektivierbaren Beweisergebnissen, hätte sich dem Tatrichter aufdrängen müssen, den beantragten Beweis zu erheben, zumal eine ergänzende Befra-gung des Sachverständigen unschwer möglich gewesen wäre. 14 [X.] auf dem Rechtsfehler kann nicht ausgeschlos-sen werden. Hätte der Sachverständige bei Vorhalt der Ergebnisse des Gutach-tens des Sachverständigen Dr. Sch.

mit überzeugender oder nicht wider-legbarer Begründung an der Beurteilung festgehalten, das [X.] habe nach dem tödlichen Schuss keinesfalls noch weiter als 10 Meter laufen können, so wäre hiermit, da das [X.] auch das Gutachten des Sachverständigen 15 - 9 - Dr. Sch. für überzeugend gehalten hat, jedenfalls der vom [X.] festgestellte Tatablauf nicht vereinbar. 16 b) Auch die Rüge einer Verletzung von § 261 StPO greift durch, weil das [X.] rechtsfehlerhaft das Schweigen des Angeklagten während des Er-mittlungsverfahrens zu seinen Lasten gewertet hat. 17 Der Angeklagte hatte - nach seinem Bekunden ([X.]) - bei seiner Festnahme nur pauschal geäußert, er habe "mit dem Vorfall nichts zu tun". Im Ermittlungsverfahren machte er unter Berufung auf sein Schweigerecht keine Angaben. In der Hauptverhandlung ließ er sich erstmals zur Sache ein und er-klärte, nicht er selbst, sondern [X.] [X.]habe auf [X.] [X.] geschossen ([X.]). Das [X.] hat seine Überzeugung, diese Einlassung sei [X.], unter anderem auf die Erwägung gestützt, wenn die Einlassung zu-träfe, sei es "nicht zu erklären, weshalb der Angeklagte nicht den wahren Ablauf offenbarte, nachdem er von [X.] s Tod erfahren hatte, und stattdessen weiter in der Untersuchungshaft verblieb" ([X.]). Das war rechtsfehlerhaft, denn es darf nicht als Beweisanzeichen gegen den Angeklagten gewertet werden, dass er sich erst in der Hauptverhandlung zur Sache eingelassen hat (vgl. BGHSt 38, 302, 305 m.w.N.; st. Rspr.). Die pauschale Äußerung des Angeklag-ten nach seiner Festnahme, er habe "mit dem Vorfall nichts zu tun", war keine Teileinlassung, an welche eine zulässige Verwertung des nachfolgenden Schweigens hätte anknüpfen können. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf dem Rechts-fehler beruht. Zwar hat das [X.] seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auch auf andere Beweisergebnisse gestützt. Diese waren [X.] ihrerseits in ihrer verfahrensrechtlichen Grundlage oder in ihrem inhaltli-chen Ergebnis unsicher. Der [X.] kann daher nicht ausschließen, dass die 18 - 10 - tatrichterliche Gesamtwürdigung der Beweislage ohne den Rechtsfehler für den Angeklagten günstiger ausgefallen wäre. 19 3. Auf die weiteren Verfahrensrügen kommt es nicht an. Das betrifft ins-besondere auch die Rüge eines Verstoßes gegen § 174 Abs. 1 Satz 3 GVG i.V.m. § 338 Nr. 6 StPO. Insoweit kann es dahin stehen, ob in dem Beschluss des [X.]s, mit dem die Öffentlichkeit entgegen § 174 Abs. 1 Satz 3 GVG ohne ausdrückliche Begründung ausgeschlossen worden ist, eine konkludente Bezugnahme auf die unmittelbar vorausgehende und protokollierte Mitteilung des Vorsitzenden zu sehen ist, der Zeuge A.

habe erklärt, er fühle sich bedroht und bitte daher um Ausschluss der Öffentlichkeit für die Dauer seiner Vernehmung, denn hieraus ergab sich für alle Verfahrensbeteiligten und [X.] zweifelsfrei der Grund für die Ausschließung. Auf die von der Revision aufgeworfenen Abgrenzungsfragen zu dem absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO, die in dem der Entscheidung des 1. Strafsenats vom 9. Juni 1999 - 1 [X.] (BGHSt 45, 117) vorausgehenden Anfrageverfahren von den Strafsenaten erörtert worden sind, kam es hier letztlich nicht an. Es kann daher dahin stehen, ob vorliegend ein vergleichbarer Ausnahmefall gegeben war. Die Revision sowie der [X.] haben auch zu Recht dar-auf hingewiesen, dass das [X.] mit der durch Gerichtsbeschluss ange-ordneten Vereidigung des Zeugen N. gegen § 60 Nr. 2 StPO verstoßen hat. Ob das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht, kann hier aber gleichfalls im [X.] offen bleiben. Das gilt weiterhin auch, soweit das [X.] einen Hilfs-beweisantrag der Verteidigung auf Vernehmung eines Sachverständigen für Ethnopsychologie in den Urteilsgründen zu Unrecht mit der Begründung zu-rückgewiesen hat, das Beweismittel sei völlig ungeeignet ([X.]). Offen 20 - 11 - bleiben kann schließlich auch, ob der von der Revision gerügte Verstoß gegen § 265 Abs. 3 StPO vorliegt. 21 4. Auch unter sachlichrechtlichen Gesichtspunkten begegnet das ange-fochtene Urteil rechtlichen Bedenken. Der neue Tatrichter wird dies [X.] zu beachten haben. 22 a) Zutreffend hat der [X.] darauf hingewiesen, dass die Erörterung des [X.] im Hinblick auf die am Angeklagten gefundenen Schmauchspuren Lücken aufweist. Der Befund, dass sich Schmauchspuren, wie sie nach Abgabe von mindestens vier Schüssen durch ihn selbst zu erwar-ten waren, bei seiner Festnahme eine Stunde nach der Tat am Angeklagten nicht fanden, stand nach Ansicht des [X.]s seiner Täterschaft nicht ent-gegen, weil der Angeklagte "Zeit und Gelegenheit genug hatte, intensivere Schmauchspuren, wie sie beim Schützen selbst auftreten, durch Abwaschen zu beseitigen" ([X.], 46). Dies liegt für die Hände oder sonstige unbedeckte Hautpartien nahe. Das Urteil enthält aber keine Feststellungen zum Zustand der Oberbekleidung des Angeklagten. Wenn auch diese zwar unspezifische, aber gerade nicht solche Spuren aufwies, "wie sie beim Schützen selbst auftreten", wäre zu erörtern gewesen, ob der Angeklagte auch die Kleidung gewaschen hatte und ob dies bei der kurz darauf erfolgenden Festnahme festgestellt [X.]. b) Die Begründung, auf welche das [X.] die Feststellung des [X.] der niedrigen Beweggründe gestützt hat, ist nicht frei von [X.]. 23 Zur Motivation des Angeklagten hat das [X.] ausgeführt, der An-geklagte habe sich, als er auf Grund der vorausgegangenen Absprache auf das [X.] schoss, "die feindselige Gesinnung [X.]s dem [X.] (K) gegenüber zu 24 - 12 - eigen (gemacht) und – das Lebensrecht des von ihm Angegriffenen hintan (gestellt)" ([X.]). Es müsse dabei "offen bleiben, ob der Angeklagte wissentlich in einen von [X.]langfristig geplanten Rachefeldzug eingebunden war, ob Anlass des Vorgehens von [X.]die Verletzung von [X.] und die Anwesenheit von [X.] in der Diskothek als Grund für den Streit mit den Türstehern war oder ob sich die Tat aus einem zufälligen Zusammentreffen mit [X.] [X.]und dabei aufflackernder Wut bei [X.]ergeben hat" (ebd.). Die Annahme niedriger Beweggründe hat das [X.] darauf ge-stützt, der Angeklagte habe aus der Situation ersehen können, "dass es [X.]nicht um die Ausführung eines mit vernünftiger Überlegung und kaltblütig ge-planten [X.] ging", sondern dass er sich aus einem aktuellen Anlass in Wut geredet hatte ([X.]). Er habe davon ausgehen müssen, dass das Zu-sammentreffen mit [X.] [X.] zufällig erfolgte; es sei "fraglich, ob bei dem [X.] das Motiv der Blutrache für D.

s Tod bei der Tat eine Rolle ge-spielt hat" (ebd.). Der Angeklagte habe "aus nichtigem Anlass, um [X.]gefällig zu sein, das Lebensrecht des [X.] [X.]

missachtet" ([X.]). Er habe "er-kennen können, auf welch tiefer Stufe in [X.] die vorsätzliche Tötung eines Menschen ohne triftigen Grund angesiedelt wird, und ebenso, dass auch Blutrache keineswegs als ein derartiger Grund anerkannt wird" ([X.]). 25 Diese Erwägungen sind schon in sich nicht bedenkenfrei und auch nicht ohne Weiteres miteinander vereinbar. Die Annahme, der Angeklagte habe mit [X.] , obgleich möglicherweise nur das [X.] der Türsteher geplant war, die Tötung eines (beliebigen) Gegners auf entsprechenden Befehl vereinbart, hat das [X.] ohne Begründung auf die Behauptung gestützt, dies sei "ersichtlich" ([X.]); es verstand sich in diesem Fall aber gerade nicht von selbst. Im Übrigen fehlte es, da es das [X.] für möglich gehalten hat, dass sich der Tötungsentschluss des [X.] aus einer spontanen Zornaufwal-26 - 13 - lung ergab, für Erwägungen zu einer "kaltblütigen Planung" oder zur "Blutrache" an einer Grundlage. 27 c) Der neue Tatrichter wird auch - unabhängig davon, ob er eine Beteili-gung des Angeklagten an der Tötung von [X.] [X.] als erwiesen ansieht - zu prüfen haben, ob sich der Angeklagte der Beteiligung an einer Schlägerei ge-mäß § 231 Abs. 1 StGB schuldig gemacht hat. 5. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung. Im Hinblick auf die Besonderheiten des Verfahrens hat der [X.] die Sache an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. 28 [X.] [X.]

Meta

2 StR 585/05

22.03.2006

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.03.2006, Az. 2 StR 585/05 (REWIS RS 2006, 4372)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 4372

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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