Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.07.2015, Az. 2 StR 318/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 7761

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 318/14
vom
22. Juli 2015
in der Strafsache
gegen

wegen
Totschlags

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung vom 8.
Juli 2015 in der Sitzung am
22.
Juli
2015, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. Dr. Fischer,

[X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.]in am [X.]
Dr. [X.],
[X.] am [X.]
Zeng,
[X.]in am [X.]
Dr. [X.],

Staatsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger
des Angeklagten,

Rechtsanwalt

als Vertreter der Nebenklägerin P.

D.

,
Rechtsanwalt

als Vertreter des Nebenklägers N.

D.

,
Rechtsanwalt

als Vertreter des Nebenklägers M.

D.

,
Rechtsanwalt

als Vertreter des Nebenklägers H.

D.

,

Justizangestellte

in der Verhandlung,
Justizangestellte

bei der Verkündung

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-

Die Revisionen
der
Nebenkläger gegen das Urteil des [X.] vom 28.
Januar 2014
werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstande-nen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den
Angeklagten wegen Totschlags zu einer Frei-heitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die jeweils auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Nebenkläger, mit denen sie eine Verurteilung des Angeklagten wegen [X.] erstreben, bleiben ohne Erfolg.
1.
Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getrof-fen:
a) Der
Angeklagte betrieb seit 2010 einen Kiosk, den der später getötete
S.

D.

häufig aufsuchte; mit weiteren Personen konsumierte er dort auch am 15.
Februar 2013 ab 20.00 Uhr alkoholische Getränke. Als der Ange-klagte den Kiosk in den Nachtstunden des 16. Februar 2013 verschloss, hielten sich S.

D.

und andere Personen im Eingangsbereich des Ladens auf dem Gehweg auf.
Da es auf den Kiosk in der Vergangenheit zu einer Vielzahl von "delikti-schen Übergriffen"
(UA [X.]) gekommen war, bat der Angeklagte
zu Hause sei-1
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nen [X.]
C.

G.

, nochmals zum Kiosk zu fahren und "nach dem Rechten zu sehen"
(UA S. 10).
Mit einem Freund fuhr C.

G.

zum Kiosk. Zwischen ihm und S.

D.

, der sich nach wie vor am Kiosk mit einer Gruppe weiterer Personen aufhielt,
kam es aus nichtigem Anlass zu einer zunächst verbalen, sodann zu einer tätlichen Auseinandersetzung, an der
auch ein Begleiter von S.

D.

und der Freund von C.

G.

beteiligt waren.
Den übrigen anwesenden Personen gelang es schließlich, die Schlägerei zu beenden und die Streitenden voneinander zu trennen.
Zu Hause berichtete C.

G.

dem Angeklagten von der körperlichen Auseinandersetzung mit S.

D.

. "Unmittelbar nach dieser kurzen Schil-derung seines [X.] stand der Angeklagte auf und zog sich wieder an. Dann seinen rechten Hosenbund und verließ sichtlich aufgebracht das Wohnzimmer"
(UA S. 12). Im Hausflur begegnete der Angeklagte noch dem verletzten Freund seines [X.]; sodann fuhr er mit seinem Fahrzeug zum Kiosk.
Gegen 02.00 Uhr hielt der Angeklagte das Fahrzeug unmittelbar vor der auf dem Gehweg stehenden Personengruppe, stieg aus dem Fahrzeug aus, ging zügig auf S.

D.

zu, "sprach ihn lautstark an und packte ihn sofort an den Hals"
(UA S. 12). D.

wehrte sich gegen den Griff und packte [X.] den Angeklagten am Kragen seiner Kleidung an. Nachdem eine [X.] die beiden Beteiligten voneinander getrennt hatte und S.

D.

zum Angeklagten sprach, dieser wisse doch nicht, was passiert sei, zog der Angeklagte seine Waffe aus dem Hosenbund, lud diese deutlich sichtbar durch und schoss aus einer Entfernung von ca. ein bis zwei
Meter in Richtung des vor ihm stehenden D.

, "wobei er den rechten Schussarm nach unten geneigt 5
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hielt"
(UA S. 13). Das Projektil traf D.

am linken Bein und durchschlug sei-nen Oberschenkel, ohne lebensgefährliche Verletzungen zu verursachen.
Unmittelbar nach diesem ersten Schuss lief D.

um die Front des vom Angeklagten abgestellten Fahrzeugs; der Angeklagte verfolgte ihn und gab aus der Bewegung heraus einen weiteren Schuss in Richtung des ihm seitlich zugewandten Oberkörpers des Geschädigten ab, wobei er nunmehr tödliche Verletzungen wenigstens billigend in Kauf nahm. Das Projektil durchschlug den rechten Oberarm
des Geschädigten und trat in seine Brusthöhle ein, wodurch es zu einer erheblichen Einblutung kam.
Trotz dieser Schussverletzung lief D.

zunächst weiter um das Fahr-zeug herum, blieb dann jedoch stehen, drehte sich zu dem ihm verfolgenden Angeklagten herum und fragte "War es das jetzt?"
(UA S. 13). Der Angeklagte gab nunmehr in Tötungsabsicht aus kurzer Distanz von einem Meter einen ge-zielten Schuss auf den Oberkörper des Geschädigten ab. Das Projektil traf D.

nahezu mittig im Bauch und durchsetzte die Körperhauptschlagader. Der Angeklagte drückte noch einmal ab; ein Schuss löste sich indes nicht, weil die Waffe
keine weiteren Patronen enthielt. Der Angeklagte fuhr
mit seinem Fahr-zeug weg; D.

verstarb auf dem Transport zum Krankenhaus.
b) Das [X.] hat die Tat als Totschlag gewertet; das Mordmerkmal der Heimtücke liege nicht vor, weil der Geschädigte angesichts der vorange-gangenen Streitigkeit zwischen ihm und dem (ihm bekannten) [X.] des Ange-klagten und der darauffolgenden verbalen und körperlichen Auseinanderset-zung mit dem Angeklagten nicht arglos gewesen sei.
Von dem Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe hat sich die [X.] nach einer Gesamtschau ebenfalls nicht überzeugen können.

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2. [X.] decken keinen Rechtsfehler zuguns-ten des Angeklagten auf.
a) Die von den [X.] erhobene -
inhaltsgleiche -
Verfahrensrü-ge, mit der
beanstandet wird, die [X.] habe rechtsfehlerhaft einen [X.] abgelehnt, ist unbegründet.
aa) Der
Verfahrensrüge liegt folgender Sachverhalt zu
Grunde:
Am Ende der Hauptverhandlung beantragten die Nebenkläger "für den Fall, dass das Gericht beabsichtigt, den Angeklagten nicht wegen Heimtü-ckemordes zu verurteilen, ein kriminalistisches Sachverständigengutachten ein-zuholen zu nachstehender [X.]:
Die Oberbekleidung des Verstorbenen, die er am Tattag trug, weist am Einschussloch in der Bauchgegend Projektil-
und Pulverspuren auf, die darauf hindeuten, dass es sich bei dem Bauchschuss um einen Schuss handelt, der aus dem Nahschussbereich von 1-2 Metern auf den Verstorbenen abgegeben wurde.
Vorstehende Tatsache ist [X.], da seitens der Rechtsme-dizin nicht geklärt werden konnte, welche der Schussverletzungen zuerst ent-standen ist. Die beiden Schussverletzungen am Oberschenkel und Oberkörper bzw. Oberarm deuten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch
darauf hin, dass diese in der Rückwärtsbewegung vom Täter weg entstanden sind, auf der Flucht.

verblieb, um auf den Angriff zu reagieren bedeutsam, was sich letztlich auf den Heimtückevorsatz auswirkt".
Die [X.] lehnte diesen Antrag in den Urteilsgründen gemäß §
244 Abs. 3 Satz 2 [X.] ab, "weil die unter Beweis gestellte Tatsache, dass der Bauchschuss aus einer Entfernung von 1-2 Metern auf den Verstorbenen 11
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abgegeben wurde, bereits durch andere Beweismittel erwiesen war"
([X.]). Das [X.] hat "unter weiterer Bewertung der Zeugenaussagen und den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen"
([X.]) zudem die Bauchverletzung mit dem letzten Schuss in Einklang gebracht. Schließlich hat die [X.] ausgeführt: "Soweit in dem [X.] in der [X.] anklingt, dass auch die [X.] durch das beantragte Gutach-ten zu klären sei, handelt es sich um ein ungeeignetes Beweismittel. Denn ein solches Gutachten könnte aus etwaig vorhandenen Schmauchspuren an der Bekleidung alleine den räumlichen Abstand im Zeitpunkt einer Schussabgabe zwischen dem Angeklagten und D.

klären. Hieraus kann aber auch durch ein kriminalistisches Gutachten die Reihenfolge der Schüsse nicht rekonstruiert werden. Insofern kann hierdurch auch nicht erwiesen werden, dass es sich bei dem Bauchschuss um den ersten Schuss des Angeklagten gehandelt haben könnte"
([X.] f.).
bb) [X.] rügen die Ablehnung des
Hilfsbe-weisantrages
als rechtsfehlerhaft, soweit das [X.] hinsichtlich des bean-tragten Sachverständigengutachtens von einem ungeeigneten Beweismittel ausgehe.
cc)
Die Ablehnung des
Antrages ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Bei dem Antrag der Nebenkläger handelt es sich lediglich insoweit um einen Beweisantrag, als dass mit einem Sachverständigengutachten bewiesen werden soll, bei dem Bauchschuss handele es sich um einen Schuss, der aus dem Nahschussbereich von ein bis zwei Metern auf den Verstorbenen abgege-ben wurde. Diese [X.] hat das [X.] rechtsfehlerfrei als er-wiesen erachtet
und den Feststellungen im Urteil zugrunde gelegt.

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Im Übrigen behauptet der Antrag keine (weitere) bestimmte Beweistatsa-che
(vgl. auch [X.] in [X.], [X.] im Strafprozess, 6.
Aufl., Rn.
203 mwN), sondern gibt nur ein Beweisziel an
(vgl. auch [X.], Urteil vom 6.
Juli 1993 -
5 [X.], [X.]St 39, 251, 254; Urteil vom 7. November 2007 -
5 [X.], [X.], 107, 108),
nämlich eine
Schlussfolgerung aus einer
zeitlichen
Rekonstruktion der Schussverletzungen,
die sich die Nebenkläger von dem Sachverständigengutachten erhofften.

Dass das [X.] den Antrag dennoch als Beweisantrag behandelt hat, begründet keinen Rechtsfehler, der der
Verfahrensrüge zum Erfolg verhilft. Wird ein Beweisermittlungsantrag wie ein Beweisantrag geprüft, begründet dies die Revision
regelmäßig nur, wenn das Tatgericht seine Aufklärungspflicht ver-letzt hat (vgl. [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26. Aufl., § 244 Rn. 381; [X.] in KK-[X.], 7. Aufl., § 244 Rn. 237, jeweils mwN); eine entsprechende Rüge ist von den [X.] indes nicht erhoben worden. Mit Blick auf die [X.] ([X.] iVm [X.] f.) wäre
die [X.] zudem zur Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens unter dem Gesichts-punkt des § 244 Abs. 2 [X.] nicht gedrängt
gewesen.
Ausweislich (auch) der Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen, denen sich das [X.] angeschlossen hat, könne nur die dritte Schussabgabe die Bauch-verletzung "plausibel"
erklären, da es dort trotz erheblicher Verletzung der [X.] nur zur
geringen
Einblutung gekommen sei; dieses sei dadurch zu erklären, dass es zuvor zur
erheblichen
Einblutung in der Brusthöh-le gekommen sei, sodass die Verletzung im Brustbereich zuvor zugefügt [X.] sein
müsse. Im Übrigen könnten die seitlich zugefügten Bein-, Arm-
und Brustverletzungen (auch) nach Bekundungen aller am Tatort anwesenden [X.] und der Einlassung des Angeklagten jedenfalls nicht zum Zeitpunkt des dritten Schusses erfolgt sein, weil sich zu diesem Zeitpunkt der Angeklagte und S.

D.

frontal gegenüber gestanden hätten.

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dd) Selbst wenn die Zurückweisung des [X.]s
mit der [X.], es handele sich bei dem [X.] um ein ungeeig-netes Beweismittel, rechtsfehlerhaft gewesen wäre (vgl. dazu auch Senat, Urteil vom 20. Mai 2015 -
2 StR 46/14 mwN), kann der Senat ausschließen, dass das Urteil auf diesen Rechtsfehler
beruht.
Die Erwägungen des
[X.]s zur Frage der Heimtücke (UA [X.]9) wären auch dann tragfähig, wenn bereits für den ersten Schuss ein Tötungsvorsatz angenommen würde. Das [X.] hat sich ohne Rechtsfehler davon überzeugt, dass der Geschädigte bereits vor dem ersten Schuss -
angesichts der vorangegangenen Streitigkeit zwischen ihm und dem (ihm bekannten) [X.] des Angeklagten und der darauffolgenden verbalen und körperlichen Auseinandersetzung mit dem Angeklagten -
mit ei-nem tätlichen Angriff gerechnet hat
(vgl. [X.], StGB, 62. Aufl., §
211 Rn. 35 ff., 37c mwN).
b) Die von den [X.] jeweils erhobene Sachrüge ist aus den zu-treffenden Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 19.
Sep-tember 2014 unbegründet.
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3. Schließlich liegen auch keine durchgreifenden, den Angeklagten be-schwerende Rechtsfehler vor (§ 301 [X.] analog).
Fischer [X.] [X.]

Zeng

[X.]

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Meta

2 StR 318/14

22.07.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.07.2015, Az. 2 StR 318/14 (REWIS RS 2015, 7761)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7761

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2 StR 46/14

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