Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2012, Az. 2 StR 79/12

2. Strafsenat | REWIS RS 2012, 5193

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 79/12
vom
27.
Juni 2012
in der Strafsa[X.]he
gegen

wegen Betruges

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 27.
Juni 2012, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgeri[X.]htshof
Dr. [X.],

[X.] am Bundesgeri[X.]htshof
Prof. Dr. [X.],
[X.],
Dr. Es[X.]helba[X.]h
und [X.]in am Bundesgeri[X.]htshof
Dr. [X.],

[X.] am [X.]

als Vertreter der [X.],

Re[X.]htsanwältin

als
Pfli[X.]htverteidigerin,

Re[X.]htsanwalt

als Verteidiger,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin der Ges[X.]häftsstelle,

für Re[X.]ht erkannt:

-
3
-
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-geri[X.]hts [X.] vom 16. November 2011 mit den Fest-stellungen aufgehoben.
2.
Die Sa[X.]he wird zu neuer Verhandlung und Ents[X.]heidung, au[X.]h über die Kosten des Re[X.]htsmittels, an eine andere Wirt-s[X.]haftsstrafkammer des [X.]s
[X.]
zurü[X.]kver-wiesen.

Von Re[X.]hts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in 20 Fällen unter Einbeziehung mehrerer Geldstrafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat sowie wegen Betruges in se[X.]hs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die dagegen geri[X.]htete und auf die Sa[X.]hrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
I.
Na[X.]h den Feststellungen des [X.]s betrieb der Angeklagte einen Reifen-
und Felgenhandel über die Internetplattform [X.]. In der [X.] von
August 2009 bis April 2011 bot er dort au[X.]h Felgen und Reifen zu Komplettprei-1
2
-
4
-
sen an, bei denen er wahrheitswidrig angab, es handele si[X.]h um ho[X.]hwertige Originalfelgen der Marke [X.]. Tatsä[X.]hli[X.]h handelte es si[X.]h um von ihm für dur[X.]hs[X.]hnittli[X.]h 800 Euro pro [X.] in [X.] eingekaufte und mit einem [X.]-Emblem versehene Plagiatsfelgen, die keine Freigabe des [X.] besaßen und in die (teilweise von ihm selbst) eine gefäls[X.]hte [X.] einges[X.]hlagen war. Unter Täus[X.]hung seiner Käufer veräußerte er in der Folgezeit 26 Sätze dieser Felgen.
Die [X.] ist je [X.] von einem S[X.]haden in Höhe von 1.000 Euro ausgegangen. Die Plagiatsfelgen seien für die Käufer ni[X.]ht wertlos gewesen, hätten aber gegenüber entspre[X.]henden Originalfelgen einen Minder-wert von ni[X.]ht mehr als 500 Euro gehabt. Ein weiterer S[X.]haden liege darin, dass die Plagiatsfelgen erst na[X.]h behördli[X.]her Zulassung im Straßenverkehr genutzt werden durften; der Aufwand dafür sei mit mindestens 500 Euro je [X.] zu verans[X.]hlagen.
II.
Die Revision des Angeklagten ist mit der Sa[X.]hrüge begründet. Der S[X.]huldspru[X.]h wegen Betruges in 26 Fällen hält re[X.]htli[X.]her Na[X.]hprüfung ni[X.]ht stand. Die getroffenen Feststellungen tragen ni[X.]ht mit hinrei[X.]hender Si[X.]herheit die Annahme eines für den [X.] relevanten Vermögenss[X.]hadens.
1. Das [X.] hat bei der Bestimmung des S[X.]hadens i.S.v. §
263 Abs. 1 StGB einen unzutreffenden re[X.]htli[X.]hen Maßstab angelegt, indem es zur S[X.]hadensermittlung den Minderwert der Plagiatsfelgen gegenüber den [X.] herangezogen hat. Ein Vermögenss[X.]haden im Sinne des §
263 Abs.
1 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des [X.] bei wirts[X.]haftli-3
4
5
-
5
-
[X.]her Betra[X.]htungsweise unmittelbar au[X.]h zu einer ni[X.]ht dur[X.]h Zuwa[X.]hs ausge-gli[X.]henen Minderung des wirts[X.]haftli[X.]hen Gesamtwerts des Vermögens des [X.] führt (Prinzip der Gesamtsaldierung; vgl. [X.]St 53, 199, 201 mwN). Wird bei einem Kauf über Umstände getäus[X.]ht, die den Verkehrswert der Sa[X.]he maßgebli[X.]h mitbestimmen, erleidet der dadur[X.]h zum Kaufabs[X.]hluss bewogene Kunde einen S[X.]haden regelmäßig nur dann, wenn die Sa[X.]he objek-tiv den vereinbarten Preis ni[X.]ht wert ist. Unerhebli[X.]h ist demgegenüber regel-mäßig, ob die gelieferte Ware von geringerem Wert ist als die vertragli[X.]h ver-einbarte. Daher ist beim Fehlen einer vom Verkäufer fäls[X.]hli[X.]h zugesi[X.]herten Eigens[X.]haft der Kaufsa[X.]he der Käufer ni[X.]ht stets und ohne Rü[X.]ksi[X.]ht darauf, ob die Sa[X.]he trotz Fehlens der zugesi[X.]herten Eigens[X.]haft den vereinbarten Preis wert ist, dur[X.]h den Abs[X.]hluss des Vertrages betrügeris[X.]h ges[X.]hädigt (vgl. [X.]St 16, 220, 221
f.;
[X.] wistra 1986, 169, 170; [X.],
StGB,
59.
Aufl.,
§
263 Rn.
111).
a) Die na[X.]h diesen Grundsätzen gebotenen tatsä[X.]hli[X.]hen Feststellungen hat das [X.] ni[X.]ht getroffen. Der objektive Wert der von dem Angeklag-ten verkauften Plagiatsfelgen wird weder festgestellt no[X.]h ers[X.]hließt er si[X.]h aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Au[X.]h hinrei[X.]hende Feststellun-gen zum Kaufpreis fehlen. Aus den Urteilsgründen ergibt si[X.]h
insoweit nur, dass der Angeklagte den [X.] für dur[X.]hs[X.]hnittli[X.]h 800 Euro
erworben hatte, einen Dur[X.]hs[X.]hnittsverdienst von 500 Euro
erzielte und vier [X.]
Cayman S Felgen zum Preis von 1.750 Euro
(Fall II. 6) und vier [X.]-Turbo-Felgen zum Preis von 2.900 Euro
(Fall II. 17) verkaufte. In allen anderen Fällen handelte es si[X.]h um [X.] für Reifen und Felgen, wobei diese -
soweit sie überhaupt näher bezei[X.]hnet sind
-
in unters[X.]hiedli[X.]her Ausführung verkauft wurden.

6
-
6
-

b) Zwar muss bei der Prüfung, ob ein S[X.]haden vorliegt, au[X.]h berü[X.]ksi[X.]h-tigt werden, ob der Getäus[X.]hte die gelieferte Sa[X.]he für den von ihm vertragli[X.]h vorausgesetzten Zwe[X.]k verwenden kann (vgl. [X.]St 16, 220, 222 f.; 321, 325 ff.; [X.],
aaO Rn. 147), weshalb die [X.] au[X.]h die Kosten für die behördli[X.]he Zulassung in den S[X.]hadensumfang eingestellt hat. Do[X.]h au[X.]h die-se Folgekosten können
allenfalls insoweit einen Vermögenss[X.]haden begrün-den, als der Wert der gelieferten Felgensätze ni[X.]ht entspre[X.]hend höher lag als das gezahlte Entgelt.

Die zur
Beurteilung der Folgekosten gebotenen tatsä[X.]hli[X.]hen Feststel-lungen hat das [X.] indes ni[X.]ht getroffen. Angesi[X.]hts der festgestellten fehlenden "Freigabe der Felgen" dur[X.]h das Kraftfahrtbundesamt und der jeweils einges[X.]hlagenen gefäls[X.]hten Prüfnummern spri[X.]ht zwar vieles dafür, dass die Plagiatsfelgen für den Erwerber objektiv wertlos sind, weil selbst dann, wenn es si[X.]h vorliegend um einen genehmigten Felgentyp handeln sollte, der Erwerber dies mangels e[X.]hter Prüfnummer oder sonstiger Angaben s[X.]hwerli[X.]h wird na[X.]hweisen können. Dies hätte aber zur Folge, dass der Zulassungsbehörde ein kostenpfli[X.]htiges Guta[X.]hten eines amtli[X.]h anerkannten Sa[X.]hverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr vorzulegen
ist, das unter anderem eine te[X.]hnis[X.]he Bes[X.]hreibung der Felgen und den Na[X.]hweis der erfolgrei[X.]hen Dur[X.]hführung der notwendigen Prüfungen enthalten muss (§ 22 Abs. 2 Satz
4, § 21 StVZO).

Die [X.] ist demgegenüber aber ausdrü[X.]kli[X.]h
davon ausgegan-gen, dass die Felgen ni[X.]ht wertlos waren und na[X.]h einer behördli[X.]hen Zulas-sung, deren Aufwand sie auf 500 Euro
je [X.] ges[X.]hätzt hat, genutzt werden dürften. Diese Feststellungen sind zwar dur[X.]h ni[X.]hts belegt. Glei[X.]hwohl kann der Senat au[X.]h aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen ni[X.]ht 7
8
9
-
7
-
si[X.]her auss[X.]hließen, dass es si[X.]h vorliegend um einen genehmigten Felgentyp handelt und dass dem Erwerber ein dahingehender Na[X.]hweis gelingen könnte, so dass die Kosten für die behördli[X.]he Zulassung deutli[X.]h unter 500 Euro
liegen und die Plagiatsfelgen von daher au[X.]h unter Berü[X.]ksi[X.]htigung dieser Folgekos-ten dem Wert des Kaufpreises no[X.]h entspre[X.]hen könnten.
[X.]) Eine andere Beurteilung ergibt si[X.]h au[X.]h ni[X.]ht unter Berü[X.]ksi[X.]htigung dessen, dass die Plagiatsfelgen gemäß §
143 Abs.
5 Satz 1 [X.]
der ([X.])Einziehung unterliegen können und bei den Erwerbern deshalb au[X.]h ein Gefährdungss[X.]haden eingetreten sein könnte (vgl. [X.] 1969, 497, 498; [X.] bei [X.] 1979, 988; [X.] in LK,
11. Aufl.,
§ 263 Rn. 209;
[X.] in Mün[X.]hKomm StGB § 263 Rn. 626). Eine Einziehung s[X.]heidet [X.] ni[X.]ht s[X.]hon deshalb aus, weil die [X.] den Verstoß gegen §
143 Abs. 1 Nr.
1 1.
Alt., Abs.
2 [X.] gemäß §
154a StPO von der Verfol-gung ausgenommen hat, da gemäß §
76a Abs.
3 StGB au[X.]h in diesem
Fall die Einziehung in einem objektiven Verfahren selbständig angeordnet werden kann (vgl. [X.] NJW 2002, 1810, 1811). Ob aber die weiteren Voraussetzungen für eine Einziehung vorliegen (vgl. §
74 Abs.
2 Nr.
2 oder §
143 Abs.
5 Satz
2
[X.], §
74a StGB), lässt si[X.]h den Feststellungen des [X.]s ni[X.]ht entnehmen. Au[X.]h aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann ni[X.]ht si[X.]her ges[X.]hlossen werden, dass die Voraussetzungen für eine Einzie-hung vorliegen und damit jedenfalls ein Gefährdungss[X.]haden eingetreten sein kann.
2. Die Sa[X.]he bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Ents[X.]hei-dung. Der neue Tatri[X.]hter wird zu bea[X.]hten haben, dass im Fall II. 17 der Ur-teilsgründe mangels Bezahlung der Felgen nur eine Verurteilung wegen ver-su[X.]hten Betruges (§§ 263 Abs. 1, 22 StGB) in Betra[X.]ht kommen kann und der 10
11
-
8
-
Tatvorwurf in allen Fällen au[X.]h unter dem Gesi[X.]htspunkt eines Verstoßes ge-gen das Ges[X.]hmMG (§ 51 Abs. 1 Ges[X.]hmMG) und einer strafbaren Werbung gemäß § 16 Abs. 1 UWG zu würdigen sein wird.

VRi[X.] Dr.
[X.]

[X.]

Appl
ist wegen Eintritts in den
Ruhestand an der Unters[X.]hrift
gehindert.

[X.]

Es[X.]helba[X.]h

[X.]

Meta

2 StR 79/12

27.06.2012

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2012, Az. 2 StR 79/12 (REWIS RS 2012, 5193)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5193

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 79/12 (Bundesgerichtshof)

Betrug: Ermittlung des Vermögensschadens beim Verkauf von als Originalfelgen ausgegebenen Plagiatsfelgen


2 StR 344/14 (Bundesgerichtshof)

Betrug: Schaden und Täuschungshandlung bei Vermittlung wirtschaftlich nachteiliger Leasingverträge


202 StRR 72/23 (BayObLG)

Unwirksame Berufungsbeschränkung auf Rechtsfolgenausspruch


2 StR 344/14 (Bundesgerichtshof)


2 StR 497/15 (Bundesgerichtshof)

Betrug: Gefährdungsschaden bei Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses; Prozessrisiko als schadensgleiche Vermögensgefährdung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 StR 79/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.