Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.06.2012, Az. 2 StR 79/12

2. Strafsenat | REWIS RS 2012, 5212

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Gegenstand

Betrug: Ermittlung des Vermögensschadens beim Verkauf von als Originalfelgen ausgegebenen Plagiatsfelgen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. November 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in 20 Fällen unter Einbeziehung mehrerer Geldstrafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat sowie wegen Betruges in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die dagegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s betrieb der Angeklagte einen Reifen- und Felgenhandel über die Internetplattform [X.]. In der [X.] von August 2009 bis April 2011 bot er dort auch Felgen und Reifen zu [X.]n an, bei denen er wahrheitswidrig angab, es handele sich um hochwertige Originalfelgen der Marke [X.]. Tatsächlich handelte es sich um von ihm für durchschnittlich 800 Euro pro [X.] in [X.] eingekaufte und mit einem [X.]-Emblem versehene Plagiatsfelgen, die keine Freigabe des Kraftfahrtbundesamts besaßen und in die (teilweise von ihm selbst) eine gefälschte Prüfnummer eingeschlagen war. Unter Täuschung seiner Käufer veräußerte er in der Folgezeit 26 Sätze dieser Felgen.

3

Die [X.] ist je [X.] von einem Schaden in Höhe von 1.000 Euro ausgegangen. Die Plagiatsfelgen seien für die Käufer nicht wertlos gewesen, hätten aber gegenüber entsprechenden Originalfelgen einen Minderwert von nicht mehr als 500 Euro gehabt. Ein weiterer Schaden liege darin, dass die Plagiatsfelgen erst nach behördlicher Zulassung im Straßenverkehr genutzt werden durften; der Aufwand dafür sei mit mindestens 500 Euro je [X.] zu veranschlagen.

II.

4

Die Revision des Angeklagten ist mit der Sachrüge begründet. Der Schuldspruch wegen Betruges in 26 Fällen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die getroffenen Feststellungen tragen nicht mit hinreichender Sicherheit die Annahme eines für den [X.] relevanten Vermögensschadens.

5

1. Das [X.] hat bei der Bestimmung des Schadens i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab angelegt, indem es zur Schadensermittlung den Minderwert der Plagiatsfelgen gegenüber den Originalfelgen herangezogen hat. Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des [X.] bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar auch zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts des Vermögens des [X.] führt (Prinzip der Gesamtsaldierung; vgl. [X.]St 53, 199, 201 mwN). Wird bei einem Kauf über Umstände getäuscht, die den Verkehrswert der Sache maßgeblich mitbestimmen, erleidet der dadurch zum Kaufabschluss bewogene Kunde einen Schaden regelmäßig nur dann, wenn die Sache objektiv den vereinbarten Preis nicht wert ist. Unerheblich ist demgegenüber regelmäßig, ob die gelieferte Ware von geringerem Wert ist als die vertraglich vereinbarte. Daher ist beim Fehlen einer vom Verkäufer fälschlich zugesicherten Eigenschaft der Kaufsache der Käufer nicht stets und ohne Rücksicht darauf, ob die Sache trotz Fehlens der zugesicherten Eigenschaft den vereinbarten Preis wert ist, durch den Abschluss des Vertrages betrügerisch geschädigt (vgl. [X.]St 16, 220, 221 f.; [X.], 169, 170; [X.], StGB, 59. Aufl., § 263 Rn. 111).

6

a) Die nach diesen Grundsätzen gebotenen tatsächlichen Feststellungen hat das [X.] nicht getroffen. Der objektive Wert der von dem Angeklagten verkauften Plagiatsfelgen wird weder festgestellt noch erschließt er sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Auch hinreichende Feststellungen zum Kaufpreis fehlen. Aus den Urteilsgründen ergibt sich insoweit nur, dass der Angeklagte den [X.] für durchschnittlich 800 Euro erworben hatte, einen Durchschnittsverdienst von 500 Euro erzielte und vier [X.] Cayman S Felgen zum Preis von 1.750 Euro (Fall II. 6) und vier [X.]-Turbo-Felgen zum Preis von 2.900 Euro (Fall II. 17) verkaufte. In allen anderen Fällen handelte es sich um [X.] für Reifen und Felgen, wobei diese - soweit sie überhaupt näher bezeichnet sind - in unterschiedlicher Ausführung verkauft wurden.

7

b) Zwar muss bei der Prüfung, ob ein Schaden vorliegt, auch berücksichtigt werden, ob der Getäuschte die gelieferte Sache für den von ihm vertraglich vorausgesetzten Zweck verwenden kann (vgl. [X.]St 16, 220, 222 f.; 321, 325 ff.; [X.], aaO Rn. 147), weshalb die [X.] auch die Kosten für die behördliche Zulassung in den Schadensumfang eingestellt hat. Doch auch diese Folgekosten können allenfalls insoweit einen Vermögensschaden begründen, als der Wert der gelieferten Felgensätze nicht entsprechend höher lag als das gezahlte Entgelt.

8

Die zur Beurteilung der Folgekosten gebotenen tatsächlichen Feststellungen hat das [X.] indes nicht getroffen. Angesichts der festgestellten fehlenden "Freigabe der Felgen" durch das Kraftfahrtbundesamt und der jeweils eingeschlagenen gefälschten Prüfnummern spricht zwar vieles dafür, dass die Plagiatsfelgen für den Erwerber objektiv wertlos sind, weil selbst dann, wenn es sich vorliegend um einen genehmigten Felgentyp handeln sollte, der Erwerber dies mangels echter Prüfnummer oder sonstiger Angaben schwerlich wird nachweisen können. Dies hätte aber zur Folge, dass der Zulassungsbehörde ein kostenpflichtiges Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr vorzulegen ist, das unter anderem eine technische Beschreibung der Felgen und den Nachweis der erfolgreichen Durchführung der notwendigen Prüfungen enthalten muss (§ 22 Abs. 2 Satz 4, § 21 StVZO).

9

Die [X.] ist demgegenüber aber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die Felgen nicht wertlos waren und nach einer behördlichen Zulassung, deren Aufwand sie auf 500 Euro je [X.] geschätzt hat, genutzt werden dürften. Diese Feststellungen sind zwar durch nichts belegt. Gleichwohl kann der Senat auch aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen nicht sicher ausschließen, dass es sich vorliegend um einen genehmigten Felgentyp handelt und dass dem Erwerber ein dahingehender Nachweis gelingen könnte, so dass die Kosten für die behördliche Zulassung deutlich unter 500 Euro liegen und die Plagiatsfelgen von daher auch unter Berücksichtigung dieser Folgekosten dem Wert des Kaufpreises noch entsprechen könnten.

c) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung dessen, dass die Plagiatsfelgen gemäß § 143 Abs. 5 Satz 1 [X.] der ([X.])Einziehung unterliegen können und bei den Erwerbern deshalb auch ein [X.] eingetreten sein könnte (vgl. [X.] 1969, 497, 498; [X.] bei [X.] 1979, 988; [X.] in [X.], 11. Aufl., § 263 Rn. 209; [X.] in [X.] StGB § 263 Rn. 626). Eine Einziehung scheidet vorliegend nicht schon deshalb aus, weil die [X.] den Verstoß gegen § 143 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt., Abs. 2 [X.] gemäß § 154a StPO von der Verfolgung ausgenommen hat, da gemäß § 76a Abs. 3 StGB auch in diesem Fall die Einziehung in einem objektiven Verfahren selbständig angeordnet werden kann (vgl. [X.] NJW 2002, 1810, 1811). Ob aber die weiteren Voraussetzungen für eine Einziehung vorliegen (vgl. § 74 Abs. 2 Nr. 2 oder § 143 Abs. 5 Satz 2 [X.], § 74a StGB), lässt sich den Feststellungen des [X.]s nicht entnehmen. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann nicht sicher geschlossen werden, dass die Voraussetzungen für eine Einziehung vorliegen und damit jedenfalls ein [X.] eingetreten sein kann.

2. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, dass im Fall II. 17 der Urteilsgründe mangels Bezahlung der Felgen nur eine Verurteilung wegen versuchten Betruges (§§ 263 Abs. 1, 22 StGB) in Betracht kommen kann und der Tatvorwurf in allen Fällen auch unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen das [X.] (§ 51 Abs. 1 [X.]) und einer strafbaren Werbung gemäß § 16 Abs. 1 UWG zu würdigen sein wird.

VRi[X.] Dr. Ernemann
ist wegen Eintritts in den
Ruhestand an der Unterschrift
gehindert.

[X.]     

Appl

[X.]

     Eschelbach     

Ott     

Meta

2 StR 79/12

27.06.2012

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Darmstadt, 16. November 2011, Az: 400 Js 16345/11 - 18 KLs

§ 263 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.06.2012, Az. 2 StR 79/12 (REWIS RS 2012, 5212)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5212

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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