Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.07.2011, Az. II R 7/10

2. Senat | REWIS RS 2011, 4452

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Gegenstand

Auslegung eines Verwaltungsakts - Zurückweisung eines unzulässigen Einspruchs als unbegründet


Leitsatz

1. NV: Maßgebend für die Auslegung eines Verwaltungsakts ist der objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Empfänger nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Im Zweifel ist das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen.

2. NV: Hat das Finanzamt einen unzulässigen Einspruch als unbegründet zurückgewiesen, ist die Klage als unbegründet abzuweisen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine in [[X.].] registrierte Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft Ltd. mit Niederlassungen in [[X.].] und den [[X.].]. Sie ist nicht als Steuerberatungsgesellschaft nach §§ 32 [X.]bs. 3, 49 ff. des [[X.].] in der ab 12. [X.]pril 2008 geltenden Fassung des [[X.].] ([[X.].], 666) --StBerG-- anerkannt. Für die Klägerin handelt als "director" [X.], dessen Bestellung als Steuerberater in der [X.] im Jahr 2000 wegen [X.] rechtskräftig widerrufen wurde.

2

Beim Beklagten, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) legte die Klägerin als Bevollmächtigte der [X.]-Ltd. [X.]) am 14. Januar 2008 Einspruch gegen einen Bescheid ein, mit dem das [X.] gegen die [X.] ein Zwangsgeld festgesetzt hatte. [X.]ußerdem beantragte die Klägerin die [X.]ussetzung der Vollziehung [X.]dV) und bis zur Entscheidung über den [X.]ussetzungsantrag die Stundung des [X.]. Mit Bescheid vom 18. Januar 2008 wies das [X.] die Klägerin als Bevollmächtigte der [X.] nach § 80 [X.]bs. 5 der [X.]bgabenordnung ([[X.].]) zurück. Die Zurückweisungsverfügung hat, soweit vorliegend von Interesse, folgenden Wortlaut:

3

"... als … leisten Sie für die Firma [X.]-Ltd. geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen in der Form, dass Sie Einspruch gegen die Festsetzung eines Zwangsgeldes einlegen sowie [X.]nträge auf [X.]ussetzung der Vollziehung und Stundung stellen, ohne dazu befugt zu sein (§ 5 StBerG).

Nachrichtlich weise ich darauf hin, dass die Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen sich insbesondere auch nicht aus § 3 Nr. 4 StBerG ergibt ...

Da die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, weise ich die … als Bevollmächtigten ihres [X.]uftraggebers zurück (§ 80 [X.]bs. 5 [[X.].]). [X.]lle Verfahrenshandlungen, die Sie trotz dieser Zurückweisung künftig für Ihren [X.]uftraggeber vornehmen, bleiben ohne steuerliche Wirkung. Die [X.]-Ltd. als Ihren [X.]uftraggeber habe ich unterrichtet (Hinweis auf § 80 [X.]bs. 8 [[X.].])."

4

[X.]m 23. Januar 2008 hob das [X.] das gegen die [X.] festgesetzte Zwangsgeld auf. Mit Schreiben vom 7. Februar 2008 legte die Klägerin gegen den Zurückweisungsbescheid Einspruch ein.

5

Ferner hat die [X.]. ([X.]) in ihrer am 4. Januar 2008 eingereichten Umsatzsteuererklärung für das [X.] angegeben, dass die Klägerin bei der [X.]nfertigung dieser Steuererklärung mitgewirkt habe. Mit Bescheid vom 7. Februar 2008 wies das [X.] die Klägerin als Bevollmächtigte der [X.] nach § 80 [X.]bs. 5 [[X.].] zurück.

6

Die Zurückweisungsverfügung hat, soweit vorliegend von Interesse, folgenden Wortlaut:

7

"... als … leisten Sie für die Firma [X.]. geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen in der Form, dass Sie [X.]nträge hinsichtlich der [X.] 2006 für die [X.]. stellen, ohne dazu befugt zu sein (§ 5 StBerG).

Nachrichtlich weise ich darauf hin, dass die Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen sich insbesondere auch nicht aus § 3 Nr. 4 StBerG ergibt ...

Da die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, weise ich die … als Bevollmächtigten ihres [X.]uftraggebers zurück (§ 80 [X.]bs. 5 [[X.].]). [X.]lle Verfahrenshandlungen, die Sie trotz dieser Zurückweisung künftig für Ihren [X.]uftraggeber vornehmen, bleiben ohne steuerliche Wirkung. Die [X.]. als Ihren [X.]uftraggeber habe ich unterrichtet (Hinweis auf § 80 [X.]bs. 8 [[X.].])."

8

[X.]m 6. März 2008 legte die Klägerin gegen den Zurückweisungsbescheid Einspruch ein.

9

Die Einsprüche gegen die [X.] wies das [X.] als unbegründet zurück. Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage hinsichtlich des Zurückweisungsbescheids vom 18. Januar 2008 insoweit statt, als das [X.] die Klägerin als Bevollmächtigte der [X.] über das Einspruchsverfahren gegen die Festsetzung von Zwangsgeld hinaus zurückgewiesen hat. Bezüglich des Zurückweisungsbescheids vom 7. Februar 2008 hatte die Klage insoweit Erfolg, als das [X.] die Klägerin als Bevollmächtigte der [X.] über das Veranlagungsverfahren zur Umsatzsteuer für das [X.] hinaus zurückgewiesen hat. Das [X.] legte die Verfügungen des [X.] dahin aus, dass die Klägerin hinsichtlich aller weiteren Verfahrenshandlungen für die [X.] und die [X.] in der [X.] nach Ergehen der Verfügungen zurückgewiesen werde. Die Bescheide seien insoweit rechtswidrig, als das [X.] die Klägerin für zukünftige Verfahren der [X.] und der [X.] zurückgewiesen habe. Denn § 80 [X.]bs. 5 [[X.].] sehe keine derart weite Rechtsfolge vor. Die Vorschrift wirke nur für das jeweilige konkrete Verfahren. Dies ergebe sich aus der systematischen Stellung innerhalb der [[X.].]. Das Urteil ist in [X.] Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2010, 1141 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das [X.] eine Verletzung des § 80 [X.]bs. 5 [[X.].]. Nach dem Rechtsverständnis des [X.] könne § 80 [X.]bs. 5 [[X.].] seinen Schutzzweck nicht erfüllen und liefe weitgehend leer.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen wurde, und im Übrigen die Revision des [X.] als unbegründet zurückzuweisen.

Das [X.] beantragt, die Revision der Klägerin als unzulässig zu verwerfen und die Vorentscheidung insoweit aufzuheben und die Klage abzuweisen, als das [X.] der Klage stattgegeben hat.

Entscheidungsgründe

II. 1. Die Revision der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen (§ 124 [X.]bs. 1 Satz 2 i.V.m. § 126 [X.]bs. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--), da es an der nach § 120 [X.]bs. 2 und 3 [X.]O erforderlichen Begründung fehlt.

2. Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur [X.]ufhebung der Vorentscheidung und zur [X.]bweisung der Klage (§ 126 [X.]bs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O), soweit das [X.] der Klage stattgegeben hat. Die Zurückweisungsverfügungen sind entgegen der [X.]uffassung des [X.] nicht teilweise rechtswidrig.

a) Soweit das [X.] die Zurückweisungsverfügungen als rechtswidrig angesehen hat, weil das [X.] die Klägerin für zukünftige Verfahren der [X.] und der [X.] zurückgewiesen habe, hat es die Bescheide fehlerhaft ausgelegt. Denn die Klägerin ist nicht für die zukünftigen Verfahren der [X.] und [X.] zurückgewiesen worden.

Maßgebend für die [X.]uslegung eines Verwaltungsakts ist der objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Empfänger nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 15. [X.]pril 2010 [X.], [X.], 1830, m.w.N.). Es kommt grundsätzlich nicht darauf an, was die Finanzbehörde erklären wollte oder wie ein außen stehender Dritter den Verwaltungsakt auffassen konnte. Im Zweifel ist das den Betroffenen weniger belastende [X.]uslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus deren Sphäre nicht benachteiligt werden darf (vgl. [X.]-Urteil vom 11. Juli 2006 [X.], [X.], 18, [X.], 96, m.w.N.).

Zur [X.]uslegung ist auch das Revisionsgericht befugt, wenn die tatsächlichen Feststellungen des [X.] hierzu ausreichen (Senatsurteil vom 24. [X.]ugust 2005 II R 16/02, [X.], 515, [X.], 36). Der [X.] ist nicht an die [X.]uslegung eines Bescheides durch das [X.] gebunden (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 18, [X.], 96).

b) Die streitgegenständlichen Verfügungen sind dahin auszulegen, dass das [X.] die Klägerin lediglich für laufende Verfahren der [X.] (Einspruch, [X.]dV und Stundung betreffend die Zwangsgeldfestsetzung) bzw. der [X.] (Umsatzsteuer 2006) zurückgewiesen hat.

Der Wortlaut der Verfügungen ist nicht eindeutig. Das [X.] hat die Klägerin als Bevollmächtigte ihrer [X.]uftraggeber zurückgewiesen und im Zusammenhang damit ausgeführt, dass alle Verfahrenshandlungen, die sie trotz dieser Zurückweisungen künftig für die [X.]uftraggeber vornehme, ohne steuerliche Wirkung blieben. Dies kann zwar dahin verstanden werden, dass die Zurückweisungen alle zukünftigen Verfahren der [X.] und [X.] betreffen sollten, weil alle künftigen Verfahrenshandlungen der Klägerin steuerlich wirkungslos sein sollten und eine ausdrückliche Einschränkung auf die bereits laufenden Verfahren von [X.] bzw. [X.] fehlt.

Gegen eine solche [X.]uslegung spricht jedoch, dass das [X.] zu Beginn der Verfügungen jeweils die geschäftsmäßige Hilfe der Klägerin in den steuerlichen Verfahren der [X.] (Einspruch, [X.]dV und Stundung betreffend die Zwangsgeldfestsetzung) und der [X.] (Umsatzsteuer 2006) als unbefugt bezeichnet und im Hinblick darauf die Klägerin als Bevollmächtigte der [X.] und der [X.] zurückgewiesen hat. Da sich aus dem Wortlaut der Verfügungen nicht entnehmen lässt, für welche Verfahren im Einzelnen die Klägerin zurückgewiesen wurde, kann aus der [X.]ngabe der Verfahren im Einleitungssatz geschlossen werden, dass damit die Verfahren benannt wurden, für die die Zurückweisung gelten soll. Einer solchen [X.]uslegung steht nicht der Hinweis des [X.] in den Zurückweisungsverfügungen entgegen, dass alle Verfahrenshandlungen, die die Klägerin trotz der Zurückweisungen künftig für die [X.] und die [X.] vornimmt, ohne steuerliche Wirkung bleiben. Die Verwendung des Wortes "künftig" bezieht sich nicht auf Verfahren der [X.] und der [X.], sondern auf die Verfahrenshandlungen der Klägerin. Insoweit wird lediglich im Wesentlichen der Gesetzestext des § 80 [X.]bs. 8 Satz 2 [X.]O wiedergegeben. Danach sind Verfahrenshandlungen des zurückgewiesenen Bevollmächtigten oder Beistands, die dieser nach der Zurückweisung vornimmt, unwirksam. Die Vorschrift regelt die Rechtsfolge der Zurückweisung. Soweit diese Rechtsfolge laut Zurückweisungsverfügung für alle künftig vorgenommenen Verfahrenshandlungen der Klägerin eintreten sollte, wird damit verdeutlicht, welche Verfahrenshandlungen im Rahmen der Verfahren der [X.] (Einspruch, [X.]dV und Stundung betreffend die Zwangsgeldfestsetzung) und der [X.] (Umsatzsteuer 2006) in zeitlicher Hinsicht betroffen sein sollten.

Soweit das [X.] in der Entscheidung zu der [X.] betreffenden Verfügung vom 18. Januar 2008 darauf hinweist, der Vertreter des [X.] habe in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass die Zurückweisung das Mandatsverhältnis der Klägerin zur [X.] insgesamt betreffen sollte, berührt dies nicht den objektiven, sondern nur den subjektiv gewollten Inhalt der Zurückweisungsverfügung, der bei der [X.]uslegung unbeachtlich ist.

Im Ergebnis sind daher die Verfügungen dahin auszulegen, dass das [X.] die Klägerin nur für die in den Verfügungen genannten Verfahren der [X.] und der [X.] zurückgewiesen hat. Denn solche Zurückweisungen belasten die Klägerin weniger als Zurückweisungen auch für alle zukünftigen Verfahren von [X.] und [X.]. Da die Zurückweisungsverfügungen damit zukünftige Verfahren nicht betreffen, können sie insoweit auch nicht rechtswidrig sein.

c) Darüber hinaus hat das [X.] zu Unrecht die Verfügung vom 18. Januar 2008 auch insoweit aufgehoben, als das [X.] die Klägerin für die Verfahren der [X.] bezüglich [X.]dV und Stundung des am 11. Dezember 2007 festgesetzten [X.] zurückgewiesen hat. Die Klage war vielmehr unbegründet.

Hinsichtlich der Verfahren wegen [X.]dV und Stundung war die Klägerin zu dem Zeitpunkt, als sie mit Schreiben vom 7. Februar 2008 Einspruch gegen die Zurückweisung eingelegt hat, durch diese nicht mehr beschwert. Denn die Zurückweisung der Klägerin für diese Verfahren hatte sich bereits dadurch erledigt, dass das [X.] am 23. Januar 2008 das gegen die [X.] festgesetzte Zwangsgeld aufgehoben hatte. Nach der [X.]ufhebung war weder eine [X.]dV des Zwangsgeldbescheids noch eine Stundung des [X.] möglich. Der Einspruch gegen die Zurückweisung war mangels Beschwer unzulässig. Hat das [X.] --wie im [X.] einen unzulässigen Einspruch als unbegründet zurückgewiesen, ist die Klage als unbegründet abzuweisen (vgl. [X.]-Beschluss vom 11. November 2008 [X.], [X.]/NV 2009, 401, m.w.N.).

Meta

II R 7/10

21.07.2011

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 26. November 2009, Az: 6 K 273/08, Urteil

§ 133 BGB, § 157 BGB, § 355 AO, § 358 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.07.2011, Az. II R 7/10 (REWIS RS 2011, 4452)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4452

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