Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.07.2015, Az. V R 50/14

5. Senat | REWIS RS 2015, 7777

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Gegenstand

Zwischenurteil - Zurückweisung eines Bevollmächtigten


Leitsatz

NV: Die Zurückweisung eines Bevollmächtigten durch das Finanzamt im Verwaltungsverfahren steht einer wirksamen Klageerhebung jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Zurückweisungsverfügung erst nach Klageerhebung bekanntgegeben wird .

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 20. Juni 2013  5 K 148/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Zulässigkeit einer von der [X.]. im Namen der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) erhobenen Klage wegen Umsatzsteuer 2010 (Streitjahr).

2

Nachdem die Klägerin (C-Ltd.) die Umsatzsteuererklärung des [X.] nicht abgegeben hatte, schätzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) die Umsatzsteuer mit dem unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheid vom 29. September 2011. Den dagegen eingelegten Einspruch des Prozessbevollmächtigten wies das [X.] am 10. Februar 2012 zurück.

3

[X.]m 22. Februar 2012 reichte die Klägerin die Umsatzsteuererklärung des [X.] nach. Dabei gab sie auf Seite 1 des amtlichen Formulars an, bei der Erstellung dieser Steuererklärung habe die [X.]. aus [X.] in [X.] mitgewirkt. Das [X.] sah in der [X.]bgabe der Umsatzsteuererklärung einen [X.]ntrag auf Änderung der [X.] nach § 164 [X.]bs. 2 der [X.]bgabenordnung ([X.]) und bat um Erläuterung sowie um Vorlage verschiedener Nachweise.

4

[X.]ußerdem wies das [X.] mit einem am 12. März 2012 zur Post gegebenen Schreiben die [X.]. für das [X.] als Bevollmächtigte der Klägerin zurück und teilte dies der Klägerin im Schreiben vom gleichen Tag mit. Zur Begründung führte das [X.] aus, dass die [X.]. durch ihr Mitwirken bei der Erstellung der Steuererklärung geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen geleistet habe, ohne dazu befugt zu sein. [X.]lle Verfahrenshandlungen, die die [X.]. künftig für ihre [X.]uftraggeberin in den o.g. Verfahren vornehme, blieben damit ohne steuerliche Wirkung.

5

Mit einem am 13. März 2012 beim Finanzgericht ([X.]) eingegangenen Fax erhob die [X.]. im Namen der Klägerin Klage und beantragte die Änderung des [X.] entsprechend der eingereichten Umsatzsteuererklärung. Das [X.] beantragte, die Prozessbevollmächtigte in diesem Verfahren zurückzuweisen, da sie gemäß § 3a des [X.]) zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen nicht befugt sei. [X.]m 4. Februar 2013 entsprach das [X.] dem [X.]ntrag des [X.] und wies die [X.]. als Bevollmächtigte nach § 62 [X.]bs. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurück.

6

Nach Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter entschied dieser aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20. Juni 2013 durch Zwischenurteil, dass die Klage zulässig sei. Zur Begründung verwies das [X.] auf die Entscheidungsgründe des Zwischenurteils in dem Parallelverfahren 5 K 95/12. Danach führt eine vom [X.] ausgesprochene Zurückweisung nicht zum [X.]usschluss für das Klageverfahren. Wie der 6. Senat des [X.] zu Recht bereits mit Urteil vom 26. November 2009  6 K 530/08 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 541) entschieden habe, wirke die Zurückweisung eines Bevollmächtigten nur für das jeweilige Verfahren und nur für den jeweiligen Verfahrensabschnitt.

7

Dagegen richtet sich die Revision des [X.]. Entgegen dem Urteil des [X.] lasse sich aus der systematischen Stellung des § 80 [X.] im 3. Teil der [X.] keine Einschränkung der Wirkung einer Zurückweisungsverfügung auf das Verwaltungsverfahren entnehmen. Die [X.]uffassung des [X.], wonach unter "Verfahren" nur jeweils kleine Verwaltungsschritte zu verstehen seien, nehme der Vorschrift jede sinnvolle Funktionalität. Eine Einschränkung der Wirkung eines Zurückweisungsbescheids könne auch nicht damit begründet werden, dass der Finanzverwaltung mit einem Untersagungsbescheid nach § 7 [X.]bs. 1 StBerG ein wirksames Mittel zur Unterbindung der unbefugten Hilfeleistung zur Verfügung stehe, da es sich hierbei um ein von § 80 [X.]bs. 5 [X.] unabhängiges und völlig eigenständiges Verfahren handle.

8

Das [X.] beantragt,
das angefochtene Zwischenurteil des Niedersächsischen [X.] vom 20. Juni 2013  5 K 148/12 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
unter [X.]ufhebung des Urteils die Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Die [X.]. sei vom [X.] im Verwaltungsverfahren zu Unrecht zurückgewiesen worden, da sie im Zeitpunkt ihrer Zurückweisung die Voraussetzungen des § 3a StBerG erfüllt habe; dies werde derzeit u.a. in dem Revisionsverfahren II R 6/14 überprüft. Gerade im Falle einer materiell-rechtlich unzutreffenden Zurückweisung dürften das [X.] und der [X.] ([X.]) nicht an die Zurückweisung der Verwaltungsbehörde gebunden sein.

[X.]bgesehen davon regele § 80 [X.] die Bevollmächtigung ausschließlich im Verwaltungsverfahren.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 und Abs. 4 [X.]O). Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klage zulässig ist.

1. Das [X.] war zum Erlass eines Zwischenurteils berechtigt.

a) Nach § 97 [X.]O kann über die Zulässigkeit einer Klage durch Zwischenurteil vorab entschieden werden. Der Begriff "Zulässigkeit einer Klage" ist weit auszulegen; er bezieht sich auf alle für das Klageverfahren erheblichen Sachurteilsvoraussetzungen (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1985 IV R 1/81, [X.], 223, [X.] 1985, 368) und bedeutet nicht, dass ein Zwischenurteil nur ergehen darf, wenn sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen für die betreffende Klage geprüft und bejaht worden sind (BFH-Urteil in [X.], 223, [X.] 1985, 368).

b) Die Berechtigung eines Prozessbevollmächtigten zur Klageerhebung ist Sachurteilsvoraussetzung (vgl. BFH-Urteil vom 30. November 1988 I R 168/84, [X.], 1, [X.] 1989, 514) und betrifft damit die Zulässigkeit der Klage.

2. Die von der [X.]. im Namen der Klägerin erhobene Klage ist zulässig. Die Klägerin hat sich bei der Klageerhebung wirksam durch die [X.]. als Prozessbevollmächtigte vertreten lassen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 [X.]O). Dem steht weder die Zurückweisung der [X.]. durch das [X.] noch die dem vorausgehende Zurückweisung der [X.]. durch das [X.] entgegen.

a) Mit unanfechtbarem Beschluss vom 4. Februar 2013 hat das [X.] die Prozessbevollmächtigte ([X.].) als Bevollmächtigte zurückgewiesen (§ 62 Abs. 3 [X.]O). Die Zurückweisung wurde mit ihrer Bekanntgabe durch den am 6. Februar 2013 zur Post gegebenen Brief wirksam.

Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in § 62 Abs. 3 Satz 2 [X.]O wirkt der Zurückweisungsbeschluss ex nunc. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten sind und bleiben daher bis zur Bekanntgabe seiner Zurückweisung wirksam. Da die Klageerhebung bereits mit Schriftsatz vom 13. März 2012 und damit mehr als ein Jahr vor der Bekanntgabe des Zurückweisungsbeschlusses erfolgte, steht die Zurückweisung durch das [X.] einer wirksamen Klageerhebung nicht entgegen.

b) Eine wirksame Klageerhebung durch die [X.]. konnte auch die Zurückweisungsverfügung des [X.] im Verwaltungsverfahren nicht verhindern.

aa) Mit Bescheid vom 12. März 2012 hat das [X.] die [X.]. für das "[X.]" als Bevollmächtigte der [X.]. gemäß § 80 Abs. 3 [X.] zurückgewiesen und ergänzend ausgeführt, dass alle Verfahrenshandlungen, die die [X.]. trotz dieser Zurückweisung künftig für ihre Auftraggeberin in den o.g. Verfahren vornimmt, ohne steuerliche Wirkung blieben. Darüber hinaus hat das [X.] der Klägerin mit Schreiben vom 12. März 2012 mitgeteilt, dass es die [X.]. für das [X.] als Bevollmächtigte zurückgewiesen habe und etwaige von der [X.]. in diesem Verfahren eingereichte Erklärungen, Eingaben oder Anträge als steuerlich unwirksam nicht mehr entgegengenommen bzw. zurückgesandt würden.

bb) Verfahrenshandlungen des zurückgewiesenen Bevollmächtigten, die dieser nach der Zurückweisung vornimmt, sind nach § 80 Abs. 8 Satz 2 [X.] unwirksam. Diese Rechtsfolge setzt eine wirksame Bekanntgabe der Zurückweisung voraus (§ 124 Abs. 1 i.V.m. § 122 Abs. 1 [X.]).

Bei der Zurückweisung eines Bevollmächtigten handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung (vgl. Rüsken in [X.], [X.] § 80 Rz 177, m.w.N.), sodass fraglich und umstritten ist, ob ihre Wirksamkeit lediglich die Bekanntgabe an den Bevollmächtigten (Rüsken in [X.], [X.] § 80 Rz 178) oder ob darüber hinaus auch die Mitteilung bzw. Bekanntgabe an den Vertretenen erfordert (Drüen in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 80 [X.] Rz 97; [X.] in [X.]/ [X.], Abgabenordnung, § 80 Rz 106; Schwarz, [X.], § 80 Rz 65).

Die Beantwortung dieser Streitfrage kann vorliegend jedoch offenbleiben, da jedenfalls die Bekanntgabe an die Bevollmächtigte ([X.].) erst nach der Klageerhebung erfolgte. Denn der Zurückweisungsbescheid an die in den [X.] ansässige [X.]. wurde erst am 12. März 2012 zur Post gegeben. Bei der Übermittlung eines Verwaltungsaktes im Ausland gilt der Verwaltungsakt einen Monat nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer, wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 122 Abs. 2 Nr. 2 [X.]). Da die Aufgabe zur Post am 12. März 2012 stattfand, wurde die Zurückweisungsverfügung am 12. April 2012 bekannt gegeben.

Da die im Namen der Klägerin von der [X.]. erhobene Klage bereits am 13. März 2012 per Fax eingereicht wurde, konnte die am 12. April 2012 wirksam gewordene Zurückweisung der [X.]. einer Zulässigkeit der Klage nicht entgegenstehen.

c) Fehlt es im Zeitpunkt der Klageerhebung an einer bekannt gegebenen und damit wirksamen Zurückweisungsverfügung des [X.], bestehen keinerlei Zweifel an einer Bevollmächtigung der [X.]. durch die Klägerin. Auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob eine im Verwaltungsverfahren erlassene Zurückweisungsverfügung des [X.] überhaupt Wirkungen für das Klageverfahren haben kann, kommt es daher nicht an.

3. Die Revision ist auch insoweit unbegründet, als das [X.] hilfsweise die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung an das [X.] beantragt. Denn die Frage einer Zurückverweisung stellt sich nur bei einer --im Streitfall nicht [X.] rechtsfehlerhaften Vorentscheidung.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V R 50/14

22.07.2015

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 20. Juni 2013, Az: 5 K 148/12, Zwischenurteil

§ 62 Abs 2 FGO, § 62 Abs 3 FGO, § 97 FGO, § 80 Abs 3 AO, § 122 Abs 1 AO, § 124 Abs 1 AO, § 80 Abs 8 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.07.2015, Az. V R 50/14 (REWIS RS 2015, 7777)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7777

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