Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.06.2013, Az. 2 StR 4/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 5352

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 4/13
vom
4.
Juni 2013
in der Strafsache
gegen

wegen
Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung

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Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 4. Juni 2013 gemäß § 349 Abs.
4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 13. September 2012 mit den Fest-stellungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Straf-kammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des [X.] entschloss sich der Ange-klagte wegen eines ihm von einer Gruppe unbekannter Osteuropäer gewährten Darlehens, das er nicht zurückzahlen konnte, eine Bank zu überfallen, deren örtliche Begebenheiten er als ehemaliger Kunde kannte. Da der Angeklagte ein Fluchtfahrzeug samt Fahrer benötigte, selbst aber über keinen Pkw verfügte, wandte er sich an seine Geldgeber. Diese erklärten sich bereit, ihm ein Fahr-1
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zeug nebst Fahrer zur Verfügung zu stellen, der den Angeklagten an seinem Wohnort abholen, zur Bank und nach dem Überfall wieder nach [X.] fahren sollte. Ferner erklärten sich die Geldgeber bereit, dem Angeklagten eine ein-satzbereite Schreckschusswaffe zur Verfügung zu stellen.
Am Morgen des 3.
März 2011 ließ sich der Angeklagte, ausgerüstet mit einer Sturmhaube und Handschuhen, von einem ihm unbekannten [X.] in die Nähe des vorgesehenen Tatorts bringen. Nachdem der Unbekannte sein Fahrzeug geparkt hatte, fühlte sich der Angeklagte nicht mehr in der Lage, den Banküberfall auszuführen und war "wie gelähmt". Er teilte dem Fahrer mit, dass er die Bank nicht überfallen werde, verließ trotz dessen Drohungen den Pkw und entfernte sich. Handschuhe und Sturmhaube ließ der Angeklagte [X.], wobei er "damit rechnete und billigend in Kauf nahm, dass der Überfall nun statt seiner von dem Fahrer unter Nutzung seiner Handschuhe und Sturm-haube begangen würde"
(UA S. 5). Der Fahrer zog sich Handschuhe und Sturmhaube des Angeklagten über und betrat bewaffnet mit der von ihm mitge-brachten geladenen Schreckschusspistole die Bank. Mit der Waffe bedrohte er die sich hinter dem Tresen befindliche Zeugin M.

und forderte Geld. Die Zeugin M.

dem [X.] und übergab das Geld dem Unbekannten. Bei seiner anschließen-den Flucht nahm der Unbekannte den zwischenzeitlich zum Fluchtfahrzeug [X.]gekehrten Angeklagten mit
und erzählte ihm während der Fahrt, wie sich der Überfall im Einzelnen abgespielt habe. Zugleich forderte er den Angeklag-ten aber auf, niemanden davon zu erzählen und sich gegenüber der Polizei ggf. selbst als Täter des Überfalls zu bekennen. Von der Beute behielt der Unbe-e-klagten.
2. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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a) [X.] wertet ohne Begründung die "Zurverfügungstellung von Handschuhen und Sturmhaube"
als Beihilfehandlung. Dabei hat sie nicht bedacht, dass nach den Feststellungen dem Angeklagten der Sache nach ein Unterlassen, nämlich die unterlassene Mitnahme der späteren Tatmittel, vor-zuwerfen ist. Zwar handelt es sich bei dem Verlassen des Fahrzeugs um [X.], hierdurch hätte der Angeklagte für sich genommen aber die nach-folgende Tatbegehung nicht gefördert.
b) Die insoweit lückenhaften Feststellungen belegen die Voraussetzun-gen einer Strafbarkeit wegen Beihilfe durch Unterlassen nicht.
Eine Garantenstellung aus [X.], die hier allein in [X.] kommt, setzt voraus, dass ein Vorverhalten die nahe Gefahr
eines Ein-tritts gerade des tatbestandmäßigen Erfolges herbeigeführt hat. Dagegen wür-de der Angeklagte für einen Exzess des Fahrers, der nicht durch sein [X.] bestärkt worden ist, nicht als Ingerent haften (vgl. [X.], Beschluss vom 12.
Februar 2012

3 [X.], [X.], 379, 380 mwN). Auch muss der Vorsatz bei unechten [X.] die tatsächlichen Umstände um-fassen, welche die Garantenpflicht begründen (vgl. [X.], Großer [X.] für Strafsachen, Beschluss vom 29. Mai 1961

[X.], [X.]St 16, 155, 158; [X.], StGB, 60. Aufl.,
§ 13 Rn. 87; [X.] in [X.]/[X.], StGB, 28. Aufl., § 15 Rn.
96). An der gebotenen Erörterung dieser Umstände hat es die [X.] fehlen lassen. Aus den Feststellungen ergibt sich nicht, auf Grund welcher konkreten Umstände der Angeklagte den

hier nicht auf der Hand liegenden

Schluss gezogen haben könnte, der ihm unbekannte und mit den örtlichen
Begebenheiten nicht vertraute Fahrer selbst werde nun möglich-erweise den Überfall unter Verwendung der vom Angeklagten zurückgelasse-nen Handschuhen und Sturmhaube begehen.
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c) Der [X.] kann nicht ausschließen, dass in einer neuen [X.] noch Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung wegen Beihilfe

durch [X.] oder Unterlassen

oder auch wegen Täter-schaft rechtfertigen könnten. Die Urteilsgründe lassen vielmehr besorgen, dass die
[X.] vor dem Hintergrund der Täterbeschreibung durch die Zeugin J.

ihren Feststellungen vorschnell die lebensfremde Einlassung des [X.] zu Grunde gelegt hat, ohne

wie es geboten gewesen wäre

diese zuvor auf ihre Plausibilität zu
überprüfen und sodann in die Gesamtschau der ansonsten festgestellten Tatumstände einzustellen (vgl. [X.], Beschluss vom 15.
April 2010

5 [X.], [X.], 503, 504). Bei dieser Sachlage hebt der [X.] das Urteil mit sämtlichen Feststellungen auf.
3. Der [X.] sieht Anlass zu folgendem Hinweis:
Der neue Tatrichter wird, anders als bisher, die konkrete Wahrneh-mungssituation der Zeugin J.

in den Blick zu nehmen haben, die den [X.] nur kurz durch das lamellenbehangene Bürofenster der Bank
sah, als dieser die Sturmhaube vom Kopf zog (vgl. [X.]). Diese Umstände werden, ebenso wie die festgestellten erheblichen Belastungsindizien, in eine Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses miteinzubeziehen sein, anhand derer der neue Tatrich-ter zu beurteilen haben wird, ob die Einlassung des Angeklagten geeignet ist, die Überzeugungsbildung des Gerichts zu beeinflussen. Dabei ist es weder im Hinblick auf den [X.] noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten
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Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhalts-punkte erbracht sind (st. Rspr.;
vgl. nur [X.], Beschluss vom 25. April 2007

1 [X.], [X.]St 51, 324, 325 mwN).

Becker

[X.]

Schmitt

Berger

Eschelbach

Meta

2 StR 4/13

04.06.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.06.2013, Az. 2 StR 4/13 (REWIS RS 2013, 5352)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5352

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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