Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.06.2015, Az. VI B 133/14

6. Senat | REWIS RS 2015, 10054

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Gegenstand

Strafverteidigungskosten als Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastungen


Leitsatz

1. NV: Strafverteidigungskosten sind nur dann als Werbungskosten abziehbar, wenn der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein berufliches Verhalten veranlasst war. Die berufliche Veranlassung wird nicht dadurch begründet, dass der Steuerpflichtige eine steuerpflichtige Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) erhält .

2. NV: Strafverteidigungskosten erwachsen einem Steuerpflichtigen auch im Falle eines Freispruchs nicht zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 1 EStG, wenn er mit seinem Verteidiger ein Honorar vereinbart, das über den durch die Staatskasse erstattungsfähigen Kosten liegt .

Tenor

Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 18. November 2014  12 K 177/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

2

1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache [X.] des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage herausstellt, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts erforderlich ist (Klärungsbedürftigkeit) und die im konkreten Streitfall klärbar ist (Klärungsfähigkeit). Dazu ist auszuführen, ob und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist und deshalb eine höchstrichterliche Klärung über die materiell-rechtliche Beurteilung des [X.] hinaus für die Allgemeinheit Bedeutung hat. Sofern zu dem Problemkreis Rechtsprechung und Äußerungen im Fachschrifttum vorhanden sind, ist eine grundlegende Auseinandersetzung damit sowie eine Erörterung geboten, warum durch diese Entscheidungen die Rechtsfrage noch nicht als geklärt anzusehen ist bzw. weshalb sie ggf. einer weiteren oder erneuten Klärung bedarf (z.B. Beschlüsse des [X.] --[X.]-- vom 22. Oktober 2003 III B 14/03, [X.], 224, und vom 15. Oktober 2008 II B 74/08, [X.], 125). Eine Rechtsfrage ist folglich insbesondere nicht klärungsbedürftig, wenn sie durch die Rechtsprechung des [X.] bereits hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage erforderlich machen (Senatsbeschluss vom 15. Oktober 2013 VI B 20/13, [X.]/NV 2014, 327). Andererseits reicht der bloße Vortrag, der [X.] habe eine bestimmte Rechtsfrage noch nicht entschieden, für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht aus (Lange in [X.]/[X.]/[X.], § 116 FGO Rz 180, m.w.N.).

3

Den im Streitfall aufgeworfenen Rechtsfragen kommt nach diesen Maßstäben keine grundsätzliche Bedeutung zu.

4

a) Die Rechtsfrage, "ob entstandene Rechtsanwaltskosten für die Verteidigung im Rahmen eines Strafverfahrens zumindest dann als Werbungskosten abzugsfähig sind, wenn eine steuerpflichtige Haftentschädigung gezahlt wird", ist bereits hinreichend geklärt. Sie bedarf keiner Entscheidung in einem Revisionsverfahren.

5

[X.] sind nur dann als Werbungskosten abziehbar, wenn der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein berufliches Verhalten veranlasst gewesen ist ([X.]-Urteile vom 16. April 2013 IX R 5/12, [X.]E 241, 355, [X.] 2013, 806, und vom 18. Oktober 2007 VI R 42/04, [X.]E 219, 197, [X.], 223, m.w.N.). Dies ist der Fall, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen worden ist ([X.]-Urteile vom 19. Februar 1982 VI R 31/78, [X.]E 135, 449, [X.] 1982, 467; vom 18. September 1987 VI R 121/84, [X.]/NV 1988, 353, und vom 13. Dezember 1994 VIII R 34/93, [X.]E 176, 564, [X.] 1995, 457, m.w.N.). Die dem Steuerpflichtigen vorgeworfene Tat muss ausschließlich und unmittelbar aus seiner beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar sein ([X.]-Urteil vom 12. Juni 2002 XI R 35/01, [X.]/NV 2002, 1441, m.w.N.). Auf die Frage, ob der strafrechtliche Vorwurf zu Recht erhoben wurde, kommt es hierbei nicht an ([X.]-Beschluss vom 30. Juni 2004 VIII B 265/03, [X.], 1639, m.w.N.). Mithin kommt ein Werbungskostenabzug nur bei einer eindeutig der steuerbaren beruflichen Sphäre zuzuordnenden Tat in Betracht.

6

Ist der strafrechtliche Vorwurf --wie im [X.] nicht durch das berufliche Verhalten des Steuerpflichtigen veranlasst, scheidet somit ein Werbungskostenabzug für die [X.] aus. Da es für die berufliche Veranlassung der [X.] nach der Rechtsprechung des [X.] auch nicht darauf ankommt, ob dem Steuerpflichtigen der strafrechtliche Vorwurf zu Recht oder --wie im [X.] im Ergebnis zu Unrecht gemacht wurde, wird die berufliche Veranlassung der [X.] auch nicht dadurch begründet, dass der Steuerpflichtige für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen eine (steuerpflichtige) Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen ([X.]) erhält. Denn der Steuerpflichtige wendet die [X.] nicht auf, um [X.] von § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit der Entschädigung nach dem [X.] steuerpflichtige Einkünfte zu erwerben, sondern um sich von dem gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwurf zu entlasten. Beruht dieser strafrechtliche Vorwurf nicht seinerseits auf einem beruflichen Verhalten des Steuerpflichtigen, überlagern die privaten, nicht beruflichen Gründe für die Aufwendung der [X.] den Zusammenhang zwischen diesen Kosten und der Entschädigung nach dem [X.].

7

b) Die Rechtsfrage, "ob Rechtsanwaltskosten zumindest dann als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind, sofern die Rechtsverteidigung zu einem Freispruch führt", ist ebenfalls nicht grundsätzlich bedeutsam [X.] von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

8

Der [X.] hat bereits entschieden, unter welchen Voraussetzungen [X.] als außergewöhnliche Belastung [X.] des § 33 EStG anzuerkennen sind. Soweit der Angeschuldigte freigesprochen wird, fallen gemäß § 467 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO), von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen abgesehen (§ 467 Abs. 2 und 3 StPO), die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last. Gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO gehören zu den notwendigen Auslagen eines Beteiligten auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 der Zivilprozessordnung zu erstatten sind. Dazu zählen u.a. die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden [X.]. Soweit dem Steuerpflichtigen aufgrund dieser Vorschriften ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Strafverteidigung zusteht, scheidet schon mangels Belastung des Steuerpflichtigen ein Abzug nach § 33 EStG aus (Senatsurteil in [X.]E 219, 197, [X.], 223).

9

Soweit nach den genannten Vorschriften kein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, sind Anwaltskosten für die Strafverteidigung einem Steuerpflichtigen nur zwangsläufig erwachsen (§ 33 Abs. 1 EStG), wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit diese Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nicht zwangsläufig sind Aufwendungen insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige --wie hier-- mit seinem Verteidiger ein Honorar vereinbart hat, das über den durch die Staatskasse erstattungsfähigen Kosten liegt; ein Abzug dieser Mehraufwendungen ist mangels Zwangsläufigkeit nicht möglich (Senatsurteil in [X.]E 219, 197, [X.], 223). Da der Abzug der über die gesetzlichen Gebühren und Auslagen hinausgehenden, auf einer Honorarvereinbarung beruhenden [X.] als außergewöhnliche Belastung nach der Rechtsprechung des [X.] an der fehlenden Zwangsläufigkeit scheitert, ist es insoweit auch unerheblich, dass der Steuerpflichtige freigesprochen wird. Bei einer Verurteilung scheidet der Abzug der [X.] als außergewöhnliche Belastung ohnehin aus ([X.]-Urteil in [X.]E 241, 355, [X.] 2013, 806).

Hinreichende Gründe, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Frage erforderlich machen, ob Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind, wenn die Rechtsverteidigung zu einem Freispruch führt, haben die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nicht dargelegt. Dies gilt auch, soweit die Kläger auf den Aufsatz von [X.]/[X.] ([X.] Steuerrecht --DStR-- 2011, 2069) Bezug nehmen. Neue, entscheidungserhebliche Gesichtspunkte, die der [X.] bisher nicht erwogen hat, werden von [X.]/[X.] nicht aufgezeigt. Der Umstand, dass Honorarvereinbarungen zwischen Strafverteidiger und Mandant grundsätzlich gebührenrechtlich zulässig sind, ist für die Frage, ob dem Steuerpflichtigen [X.] [X.] von § 33 Abs. 1 EStG zwangsläufig erwachsen, ohne Bedeutung. Die von [X.]/[X.] befürwortete Gleichbehandlung von [X.] mit Krankheitskosten ist schon wegen der unterschiedlichen Sachverhalte nicht geboten. Der Abschluss einer Honorarvereinbarung mit einem Strafverteidiger ist entgegen [X.]/[X.] (DStR 2011, 2069, 2073) kein mit einer Krankheit vergleichbares "alternativloses Szenario".

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Meta

VI B 133/14

10.06.2015

Bundesfinanzhof 6. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 18. November 2014, Az: 12 K 177/13, Urteil

§ 9 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 33 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, EStG VZ 2011, StrEG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.06.2015, Az. VI B 133/14 (REWIS RS 2015, 10054)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10054

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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