Bundesfinanzhof, Beschluss vom 31.03.2022, Az. VI B 88/21

6. Senat | REWIS RS 2022, 414

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Gegenstand

Strafverteidigungskosten als Werbungskosten - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache


Leitsatz

1. NV: Strafverteidigungskosten sind dann als Werbungskosten abziehbar, wenn der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein berufliches Verhalten veranlasst ist.

2. NV: Der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, betrifft grundsätzlich die konkrete Tat, aufgrund der die Strafverteidigungskosten angefallen sind.

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom [X.] - 12 K 2606/19 E,[X.] wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit die Ausführungen des Beklagten und Beschwerdeführers (Finanzamt --[X.]--) den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) an die Darlegung eines Revisionszulassungsgrunds (§ 115 Abs. 2 [X.]O) entsprechen, liegen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung jedenfalls nicht vor.

2

1. Die Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O zuzulassen.

3

a) Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage herausstellt, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts erforderlich ist (Klärungsbedürftigkeit) und die im konkreten Streitfall klärbar ist (Klärungsfähigkeit). Dazu ist auszuführen, ob und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist und deshalb eine höchstrichterliche Klärung über die materiell-rechtliche Beurteilung des [X.] hinaus für die Allgemeinheit Bedeutung hat. Sofern zu dem Problemkreis Rechtsprechung und Äußerungen im Fachschrifttum vorhanden sind, sind eine grundlegende Auseinandersetzung damit sowie eine Erörterung geboten, warum durch diese Entscheidungen die Rechtsfrage noch nicht als geklärt anzusehen ist bzw. weshalb sie ggf. einer weiteren oder erneuten Klärung bedarf (z.B. Beschlüsse des [X.] --[X.]-- vom 22.10.2003 - III B 14/03, [X.], 224, und vom 15.10.2008 - II B 74/08, [X.], 125).

4

b) Nach diesen Maßstäben kommt eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O im Streitfall nicht in Betracht.

5

aa) Das [X.] sieht folgende Fragen als grundsätzlich bedeutsam an:

-  

Sind [X.] wegen Hinterziehung von Lohnsteuer und Vorenthalten und Veruntreuen von [X.] eines angestellten (faktischen) Geschäftsführers auch dann ausschließlich beruflich veranlasst, wenn Mittel aus Scheinrechnungen nicht nur zur Zahlung von "Schwarzlöhnen", sondern auch für private Zwecke des Geschäftsführers verwendet werden?

Falls in einem solchen Fall eine ausschließlich berufliche Veranlassung gegeben sein sollte, überlagert dann eine private Mitveranlassung in Form der privaten Bereicherung die berufliche Veranlassung?

6

Weiter führt das [X.] aus, in einem nachfolgenden Revisionsverfahren sei zu klären, ob für die Beurteilung des Vorliegens einer beruflichen Veranlassung der streitigen [X.] nur auf die konkret angeklagten Taten abgestellt werden dürfe oder ob untrennbar mit den angeklagten Taten verbundene Handlungen (hier: [X.] zur Erlangung von Bargeld zur Auszahlung der "Schwarzlöhne" und für private Zwecke) in die Beurteilung miteinzubeziehen seien.

7

bb) Diese Fragen sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung allerdings bereits hinreichend geklärt. Einen weitergehenden Klärungsbedarf hat das [X.] in seiner Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt.

8

Nach der Rechtsprechung des [X.] sind Werbungskosten über den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes hinaus alle Aufwendungen, die durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst sind. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn objektiv ein Zusammenhang mit der auf die Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser steuerlich relevanten Tätigkeit gemacht werden. Danach können auch strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit stehen, Erwerbsaufwendungen begründen (Senatsurteil vom 09.12.2003 - VI R 35/96, [X.]E 205, 56, [X.] 2004, 641; Senatsbeschluss vom 17.08.2011 - VI R 75/10).

9

[X.] sind dann als Werbungskosten abziehbar, wenn der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein berufliches Verhalten veranlasst ist. Das ist der Fall, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen worden ist (Senatsurteil vom 18.10.2007 - VI R 42/04, [X.]E 219, 197, [X.] 2008, 223; Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 21.11.1983 - GrS 2/82, [X.]E 140, 50, [X.] 1984, 160; Senatsbeschluss vom 17.08.2011 - VI R 75/10).

Allerdings setzt die Annahme von Erwerbsaufwendungen auch in diesen Fällen voraus, dass die --die Aufwendungen auslösenden-- schuldhaften Handlungen noch im Rahmen der beruflichen Aufgabenerfüllung liegen und nicht auf privaten, den beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umständen beruhen. So greifen nach der Rechtsprechung private Gründe dann durch, wenn die strafbaren Handlungen mit der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen nur insoweit im Zusammenhang stehen, als diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft. Eine erwerbsbezogene Veranlassung wird auch aufgehoben, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst, also vorsätzlich schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat, wenn also das Verhalten des Arbeitnehmers von privaten Gründen getragen wurde (Senatsurteil in [X.]E 219, 197, [X.] 2008, 223; Senatsbeschluss vom 17.08.2011 - VI R 75/10).

Der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, betrifft danach grundsätzlich die konkrete Tat, aufgrund der die [X.] angefallen sind.

cc) Ausgehend von den angeführten Rechtsgrundsätzen hat das Finanzgericht ([X.]) auf der Grundlage der von ihm als Tatsacheninstanz vorzunehmenden Gesamtwürdigung (s. z.B. Senatsentscheidungen vom 26.07.2007 - VI R 64/06, [X.]E 218, 370, [X.] 2007, 892, und vom 10.11.2005 - VI B 75/05, [X.]/NV 2006, 530) darauf abgestellt, dass die geltend gemachten Kosten der Strafverteidigung sich ausschließlich auf die Verkürzung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen bezogen hätten. Diese Taten habe der Kläger und Beschwerdegegner in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit begangen. Eine private Mitveranlassung hat die Vorinstanz mit der Begründung verneint, die Abzweigung von Bargeld für eigene Zwecke habe mit der Lohnsteuerhinterziehung nicht in einem solchen Zusammenhang gestanden, dass eine Überlagerung der beruflichen Veranlassung durch den Zweck der Eigenbereicherung anzunehmen sei. Denn diese sei weder Voraussetzung noch Folge der Lohnsteuerhinterziehung gewesen, auf die sich die [X.] bezogen hätten.

An diese Würdigung des [X.] aufgrund seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) wäre der Senat auch in dem vom [X.] angestrebten Revisionsverfahren gebunden (§ 118 Abs. 2 [X.]O). Denn das Ergebnis der Tatsachenwürdigung muss nicht zwingend, sondern nur möglich sein (vgl. auch Senatsbeschluss vom 17.08.2011 - VI R 75/10).

Soweit das [X.] hinsichtlich der seiner Auffassung nach mit der Lohnsteuerhinterziehung und der Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen "untrennbar" verbundenen Taten weiteren Klärungsbedarf sieht und die Rechtsmeinung äußert, solche Taten seien in die Beurteilung miteinzubeziehen, legt es keine hinreichenden Gründe dar, aus denen sich das Erfordernis einer erneuten Prüfung und Entscheidung vom [X.] bereits entschiedener Rechtsfragen ergibt.

2. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O) als Unterfall der Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung liegen aus den unter 1. dargelegten Gründen ebenfalls nicht vor.

3. Die Revision ist schließlich auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) zuzulassen.

Die von dem [X.] gerügte Divergenz zu dem [X.]-Beschluss vom 13.12.2016 - VIII R 43/14 ist nicht gegeben.

Das [X.] führt u.a. aus, die Vorinstanz habe entschieden, [X.] wegen Lohnsteuerhinterziehung und Vorenthaltens von [X.] eines angestellten (faktischen) Geschäftsführers seien auch dann ausschließlich beruflich veranlasst, wenn Mittel aus Scheinrechnungen nicht nur zur Zahlung von "[X.]", sondern auch für private Zwecke verwendet würden. Nach dem [X.]-Beschluss vom 13.12.2016 - VIII R 43/14 könne auch eine in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangene Straftat keinen Veranlassungszusammenhang der [X.] mit den Einkünften begründen, wenn ein beruflicher Veranlassungszusammenhang durch einen überlagernden privaten Veranlassungszusammenhang ausgeschlossen werde. Ein überlagernder privater Veranlassungszusammenhang liege insbesondere dann vor, wenn eine persönliche Bereicherung des Steuerpflichtigen durch die Tat angestrebt werde.

Hieraus ergibt sich indessen keine Divergenz. Denn nach der --den Senat bindenden-- Würdigung des [X.] war im Streitfall die konkrete Tat, auf die sich die angefallenen [X.] bezogen, die Verkürzung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen und nicht die (private) Verwendung der "Mittel aus den Scheinrechnungen".

4. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O ab.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI B 88/21

31.03.2022

Bundesfinanzhof 6. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 29. Oktober 2021, Az: 12 K 2606/19 E,F, Urteil

§ 9 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, EStG VZ 2016

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 31.03.2022, Az. VI B 88/21 (REWIS RS 2022, 414)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 414

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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