Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2012, Az. X ZR 73/09

X. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5726

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUN[X.]ESGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]ES VOLKES

URTEIL
X ZR 73/09
Verkündet am:

12. Juni 2012

Wermes

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Patentnichtigkeitsverfahren

-
2
-
[X.]er X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 12.
Juni 2012
durch [X.] [X.]r.
Meier-Beck,
den
Richter Keukenschrijver, die Richterin [X.], [X.]
Grabinski und die Richterin Schuster

für Recht erkannt:

[X.]ie Berufung gegen das am 27. Januar 2009 verkündete Urteil des 3.
[X.] ([X.]) des [X.] wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
[X.]ie
Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 0 430 402 (Streitpa-tent), das

unter Inanspruchnahme der Priorität zweier [X.] vom 1.
[X.]ezember 1989 und 20.
März 1990

am 8.
August 1990 angemeldet wurde. [X.]as [X.] umfasst 4
Patentansprüche. Patentanspruch
1 hat in der [X.] [X.] folgenden Wortlaut:
1
-
3
-
"A
method of staining targeted chromosomal material based upon nucleic acid sequence to detect in an interphase cell one or more genetic translocation
identified with chromosomal abnormalities, the method being performed outside the human body and com-prising
the steps of:

(a)
hybridizing in situ
a heterogeneous mixture of two or more human genome nucleic acid [X.], each having a complexi-ty of from 50
KB
to 10
[X.], which [X.] [X.] extend partially or fully across breakpoint regions known to be associated with ge-netic rearrangements, wherein each probe is labelled with a different colour fluorochrome, [X.] [X.]NA; and
(b)
observing the proximity or overlap of the regions stained by each probe thereby allowing detection of a translocation."
[X.]ie Patentansprüche 2 bis 4 sind unmittelbar oder mittelbar auf Pa-tentanspruch 1 rückbezogen.
[X.]ie Klägerin hat geltend gemacht, dass der Gegenstand des [X.] unzulässig erweitert und nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann ihn ausführen könne. Zudem sei dieser gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig.
[X.]as Patentgericht hat die Klage abgewiesen. [X.]agegen wendet sich die Klägerin und beantragt, das Urteil des Patentgerichts abzuändern und das 2
3
4
-
4
-
[X.] für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig zu erklären.
[X.]ie Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Zudem
verteidigt sie das [X.] mit drei Hilfsanträgen.

Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. [X.]r. med.

R.

, Uni-
versitätsklinikum [X.].

, [X.], ein
schriftliches Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. [X.]ie Klägerin hat ein Gutachten von Prof.

C.

eingereicht und das Gutachten vorgelegt, das Prof. [X.]r.

B.

als ge-
richtlicher Gutachter in dem
parallel vor dem Oberlandesgericht [X.].

ge-
führten Patentverletzungsstreit
erstattet hat.
[X.]ie Beklagte hat ein Gutachten von Prof. [X.]r.

T.

eingereicht.
Entscheidungsgründe:
[X.]ie Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
I. [X.]as [X.] betrifft ein Verfahren zum Färben von [X.].
Nach den Erläuterungen in der [X.]schrift
werden Chromosomen-anomalien mit genetischen Störungen, degenerativen Erkrankungen und der Einwirkung von Mitteln, von denen bekannt ist, dass sie degenerative Erkran-kungen herbeiführen, in Verbindung gebracht. [X.] könn-ten neben zusätzlichen oder fehlenden einzelnen Chromosomen oder Teilen 5
6
7
8
9
-
5
-
davon
u.a. auch [X.] umfassen, worunter die Übertragung eines Stücks von einem auf ein
anderes Chromosom verstanden werde
(vgl. Streitpa-tent
Rn.
3 =
Übersetzung
[X.]E 690 32 920
T
4 Rn. 3).
Messungen der Häufigkeit von Chromosomen mit strukturellen Aberrati-onen würden häufig als quantitative Indikatoren hierdurch verursachter geneti-scher Schädigungen eingesetzt (Rn. 6). Solche Aberrationen könnten durch die Analyse
von Karyotypen
-
worunter der
spezielle Chromosomenbestand eines Individuums oder einer verwandten Gruppe von Individuen, definiert durch die Zahl und Morphologie der Chromosomen verstanden
werde

untersucht [X.]n.
[X.]ie Karyotypen würden üblicherweise in der mitotischen [X.], also im Stadium der Zellteilung, durch [X.] bestimmt, weil es bis vor kurzem infolge ihres dispersen Zustands und des Fehlens sichtbarer Grenzen zwischen ihnen im Zellkern nicht möglich gewesen sei, [X.]chromosomen sichtbar zu machen (Rn. 7). [X.]abei seien
mehrere, auf chemischer Färbung beruhende zytologische Techniken entwickelt
worden, welche als Banden bezeichnete
Längsmuster auf [X.]chromosomen erzeugten und üblicherweise die eindeutige Identifizierung des Chromosomentyps
erlaubten (Rn. 8).
[X.]ie konventionelle Bandenanalyse sei jedoch arbeits-
und zeitaufwändig und erfordere
einen hochgeübten Analytiker, könne
nur auf kondensierte Chro-mosomen angewendet werden und erlaube
nicht den Nachweis struktureller Aberrationen, welche
weniger als 3 bis
5 Megabasen ([X.]) umfassten (Rn. 9 f.).
[X.]em [X.] liegt danach das Problem zugrunde, ein
im Vergleich zum Stand der Technik
weniger
aufwändiges Verfahren zur
verlässlichen [X.]e-tektion von [X.] zur Verfügung zu stellen (Rn. 10).
10
11
12
-
6
-
Zur Lösung dieses Problems lehrt das [X.] ein

außerhalb des menschlichen Körpers durchgeführtes

Verfahren mit folgenden Bestandteilen [in eckigen Klammern die Gliederung des Patentgerichts]:
(1)
Ein heterogenes Gemisch zweier oder mehrerer Nukleinsäu-resonden des menschlichen Genoms wird bereitgestellt [Teil aus 3].
(2)
[X.]ie [X.]
(2.1)
weisen jeweils eine Komplexität von 50
KB bis 10
[X.] auf [3.1],
(2.2)
enthalten [X.] [3.2],
die im [X.] komplementär zu [X.] sind, welche die (bekannten) Bruchstellenregionen ei-ner genetischen Umordnung flankieren oder sich ganz oder teilweise darüber erstrecken [3.2.1], und
(2.3)
sind jeweils mit einem Fluorochrom unterschiedlicher Farbe markiert [3.3].
(3)
[X.]as [X.] wird in situ mit der chromosomalen Ziel-[X.]esoxyribonukleinsäure hybridisiert [Teil aus 3].
(4)
In der [X.] [1.2] ist die Nachbarschaft oder die Überlappung der von der Sonde eingefärbten Regionen be-obachtbar [4] und hierdurch der Nachweis einer eine chromo-somale Anomalie kennzeichnenden ("identified with chromo-somal abnormalities") Translokation möglich [1.1, 4.1].
Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren werden demnach zur Identifizie-rung
der Translokation
[X.] des menschlichen Genoms mit der chromosomalen Ziel-[X.]
in situ hybridisiert. [X.]as bedeutet, dass

wie in der [X.]schrift erläutert wird

die doppelsträngigen [X.] und 13
14
-
7
-
die

in ihrer natürlichen biologischen Umgebung, d.h. im Chromosom, verblei-benden

Zielnukleinsäuren zunächst durch Erhitzen aufgetrennt werden.
Bei der darauf folgenden Abkühlung rekombinieren oder reassoziieren sich dann die Stränge, die komplementäre Basen aufweisen. Trägt die Sonde eine Mar-kierung, kann nach der Reassoziation die Länge der Sonde auf dem Zielnukle-insäurestrang nachgewiesen werden (Rn. 14). [X.]ies macht sich die Erfindung zunutze, um mittels der Fluorchrommarkierung die Translokation nachweisbar zu machen.
[X.]ie [X.] sind weiterhin dadurch gekennzeichnet, dass sie jeweils eine
Komplexität von 50 KB
bis 10 [X.]
aufweisen. [X.]abei ist aus Sicht des
Fachmanns, bei dem
es sich nach den [X.] und durch die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen bestätigten Feststellungen des Patentgerichts
um einen wissenschaftlich arbeitenden Mediziner oder Bio-chemiker handelt, der
über fundierte Kenntnisse und umfangreiche Erfahrungen auf dem Gebiet der Zytogenetik verfügt,
den Begriff der "Komplexität"
als Se-quenzkomplexität zu verstehen. [X.]ies ergibt sich aus dem Verweis in der [X.] des [X.]s (Rn. 105
=
Übersetzung Rn.
103) auf die [X.]efinition
von
[X.] et al. in Methods in
Enzymology 1974 (29), 363, (Anlage 1, dort S.
368: "[X.], the phrase 'sequence complexity'
is to be preferred over the often used word 'complexity'"). Er bezeichnet mithin einen eindeutigen und ob-jektiven Tatbestand, nämlich
die Gesamtlänge verschiedener (= nicht wieder-kehrender
bzw. nicht repetitiver) [X.], gemessen in Nukleotidpaa-ren (= Basenpaaren) (Anlage 1, S.
368).
Entgegen der Ansicht des Patentgerichts wird der Fachmann jedoch nicht auf ein bestimmtes Messverfahren zur Bestimmung der Komplexität der
zwei oder mehreren
[X.] des menschlichen Genoms
festge-15
16
-
8
-
legt, aus denen das heterogene Gemisch erfindungsgemäß bestehen soll. Zwar ist es zutreffend, dass in der Beschreibung des [X.]s darauf hingewie-sen wird, dass Komplexität
nach
dem von [X.] in dem vorgenannten Aufsatz aufgestellten Standard für die [X.] definiert ist
(Rn. 105). Aus fachlicher
Sicht folgt daraus jedoch nur, dass der erfindungsgemäße Begriff der Komplexität nach den
Erläuterungen von [X.] als
Sequenzkomplexität im Sinne einer idealen Größe zu verstehen ist
(vgl. Anlage 1, S.
368). Hingegen enthalten weder Patentanspruch 1 noch die Beschreibung einen Anhalt dafür, Komplexität
im Zusammenhang mit der Erfindung
weitergehend
als
kinetische
Komplexität zu
definieren. Kinetische Komplexität meint nach den [X.] von [X.] die
Sequenz-Komplexität,
wie
sie
sich
aus den Ergebnissen der Messung der Reassoziationsrate einer [X.]-Präparation berechnet, wobei

wie vom gerichtlichen Sachverständigen bestätigt

eine genaue Messung des Gehaltes von sich wiederholenden Sequenzen in einem definierten Genom mit-tels
Reassoziationskinetik nicht möglich ist
(Anlage 1, S.
368 ff.). [X.]ass sich die kinetische Komplexität grundsätzlich von Messungen der Sequenzkomplexität nach anderen Verfahren unterscheidet, ist jedoch weder der [X.]schrift noch
dem Aufsatz von [X.] zu entnehmen. Vielmehr war dem Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens
als alternative
Messmethode vor allem auch das Southern-Blot Verfahren bekannt, wie der gerichtliche Sachver-ständige in seinem Gutachten
und in der Verhandlung überzeugend erläutert
hat. [X.]em steht auch nicht entgegen, dass das Southern-Blot Verfahren in der Beschreibung des [X.]s
zwar erwähnt wird
(vgl.
Rn.
161
f., 211
=
Über-setzung Rn.
162
f., 213), dass dies aber nicht in Zusammenhang mit der [X.]efini-tion des Begriffes der Komplexität steht
(vgl. Rn. 105). [X.]enn allein diese
Nichterwähnung stellt
aus fachlicher Sicht noch keinen Grund dar, nicht auch
das
aus dem allgemeinen Fachwissen
bekannte Southern-Blot
Verfahren als alternative
Messmethode in Erwägung zu ziehen. [X.]araus folgt, dass es in das -
9
-
Belieben des Anwenders gestellt ist, nach welchem Messverfahren er feststellt, ob die in dem heterogenen Gemisch enthaltenen [X.] über die erfindungsgemäß erforderliche Komplexität verfügen, vorausgesetzt, dass die-ses zumindest über eine annähernd gleiche Messgenauigkeit wie die [X.] verfügt.
Soweit es etwa um die Frage der Verletzung
des Streit-patentes geht,
kommen danach
gegebenenfalls
auch nach dem [X.] entwickelte Messverfahren in Betracht.
[X.] 1. [X.]as Patentgericht hat angenommen, die Erfindung sei im Streitpa-tent so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie nacharbeiten könne. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe es im Prioritätszeitpunkt nicht deswegen an einer zuverlässigen Messmethode zur Bestimmung der Komplexität gefehlt, weil die in der Patentschrift in Bezug genommene Methode nach [X.] zu keinen hinreichend reproduzierbaren Ergebnissen führe. [X.]em Fachmann hätten zur Bestimmung der Komplexität seinerzeit mehrere [X.] zur Verfügung gestanden. Von diesen habe sich aber die Messung der Reassoziationskinetik nach [X.], bei der der Gehalt an repetitiven und nicht-repetitiven Elementen anhand des Verlaufes der [X.] ermittelt werde, als übliche Methode etabliert. [X.] Anhaltspunkte dafür, dass diese Methode zur Bestimmung der Komplexität von [X.] nicht geeignet sei, ergäben sich weder aus dem Vortrag der Klägerin noch aus den von ihr vorgelegten [X.].
[X.]ie beiden von der Klägerin durchgeführten Vergleichsversuche seien nicht geeignet, deren Behauptung zu belegen, mit dem Verfahren nach [X.] würden keine reproduzierbaren Ergebnisse erhalten. [X.]ie [X.]ifferenz in den [X.] der beiden Versuche fänden ihre Erklärung schon darin, dass jeweils unterschiedliche [X.] zum Einsatz gekommen seien. Auch der Umstand, dass mit einem der Versuche nur eine Komplexität von 44,8 KB 17
18
-
10
-
für die von der [X.] vertriebene Sonde [X.] habe nachgewiesen werden können, obwohl diese nach den Angaben der [X.] eine [X.] von mindestens 50 KB hätte aufweisen müssen, beweise nicht die Unzuver-lässigkeit des Verfahrens, weil lediglich ein einziger Versuch und nicht, wie zur Bestätigung von Analysearbeiten erforderlich, eine Versuchsreihe durchgeführt worden sei.
2. [X.]ie
Ausführungen des Patentgerichts halten der Berufung im Ergebnis stand.
[X.]er Gegenstand
von Patentanspruch 1 ist so deutlich und vollständig of-fenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen konnte (Art. 83, 138 Abs. 1 b EPÜ
i.[X.].
Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG).
Nach der Rechtsprechung des [X.] ist eine für
die Ausführbarkeit hin-reichende Offenbarung gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zu-tun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des [X.] auf Grund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbin-dung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde-
oder Prioritätstag prak-tisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird. [X.]abei ge-nügt es
jedenfalls, wenn der Fachmann die insoweit notwendigen Einzelanga-ben nicht bereits dem Patentanspruch,
sondern erst der allgemeinen Beschrei-bung oder den Ausführungsbeispielen entnehmen kann
([X.], Urteil vom 11.
Mai 2010

X
ZR
51/06, [X.], 901
Rn. 31

Polymerisierbare Ze-mentmischung, mwN). Bedarf es zur Feststellung,
ob ein im Patentanspruch vorgesehener Parameter eingehalten ist, einer Messung, kann die Erfindung in aller Regel nur dann als ausführbar angesehen werden, wenn die Patentschrift Angaben zur Messmethode enthält, in der Patentschrift auf eine in einer ande-ren [X.] hinreichend erläuterte Messmethode verwiesen wird oder 19
20
21
-
11
-
aber der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder seiner praktischen Erfahrung weiß, welches Messverfahren er anzuwenden hat (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des [X.], 6.
Aufl. 2010,
281 ff., mwN aus der Praxis).
Wie erläutert, kam aus Sicht des Fachmanns
neben der Reassoziations-kinetik nach dem Aufsatz von
[X.], auf den in
der Beschreibung des [X.] in Zusammenhang mit der [X.]efinition des Begriffes der Komplexität aus-drücklich hingewiesen wird
(Rn. 105), aufgrund des allgemeinen Fachwissens des Fachmanns
auch die
[X.]
als mögliche Methode zur Messung der Komplexität von [X.] in Betracht. Jedenfalls bei Anwendung der [X.]
war es dem Fachmann zum Prioritäts-zeitpunkt überdies auch praktisch möglich, [X.] herzustellen, deren Komplexität in dem
durch Merkmal 2.1 vorgegebenen Bereich lag.
Nach den schlüssigen Erläuterungen des gerichtlichen Sachverständigen
wird die menschliche [X.] nach der [X.] derart vorbereitet, dass diese zunächst mit einem molekularen Werkzeug, einem sog. Restrikti-onsenzym, in Stücke geschnitten
wird. [X.]abei erfolgen die Schnitte an den Stel-len der [X.], die eine bestimmte Abfolge von Basenpaaren aufweisen. [X.]iese Stellen kommen zufällig verteilt in der [X.] vor. Entsprechend entstehen unter-schiedlich große [X.]-Fragmente. [X.]ie [X.]-Fragmente werden durch Gelelekt-rophorese aufgetrennt, so dass sie nach
ihrer Größe geordnet im Gel vorliegen. [X.]ie
derart fraktionierte,
aufgetrennte und immobilisierte [X.] wird
mit einer
markierten [X.]-Sonde,
deren Basensequenz etwa aus Bibliotheken bekannt ist (vgl. dazu Rn. 207) und die mithilfe des gleichen Restriktionsenzyms herge-stellt worden sind, in
situ hybridisiert, so dass die Sonde
an den Fragmenten
22
23
-
12
-
der aufgetrennten [X.] anbinden, die die entsprechende [X.]-Sequenz auf-weist
(Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen S.
15 Abs. 3).

Wenngleich
sich die
Komplexität der Sonden mit der [X.]
nur näherungsweise bestimmen ließ, weil kleine repetitive Sequenzen dem Nachweis entgehen können
und zudem repetitive Sequenzen, die auf die ausgewählte Sonde beschränkt sind, nicht detektiert werden können, weil das jeweilige Fragment als Ganzes eine isolierte Bande erzeugt (vgl. dazu im [X.] Gutachten S.
15
f.), stand dem Fachmann damit
doch ein praktikables Verfahren zur Messung der Sondenkomplexität zur Verfügung,
wie sich etwa auch aus der [X.] ergibt ([X.],
S.
9664
rechte
Sp. Abs. 3) und der gerichtliche Sachverständige im Verhandlungstermin
zudem
ausdrücklich
bestätigt hat.
[X.]em stand nicht entgegen, dass die Sonden mittels eines Abkömmlings eines Bakteriophagen namens [X.] vermehrt wurden, das lediglich [X.]-Fragmente in einer Größe von maximal 22 KB aufnehmen kann (vgl.
Gut-achten S.
16
Abs. 4). [X.]enn
es war, wie der gerichtliche Sachverständige auf Nachfrage im Verhandlungstermin erläutert hat, dem Fachmann möglich, meh-rere Sonden nach der Klonierung wieder zu verbinden und derart auch Sonden mit einer signifikant höheren Komplexität als die in Merkmal 2.1 als unterer Schwellenwert geforderten 50 KB herzustellen.
Ob
mit der [X.]
darüber hinaus auch [X.] mit Werten erhalten werden können, die
nahe dem in Merkmal 2.1 vor-gesehenen oberen Schwellenwert von 10 [X.] kommen, ist von dem gerichtli-chen Sachverständigen zwar nicht bestätigt worden und kann daher auch nicht festgestellt werden.
[X.]em Erfordernis der deutlichen und vollständigen Offenba-rung
steht dies jedoch nicht entgegen, weil es
nach der ständigen
Rechtspre-chung des [X.] nicht erforderlich ist, dass alle denkbaren Ausgestaltungen 24
25
26
-
13
-
ausgeführt werden können. Vielmehr ist es
ausreichend, wenn ein gangbarer Weg zur Ausführung der Erfindung
offenbart worden ist ([X.], aaO Rn.
36

Polymerisierbare Zementmischung, mwN). Ein dem Sachverhalt der Entschei-dung "Thermoplastische Zusammensetzung"
([X.], Urteil vom 25.
Februar 2010

Xa
ZR
100/05
Rn. 23, [X.]Z 184, 300 =
[X.], 414) vergleichba-rer oder ähnlicher Fall ist hier nicht zu beurteilen.
I[X.] 1. [X.]as Patentgericht hat das patentgemäße Verfahren zum Färben von [X.] für neu gehalten und angenommen, dass es auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Aufsatz von Lichter, et al ([X.] 1988, 9664; [X.]) Untersuchungen zur In-situ-Hybridisierung von plasmidischer [X.] mit menschlicher [X.] sowohl in Meta-
als auch in [X.] zum Nachweis von Aberrationen des Chromosoms 21 betreffe. Ziel der [X.] sei es, eine schnelle und einfache klinische [X.]iagnose von Trisomie ([X.]own-Syndrom) bereitzustellen und diese insbesondere durch die direkte Analyse von [X.] zu er-leichtern. Zum Einsatz komme dabei auch eine farbstoffmarkierte Sonde mit einer Komplexität von 94 KB. Während der Nachweis der Translokation einer [X.] mit einer Sonde aber in der [X.] als erfolg-reich beschrieben werde, hätten die [X.] jedoch nur eine Markierung aufgewiesen, die der eines normalen Karyotyps entspreche und damit das [X.]own-Syndrom als mögliche [X.]iagnose ausschließe. Ferner würden [X.]oppelmarkierungstechniken, jedoch ohne weitere [X.]ifferenzierung, für die [X.] erwogen, mittels einer
direkten [X.]etektion das gesamte
Translokations-Chromosom mit dem [X.] identifizieren zu können. Es [X.] daher kein Färbeverfahren zum Nachweis genetischer [X.] unter Anwendung von zwei oder mehreren Sonden in [X.] offenbart, 27
-
14
-
weshalb jedenfalls die Merkmale 2.1 und 4 [3.1, 4 u. 4.1] nicht verwirklicht [X.].
Auch die Beiträge von [X.] ([X.]. [X.] 1989, 89; [X.] 6) und [X.] et al. ([X.]. [X.]. 1988, 235; [X.] 7) könnten die Neuheit nicht in Frage stellen. Beide [X.]en beschäftigten sich mit dem Nachweis von [X.] bei Tumorzellen durch In-situ-Hybridisierung in der [X.]. Während nach der [X.] 6 dabei jedoch repetitive Sonden mit einer Insertions-Sequenz von maximal 1,77 KB verwendet würden, kämen in dem in der [X.] 7 beschriebenen Verfahren Sonden zum Einsatz, die nach dem in der [X.] beschriebenen Verfahren hergestellt worden seien. Anga-ben zur Komplexität dieser Sonden enthalte jedoch keine der [X.].
[X.]as Verfahren nach Patentanspruch 1 sei auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt gewesen. In der [X.] werde nicht die Verwendung von unterschiedlich farbmarkierten Sonden mit der erfindungsgemäßen Komplexität zur [X.]etektion von Bruchstellenregionen in [X.] beschrieben. [X.]ie Entgegenhaltung vermittle auch keine Anregungen, die in Patentanspruch 1 angegebenen Maßnahmen im Zusammenhang zu ergreifen. Auf die [X.]oppel-markierungstechnik werde nur im Zusammenhang mit dem Nachweis von Translokationschromosomen an solchen verwiesen. Zu Bruchstellenregionen erhalte der Fachmann nur die Information, dass Sonden mit einer Komplexität von 6 KB sehr gut lokalisierbar seien und den Nachweis von Bruchstellenregio-nen erleichtern sollten. Eine Anregung, zum Nachweis von [X.] Sonden mit unterschiedlicher Farbmarkierung und der erfindungsgemäßen Komplexität einzusetzen, werde damit nicht gegeben.
28
29
-
15
-
Eine entsprechende Lehre werde dem Fachmann auch nicht in einer Zu-sammenschau mit den weiteren Entgegenhaltungen vermittelt. Insbesondere betreffe der Artikel von [X.] et al. (Histochemistry 1988, 1; [X.] 2) zwar [X.] nach der [X.]oppelmarkierungstechnik zur gleichzeitigen [X.]etektion unterschiedlicher [X.] in der [X.] unter Verwendung der In-situ-Hybridisierungstechnik. Zudem werde diese Technik auch als geeignet an-gesehen, relative Positionen von Gensequenzen in normalen und anormalen Karyotypen zu detektieren. [X.]ie [X.] enthalte aber keine Angaben zur Komplexität der verwendeten Sonden und könne daher nicht dazu anregen, von dem Hinweis in der [X.] auf die besondere Eignung kleiner Sonden abzu-weichen. [X.]ies treffe auch auf den Beitrag von [X.] et al. ([X.]. [X.]. 1986, 346; [X.] 5) zu, der die [X.]oppelmarkierungstechnik unter Verwendung unterschied-lich
farbmarkierter Sonden zum Nachweis von [X.] des Chromo-soms 18 in der [X.] zur [X.]iagnose von Trisomie 18 beschreibe.
2.
Auch gegenüber diesen Ausführungen des Patentgerichts greifen die von der Berufung erhobenen Bedenken nicht durch.
a) [X.]er Gegenstand von Patentanspruch 1 ist neu
(Art. 54, 138 Abs. 1 a EPÜ
i.[X.].
Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1
IntPatÜG).
[X.]ie [X.] beinhaltet Untersuchungen zum schnellen Nachweis von Ano-malien des menschlichen Chromosoms 21 im Hinblick auf Trisomie ([X.]own-Syndrom) durch In-situ-Hybridisierung mit Sonden
mit menschlicher [X.]NA, die mit einem Fluoressenzfarbstoff markiert sind.
[X.]abei wurden auch [X.] mit einer Komplexität von 94 KB
eingesetzt. Bei einem Patienten mit einer Translokation zwischen den Chromosomen 4 und 21
zeigte sich bei der Analyse der [X.]chromosomen, dass der Teil von Chromosom 21, den die Sonde repräsentierte, an Chromosom 4 verlagert war ([X.], S.
9665 rechte
30
31
32
33
-
16
-
Sp.
letzter Abs., Figur 1, Abbildungen L und M). [X.]emgegenüber wurde mit
den [X.] ein Ergebnis erhalten, das das [X.]own-Syndrom als mögliche [X.]iagnose ausschloss ([X.], aaO, Figur 1, Abbildung K). [X.]er [X.] ist zudem der Hinweis zu entnehmen, dass der direkte Nachweis eines translozierten [X.] in Zellkernen [X.]oppelmarkierungstechniken zur Identifizierung des Empfängerchromosoms erfordern würde, an welches sich das [X.] angeschlossen hat. Was im Einzelnen mit [X.]oppelmarkierungstechni-ken gemeint ist, wird allerdings nicht erläutert. Ob sich dem Fachmann im [X.] darauf, dass zwischen dem Chromosom 21 und dem [X.] unterschieden werden muss, gleichwohl ohne weitere Erläuterungen im Sinne eines "Mitlesens"
offenbart, dass Sonden verwendet werden müssen, bei denen die beiden Chromosomen voneinander unterschiedlich markiert werden (so Gutachten R.

S.
26), bedarf keiner abschließenden Beurteilung. [X.]enn
jedenfalls erschließt sich dem Fachmann aus der [X.] kein Färbeverfahren zum Nachweis von genetischen [X.] unter Anwendung von zwei oder mehreren Sonden in [X.], weil die insoweit mitgeteilten Versuche erfolglos waren.

b) [X.]er Gegenstand von Patentanspruch
1 ergab sich für den Fachmann auch nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik und beruht [X.] auf
einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 56, 138 Abs. 1 a) EPÜ i.[X.]. Art. II §
6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG).

Wie dargelegt, wird dem Fachmann in der [X.] nicht die Verwendung von unterschiedlich farbmarkierter Sonden mit der in Patentanspruch 1 vorgesehe-nen Komplexität zur [X.]etektion von Bruchstellenregionen in [X.] offenbart. Auch Anregungen, weiter in diese Richtung zu forschen, ergeben sich aus der [X.] nicht. [X.]enn
der Versuch, die Translokation einer [X.]-34
35
-
17
-
Subregion durch In-situ-Hybridisierung mit [X.] in [X.] nachzuweisen, hat sich nach den Angaben der Entgegenhaltung gerade als
nicht erfolgreich herausgestellt, während der Nachweis bei
Versuchen
in der [X.] geführt werden konnte.
Entsprechende Hinweise
ergaben sich auch nicht aus den
Entgegenhal-tungen [X.] 6 und [X.] 7. Beide Entgegenhaltungen betreffen zwar den Nachweis von [X.] bei Tumorzellen durch In-situ-Hybridisierung in der [X.], jedoch werden in der [X.] 6 repetitive Sonden mit einer Insertions-Sequenz von maximal 1,77 KB
eingesetzt ([X.] 6, 89 Abs. 3 i.[X.].
Tabelle 1, wäh-rend
die [X.] 7 Angaben zur Komplexität der verwendeten Sonden nicht enthält
([X.]
7, 235, Summary; 236
linke
Sp. Abs. 3 f.). [X.]adurch wird der Fachmann nicht dazu motiviert, für die In-situ-Hybridisierung in der [X.], [X.] mit der erfindungsgemäß vorgesehenen Komplexität einzusetzen.

[X.]em steht auch nicht entgegen, dass nach den Ausführungen des
ge-richtlichen
Sachverständigen viel dafür spricht, dass
bei der in der [X.] 7 be-schriebenen In-situ-Hybridisierung tatsächlich Sonden mit einer Komplexität von etwa 140 [X.], 98 [X.], 81 [X.], 43 [X.]
oder 22 [X.]
verwendet worden sind (Gut-achten R.

S.
27). Abgesehen davon, dass

entgegen der Annahme von
Prof. [X.]r. R.

die Verwendung von Sonden mit einer Komplexität von über
10 [X.]
nicht mehr vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 erfasst wird, weist dieser zutreffend darauf hin, dass die verschiedenfarbig markierten Sonden ei-ne komplexe und eine repetitive Sonde betrafen,
während erfindungsgemäß der Einsatz von mindestens zwei komplexen Sonden vorgesehen wird.
Ein Anlass, für die In-situ-Hybridisierung Nukleinsäuren der erfindungs-gemäß beanspruchten Komplexität zu verwenden, ergab sich schließlich auch nicht aus der
[X.] 5.
[X.]iese betrifft die [X.]etektion von [X.] in 36
37
38
-
18
-
menschlichen [X.]n durch die Visualisierung spezifischer Ziel-[X.]
durch radioaktive und nicht-radioaktive In-situ-Hybridisierungstechniken insbesondere bei der [X.]iagnose von Trisomie 18. [X.]abei wird vermutet, dass bei einer [X.]oppelmarkierung von Chromosomenregionen die Zusammenlagerung der unterschiedlichen Farbsignale im [X.]n-Zellkern eine spezifische Translokation zwischen diesen
Chromosomen anzeigen kann ([X.], 351 rechte
Sp.; Gutachten R.

S.
32). [X.]ie dabei eingesetzten Sonden haben jedoch nur
eine geringe Länge, so dass der Fachmann auch dieser Entgegenhaltung kei-nen Hinweis auf die erfindungsgemäß vorgesehene Komplexität der Sonden entnehmen konnte.
-
19
-
I[X.] [X.]ie Kostenentscheidung beruht auf §
121 Abs.
2 Satz 2 [X.] in [X.] mit §§
91, 97 ZPO.
Meier-Beck

Keukenschrijver

[X.]

Grabinski

Schuster
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 27.01.2009 -
3 Ni 78/06 ([X.]) -

39

Meta

X ZR 73/09

12.06.2012

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2012, Az. X ZR 73/09 (REWIS RS 2012, 5726)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5726

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

X ZR 141/13 (Bundesgerichtshof)

Patentfähigkeit der Bereitstellung einer für ein Humanprotein codierenden Nukleinsäuresequenz - Rezeptortyrosinkinase


X ZR 141/13 (Bundesgerichtshof)


3 Ni 68/16 (EP) (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Nicht-invasive pränatale Diagnose (europäisches Patent)" – zur wirksamen Inanspruchnahme einer Priorität bei fehlender …


X ZR 56/21 (Bundesgerichtshof)


X ZR 11/15 (Bundesgerichtshof)

Patentnichtigkeitsverfahren: Ausführbare Offenbarung eines In-vitro-Verfahrens zur Diagnose der Lyme-Borreliose - Borrelioseassay


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.