Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.01.2017, Az. X ZR 11/15

10. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 17276

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsverfahren: Ausführbare Offenbarung eines In-vitro-Verfahrens zur Diagnose der Lyme-Borreliose - Borrelioseassay


Leitsatz

Borrelioseassay

Ein In-vitro-Verfahren, bei dem mit einem durch seine offenbarte Aminosäurensequenz und der für diese codierenden Nukleinsäuresequenz definierten Polypeptid oder mit Polypeptiden, für die im Patent nicht näher bestimmte Segmente der Nukleinsäuresequenz codieren, auf eine spezifische immunologische Bindung getestet werden kann (hier: auf gegen Borrelia burgdorferi gerichtete Antikörper), ist insgesamt ausführbar offenbart, wenn das Verfahren mit einem der vollen Sequenzlänge entsprechenden Polypeptid mit einem praktisch brauchbaren Ergebnis ausgeführt werden kann, auch wenn besser geeignete Segmente nicht ohne erfinderisches Bemühen aufgefunden werden können.

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 3. Senats ([X.]) des [X.] vom 30. September 2014 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des am 20. Februar 1997 unter Inanspruchnahme der Priorität einer [X.] Patentanmeldung vom 21. Februar 1996 angemeldeten und mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 894 143 (Streitpatents), dessen Ansprüche 1, 2, 8, 9, 13, 15 und 16 in der nach Durchführung eines [X.] geänderten Fassung der Patentschrift in der Verfahrenssprache lauten:

1. An [X.]

(a) having at least 85 % [X.]. 2, and

(b) which specifically binds with antibodies raised against a polypeptide having the amino acid sequence of SEQ ID No. 2.

2. An isolated nucleic acid segment comprising

(a) the nucleic acid sequence of SEQ ID No. 1, or

(b) the complement of (a).

8. An [X.] encoded by a nucleic acid according to any one of claims 2 to 6.

9. [X.], further defined as an isolated polypeptide which specifically binds with antibodies raised against a polypeptide having at least the amino acid sequence of SEQ ID No. 2.

13. A purified antibody that specifically binds to the polypeptide of claim 9.

15. An in-vitro method of diagnosing Lyme disease comprising probing a sample from a subject, for the presence of a nucleic acid segment of any of claims 2 to 6, or an [X.] 9.

16. An in-vitro method of assaying Borrelia infection comprising

(a) obtaining an [X.] 9 or a polypeptide that binds immunologically to such an antibody;

(b) [X.]; and

(c) determining, whether immunologic binding occurs between the antibody and a polypeptide or between the polypeptide and an antibody in the sample;

wherein immunologic binding is indicative of Borrelia infection.

2

Die Klägerin hat das Streitpatent mit ihrer Nichtigkeitsklage, deren Abweisung die Beklagte beantragt hat, im Umfang seiner Ansprüche 13, 15 und 16 angegriffen und geltend gemacht, insoweit gehe sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten, als internationale Anmeldung [X.] 97/31123 veröffentlichten Fassung hinaus, sei der Schutzbereich des Patents erweitert, seine Lehre nicht so vollständig und deutlich offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und sei die Erfindung nicht patentfähig.

3

Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Nichtigerklärung des Streitpatents im Umfang der Ansprüche 13, 15 und 16 weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Patentgericht hat das Streitpatent und die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe zutreffend beurteilt.

5

I. Das Streitpatent betrifft Antigene und Antikörper, die für die Diagnose einer Borrelioseform verwendet werden können, die nach dem Ort ihrer Erstbeschreibung [X.]-Borreliose genannt wird und deren Erreger das [X.]erium [X.] burgdorferi ist. Es betrifft ferner die für die ([X.] Nr. 2 des Streitpatents kodierende ([X.] und Segmente derselben sowie Verfahren zu deren Verwendung.

6

1. [X.] ist, wie in der Beschreibung des Streitpatents erläutert wird, eine durch pathogene Spirochäten des Genus [X.] übertragene bakterielle Infektion. Sie sei, so führt die Patentschrift aus, in ihrem Verlauf schwer zu diagnostizieren, da sie oft untypische und mit anderen Infektionen überlappende Verlaufsformen zeige. Da die Krankheit darüber hinaus auch zu Lähmungen führen könne, bestehe ein dringendes Bedürfnis für deren effektive therapeutische und prophylaktische Behandlung. Eine Möglichkeit der Diagnose sei im Stand der Technik im Nachweis von Bestandteilen des Erregers gesehen worden.

7

In der Streitpatentschrift wird des Weiteren das endemische rezidivierende Fieber als eine durch andere [X.]-Spezies, insbesondere B. hermsii, hervorgerufene und in zwei oder mehr "Rückfällen" auftretende epizotische Infektion beschrieben, deren erste Welle durch [X.]e verursacht werde, die ein bestimmtes variables Hauptprotein (Variable Major Protein, [X.]) exprimierten. Entwickle ein Patient nach einer Infektion Antikörper gegen dieses Protein, würden die [X.]erien dieses Stereotyps zerstört und die Krankheitssymptome klängen ab. Unter dem Druck des Immunsystems trete jedoch bei einem Teil der noch im Wirt vorhandenen [X.] eine antigene Veränderung in Richtung eines anderen Stereotyps auf. Diese veränderten Erreger würden von den gebildeten Antikörpern nicht mehr erkannt, so dass sie sich vermehrten und einen erneuten Fieberschub auslösen könnten.

8

Ähnliche Mechanismen der antigenen Variation würden auch für [X.] angenommen, da diese Erkrankung trotz des Auftretens von [X.] und zellulärer Immunantwort im Allgemeinen ebenfalls über Monate und Jahre andauere, was auf ein effektives Umgehen der Immunantwort hindeute. Von [X.] burgdorferi seien bisher verschiedene Gene und Proteine charakterisiert worden, einschließlich der äußeren Oberflächenproteine ([X.]) [X.] bis OspD. Befriedigende Lösungsansätze für eine zuverlässige Diagnose der [X.]-Borreliose hätten sich hieraus aber nicht ergeben, so dass weiterhin ein Bedarf nach geeigneten diagnostischen Kits bestehe.

9

2. Das Patentgericht hat es in Anlehnung an die Patentschrift (Abs. 8 [= Abs. 9 der [X.] Übersetzung 697 33 944 [X.]]) rechtsfehlerfrei als der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe bezeichnet, Mittel und Verfahren für (die Behandlung und) den zuverlässigen Nachweis der [X.]-Borreliose (oder genauer: einer Infektion mit dem Erreger derselben) bereitzustellen.

3. Zur Lösung des Problems schlägt das Streitpatent mit den angegriffenen Ansprüchen einen aufgereinigten Antikörper und Verfahren mit folgenden Merkmalen vor (in Fettdruck die von der Klägerin - substantiiert - allein angegriffenen Alternativen):

Anspruch 13

13 einen aufgereinigten Antikörper, der spezifisch an ein isoliertes immunogenes Polypeptid bindet,

13.1 für das eine Nukleinsäure codiert, welche die ([X.] oder eine komplementäre Sequenz umfasst, und

13.2 das spezifisch an Antikörper bindet, die gegen ein Polypeptid erzeugt wurden, das zumindest die ([X.] Nr. 2 aufweist.

Anspruch 15

15 [X.] zur Diagnose der [X.]-Borreliose, umfassend die Untersuchung einer Probe eines Subjekts auf das Vorliegen

15.1 eines [X.] nach den Patentansprüchen 2 bis 6,

15.2 eines [X.], für das eine Nukleinsäure codiert, welche die ([X.] oder eine komplementäre Sequenz umfasst, oder

15.3 eines Antikörpers, der immunologisch an ein Polypeptid bindet,

15.3.1 für das eine Nukleinsäure codiert, welche die (Nukleinsäure-)Sequenz Nr. 1 oder eine komplementäre Sequenz umfasst, und

15.3.2 das spezifisch an Antikörper bindet, die gegen ein Polypeptid erzeugt wurden, das zumindest die (Aminosäure-)Sequenz Nr. 2 aufweist.

Anspruch 16

16 [X.] zum Nachweis einer [X.]-Infektion, umfassend:

16.1 Erhalten eines

16.1.1 Antikörpers, der immunologisch an ein Polypeptid bindet,

16.1.1.1 für das eine Nukleinsäure codiert, welche die ([X.] oder eine komplementäre Sequenz umfasst, und

16.1.1.2 das spezifisch an Antikörper bindet, die gegen ein Polypeptid erzeugt wurden, das zumindest die ([X.] Nr. 2 aufweist, oder

16.1.2 [X.], das immunologisch an einen solchen Antikörper bindet,

16.2 Mischen einer von einem Subjekt erhaltenen Probe mit dem Antikörper oder Polypeptid und

16.3 Bestimmung, ob eine immunologische Bindung zwischen dem Antikörper und einem Polypeptid in der Probe oder zwischen dem Polypeptid und einem Antikörper in der Probe auftritt, wobei die Bindung einen Hinweis auf eine [X.]-Infektion darstellt.

4. Die Streitpatentschrift erläutert, die Erfindung offenbare eine repetitive DNA-Sequenz einer Länge von etwa 500 Basenpaaren, die in multiplen, nicht identischen Kopien in einem Plasmid infektiöser [X.] burgdorferi, dem Erreger der [X.]-Borreliose, vorliege. Diese codiere für ein oberflächenexponiertes Lipoprotein, das Sequenzähnlichkeit zu dem variablen Hauptprotein ([X.]) in [X.] hermsii aufweise (Abs. 105, 124 der Beschreibung [= Abs. 123, 142 [X.]]). Es sei erstmals in [X.] identifiziert worden; wegen der Ähnlichkeit mit dem [X.] spricht das Streitpatent von [X.]-ähnlichen Sequenzen ([X.]-like sequences - Vls) (Abs. 107, 125 [= Abs. 125, 143 [X.]]). Über die genetische Organisation der Vls-Stelle lehrt das Streitpatent, dass diese aus einer exprimierten und 15 ruhenden Vls-Kassetten bestehe, die ihrerseits konservierte und variable Regionen aufwiesen. Die konservierten Sequenzen seien dabei für die Rekombination zwischen der exprimierten und den ruhenden Vls-Sequenzen wesentlich, wobei die genetische Diversität in den variablen Regionen der [X.] ([X.]) zu beobachten sei (Abs. 106, 110, 120 [Abs. 124, 128, 138 [X.]]). Für die [X.]-Stelle werden daher die exakte Nukleinsäuresequenz (Sequenz Nr. 1 des Streitpatents) und die 356 Aminosäuren umfassende Aminosäuresequenz (Sequenz Nr. 2) angegeben.

5. Das Patentgericht hat die erfindungsgemäße Lehre, soweit für das Berufungsverfahren von Interesse, wie folgt weiter erläutert:

Unter einem Polypeptid im Sinne des Merkmals 16.1.2 sei nicht wegen des Singulars (a polypeptide) allein das Polypeptid mit der Sequenznummer 2 (in [X.]) zu verstehen. Dieses stelle zwar das zentrale Polypeptid der erfindungsgemäßen Lehre dar. Hierauf werde der Fachmann - ein Team aus einem auf dem Gebiet der Immunologie tätigen Molekularbiologen oder Biochemiker und einem klinisch tätigen Mediziner - aber das Polypeptid nach Merkmal 16.1.2 nicht reduzieren. Denn der Beschreibung (Abs. 146-155 [= Abs. 166-175 [X.]]) entnehme er, dass auch als [X.]en (epitopic core sequences) bezeichnete Polypeptide als zur Erfindung gehörend einzubeziehen seien, von denen das Streitpatent lehre, dass sie aufgrund ihrer konservierten Regionen immunologisch kreuzreaktiv mit einem oder mehreren [X.] seien (z.B. Kreuzreaktivität zwischen einem [X.]-burgdorferi-sensu-stricto-[X.]-Peptid und einem gegen eine [X.]-Stelle der Spezies B. afzelii gerichteten Antikörper) und primäre, sekundäre oder tertiäre Strukturen aufwiesen, die einem Epitop im Vls-Protein ähnelten, wobei der Grad der Ähnlichkeit nur so hoch sein müsse, dass ein mono- oder polyklonaler Antikörper an das Polypeptid mit einer [X.] binde oder dieses anderweitig erkenne (Abs. 146 f. [= Abs. 166 f. [X.]]). In den [X.]en erkenne der Fachmann somit einen Pool von [X.], die sich durch ihre Abstammung aus konservierten Regionen der [X.] und ihre daraus resultierende Kreuzreaktivität zum Nachweis zahlreicher gegen die [X.]-Stelle gerichteter Antikörper eigneten. Dagegen spreche auch nicht der Rückbezug in Patentanspruch 16 auf Patentanspruch 9. Dieser werde aus fachmännischer Sicht nicht als stoffliche Definition der im Verfahren nach Patentanspruch 16 als diagnostische Nachweisreagenzien einsetzbaren Polypeptide verstanden, sondern lediglich als Hinweis auf die Spezifität der Antikörper, mit denen diese Polypeptide eine immunologische Bindung eingingen. Demnach handele es sich bei den Antikörpern um solche, die gegen das Polypeptid der Sequenz Nr. 2 und damit die [X.]-Stelle gerichtet seien. Die Sequenz Nr. 2 bestimme damit nicht nur den Kreis der für die Diagnose einer [X.]-Infektion in Frage kommenden Antikörper, sondern indirekt auch die für den Nachweis dieser Antikörper geeigneten Polypeptide, da nur Polypeptide mit einer gewissen Ähnlichkeit zur Sequenz Nr. 2 in der Lage seien, die immunologische Bindung mit den Anti-[X.]-Antikörpern eingehen zu können. Varianten der Sequenz Nr. 2 werde der Fachmann auch deshalb in Betracht ziehen, weil für den immunologischen Nachweis spezifischer Antikörper regelmäßig mehrere Antigene verwendet würden und dem Fachmann bekannt sei, dass in der Immundiagnostik neben [X.]nproteinen häufig auch trunkierte Proteine als Epitope eingesetzt würden. Schließlich ergebe sich auch aus der Verwendung des [X.]nproteins in Beispiel 11 des Streitpatents nichts anderes.

6. Dieses sorgfältig begründete Verständnis der erfindungsgemäßen Lehre greift die Berufung ohne Erfolg an.

Schon der Wortlaut des Patentanspruchs 16 spricht nicht für sie; erst recht kann keine Rede davon sein, dass die Auslegung des Patentgerichts, wie die Berufung meint, weit über den Wortsinn hinausginge. Der Patentanspruch setzt als ersten Schritt des [X.] (Merkmal 16.1) das Erhalten eines Antikörpers oder eines [X.] voraus, der im zweiten Schritt (Merkmal 16.2) mit der auf eine Antigen-Antikörper-Reaktion zu untersuchenden Probe in Verbindung gebracht wird. Im dritten Schritt (Merkmal 16.3) wird dann bestimmt, ob eine borrelia-(burgdorferi-)spezifische immunologische Reaktion erfolgt ist. Der Antikörper ist in Merkmal 16.1.1 dadurch charakterisiert, dass er spezifisch an die Sequenz Nr. 2 bindet; nur insoweit geht es um eine bestimmte Sequenz. Das Polypeptid (Antigen) ist hingegen dadurch charakterisiert, dass es an einen Antikörper im Sinne des Merkmals 16.1.1 bindet. Damit sind, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, sowohl Antikörper als auch Antigen nur durch ihre spezifische Bindung, nicht aber durch ihre [X.] definiert; ausdrücklich bemerkt die Streitpatentschrift, dass zur erfindungsgemäßen Verwendung etwa acht bis zwanzig Aminosäuren lange Peptide bevorzugt würden (Abs. 149 [= Abs. 169 [X.]]). Wenn das Patentgericht - etwas missverständlich - davon spricht, der "Begriff 'Erhalten eines Polypeptides'" sei "als Synonym für eine Vielzahl von [X.]" zu interpretieren, ersetzt es daher nicht die Einzahl durch die Mehrzahl, sondern bringt lediglich zum Ausdruck, dass eine Vielzahl von Antigenen den Polypeptidbegriff ausfüllen kann. Die Ausführungen des Patentgerichts zu den [X.]en sind daher nur konsequent.

Die mithin für die Definition des [X.] im Sinne des Merkmals 16.1.2 entscheidende spezifische Bindung kommt in Patentanspruch 16 nicht nur in Merkmal 16.1.1.2 zum Ausdruck, sondern auch in Merkmal 16.3, da die mit dem Polypeptid entsprechend Merkmal 16.2 in Verbindung gebrachte Probe mittels des geschützten [X.] - dessen Zweck entsprechend - nicht auf irgendeine immunologische Bindung analysiert wird, sondern darauf, ob eine Bindung auftritt, die einen Hinweis auf eine [X.]-(burgdorferi-sensu-lato-)Infektion darstellt (is indicative of [X.] infection). Das Verfahren wird damit auch nicht - wie die Berufung meint - durch zwei Unbekannte definiert, denn Patentanspruch 16 dient nicht dazu, dem Fachmann anzugeben, wie er ein im Sinne des Merkmals 16.1.2 geeignetes Polypeptid auszuwählen hat. Es versteht sich vielmehr, dass bei der Ausführung des Verfahrens nur ein Polypeptid verwendet werden kann, von dem der Fachmann - aufgrund der Beschreibung des Streitpatents oder eigener Orientierungsversuche - weiß, dass es zur spezifischen Bindung im Sinne des Merkmals 16.1.1.2 geeignet ist und demgemäß aufgrund dieser Bindung als Indikator der Borrelieninfektion im Sinne des Merkmals 16.3 verwendet werden kann.

Ein anderes Auslegungsergebnis ergibt sich auch nicht aus der Beschränkung des Streitpatents im Einspruchsverfahren, wie das Patentgericht gleichfalls zutreffend ausgeführt hat. Die angegriffenen Patentansprüche sind im Einspruchsverfahren unverändert geblieben. Inwieweit Ansprüche auf Teile der Sequenz Nr. 2 gestrichen worden sind, ist unerheblich, da die Sequenz in den angegriffenen Patentansprüchen nur als Bezugspunkt für die Bindungsspezifität dient. Der Entscheidung der [X.], die sich zu den Ansprüchen 15 und 16 nicht weiter verhält, ist kein abweichendes Verständnis zu entnehmen. Es ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die [X.] davon spricht, die Erfindung [X.] den Weg zu einer zuverlässigeren Diagnose der [X.]-Borreliose "with appropriate immunogenic polypeptides (see claims 8 to 9) … [and] in vitro methods for the use of the same" ([X.] - 3.3.08 vom 16. Dezember 2009 unter [X.]). Eine bestimmte Definition der im Kontext der Patentansprüche 15 und 16 "geeigneten" immunogenen Polypeptide kommt darin nicht zum Ausdruck; sie wäre im Übrigen für das Patentnichtigkeitsverfahren auch nicht bindend.

II. Ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Annahme des Patentgerichts, der Gegenstand der angegriffenen Patentansprüche gehe nicht über die [X.] in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

1. Das Patentgericht hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die in der - den ursprünglichen [X.] entsprechenden - internationalen Patentanmeldung formulierten Ansprüche 13 und 23, die sich mit der Diagnose der [X.]-Borreliose bzw. dem Nachweis einer Borrelieninfektion befassten, seien - anders als die Patentansprüche 15 und 16 - zwar nicht auf den Nachweis eines nativen Antikörpers, sondern eines nativen Proteins gerichtet. In der Beschreibung fänden sich aber wiederholt Angaben dazu, dass die anmeldungsgemäße Lehre auch einen Kit zur Diagnose der [X.]-Borreliose sowie damit verwandter Krankheitsbilder umfasse, der Proteine für den Nachweis von Antikörpern im Serum infizierter Menschen oder Tieren enthalte (WO 97/31123, [X.], [X.] 8/9 iVm [X.] 12-20 und [X.], [X.] 10-12 sowie [X.]8 f. zu 4.3). Eine entsprechende Stütze für eine auf dem Nachweis von Antikörpern basierende In-vitro-Diagnostik finde sich auch in den Ansprüchen 14 und 24 der Anmeldung, die isolierte Polypeptide sowie einen diese Polypeptide enthaltenden immundiagnostischen Kit zum Nachweis von Anti-[X.]-Antikörpern beschrieben. Demzufolge führe die "Umwandlung" des im ursprünglichen Anspruch 23 genannten [X.] in einen Antikörper-Test, wie er in den Patentansprüchen 15 und 16 beschrieben wird, zu keinem vom [X.]sgehalt der [X.] abweichenden Sinngehalt.

Zu Unrecht vermisse die Klägerin auch Beispiele, in denen die [X.] der Patentansprüche 15 und 16 ursprünglich offenbart seien. Beispiel 11 des Streitpatents wie schon seiner Anmeldung beschreibe [X.], bei denen u. a. die Anti-[X.]-Antikörper im Serum eines mit einem [X.] infizierten Patienten durch ihre Bindung an das [X.]-Protein bzw. davon abgeleitete [X.]-Varianten nachgewiesen würden ([X.] f. [X.]). Damit werde ein In-vitro-Test offenbart, bei dem entsprechend der Lehre der Patentansprüche 15 und 16 das Polypeptid der Sequenz Nr. 2 sowie Derivate davon für den Nachweis von Anti-[X.]-Antikörpern verwendet würden.

Fehl gehe auch der Einwand der Klägerin, die ursprünglichen [X.] offenbarten kein diagnostisches Verfahren, bei dem Antikörper mit beliebigen [X.] wie in den Patentansprüchen 15 und 16 nachgewiesen würden. Aus fachmännischer Sicht kämen in diesen Verfahren aufgrund des spezifischen Nachweises von Anti-[X.]-Antikörpern nicht beliebige Polypeptide zum Einsatz, sondern nur diejenigen aus dem Polypeptidpool mit [X.]en, die von Anti-[X.]-Antikörpern erkannt würden und demzufolge Varianten des stofflich definierten [X.]-[X.] mit der Sequenz Nr. 2 darstellten. Für einen solchen Polypeptidpool finde sich in den ursprünglichen Unterlagen in dem mit der Bereitstellung von [X.]en befassten Kapitel 4.4 auch eine entsprechende Stütze ([X.]9, [X.] 23 bis [X.], [X.] 14).

2. Diese zutreffenden Ausführungen bedürfen keiner Ergänzung. Entgegen der Auffassung der Berufung ist es unschädlich, dass die [X.] nicht ausdrücklich ein Verfahren zum [X.] beanspruchen. Für den Fachmann ist offensichtlich, dass die offenbarten und beanspruchten, an solche Antikörper bindende Polypeptide enthaltende Kits zum Nachweis der Antikörper dienen sollen. Der Kit "verkörpert" geradezu das in den Patentansprüchen 15 und 16 bezeichnete Verfahren. Verfahrensmerkmale, die über die Bereitstellung und bestimmungsgemäße Verwendung eines solchen Kits hinausgingen, sind den Patentansprüchen nicht zu entnehmen.

Soweit das Patentgericht von der "Umwandlung" des im ursprünglichen Anspruch 23 genannten Antigentest in einen [X.] spricht, hat es damit lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass der [X.] auch ursprungsoffenbart ist.

Ebenso unerheblich ist es, dass, wie die Berufung meint, [X.]en nicht "im Zusammenhang mit den diagnostischen Verfahren der Ansprüche 15 und 16" ursprungsoffenbart seien. Es genügt, dass die Kernsequenzen als wesentlich für die [X.] offenbart sind.

III. Zutreffend hat das Patentgericht ferner eine Schutzbereichserweiterung verneint.

1. Es hat angenommen, der Schutzbereich der Patentansprüche 15 und 16 sei nicht dadurch erweitert, dass diese - weiterhin - stofflich nicht näher definierte Polypeptide umfassten, obwohl die stofflich definierten Peptidfragmente des ursprünglich erteilten Patentanspruchs 1 sowie die [X.] und d des erteilten Patentanspruchs 2, die auf isolierte Nukleinsäuresequenzen mit einer Länge von 20 Basenpaaren gerichtet gewesen seien, im Einspruchsverfahren ersatzlos gestrichen worden seien. Die Bereitstellung von aus der [X.] abgeleiteten [X.]en, die von Anti-[X.]-Antikörpern erkannt würden und sich daher für eine Borrelien-Diagnostik eigneten, sei auch mit Blick auf die Ansprüche 15 und 16 in der beschränkten Fassung des Streitpatents in unveränderter Weise offenbart. Deshalb gehörten nicht nur das Polypeptid der Sequenz Nr. 2, sondern auch davon abgeleitete, stofflich nicht näher definierte Peptidfragmente, die mit Anti-[X.]-Antikörpern eine Bindung eingingen, weiterhin zu der im Streitpatent offenbarten technischen Lehre, so dass deren Einbeziehung in die Patentansprüche 15 und 16 nicht zu einer Schutzbereichserweiterung führe.

2. Die Angriffe der Berufung hiergegen sind unbegründet. Insoweit gilt nichts anderes als für die entsprechenden Einwände gegen die Ursprungsoffenbarung.

IV. Die Erfindung ist so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann sie ausführen kann.

1. Das Patentgericht hat hierzu ausgeführt, die stofflich nicht näher definierten Polypeptide, die in den [X.] der Patentansprüche 15 und 16 zum Nachweis der in den [X.] enthaltenen Anti-[X.]-Antikörper verwendet würden, stellten keine unzulässige Verallgemeinerung dar, der zufolge die Lehre der Patentansprüche 15 und 16 nicht verwirklicht werden könne. Das Streitpatent enthalte mit dem darin genannten Beispiel 11 zum einen ein Ausführungsbeispiel, welches das Prinzip der in den Patentansprüchen 15 und 16 beschriebenen [X.] anhand von [X.] beschreibe (Abs. 259 [= Abs. 279 [X.]]). Die in der Figur 6E gezeigten Ergebnisse für das im Beispiel 11 getestete Patientenserum ließen erkennen, dass die Anti-[X.]-Antikörper im Serum des Patienten nicht nur mit dem Polypeptid der Sequenz Nr. 2 aus dem Klon [X.]-5A3 bzw. dem [X.] reagierten (Abs. 259 f. [= Abs. 279 f. [X.]]), sondern auch mit den [X.]-Varianten M1e4A und [X.] (Abs. 259 f. [= Abs. 279 u. 281 [X.]]). Die Tatsache, dass die in der Figur 6E gezeigten [X.]-Varianten M1e4A und [X.] dabei eine schwächere immunochemische Bindung zu den Anti-[X.]-Antikörpern zeigten als das [X.]-Polypeptid der Sequenz Nr. 2, belege nicht das Versagen des Tests, sondern liefere vielmehr die Bestätigung dafür, dass Anti-[X.]-Antikörper auch an die in den Patentansprüchen 15 und 16 genannten [X.]-Varianten bänden und es bei den [X.] nicht auf die Intensität der einzelnen Signale, sondern auf deren grundsätzliche Nachweisbarkeit ankomme. Mit den aus Beispiel 11 erhaltenen Ergebnissen der Figur 6E offenbare das Streitpatent demzufolge einen ausführbaren Weg zur Durchführung der beanspruchten [X.].

Zum anderen gebe das Streitpatent genügend Informationen, um dem Fachmann unter zumutbarem Aufwand die praktische Realisierung der beanspruchten Verfahren zu ermöglichen. In der Streitpatentschrift fänden sich nicht nur Angaben dazu, dass die [X.] der Patentansprüche 15 und 16 als antikörperbasiertes Nachweisverfahren (Enzyme Linked Immunosorbent Assay, ELISA) durchgeführt werden könnten, sondern auch, welche strukturellen und funktionellen Eigenschaften die darin als Antigen verwendeten [X.]en aufweisen müssten und auf welche Weise diese erhalten würden (Abs. 142-145 [= Abs. 162-165 [X.]] und 146-155 [= Abs. 166-175 [X.]]). Hinzu komme, dass - wie ausgeführt - die patentgemäßen [X.]en aus den konservierten Regionen der Sequenz Nr. 2 stammen müssten, um kreuzreaktive Bindungen mit verschiedenen Anti-[X.]-Antikörpern eingehen zu können, so dass entgegen der Auffassung der Klägerin auch die Zahl der als [X.]en in Frage kommenden Polypeptide nicht unendlich sei und das Auffinden geeigneter [X.]en vom Fachmann keinesfalls die Durchführung eines umfangreichen Forschungsprogramms erfordere. Einer deutlichen und vollständigen [X.] stehe auch nicht entgegen, dass die Patentansprüche 15 und 16 neben tauglichen auch untaugliche Varianten mit umfassten, da es zum allgemeinen Wissen und Können eines im Bereich der Immunologie tätigen Fachmanns gehöre, für einen ihm bekannten Antikörper geeignete Epitope zu ermitteln. Zu einer gegenteiligen Beurteilung der Sachlage gebe auch die Aussage des Streitpatents, dass einige Seren von an [X.]-Borreliose leidenden Patienten mit manchen [X.]-Varianten nicht reagierten, keinen Anlass. Dadurch würden nicht sämtliche patentgemäßen Epitope als untauglich eingestuft. Es werde vielmehr lediglich darauf hingewiesen werden, dass derartige [X.]-Varianten die Expression und [X.] von [X.] in vivo bestätigten (Abs. 261 [= Abs. 282 [X.]]).

Für ihre Behauptung, dem Fachmann werde nicht vermittelt, wie er mit den streitpatentgemäßen Verfahren zwischen [X.] burgdorferi und [X.] hermsii unterscheiden könne, biete die - insoweit darlegungspflichtige - Klägerin keinerlei Beweismittel an. Bloße Zweifel reichten hierzu nicht aus.

2. Auch dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand.

a) Schon die erste Begründungslinie des angefochtenen Urteils trägt das vom Patentgericht gewonnene Ergebnis, dass die in den angegriffenen Patentansprüchen bezeichnete geschützte Erfindung ausführbar offenbart ist.

Zwar mag die Berufung zu Recht beanstanden, dass das Patentgericht angenommen hat, von den in dem Wirtsorganismus aufgrund von Rekombination entstehenden neuen [X.], die im Streitpatent als M1e4A und [X.] bezeichnet werden, zeigten im Beispiel 11 beide eine positive Reaktion, während eine solche Reaktion tatsächlich nur für den Klon [X.] erkennbar ist. Darauf kommt es aber nicht an. Die Klägerin stellt nicht in Frage, dass die erwartete [X.] nicht nur bei dem - das [X.] des Streitpatents umfassenden - [X.], sondern auch bei der [X.]-Variante auftrat. Damit ist aber dem Fachmann die Eignung des [X.]npolypeptids für den Nachweis einer im Sinne der Merkmale 16.1.1.2 und 16.3 spezifischen, als Infektionsindikator tauglichen immunologischen Bindung und somit ein möglicher Weg für die Ausführung des beanspruchten Verfahrens aufgezeigt. Dass hierbei - was ohnehin niemals vollständig vermeidbar sein dürfte - unter Umständen [X.] Ergebnisse auftreten, ist unerheblich. Die Ausführbarkeit setzt nicht voraus, dass der bestmögliche Weg zur Verwirklichung der erfindungsgemäßen Lehre aufgezeigt wird.

Die ausführbare [X.] rechtfertigt nicht nur den Schutz eines [X.], in dem eben dieses [X.]npolypeptid verwendet wird, sondern auch den Schutz von Verfahren, die sich eines Fragments dieses Peptids bedienen. Denn mit dem Aufweisen der Sequenz Nr. 2 und ihrer immunologischen Bedeutung hat der Erfinder den entscheidenden Beitrag geliefert, der es ermöglicht, mit der Sequenz in ihrer Gesamtheit oder einzelnen Segmenten den erfindungsgemäßen Erfolg zu erzielen. Dies gilt auch dann, wenn mit einem solchen Segment - wie mit dem von den Parteien diskutierten, von der sechsten konservierten und jedenfalls für den Hauptteil der stabilen Immunantwort verantwortlichen Region der Sequenz Nr. 2 abgeleiteten C6-Peptid - (deutlich) überlegene Ergebnisse erzielt werden können und die Auffindung der Eignung dieses Segments ihrerseits eine erfinderische Tätigkeit erfordern sollte. Das Streitpatent lehrt den Fachmann, dass das Polypeptid mit der Sequenz Nr. 2 nicht in seiner Gesamtheit, sondern mit bestimmten [X.] für die Antigen-Antikörper-Reaktion verantwortlich ist. Auch wenn diese Epitope nicht konkret bezeichnet werden und das Streitpatent auch nicht angibt, in welcher konservierten Region sie zu finden sind, bedient sich deswegen auch derjenige der erfindungsgemäßen Lehre, der solche Epitope auffindet und anstelle des Gesamtpeptids verwendet. Nach der in einem solchen Fall gebotenen wertenden Betrachtung dessen, was die Erfindung ausmacht und worin sie ihren allgemeinsten Ausdruck findet (vgl. dazu [X.], Urteil vom 25. Februar 2010 - [X.], [X.]Z 184, 300 - Thermoplastische Zusammensetzung), gebührt dem Ersterfinder ein umfassender Schutz, der nicht schon dann leerläuft, wenn Ausführungsformen der Erfindung verwendet werden, die nicht der zunächst allein konkret offenbarten, noch unzulänglichen Form entsprechen, sondern sich einer theoretisch wie praktisch überlegenen Weiterentwicklung bedienen. Voraussetzung hierfür ist nur, dass die offenbarte Ausführungsform überhaupt praktisch brauchbar ist; dies ist indessen, wie ausgeführt, hier der Fall.

b) Hiernach kommt es auf die weiteren Ausführungen des Patentgerichts nicht mehr an, dass die Ermittlung geeigneter antigener Epitope keinen unzumutbaren Aufwand für den Fachmann erfordere, vielmehr aufgrund der Angaben der Patentschrift hierzu und dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns möglich sei. Allerdings legt die Klägerin auch [X.] nicht hinreichend dar, dass diese Beurteilung des fachkundig besetzten Patentgerichts nicht zutrifft. Dass sich die Eignung möglicher Epitope nicht theoretisch vorhersagen lässt, ist dafür nicht zureichend.

c) Auch unter dem Gesichtspunkt der Kreuzreaktivität zwischen [X.] burgdorferi und [X.] hermsii fehlt es nicht an der Ausführbarkeit der Erfindung. Insbesondere belegt es nicht die mangelnde Eignung der erfindungsgemäßen Polypeptide, dass auch Patienten mit Rückfallfieber mit dem C6-Peptid reagieren mögen.

Die Kreuzreaktivität wird nicht nur im Stand der Technik, sondern ebenso im Streitpatent angesprochen und ist auch vom Patentgericht nicht übersehen worden. Zum einen kann jedoch aus den vorstehend zu b angeführten Gründen nicht festgestellt werden, dass es dem Fachmann - bei einer Homologie von 30 bis 50 % zwischen [X.] burgdorferi und [X.] hermsii - nicht möglich ist, die Spezifität der immunologischen Bindung des erfindungsgemäßen [X.] zu verbessern. Zum anderen schließen im Einzelfall mögliche falsch-positive Ergebnisse ebenso wenig wie [X.] die Ausführbarkeit und praktische Brauchbarkeit des Verfahrens aus. Auch in der von der Klägerin vorgelegten Veröffentlichung von [X.] et al. in [X.]. [X.]. 15 (2008), 1796 ([X.]) ist insoweit lediglich von "[X.]" die Rede. In dem von der Beklagten vorgelegten Gutachten     E.  wird im Übrigen unwidersprochen darauf hingewiesen, dass [X.] und [X.]-Borreliose über die Anamnese und das klinische Bild gut voneinander abgrenzbare Erkrankungen seien ([X.], S. 8).

V. Schließlich hat das Patentgericht zu Recht die Patentfähigkeit des Gegenstands der angegriffenen Patentansprüche bejaht.

1. Es hat hierzu ausgeführt:

Der Gegenstand der angegriffenen Ansprüche sei neu.

Die Abhandlung "Immunochemische Analyse der Immunantwort bei Spätmanifestationen der [X.] Borreliose" von [X.] in [X.]. [X.]. [X.]. [X.] (1988), 549 ([X.]) betreffe eine Analyse der Immunantwort bei einer Spätmanifestation der [X.]-Borreliose mit dem Ziel festzustellen, ob diese bei Patienten, die mit einem [X.] [X.]-Borrelienstamm infiziert seien, stammspezifische heterogene Muster zeigen oder in Abhängigkeit vom Krankheitsbild bestimmte Reaktionsmuster auftreten (vgl. [X.], Titel [X.], 2. Abs.). Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, untersuchten die Autoren die Seren von sieben an [X.] (kurz [X.]) und zehn an [X.]-Arthritis erkrankten Patienten. Die Seren dieser Patienten würden im Western Blot auf ihre Reaktivität mit den Proteinen von fünf unterschiedlichen [X.] untersucht. Vorab werde das Proteinmuster der verwendeten [X.]-Borrelien-Stämme bestimmt (vgl. [X.], [X.] "Zusammenfassung", Sätze 1 bis 3 und [X.], Abschnitt "[X.]-Borrelien-Stämme" und "[X.]"). In diesen seien die [X.] bei 31/32 kDa als [X.]- und OspB-Proteine identifiziert; die Proteine bei 21/22 kDa würden als Protein C (später [X.]) bezeichnet und das Protein mit 41 kDa als das in Fachkreisen bekannte Flagellinprotein identifiziert. Als wesentlich würden ferner die Proteine bei 17/18 kDa bewertet (vgl. [X.], [X.], 1. Abs. iVm Abb. 1 und S. 554, 1.-3. Abs.). Anschließend würden in einem Western Blot mittels der in den [X.] enthaltenen Antikörper diverse [X.] in den Ganzzelllysaten der [X.] nachgewiesen (vgl. [X.], [X.], Abb. 3 und 4). Damit werde zwar ein in vitro durchgeführtes Nachweisverfahren beschrieben, das die patentgemäßen Merkmale 16.1, 16.2 und 16.3 aufweise. Angaben dazu, dass in diesem Verfahren auch Polypeptide zum Einsatz kämen, die mit einem Anti-[X.]-Antikörper oder einem für das Polypeptid der Sequenz Nr. 2 spezifischen Antikörper eine immunologische Bindung eingingen, fänden sich dagegen nicht. Für die fehlende Neuheitsschädlichkeit der Entgegenhaltung sei ausschlaggebend, dass keine Aminosäuresequenz mit der patentgemäßen Sequenz Nr. 2 offenbart werde. Demzufolge könne der Fachmann in [X.] auch keine Polypeptide unmittelbar und eindeutig mitlesen, die entsprechend Merkmal 16.1.2 dazu befähigt wären, mit einem Anti-[X.]-Antikörper eine Antigen-Antikörper-Reaktion einzugehen. Polypeptide mit solchen Eigenschaften möchten ein inhärenter Bestandteil der in [X.] getesteten [X.]-Lysate sein. In Unkenntnis der Lehre der Erfindung gebe die Arbeit dem Fachmann jedoch keine Informationen an die Hand, die es ihm ermöglichten, derartige Polypeptide zu erkennen oder zu identifizieren. Es werde nämlich nur von [X.] mit einer Molekülmasse im Bereich von 17/18, 21/22, 31/32 und 41 kDa berichtet, während das Polypeptid der Sequenz Nr. 2 nach den - von der Klägerin mit den von ihr vorlegten Versuchen bestätigten - Angaben im Streitpatent ein Molekulargewicht von etwa 45 kDa aufweise (Streitpatent Abs. 250 [= Abs. 270 [X.]]). Soweit die in [X.] ausgewerteten [X.] zahlreiche weitere reaktive [X.] im Bereich von 40 kDa aufwiesen, seien dem Dokument nähere Angaben zu diesen [X.] nicht zu entnehmen, so dass der Fachmann auch in diesen zusätzlichen [X.] kein [X.]-Polypeptid mit der Sequenz Nr. 2 erkennen könne. Da [X.] oder Aminosäuresequenzen für die in [X.] beschriebene technische Lehre ferner nicht von Bedeutung seien, würden unabhängig von den gezeigten [X.] auch keine stofflichen Daten offenbart, die das Identifizieren eines [X.]-[X.] ermöglichen würden. Entsprechendes gelte auch für Patentanspruch 15.

In der Abhandlung "Relapsing Fever and Its Serological Discrimination from [X.] Borreliosis" von [X.] et al. in Infection 20 (1992), 283 ([X.]), einem Fallbericht, der sich mit der serologischen Unterscheidung zwischen dem von [X.] hermsii verursachten Rückfallfieber und der durch [X.] ausgelösten [X.]-Borreliose befasse, würden die für [X.] hermsii bzw. [X.] burgdorferi typischen [X.] mit denjenigen [X.] verglichen, die von Antikörpern im Serum eines Patienten mit Rückfallfieber bei den jeweiligen Erregern erkannt würden (vgl. [X.], [X.], re. [X.], Figur 2 mit Text). Mit Hilfe der dabei angewandten [X.] würden in dem untersuchten Serum IgG- und IgM-Antikörper identifiziert, die eine Kreuzreaktivität zu [X.] mit einem Molekulargewicht von 41 (dem bekannten [X.] von [X.] burgdorferi) und 60 kDa aus [X.] burgdorferi aufwiesen. Im Zusammenhang mit den [X.] werde darüber hinaus eine starke Kreuzreaktivität zu [X.]-burgdorferi-Antigenen mit einem Molekulargewicht von 40, 36, 34, 30 und 20 kDa festgestellt (vgl. [X.], [X.], re. [X.], 4. Abs.) und insgesamt der Schluss gezogen, dass [X.]-hermsii-Stämme konservierte Epitope exprimierten, die mit [X.] von [X.] burgdorferi kreuzreaktiv seien (vgl. [X.], [X.], spaltenübergreifender Abs.). Diese pauschale Aussage werde nicht weiter präzisiert. [X.] offenbare danach weder ein [X.], bei dem Polypeptide mit einer Affinität zu Anti-[X.]-Antikörpern entsprechend Merkmal 16.1.2 verwendet, noch ein solches Verfahren, bei dem entsprechend Merkmal 15.3 Anti-[X.]-Antikörper in [X.] nachgewiesen würden. Auch aufgereinigte Antikörper, die gegen das Polypeptid der Sequenz Nr. 2 gerichtet seien (Patentanspruch 13), würden in [X.] nicht beschrieben. Das alleinige Sichtbarmachen diverser [X.] reiche nicht aus, um die auf dem Auffinden des [X.] der Sequenz Nr. 2 basierende technische Lehre, wie sie den Patentansprüchen 13, 15 und 16 zugrunde liege, neuheitsschädlich vorwegzunehmen, auch wenn das streitpatentgemäße [X.]-Polypeptid der Sequenz Nr. 2 sowie dagegen gerichtete Antikörper bereits in dem in [X.] untersuchten Serum vorhanden gewesen seien. Deren Nachweis könne nur in Kenntnis des [X.] der Sequenz Nr. 2 durchgeführt werden.

Der Gegenstand des Streitpatents sei durch die [X.] auch nicht nahegelegt.

Aus [X.] sei dem Fachmann bekannt, dass die Antikörper aus den Seren von Patienten mit einer Spätmanifestation der [X.]-Borreliose mit den verschiedensten Antigenen unterschiedlicher [X.] [X.]-[X.] eine immunologische Bindung eingingen und daher ein sehr heterogenes Antikörperspektrum lieferten. In den [X.] im Bereich von 17/18, 21/22, 31/32 und 41 kDa, auf die in der Abhandlung wiederholt hingewiesen werde, werde der Fachmann keine für die Serodiagnostik der [X.]-Borreliose geeigneten Antigene erkennen. Die Autoren hielten den Nachweis von [X.] mit einem einzigen Borrelien-Stamm bei Verwendung der Immunfluoreszenztechnik zwar für möglich (vgl. [X.], [X.], letzter und vorletzter Satz). Dies liefere dem Fachmann aber lediglich eine Veranlassung dafür, weiterhin nach Antigenen zu suchen, die den zuverlässigen Nachweis einer Infektion mit [X.]n ermöglichten. [X.] lege weder ein [X.] nahe, bei dem - wie in den Verfahren der Patentansprüche 15 und 16 - ein Anti-[X.]-Antikörper nachgewiesen werde, noch artifiziell erzeugte aufgereinigte Antikörper, wie sie in Patentanspruch 13 beschrieben würden. Eine entsprechende Lehre werde dem Fachmann auch nicht durch eine Zusammenschau der [X.] [X.] und [X.] vermittelt.

Die aus [X.] zu ziehende Schlussfolgerung, dass die [X.]-hermsii-Erreger außer einer antigenischen Variabilität auch konservierte antigenische Epitope exprimierten, die mit [X.] von [X.] burgdorferi kreuzreaktiv seien (vgl. [X.], [X.], li. [X.], letzter Satz und re. [X.]), möge zwar konservierte Epitope in den Proteinen von [X.]n ins Blickfeld des Fachmanns gerückt haben. Angaben dazu, in welchem Protein sich diese befänden und ob derartige Epitope als Antigene für den serologischen Nachweis einer [X.]-Infektion tatsächlich geeignet seien, erhalte der Fachmann in [X.] aber nicht. Selbst dem Einsatz konservierter Epitope bei der In-vitro-Diagnostik einer [X.]-Infektion werde der Fachmann in Kenntnis dieser Arbeit eher skeptisch gegenüberstehen, da die dort genannten Epitope aufgrund ihrer Kreuzreaktivität keine Unterscheidung zwischen verschiedenen Spezies wie [X.] hermsii und [X.] burgdorferi ermöglichten. Der Fachmann erhalte keinen Hinweis darauf, dass für den Nachweis einer [X.]-Infektion Epitope von Vorteil seien, die wie die Sequenz Nr. 2 bei einer [X.]-Infektion eine starke Immunantwort im Wirt auslösten und aufgrund ihrer konservierten Regionen zudem von verschiedenen Anti-[X.]-Antikörpern trotz genetischer Variationen erkannt würden (vgl. Streitpatent Abs. 124 f. [= Abs. 142 f. [X.]] und 248 [= Abs. 268 [X.]] iVm Figur 3B).

2. Gegen diese Beurteilung erhebt die Berufung keine durchgreifenden Rügen.

Insbesondere trifft es nicht zu, dass sich das Patentgericht bei der Beurteilung der Neuheit in Widerspruch zu seiner Annahme gesetzt hätte, dass das Polypeptid im Sinne des Merkmals 16.1.2 nur durch seine immunologische Bindung definiert wird. Denn erst die [X.] der [X.]nsequenz Nr. 2 versetzt den Fachmann in die Lage, diese oder geeignete aus dieser Sequenz abgeleitete Peptide für einen Antigen-Antikörper-Test bereitzustellen. Wie der [X.] bereits entschieden hat, wird ein Verfahren zum Nachweis einer bestimmten Antigen-Antikörper-Reaktion nicht durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen, in der zwar eine spezifische Immunreaktion beschrieben wird, jedoch weder Antigen noch Antikörper näher charakterisiert werden ([X.], Urteil vom 19. April 2016 - [X.], [X.], 1027 - Zöliakiediagnoseverfahren). So verhält es sich auch im Streitfall, in dem erst das Streitpatent aufzeigt, dass sich die für die spezifische immunologische Bindung im Sinne des Merkmals 16.3 maßgeblichen Epitope auf die konservierten Regionen der [X.] zurückführen lassen.

Dass diese Erkenntnis und damit die aus ihr abgeleitete Lehre der Patentansprüche 13, 15 und 16 nahelegen hätten, zeigt die Berufung nicht auf.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 [X.], § 97 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck      

        

Gröning      

        

Grabinski

        

[X.]      

        

Kober-Dehm      

        

Meta

X ZR 11/15

17.01.2017

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 30. September 2014, Az: 3 Ni 6/13 (EP), Urteil

Art 83 EuPatÜbk, § 34 Abs 4 PatG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.01.2017, Az. X ZR 11/15 (REWIS RS 2017, 17276)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17276

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