Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.06.2023, Az. X ZR 56/21

10. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 4780

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Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 3. Senats ([X.]) des [X.] vom 23. Februar 2021 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 1 524 321 (Streitpatents), das am 16. Oktober 2003 angemeldet wurde und einen nicht invasiven Nachweis fötaler genetischer Merkmale betrifft. Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 15, auf die vier bzw. sieben weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lauten:

1. A fraction of a sample of the blood plasma or serum of a pregnant woman in which, as the result of said sample having been submitted to a DNA extraction, followed by a size separation, of the extracellular DNA, the extracellular DNA present therein substantially consists of DNA consisting of 500 base pairs or less.

15. A process for performing non-invasive detection of fetal genetic traits which comprises subjecting a sample of the blood plasma or serum of a pregnant woman to a DNA extraction, followed by a size separation, of the extracellular DNA so as to obtain a fraction of said sample in which the extracellular DNA present therein substantially consists of DNA consisting of 500 base pairs or less, and determining the fetal genetic trait(s) to be detected by submitting such fraction to PCR ([X.]) technology, ligase chain reaction or probe hybridisation techniques, or to nucleic acid arrays.

2

Patentanspruch 6, auf den acht weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, betrifft die Verwendung einer Probe nach Anspruch 1 zum nicht invasiven Nachweis fötaler genetischer Merkmale.

3

Die Klägerin hat das Streitpatent insgesamt angegriffen und geltend gemacht, sein Gegenstand sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung verteidigt.

4

Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie weiterhin die Nichtigerklärung des Streitpatents begehrt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

6

I. Das Streitpatent betrifft den nicht invasiven Nachweis fötaler genetischer Merkmale.

7

1. Nach der Beschreibung der Streitpatentschrift ist es bekannt, dass im peripheren Blut zirkulierende zellfreie [X.] vorhanden ist. Im Blut einer schwangeren Frau finde sich auch zirkulierende zellfreie fötale [X.], die im mütterlichen Plasma oder Serum nachgewiesen werden könne.

8

Studien hätten gezeigt, dass das zirkulierende fötale genetische Material zur zuverlässigen Bestimmung von fötalen genetischen Orten verwendet werden könne, die im mütterlichen Genom nicht vorhanden sind (Abs. 1).

9

Die Bestimmung anderer, komplexerer genetischer Orte fötalen Ursprungs, wie Aneuploidien (numerische Chromosomenaberrationen), chromosomale Fehlentwicklungen in Verbindung mit dem Down Syndrom oder genetische Mendelsche Störungen, sei hingegen schwieriger. Grund dafür sei, dass der Hauptanteil (im Allgemeinen mehr als 90 %) der im mütterlichen Blutkreislauf vorhandenen zellfreien [X.] von der Mutter selbst stamme. Dies mache es schwierig, wenn nicht unmöglich, fötale genetische Veränderungen anhand der geringen Menge an zirkulierender zellfreier fötaler [X.] im Blutkreislauf zu bestimmen (Abs. 2).

Die Streitpatentschrift weist ferner auf zwei Publikationen hin, nach denen in der [X.] einer schwangeren Frau zellfreie fötale [X.] von weniger als 500 Basenpaaren mittels PCR ([X.], Polymerase-Kettenreaktion) angereichert, durch Gelelektrophorese abgetrennt und fötale männliche [X.] nachgewiesen worden sei (Abs. 6).

2. Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund, wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, das technische Problem, die Bereitstellung von zellfreier fötaler [X.] aus Serum- oder Plasmaproben schwangerer Frauen für pränatale genetische Analysen weiter zu verbessern.

3. Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 die Fraktion einer Probe vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

1. Fraktion einer Probe von Blutplasma oder von Blutserum einer schwangeren Frau.

2. Die in der Fraktion anwesende extrazelluläre [X.] besteht im Wesentlichen aus [X.], welche aus 500 Basenpaaren oder weniger besteht.

3. Die Fraktion ist Resultat einer mit der Probe durchgeführten [X.], gefolgt von einer Größentrennung, der extrazellulären [X.].

4. Der Anspruch bedarf näherer Erörterung.

a) Patentanspruch 1 ist ein product-by-process-Anspruch.

Die beanspruchte Fraktion wird dadurch beschrieben, dass sie in einem zweistufigen Prozess gewonnen wird. Zunächst wird die zellfreie [X.] extrahiert. Sodann wird eine Trennung der extrahierten [X.] nach der Größe der Fragmente vorgenommen, um eine Fraktion zu erhalten, die im Wesentlichen aus Fragmenten mit einer Größe von bis zu 500 Basenpaaren besteht.

b) Grundlage für die Herstellung der anspruchsgemäßen Fraktion ist die Probe des Blutplasmas oder -serums einer schwangeren Frau. Diese enthält neben [X.]er auch die für nachgelagerte genetische Nachweise interessierende fötale extrazelluläre [X.].

aa) Auf welche Weise und unter welchen Bedingungen die Probe gewonnen wird, lässt Patentanspruch 1 offen. Zentrifugation und Sterilfiltration werden in der Patentbeschreibung nur beispielhaft genannt. Auch ist nur vorzugsweise vorgesehen, dass die Probe im Wesentlichen zellfrei ist ([X.] 50-51).

bb) Entsprechendes gilt für die Lagerbedingungen vor Weiterverwendung der Probe.

cc) Das herstellungs- oder lagerungsbedingte Vorhandensein von genomischer [X.] zellulären Ursprungs in der Probe ist damit ebenfalls nicht ausgeschlossen.

Zu Recht und von der Berufung unbeanstandet hat das Patentgericht in seinem Hinweis nach § 83 Abs. 1 [X.] angenommen, dass Patentanspruch 1 die Herkunft der zellfreien [X.] offenlässt. Dieser Begriff umfasst danach nicht nur zellfreie fötale und [X.]e [X.], die natürlicherweise im Blut zirkuliert, sondern auch genomische zellfreie [X.], die etwa durch den Zerfall (die Lyse) von Zellen bei der Präparation von Plasma- oder Serumproben oder durch die Lagerung der Probe entsteht. Zwar spricht das Streitpatent vielfach, etwa in den Absätzen 1 und 3 bis 5 der Beschreibung, von zirkulierender zellfreier [X.], doch hat dies in Patentanspruch 1 keinen Niederschlag gefunden (ebenso Urteil des High Court of Justice vom 17. Juni 2019 [2019] [X.] 1497 [X.]), para. 110 f., zum [X.] Teil des Streitpatents).

c) Maßgebliche Bedeutung für die Lehre des Streitpatents hat die in Merkmal 2 vorgesehene Beschränkung der in der Fraktion anwesenden extrazellulären [X.] auf im Wesentlichen solche, die aus 500 oder weniger Basenpaaren besteht.

Die Begrenzung beruht auf der von der Streitpatentschrift als überraschend bezeichneten Erkenntnis, dass der Großteil der zirkulierenden extrazellulären fötalen [X.] eine relativ geringe Größe von etwa 500 Basenpaaren oder weniger hat, während der Großteil der zirkulierenden extrazellulären [X.]en [X.] eine Größe von mehr als 500 Basenpaaren aufweist. In bestimmten Fällen scheint das zirkulierende [X.], das kleiner als 300 Basenpaare ist, sogar fast vollständig aus fötaler [X.] zu bestehen (Abs. 3).

In der Beschreibung des Streitpatents wird hierzu auf ein erstes Beispiel verwiesen, nach welchem bei den Proben zellfreie [X.]-Fragmente mit einer Länge von 300 bis 500 Basenpaaren zwischen 6,43 und 31,42 % fötalen Ursprungs waren, wobei der [X.] bei 19 % lag. Bei den Fragmenten mit einer Länge von bis zu 300 Basenpaaren lag der Anteil fötaler [X.] zwischen 22,22 und 87,06 % ([X.] bei 73,2 %). Anhand eines zweiten Beispiels wird erläutert, dass in zwei Fraktionen, die nach Größen getrennt waren (bis 300 und bis 500 Basenpaare), väterlicherseits vererbte fötale Allelen nachgewiesen werden konnten, während dieser Nachweis in einer Probe ohne Größentrennung nicht gelang.

Die Beschränkung der Anzahl der Basenpaare hat danach den Effekt, eine Fraktion mit einem deutlich erhöhten Anteil an extrazellulärer fötaler [X.] zu erhalten. Dies ermöglicht die Analyse von fötalen genetischen Merkmalen, deren Bestimmung bislang als schwierig oder nicht möglich galt (Abs. 5).

d) Mittel zur Anreicherung von [X.] mit 500 Basenpaaren oder weniger ist eine auf die [X.] Extraktion folgende Größentrennung (Merkmal 3).

Die Größentrennung kann mittels Chromatographie oder Elektrophorese erfolgen. Hierauf ist Patentanspruch 1 aber nicht beschränkt (Abs. 7 Z. 54).

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung - soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand der nebengeordneten Ansprüche 1, 6 und 15 sei durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.

Dem Fachmann sei bekannt gewesen, dass ein großer Anteil zellfreier [X.] [X.]en Ursprungs den Nachweis von Veränderungen im Genom des Fötus erschwere. Ausgehend vom Übersichtsartikel von [X.] und [X.] ([X.] [X.] in Plasma and Serum: Biology, Preanalytical Issues and Diagnostic Applications, in: [X.], 2002, [X.], S. 962 bis 968; [X.]) und der darin zitierten Publikation von [X.] et al. ([X.] in [X.] Plasma, in: [X.], 2001, Vol. 47, S. 1607 bis 1613; MW 32) habe für den mit der patentgemäßen Aufgabe betrauten Fachmann - ein Team, dem sowohl ein Biochemiker mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von Assays für die [X.] angehöre, als auch ein promovierter Genetiker, der über eine mehrjährige Berufserfahrung im Bereich der nicht invasiven Pränataldiagnostik verfüge - allenfalls der Schluss nahegelegen, den Anteil an zellfreier fötaler [X.] im Plasma oder Serum gegenüber dem Hintergrund an [X.]er [X.] dadurch zu erhöhen, dass der Verbleib von Zellen im Plasma vermieden und damit gleichzeitig die Freisetzung von genomischer [X.] [X.]en Ursprungs durch die Lyse [X.]er Zellen während der Probenaufbereitung unterbunden werde.

Der in der Veröffentlichung von [X.] et al. ([X.] [X.] Concentrations in [X.] Blood Are Stable 24 Hours after Collection: Analysis of First- and Third-Trimester Samples, in: [X.], 2003, [X.], [X.] bis 198; [X.]) gezogene Schluss, zur Vermeidung von genomischer zellfreier [X.] [X.]en Ursprungs die [X.] vor der Zentrifugation nur kurz zu lagern, um Ereignisse, wie Apoptose, Zelltod oder Zelllyse, die an der Freisetzung genomischer [X.] beteiligt sein könnten, zu reduzieren, weise nicht in die Richtung der Lehre des Streitpatents.

Der in der internationalen Anmeldung [X.] ([X.]) verfolgte Ansatz, durch die Zugabe von [X.] die Lyse der [X.]en Zellen, die in den Blutproben den weitaus größten Anteil der Zellen ausmachten, zu reduzieren, basiere ebenfalls lediglich auf dem Prinzip der Reduzierung des Hintergrunds an hochmolekularer genomischer [X.] [X.]en Ursprungs.

Gegen ein Naheliegen spreche, dass in diesem Stand der Technik eine Größentrennung von im Plasma oder Serum enthaltener extrazellulärer [X.] weder angesprochen noch in Betracht gezogen werde. Unter Berücksichtigung von Beispiel 2 des Streitpatents sei die Auswahl der Grenze bei 500 Basenpaaren auch nicht willkürlich erfolgt.

Die in [X.] erfolgte Nennung der Apoptose als mögliche Ursache für im Plasma enthaltene zellfreie fötale [X.] stelle keinen hinreichenden Hinweis in Richtung der Lehre des Streitpatents dar. Die Untersuchung von [X.] ([X.] in [X.], in: [X.], 2002, [X.], [X.] bis 500; [X.]) habe keine wechselseitige Beziehung zwischen der Häufigkeit von intakten fötalen Zellen und der Menge an zellfreier fötaler [X.] im [X.]en Blut nachweisen können. Selbst wenn der Fachmann die Entstehung der zellfreien fötalen [X.] mit dem Phänomen der Apoptose in Verbindung gebracht hätte, habe sich daraus kein Hinweis ergeben, die gesamte extrazelluläre [X.] einer Größentrennung zu unterwerfen und danach die fötale Genotypisierung anhand von [X.]-Fragmenten mit einer Größe von maximal 500 Basenpaaren durchzuführen.

Die von der Klägerin ergänzend zur Apoptose vorgelegten Dokumente kämen zu der Feststellung, dass zellfreie fötale [X.] kein eindeutiges Ergebnis apoptotischer Vorgänge sei. Damit sei das allgemeine Fachwissen ohne Belang, dass bei der Apoptose grundsätzlich [X.] entstünden, deren Größe bei 180 bis 200 Basenpaaren oder einem Vielfachen davon liege. Mit ihrer variablen Größe böten die apoptotischen [X.] keinen Anhaltspunkt dafür, dass mittels Apoptose freigesetzte zellfreie fötale [X.] eine Größe von maximal 500 Basenpaaren besitze.

Soweit die Veröffentlichung von [X.] (Fetal [X.] in [X.] Plasma Circulates as Apoptotic Bodies: Elucidation of the structural nature of fetal [X.] for non-invasive prenatal genetic diagnosis, in: [X.] Annual Meeting, 2003, [X.]. 137; [X.]) davon ausgehe, dass zellfreie fötale [X.] in Form von "apoptotic bodies" in [X.]en Plasmaproben vorkomme, werde für die Anreicherung solcher apoptotischer Körper eine Realtime PCR mit [X.] verwendet, die spezifisch für einen Sequenzabschnitt auf dem Y-Chromosom des männlichen Fötus seien. Damit basiere der Ansatz auf der bekannten Strategie, zellfreie fötale [X.] einer bekannten Sequenz mittels Primer in einer Polymerase-Kettenreaktion anzureichern.

Die in dem Abstract von [X.] et al. (Frequency at which fetal [X.] is present in [X.] plasma: Difference by fragment length, [X.], [X.], ohne Datum; [X.]) beschriebenen Untersuchungen erfolgten auf der Basis der quantitativen PCR-Technik, so dass eine Größentrennung von [X.]-Fragmenten keine Rolle spiele. [X.] lehre letztlich nur, für den nicht-invasiven pränatalen Nachweis [X.] zu verwenden, die möglichst kurze [X.]-Fragmente amplifizieren, da dies im Hinblick auf die Sensitivität und Spezifität der PCR Vorteile verspreche.

Die weiteren Entgegenhaltungen rechtfertigten keine abweichende Beurteilung.

III. Diese Beurteilung hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand.

Die Berufung zieht zu Recht nicht in Zweifel, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 neu ist. Anders als die Berufung meint, ergibt er sich auch nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

1. Im Ausgangspunkt zu Recht nimmt die Berufung an, dass es für die Frage der Patentfähigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 1 entscheidend darauf ankommt, ob der Stand der Technik dem Fachmann die Anregung vermittelte, die aus in üblicher Weise gewonnenen Plasmaproben von schwangeren Frauen extrahierte zellfreie [X.] einer Größentrennung zu unterwerfen und sie danach zu sortieren, ob sie bis 500 Basenpaare umfasst oder aber größer ist.

a) Zutreffend hat das Patentgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass im Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatents bekannt war, dass eine Plasma- oder Serumprobe, die aus dem peripheren Blut einer schwangeren Frau gewonnen wird, zellfreie [X.] verschiedenen Ursprungs enthält. Sie enthält zirkuläre zellfreie [X.]e [X.], zirkuläre zellfreie fötale [X.] und genomische zellfreie [X.]e [X.]. Das Vorhandensein zirkulärer zellfreier fötaler [X.] ist für eine nicht invasive Untersuchung auf genetische Abweichungen von besonderem Interesse.

Im Prioritätszeitpunkt war ferner bekannt, dass der Anteil zirkulärer zellfreier fötaler [X.] an der gesamten zellfreien [X.] in einer solchen Probe in der Regel nur zwischen 2 und 10 % liegt. Insbesondere für die Untersuchung auf Genorte in der zellfreien fötalen [X.], die auch in [X.] [X.]en Ursprungs auftreten, ist es nachteilig, wenn deren Anteil hoch ist.

b) Wie das Patentgericht zu Recht angenommen hat, belegen die Entgegenhaltungen [X.], [X.], [X.] und [X.] das Bestreben, den Anteil genomischer zellfreier [X.]er [X.] in Plasma- oder Serumproben aus dem Blut schwangerer Frauen zu verringern.

[X.] und 32 sehen insoweit vor, nach einer zweifachen Zentrifugation der Probe, die der Herstellung weitgehend zellfreien Plasmas oder Serums dient, entweder eine Mikrozentrifugation oder eine Filterung durchzuführen, um verbleibende [X.]e Zellen aus der Probe zu entfernen. Je geringer der Anteil [X.]er Zellen in der Probe ist, umso geringer ist die Gefahr, dass solche Zellen, etwa durch Lyse oder aufgrund einer Lagerung der Probe, [X.] freisetzen und damit genomische zellfreie [X.]e [X.] in die Serum- oder Plasmaprobe gelangt. Im Idealfall führt dies zu einer Probe, die nur zirkulierende zellfreie [X.] [X.]en und fötalen Ursprungs aufweist.

Die Entgegenhaltungen beschäftigen sich danach mit der Frage, wie der Anteil genomischer zellfreier [X.]er [X.] bei der Herstellung einer Plasma- oder Serumprobe aus dem peripheren Blut einer schwangeren Frau möglichst geringgehalten werden kann. Dies zielt darauf, dass das für die Spezifizität einer nicht-invasiven Diagnostik der zellfreien fötalen [X.] wichtige Verhältnis von zellfreier fötaler und zellfreier [X.]er [X.] nicht zu Lasten der fötalen [X.] verschoben wird.

Die Entgegenhaltungen schlagen insoweit jedoch lediglich verschiedene Maßnahmen bei der Aufbereitung der Probe vor, um den Anteil genomischer zellfreier [X.]er [X.] zu verringern. Wie auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, weist keine dieser Entgegenhaltungen auf die Möglichkeit hin, die insgesamt in der Probe enthaltene zellfreie [X.], unabhängig davon ob sie zirkulierend oder genomisch ist oder ob sie fötalen oder [X.]en Ursprungs ist, nach der Größe zu trennen. Erst recht ergibt sich aus ihnen kein Hinweis, einen Grenzwert von 500 Basenpaaren zu wählen.

c) Anders als die Berufung meint, ergibt sich aus [X.] kein Anlass, die zellfreie [X.] in der Plasma- oder Serumprobe aus dem peripheren Blut einer Schwangeren nach der Größe zu trennen.

[X.] befasst sich, ausgehend von der Feststellung, dass es im mütterlichen Blut fötale Zellen und zellfreie fötale [X.] gibt, mit der Frage, ob sich die Konzentration zellfreier fötaler [X.] nach der Blutentnahme verändere. Der Beitrag kommt zu dem Ergebnis, dass diese Konzentration bis 24 Stunden nach der Blutentnahme stabil bleibt. Der aus anderen Studien bekannte Anstieg der Gesamt-[X.] in einer solchen Probe sei danach vermutlich auf Apoptose, Zelltod oder Lyse zurückzuführen. [X.] nimmt weiter an, dass fötale Zellen im mütterlichen Blut nicht apoptotisch seien, weil sonst zu erwarten wäre, dass sie nach der Blutentnahme [X.] freisetzten, sich also die Konzentration zellfreier fötaler [X.] erhöhe.

Der Ursprung zellfreier fötaler [X.] ist nach [X.] weiterhin unbekannt. Der Beitrag spricht insoweit als möglichen Ursprung die Plazenta, das fötale hämatopoetische System oder das Fruchtwasser an. In diesem Zusammenhang findet sich in [X.] die Bemerkung, dass Untersuchungen über die Größe der betreffenden Moleküle - gemeint ist zellfreie fötale [X.] - Hinweise auf deren Ursprung geben könnten und insbesondere eine Untersuchung auf Muster, die auf eine Apoptose hindeuteten, in Betracht komme.

[X.] erörtert auch die Möglichkeit, die stabile Konzentration zellfreier fötaler [X.] damit zu erklären, dass [X.] aus fötalen Zellen freigesetzt und zugleich zellfreie fötale [X.] metabolisiert werde, hält dies aber für unplausibel.

Bei der Frage, ob [X.] einen Hinweis auf eine Trennung der zellfreien [X.] nach der Größe gab, ist zu berücksichtigen, dass nach der Entdeckung zirkulierender zellfreier fötaler [X.] im Jahr 1997 noch in den Jahren 2002 und 2003 deren Ursprung ungeklärt war. Diskutiert wurde eine Entstehung durch Lyse oder Apoptose ([X.], [X.]), aus der Plazenta (MW20) oder Wachstum und Zell-Austausch während der Entwicklung des Fötus ([X.]).

Vor diesem Hintergrund ergab sich aus [X.] allenfalls eine Anregung, eine Untersuchung der Größe zellfreier fötaler [X.], insbesondere darauf, ob sich für apoptotische Vorgänge typische Größen ergeben, vorzunehmen, um auf diesem Weg möglicherweise Klarheit über den Ursprung zellfreier fötaler [X.] zu erlangen.

Aus [X.] ergab sich dagegen keine Anregung, sich mit dem Verhältnis der Größe von zellfreier fötaler [X.] zu [X.]er [X.] zu befassen und die gesamte zellfreie [X.] aus einer Serum- oder Plasmaprobe der Größe nach zu sortieren sowie dafür einen Grenzwert von 500 Basenpaaren zu wählen.

d) Aus dem als [X.] vorgelegten Abstract ergibt sich keine weitergehende Anregung.

aa) Nach der von der Klägerin vorgelegten Bestätigung des [X.] ([X.]) ist [X.] seit dem 6. Oktober 2003 der Öffentlichkeit zugänglich und rechnet damit zum Stand der Technik.

bb) [X.] legt zugrunde, dass zellfreie fötale [X.] im mütterlichen Blutkreislauf vorhanden und für die nicht invasive pränatale genetische Diagnostik interessant ist. Zur verbesserten Isolierung oder Anreicherung dieser [X.] sei eine weitere molekulare Charakterisierung erforderlich, da ihre strukturelle Beschaffenheit und die Mechanismen ihrer Variation unklar seien. Die Autoren stellen die Vermutung auf, dass der Großteil der fötalen [X.] in membrangebundenen Vesikeln ([X.]) zirkuliere und machen es sich zur Aufgabe, durch den Nachweis fötaler Sequenzen bei Schwangerschaften mit männlichen Föten die biologische Natur zirkulierender fötaler [X.] zu bestimmen.

Durch eine Färbung mit [X.] kann nach [X.] die nicht-zelluläre [X.] aussortiert werden. Anschließend sei das Verhältnis von Kopien für Abschnitte, die aus der [X.] eines männlichen Fötus stammen, und für Abschnitte, die sowohl in fötaler wie [X.]er [X.] vorkommen, ermittelt worden. Dabei habe sich eine signifikante Anreicherung der fötalen [X.] im Vergleich zu nicht sortiertem Plasma ergeben.

[X.] zieht daraus den Schluss, fötale [X.] scheine in [X.] zu zirkulieren.

cc) Danach mag [X.] ein Hinweis darauf zu entnehmen sein, dass eine Einfärbung mit [X.] dazu dienen kann, zirkulierende zellfreie [X.] von zellfreier [X.] genomischen Ursprungs zu unterscheiden.

Zu Recht hat das Patentgericht jedoch angenommen, dass sich aus [X.] keine Anregung ergibt, eine Trennung bei einem Wert von 500 Basenpaaren vorzunehmen.

Es fehlt bereits an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass der Fachmann im Prioritätszeitpunkt ohne weiteres die in [X.] ausgesprochene Vermutung, zirkulierende zellfreie fötale [X.] sei apoptotischen Ursprungs, zugrunde gelegt hätte. In anderen Veröffentlichungen aus diesem Zeitraum, etwa [X.], wird vermutet, die fötale [X.] beruhe nicht auf Apoptose. Auch [X.] selbst bezeichnet den Ursprung als unklar.

Dieser Umstand wiegt umso schwerer, als [X.], ihrem Charakter als Abstract entsprechend, nur stichwortartige Angaben über Anlage und Durchführung der Untersuchung und zur Begründung ihrer Ergebnisse entnommen werden können. Der Abstract konnte demgemäß auch nicht Gegenstand einer kritischen Prüfung auf die Wahrung wissenschaftlicher Standards (peer review) gewesen sein, wie sie bei einer Originalarbeit zu erwarten war ([X.], Urteil vom 19. April 2016 - [X.], [X.], 1027 Rn. 28 - Zöliakiediagnoseverfahren).

Selbst wenn man aber diese Vermutung zugrunde legt und ferner annimmt, dass auf Apoptose beruhende Fragmente typischerweise eine Länge von 180 bis 200 Basenpaaren oder eines Vielfachen dieses Werts haben, ergibt sich daraus kein ausreichender Hinweis, eine Größentrennung bei 500 Basenpaaren vorzunehmen.

e) Die weiteren Entgegenhaltungen werden von der Berufung mit Recht nicht mehr gesondert erörtert und rechtfertigen keine andere Beurteilung.

2. Für den Gegenstand der Patentansprüche 6 und 15 ergibt sich keine abweichende Entscheidung.

IV. [X.] beruht auf § 121 Abs. 2 [X.] und § 97 Abs. 1 ZPO.

Deichfuß     

  

Hoffmann     

  

Kober-Dehm

  

Rombach     

  

Crummenerl     

  

Meta

X ZR 56/21

22.06.2023

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 23. Februar 2021, Az: 3 Ni 8/18 (EP), Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.06.2023, Az. X ZR 56/21 (REWIS RS 2023, 4780)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4780

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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