Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.09.2017, Az. IX ZR 3/16

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 5376

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:140917UIXZR3.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IX ZR 3/16

Verkündet am:

14. September 2017

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 133 Abs. 1
Zur [X.] gegenüber einem Zahlungsmittler.

[X.], Urteil vom 14. September 2017 -
IX ZR 3/16 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
14. September
2017
durch [X.] Dr. [X.],
die Richterin [X.], die Richter Prof. Dr. Pape, Grupp und
die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 17. Dezember 2015
aufgehoben.

Die Berufung der [X.] gegen das Urteil der 1.
Zivilkammer des [X.] vom 9. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das
Be-rufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 11.
März 2010 am 11.
Januar 2011
eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des

B.

(nachfolgend: Schuldner), welcher
unter anderem ein Busunternehmen betrieb.
Die Beklagte war die
Steuerberaterin des
Schuldners.

1
-
3
-

Nachdem am 9.
August 2007 die Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners mangels Masse
abgelehnt
worden war, stellte das zuständige Finanzamt
am 13.
November 2007
wegen [X.] in Höhe von 32.520,23

einen erneuten Insolvenzantrag. In Kenntnis dieser Umstände überwies
die Beklagte am 14.
Dezember 2007 einen Betrag von 10.000

Finanzamt. Diesen Betrag
hatte
sie zwei Tage zuvor aufgrund einer ihr erteilten [X.] von einem Konto
des Schuldners
auf ihr eigenes Geschäftskonto [X.]. Im März 2008 und Mai 2008
erbrachte der Schuldner nach dem Kläger-vortrag in zwei weiteren Fällen Zahlungen in Höhe von 3.000

die Beklagte, die von ihr an das Finanzamt weitergeleitet wurden. Die Einzelhei-ten dieser Zahlungen sind streitig. Daraufhin erklärte das Finanzamt
das Insol-venzverfahren in der Hauptsache für erledigt.

Das [X.] hat der auf Zahlung von 28.500

Klage in Höhe von 10.000

. Gegen dieses Urteil haben beide [X.]en Rechtsmittel eingelegt. Auf die Berufung der [X.] hat das Berufungsge-richt die Klage insgesamt abgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom [X.]
zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

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3
4
-
4
-
I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Dem Kläger stehe kein auf §
143 Abs.
1 Satz 1, §
133
Abs.
1 [X.] gestützter [X.] zu.
Die sub-jektiven Voraussetzungen der [X.] lägen nicht vor.
Zwar sei der Schuldner am 9.
August 2007 zahlungsunfähig gewesen. Seine [X.] sei zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Überweisungen jedoch wieder hergestellt gewesen. Dies ergebe sich bereits aus den Gewinn-
und Ver-lustrechnungen der Jahre 2007 und 2008, welche einen Gewinn in Höhe von 40.614,59

e-sen. Diese Jahresüberschüsse
hätten es dem Schuldner ermöglicht, seine Ver-bindlichkeiten gegenüber den zum Zahlungszeitpunkt vorhandenen Gläubigern, dem Finanzamt und einer Krankenkasse, vollständig zu begleichen, ohne die
Liquidität für die Berichtigung künftiger Verbindlichkeiten aufzubrauchen.
[X.] spreche die Tatsache, dass der [X.] ein Einzug
in Höhe von
10.000

ners möglich gewesen sei, gegen das Vorliegen von
auf das Bestehen weiterer Verbindlichkeiten des Schuldners hindeutenden
Kontopfändungen.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen
Nachprüfung nicht stand. Die subjektiven Voraussetzungen des von dem Kläger geltend gemachten An-spruchs nach §
143 Abs.
1, §
133 Abs.
1 [X.] in der
hier anwendbaren,
bis zum 5.
April 2017 geltenden Fassung
können nicht mit der von dem Berufungs-gericht gegebenen Begründung verneint werden.

5
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-
5
-

1. Das gilt zunächst für den von §
133 Abs.
1 [X.] vorausgesetzten [X.] des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen.

a) Die subjektiven Voraussetzungen der [X.] können -
weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt -
meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden (vgl. [X.], Urteil vom 13.
August 2009 -
IX
ZR 159/06, Z[X.] 2009, 1909
Rn. 8; vom 24.
März 2016 -
IX
ZR 242/13, Z[X.] 2016, 910
Rn. 7). Der von §
133 Abs.
1 [X.] vorausgesetzte Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§
140 [X.]) die Benachteiligung der Gläu-biger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als [X.] Folge -
sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich [X.] anderen Vorteils
-
erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der zah-lungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz. In diesem Fall weiß der Schuldner, dass sein Vermö-gen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des §
17 Abs.
2 Satz 1 [X.] ist die Aufstel-lung einer Liquiditätsbilanz entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung (§
17 Abs.
2 Satz 2 [X.]) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit [X.]. Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhal-ten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Sie kann aus einem [X.], aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden (vgl. [X.], Urteil vom 12.
Februar 2015 -
IX
ZR 180/12, Z[X.] 2015, 628
Rn. 16, 18; vom 7.
Mai 2015 -
IX
ZR 95/14, Z[X.] 2015, 1262 Rn. 11
ff; vom 24.
März 2016, aaO).

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6
-

b) In Anwendung dieser Maßstäbe hat das Berufungsgericht zunächst mit Recht angenommen, dass der Schuldner am 9.
August 2007, dem Zeitpunkt der Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse,
zah-lungsunfähig war und um seine Zahlungsunfähigkeit wusste. [X.] ist jedoch die Beurteilung des Berufungsgerichts, zum anfechtungsrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt,
der Genehmigung des [X.] seitens des Schuldners,
sei dessen
Zahlungsunfähigkeit behoben. Zwar beschränkt sich die revisionsrechtliche Kontrolle der dem Tatrichter bei der Beurteilung der subjek-tiven Voraussetzungen der [X.] obliegenden Gesamtwürdigung darauf, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des §
286 ZPO mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Be-weiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen [X.] und Erfahrungssätze verstößt (vgl. [X.], Urteil
vom 12.
Februar 2015, aaO
Rn. 15; vom 21.
Januar 2016 -
IX
ZR 84/13, Z[X.] 2016, 448
Rn. 10; vom 24.
März 2016, aaO
Rn. 9).
Einer solchen Überprüfung hält die Würdigung des Berufungsgerichts jedoch nicht stand. Sie verstößt gegen maßgebliche Erfah-rungssätze und lässt Beweisanzeichen unbeachtet.

aa) Eine einmal eingetretene Zahlungseinstellung wirkt grundsätzlich fort, bis der Schuldner seine Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen hat (vgl. [X.], Urteil vom 24.
März 2016 -
IX
ZR 242/13, Z[X.] 2016,
910
Rn. 11; vom 17.
November 2016 -
IX
ZR 65/15, Z[X.] 2016, 2474 Rn. 25). Für eine Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit sind nicht nur die vereinbarten [X.] gegenüber dem Gläubiger zu erbringen, sondern der Schuldner muss zumindest auch den wesentlichen Teil seiner übrigen Verbindlichkeiten bedie-nen (vgl. [X.], Urteil
vom 17.
November 2016, aaO
mwN). Die [X.] der Zahlungen gegenüber allen Gläubigern
hat derjenige zu beweisen, der sich darauf beruft. Hat der anfechtende Verwalter für einen
bestimmten Zeit-9
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-
punkt den ihm obliegenden Beweis der Zahlungseinstellung des Schuldners geführt, muss der [X.] grundsätzlich beweisen, dass diese Vo-raussetzung zwischenzeitlich wieder entfallen ist (vgl. [X.], Urteil vom 20.
November 2001 -
IX
ZR 48/01, [X.]Z 149, 178, 188; vom 6.
Dezember 2012
-
IX
ZR 3/12, Z[X.] 2013, 190
Rn. 33 mwN; vom 25.
Februar 2016 -
IX
ZR 109/15, Z[X.] 2016, 628 Rn. 24; vom 24.
März 2016, aaO Rn. 11).

[X.]) Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der [X.] nicht.
Für die Annahme, der gewerblich tätige Schuldner habe seine Zahlungen im [X.] gegenüber sämtlichen Gläubigern wieder aufgenommen, reicht es nicht aus, dass der Schuldner die dem Insolvenzantrag vom 13.
November 2007 zu-grunde liegende Hauptforderung
gegenüber dem
Finanzamt
im Wege der Teil-zahlung beglichen hat.

(1) Bereits gegenüber dem antragstellenden Gläubiger verblieben nach den streitgegenständlichen Zahlungen fällige Forderungen. Die Beklagte hat insoweit auch keine die Fälligkeit der Gesamtforderung aufschiebende [X.] in Form einer zwischen dem Schuldner und dem Finanzamt ge-schlossenen Ratenzahlungsvereinbarung vorgetragen. Einem an das Finanz-amt gerichteten Schreiben der [X.] vom 4.
Januar 2008 ist vielmehr zu entnehmen, dass der
Abschluss einer Teilzahlungsvereinbarung über die noch ausstehende Restsumme
nur
angeregt
wurde. Zum Zeitpunkt der ersten Teil-zahlung im
Dezember 2007 kann auch nicht
von einer
nur tatsächlichen Stun-dung der Gesamtforderung ausgegangen werden
(vgl. [X.], Urteil vom 14.
Februar 2008 -
IX
ZR 38/04, Z[X.] 2008, 378 Rn. 22 mwN; vom 6.
Dezember 2012 -
IX
ZR 3/12, Z[X.] 2013, 190 Rn. 34).
Dies verbietet schon der vom Finanzamt gestellte Insolvenzantrag.
Vielmehr deutet die Tatsache, dass der Schuldner das
Finanzamt mittels Teilzahlung zur Rücknahme des In-11
12
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-
solvenzantrags bewegen wollte, darauf hin, dass er zur Berichtigung der ge-samten fälligen Steuerschulden nicht in der Lage war.

(2) Die von dem Berufungsgericht angeführten betriebswirtschaftlichen Auswertungen der Jahre 2007 und 2008 rechtfertigen im Streitfall keine abwei-chende Beurteilung. Das Berufungsgericht nimmt insoweit nur eine einge-schränkte Würdigung vor, indem es das darin enthaltene vorläufige Ergebnis in Höhe von 40.614,59

2007 und in Höhe von 47.892,94

Jahr 2008 nicht in einen Gesamtzusammenhang stellt, sondern ausschließlich von den ausgewiesenen Gewinnen auf eine wiederhergestellte [X.] des Schuldners schließt. Die Ausführungen des Berufungsgerichts
lassen insbesondere eine Auseinandersetzung mit der Tatsache vermissen, dass am 9.
August 2007 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners mangels Masse abgelehnt und bereits am 13.
November 2007 ein weiterer Insolvenzantrag gestellt wurde. Angesichts
dieser
angespannten wirt-schaftlichen Ausgangslage, welche durch das
in der betriebswirtschaftlichen Auswertung ausgewiesene negative Ergebnis
von -
10.694,51

Quartal des Jahres 2007 noch verschärft wurde, widerspricht es Denkgesetzen und [X.], den
Beweis einer Wiederherstellung der [X.]
des Schuldners
zum Zeitpunkt der Genehmigung der Lastschriftbuchung im
Dezember 2007 allein aufgrund eines vorläufigen Jahresergebnisses von 40.614,59

zusehen. Hinzu tritt die Tatsache, dass den durch die [X.] vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertungen, welche sich in der Wiedergabe der Jahresergebnisse und der Ergebnisse des jeweils letzten Quartals erschöpfen, nur eine geringe Aussagekraft zukommt. Sie sind für sich betrachtet bereits nicht geeignet, die sich aus dem tatsächlichen Zahlungsver-halten des Schuldners ergebenden Beweisanzeichen zu entkräften.

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-
9
-

2. Auch die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Kenntnis der [X.] von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners verneint hat, ist rechtlich nicht tragfähig.

a) Die zum Zeitpunkt der [X.] fortdauernde Zah-lungsunfähigkeit des Schuldners war nicht nur diesem, sondern auch der [X.] als seiner Steuerberaterin bekannt.

aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wusste die Beklagte, dass am 9.
August 2007 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
Ver-mögen der Schuldnerin mangels Masse abgelehnt worden war. Den ihr oblie-genden Beweis, später davon ausgegangen zu sein, der Schuldner habe seine Zahlungen allgemein wieder aufgenommen, hat die Beklagte nicht geführt
(vgl. [X.], Urteil vom 27.
März 2008 -
IX
ZR 98/07, [X.], 840 Rn. 23; vom 6.
Dezember 2012 -
IX
ZR 3/12, Z[X.] 2013, 190
Rn. 33 mwN; vom 25.
Februar 2016 -
IX
ZR 109/15, Z[X.] 2016, 628 Rn. 24; [X.], Urteil vom 24.
März 2016 -
IX
ZR 242/13, Z[X.] 2016, 910
Rn. 14).

Grundsätzlich muss die Schlussfolgerung
des
[X.]s, die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sei zwischenzeitlich behoben, von einer ihm nachträglich bekannt gewordenen Veränderung der Tatsachengrundlage und nicht von einem bloßen Gesinnungswandel

getragen sein ([X.], Urteil vom 6.
Dezember 2012, aaO
Rn.
39). Auf der Grundlage aller von den [X.]en vorgetragenen Umstände des Einzelfalls ist demnach zu würdigen, ob eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Vornahme der Rechtshandlung nicht mehr bestanden hat (vgl. [X.], Urteil vom 19.
Mai 2011 -
IX
ZR 9/10, Z[X.] 2011, 1115 Rn. 15; vom 6.
Dezember 2012, aaO mwN).

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15
16
17
-
10
-

[X.]) Nach diesen Maßstäben kann ein Wegfall der Kenntnis der [X.]n von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht als bewiesen gelten. Weder die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit geleisteten Teilzahlungen auf die
fällige Gesamtforderung
des Finanzamts
noch der aufgrund hinreichender Kontodeckung mögliche
Einzug
der weiterzuleitenden 10.000

des Schuldners
legen den Schluss nahe, dass
dieser
seine Zahlungsfähigkeit zurückgewonnen und seine Zahlungen im Wesentlichen vollständig wieder auf-genommen hatte.

Die als Steuerberaterin für den Schuldner tätige Beklagte wusste, dass bereits eine
Begleichung der Gesamtforderung des
Finanzamts, das
mit
seinem
Insolvenzantrag einen erheblichen Zahlungsdruck auf den
Schuldner ausgeübt hatte, im Dezember 2007 nicht möglich war. Sie musste daher davon ausge-hen, dass der Schuldner auch die Forderungen anderer Gläubiger, mit denen bei einem gewerblich tätigen Schuldner immer zu rechnen ist (vgl. [X.], Urteil vom 6.
Dezember 2012 -
IX
ZR 3/12, Z[X.] 2013, 190
Rn. 15; vom 25.
Februar 2016 -
IX
ZR 109/15, Z[X.] 2016, 628 Rn. 11 mwN; vom 24.
März 2016 -
IX
ZR 242/13, Z[X.] 2016, 910
Rn. 15), nicht bedienen konnte. Hierbei entspricht es einer allgemeinen Lebenserfahrung, dass Schuldner -
um ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern
-
unter dem Druck eines besonders auf Zahlung drängen-den Gläubigers bevorzugt an diesen leisten, um ihn zum Stillhalten zu bewegen (vgl. [X.], Urteil vom 24.
März 2016, aaO mwN). Diese Umstände
waren, wie den erstinstanzlichen Feststellungen, auf die das angefochtene Urteil sich [X.],
zu entnehmen ist, der [X.] bewusst. Im Rahmen der informatori-schen Anhörung des Geschäftsführers der [X.] vor dem [X.] räumte dieser sogar ein, als Zahlungsmittler tätig geworden zu sein, um eine Vollstreckung in das Kontoguthaben
des Schuldners
zu verhindern.

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-
11
-

b) Der [X.] war demnach auch das Bestreben des Schuldners [X.], das Finanzamt durch ihre Einbindung in den Zahlungsprozess zum Nachteil der anderen Gläubiger bevorzugt zu befriedigen.

aa) Grundsätzlich kann aus der Kenntnis der (fortdauernden) [X.] nicht in jedem Fall auf die Kenntnis des Zahlungsmittlers vom Be-nachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden. Wird ein Anfech-tungsgegner als bloße Zahlstelle des Schuldners tätig und ist er an dem [X.] nur in technischen Funktionen beteiligt, kann auch bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nicht auf die Kenntnis des [X.] geschlossen werden (vgl. [X.], Urteil vom 26.
April 2012 -
IX
ZR 74/11, [X.]Z 193, 129 Rn. 21; vom 24.
Januar 2013 -
IX
ZR 11/12, Z[X.] 2013, 384
Rn. 31 ff; vom 25.
April 2013 -
IX
ZR 235/12,
Z[X.] 2013, 1077 Rn. 30). Nimmt der [X.] jedoch im Eigen-
oder Fremdinteresse aktiv an einer Gläubi-gerbenachteiligung des Schuldners teil, kann aus dieser Mitwirkung eine Kenntnis des [X.] abgeleitet werden (vgl. [X.], Urteil vom 26.
April 2012, aaO; vom 25.
April 2013, aaO
Rn.
30 ff).

[X.]) Die Mitwirkung
der [X.]
erschöpfte sich nicht allein in der Erle-digung von Zahlungseingängen. Aufgrund einer Vereinbarung mit dem [X.] hatte sie sich bereit erklärt, mindestens
einen Betrag in Höhe von 10.000

einzuziehen und weisungsgemäß an das Finanzamt weiterzuleiten. Die [X.] hat damit bei der Befriedigung des Finanzamts eine eigene maßgebliche Rol-le übernommen und hierbei Sonderinteressen zumindest des Schuldners ver-folgt (vgl. [X.], Urteil vom 25.
April 2013, aaO Rn.
32). Der [X.] war [X.] bekannt, dass die Zahlungen
nicht zur Befriedigung eines insolvenzfest ge-sicherten Gläubigers verwendet oder ein solches Sicherungsrecht abgelöst werden sollte. Vielmehr sollten die Überweisungen der bevorzugten Befriedi-20
21
22
-
12
-
gung des Finanzamts, welches durch den Insolvenzantrag vom 13.
November 2007 einen erheblichen Zahlungsdruck ausübte, dienen. Um dieses Ziel zu er-reichen und gleichzeitig andere Gläubiger an einer Vollstreckung in das Konto-guthaben des Schuldners zu hindern, beschlossen die Beklagte und der Schuldner, die Zahlungen über ein Konto der
[X.] zu leisten. Aus diesen Umständen lässt sich eine unmittelbare Einbindung der [X.] in die vom Schuldner angestrebte Gläubigerbenachteiligung ableiten.

III.

Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§
561 ZPO). Die weiteren Voraussetzungen der [X.] gegenüber der
[X.] als Zahlungsmittlerin sind erfüllt
(vgl. [X.], Urteil vom 29.
November 2007 -
IX
ZR 121/06, [X.]Z 174, 314 Rn. 15 ff; vom 26.
April 2012 -
IX
ZR 74/11, [X.]Z 193, 129 Rn. 13 ff; vom 24.
Januar 2013 -
IX
ZR 11/12, Z[X.] 2013, 384 Rn.
14
ff).

1. Die an das Finanzamt geleisteten Zahlungen haben
infolge des [X.] bei dem Schuldner eine objektive Gläubigerbenachteiligung bewirkt. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die [X.] vermehrt oder die [X.] verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, sich somit die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (vgl. [X.], Urteil vom 20.
Januar 2011 -
IX
ZR 58/10, Z[X.] 2011, 421
Rn.
12; vom 17.
März 2011 -
IX
ZR 166/08, Z[X.] 2011, 782
Rn. 8; vom 7.
Mai 2015 -
IX
ZR 95/14, Z[X.] 2015, 1262 Rn. 8 mwN). Der Schuldner hat sich zum 23
24
-
13
-
Nachteil seiner Gläubiger finanzieller Mittel entäußert, indem er die in der [X.] zu unterstellende Einziehung der drei Raten in Höhe von insge-samt 28.500

eklagte genehmigte. Der vor der Weiterleitung der Gelder an das Finanzamt
noch bestehende Herausgabeanspruch gegen die Beklagte gemäß §§
675, 667 BGB ist keine gleichwertige Gegenleistung für die
abgeflossenen Zahlungsmittel (vgl. [X.], Urteil vom 25.
April 2013 -
IX
ZR 235/12, Z[X.] 2013, 1077 Rn. 17; [X.], Festschrift [X.], 2015, [X.], 324 mwN).

2. Die für §
133 Abs.
1 [X.] erforderliche Rechtshandlung des
[X.]s ist ebenfalls anzunehmen.

a) Bei einer Zahlung im [X.] liegt die anfechtbare Rechtshandlung erst in der Genehmigung der Lastschriftbuchung, nicht bereits in dieser Buchung selbst, weil die Belastung des Kontos bis zur Genehmigung ohne materielle Wirkung bleibt (vgl. [X.], Urteil vom 30.
September 2010 -
IX
ZR 178/09, Z[X.] 2010, 2089
Rn. 21; vom 25.
April 2013, aaO Rn. 20 mwN).
Hiermit
ist von einer zumindest fingierten Genehmi-gungserklärung (Nr.
7 Abs. 3 AGB-Banken aF) des Schuldners auszugehen.
Sollten die im März 2008 und Mai 2008 geleisteten
Mittel nicht durch Last-
schrifteinzug, sondern durch Überweisungen oder Bareinzahlungen auf das Konto der [X.] gelangt
sein, läge
hierin ebenfalls eine Rechtshandlung des Schuldners.

b) Der die im März und Mai 2008 geleisteten Zahlungen betreffende, von der [X.] bestrittene
Klägervortrag
ist hinreichend konkret und wurde [X.] unter Beweis gestellt.
Auf einen
nur zur Ausforschung gestellten
Beweisantritt des [X.] wird sich das Berufungsgericht nicht stützen können.
25
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27
-
14
-

aa) Grundsätzlich muss eine [X.] lediglich die zu beweisende erhebli-che Tatsache und das Beweismittel bestimmt bezeichnen; mehr darf nicht [X.] werden (vgl. [X.], Beschluss vom 16.
April 2015 -
IX
ZR 195/14, NJW-RR 2015, 829 Rn. 11 mwN). Insoweit darf es einer [X.] nicht verwehrt wer-den, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich nur vermuteter Tatsachen zu verlangen, über die sie selbst kein zulässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann.

[X.]) Ein unzulässiges prozessuales Vorgehen, das gegeben sein kann, wenn die [X.] ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimm-ten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl"
oder "ins Blaue hinein"
aufstellt (vgl. [X.], Beschluss vom 16.
April 2015, aaO Rn. 13; [X.], 5.
Aufl., §
284 Rn. 79; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 14.
Aufl., §
284 Rn. 18), liegt nicht vor. Die Annahme, der Kläger habe willkür-lich, das heißt ohne jegliche tatsächliche Anhaltspunkte, die Wiederholung des bereits im Dezember 2007 zwischen Beklagter und Schuldner abgestimmten Zahlungsflusses behauptet, kommt unter Berücksichtigung des zum Ausschluss möglicher weiterer Gläubiger gezielten Vorgehens des Schuldners und der [X.] und deren -
wenn auch später widerrufenen
-
Eingeständnisses in der Klageerwiderung, bezüglich der weiteren Zahlungen genauso verfahren zu sein, nicht in Betracht.

28
29
-
15
-
IV.

Das angefochtene Urteil kann folglich keinen
Bestand haben. Es ist auf-zuheben (§
562 Abs.
1 ZPO).

1. Soweit das [X.] der Klage stattgegeben hat, ist die Berufung der [X.] zurückzuweisen. Insoweit kann der [X.] in der Sache abschlie-ßend entscheiden, weil die Insolvenzanfechtung bereits nach dem unstreitigen Tatsachenstoff gerechtfertigt ist. Das Vorbringen der [X.]en in den Tatsa-cheninstanzen enthält hinsichtlich der
im Dezember 2007 geleisteten Zahlung in Höhe von 10.000

werden können. Es besteht auch keine Veranlassung, den [X.]en Gelegen-heit zur Ergänzung ihres Vorbringens zu geben.

2. Im Übrigen ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückzuverweisen (§
563 Abs.
1 ZPO). Der [X.] kann insoweit nicht selbst ab-schließend entscheiden. Das Berufungsgericht hat bislang keine Feststellungen zu
der unter Beweis gestellten Behauptung des [X.]
getroffen, der [X.] habe der [X.] im März und Mai 2008
Beträge in Höhe von 3.000

30
31
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-
16
-
und 15.500

als in die vorsätzliche Gläubi-gerbenachteiligung eingebundene Zahlungsmittlerin auf das Steuerkonto des Schuldners eingezahlt habe.

[X.]
[X.]
Pape

Grupp
Möhring
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.05.2014 -
1 O 1262/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 17.12.2015 -
3 [X.] -

Meta

IX ZR 3/16

14.09.2017

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.09.2017, Az. IX ZR 3/16 (REWIS RS 2017, 5376)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5376

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 242/13 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 65/15 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzanfechtung: Darlegungs- und Beweislast des Gläubigers für die Wiederaufnahme der Zahlungen nach Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit


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IX ZR 3/16

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