Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.02.2001, Az. III ZR 193/99

III. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 3669

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BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:1. Februar 2001F r e i t a gJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem [X.]:[X.]:[X.]:[X.] § 839 [X.] Amtspflichten, die der im Rahmen eines sanierungsrechtlichen Genehmi-gungsverfahrens nach §§ 144, 145 BauGB von der Genehmigungsbehördeintern mit der Wertermittlung beauftragte [X.] wahrzunehmenhat, können auch zugunsten des Antragstellers des Genehmigungsverfahrensals eines geschützten "[X.]" bestehen (Modifizierung der bisherigen Recht-sprechung; vgl. Senatsurteil vom 5. Juli 1990 - [X.]/88 = [X.] 1990,2013 - "[X.], Urteil vom 1. Februar 2001 - [X.] -OLG [X.] LG Itzehoe- 2 -Der III. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch [X.] [X.] und die [X.]. [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] [X.]-Holsteinischen Oberlandesgerichts in [X.]vom 27. Mai 1999 aufgehoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das [X.] zurückverwiesen.Von Rechts wegen- 3 -TatbestandDie Klägerin war Eigentümerin von zwei in einem Sanierungsgebiet dererstbeklagten Gemeinde belegenen Grundstücken. Sie verkaufte diese [X.] zusammen mit einem dritten zum Gesamtpreis von 990.000 DM. [X.] Notar, der bei der [X.] zu 1 den Antrag auf sanierungs-rechtliche Genehmigung stellte, erklärte, daß auf das eine Grundstück [X.] von 380.000 DM und auf das andere ein solcher von 350.000 [X.].Die Beklagte beauftragte den zuständigen [X.], eine Be-hörde des zweitbeklagten [X.], mit der Prüfung der Kaufpreise, um über [X.] entscheiden zu können. Der [X.] ermittelte [X.] Grundstück, dessen Kaufpreis mit 380.000 DM angegeben worden war,einen Verkehrswert von 244.000 DM und für das andere einen solchen von250.000 DM. Daraufhin versagte die Beklagte zu 1 durch Bescheid vom 17.Mai 1991 die Genehmigung mit der Begründung, die vereinbarten Kaufpreisevon 380.000 DM und 350.000 DM wichen so deutlich von den Verkehrswertenvon 244.000 DM und 250.000 DM ab, daß eine wesentliche Erschwerung [X.] vorliege.Nach erfolglosem Widerspruch erhob die Klägerin Klage zum Verwal-tungsgericht. Dieses holte das Gutachten eines Bausachverständigen ein, derzu Verkehrswerten von 460.000 DM und 480.000 DM gelangte. Da aufgrunddieser Feststellungen die Annahme, die vereinbarten Kaufpreise lägen [X.] den Verkehrswerten, nicht gerechtfertigt war, hob das Verwaltungsgericht- 4 -durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 22. März 1994 den Bescheid der[X.] zu 1 vom 17. Mai 1991 auf und verpflichtete sie, der Klägerin diesanierungsrechtliche Genehmigung zu erteilen.Im vorliegenden Rechtsstreit macht die Klägerin [X.] die Beklagte zu 1 wegen rechtswidriger Versagung der sanierungsrecht-lichen Genehmigung und gegen den [X.] zu 2 wegen Erstattung unrichti-ger Verkehrswertgutachten geltend. Ihren auf 350.875,31 DM nebst Zinsenbezifferten Schaden erblickt sie im wesentlichen in der Verzögerung der [X.] und in den darauf beruhenden weiteren Zinsbelastungen [X.] in Schäden bei der Verwertung von Sicherheiten.Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der [X.] verfolgt die Klägerin ihre Forderung weiter.[X.] Revision ist begründet.[X.] Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) des zweitbeklagten[X.] läßt sich nicht mit der von den Vorinstanzen gegebenen [X.] 5 -verneinen, der [X.] habe bei der - möglicherweise unrichtigen -Wertermittlung keine Amtspflichten gegenüber der Klägerin als einem ge-schützten "[X.]" verletzt.1.Die Grundstücksveräußerung bedurfte der schriftlichen Genehmigungder Gemeinde nach §§ 144 Abs. 2 Nr. 1, 145, 153 Abs. 2 BauGB in der damalseinschlägigen Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1986 (BGBl. [X.]. 2253). Die Genehmigung durfte nur versagt werden, wenn Grund zu der An-nahme bestand, daß der Rechtsvorgang die Durchführung der Sanierung un-möglich machen oder wesentlich erschweren oder den Zielen und Zwecken [X.] zuwiderlaufen würde (§ 145 Abs. 2 BauGB). Eine wesentliche Er-schwerung der Sanierung in diesem Sinne lag bei der rechtsgeschäftlichenVeräußerung auch dann vor, wenn der Kaufpreis für die Grundstücke über demWert lag, der sich ohne Berücksichtigung derjenigen Werterhöhungen ergebenhätte, die lediglich durch die Aussicht auf die Sanierung, durch ihre [X.] oder ihre Durchführung eingetreten waren (§ 153 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1BauGB). Die Einschaltung des [X.] durch die für die Ent-scheidung über den Genehmigungsantrag zuständige Gemeinde, die Beklagtezu 1, diente der Überprüfung, ob bei den Grundstücken der Klägerin ein sol-chermaßen überhöhter Kaufpreis vereinbart worden war.2.Unter den Parteien steht außer Streit, daß der [X.] in derTrägerschaft des beklagten [X.] steht; denn seine Mitglieder werden [X.] ernannt (§ 3 der [X.]-Holsteinischen Verordnung vom6. Dezember 1989 GVBl. [X.]), auch wenn die Ausschüsse jeweils für denBereich eines [X.] oder einer kreisfreien Stadt gebildet werden. [X.] Körperschaft im Sinne des Art. 34 GG ist dementsprechend das [X.] beiden Vorinstanzen zuzugeben ist, steht ihre Auffassung, der [X.] habe keine drittgerichteten Amtspflichten zugunsten der Klä-gerin wahrzunehmen gehabt, im Einklang mit der bisherigen Senatsrechtspre-chung, insbesondere dem Urteil im "[X.]" (vom 5. Juli1990 - [X.]/88 = [X.] 1990, 2013). Das Ergebnis der Begutachtung [X.] die Beklagte zu 1 nicht bindend und nahm ihr die Verantwortung für [X.] über die Genehmigung nach § 145 BauGB nicht ab. Nach derbisherigen Betrachtungsweise war somit die Einschaltung des Gutachteraus-schusses durch die Beklagte zu 1 ein rein behördeninterner Vorgang ohne Au-ßenwirkung.4.An diesen Grundsätzen vermag der Senat indessen nicht mehr uneinge-schränkt festzuhalten. Bei der Bestimmung des [X.] der geschützten "[X.]" im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB ist jeweils zu prüfen, ob gerade dasim Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestim-mung des [X.] geschützt werden soll. Es kommt demnach vor allemdarauf an, ob bei der betreffenden Amtshandlung in qualifizierter und zugleichindividualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar ab-gegrenzten [X.] Dritter Rücksicht zu nehmen ist (Senatsurteil [X.]Z 108,224, 227). Diese Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Belange derKlägerin als Verkäuferin wurde hier für den [X.] dadurch [X.], daß er die tatsächliche Beurteilungsgrundlage für die abschließendeEntscheidung der [X.] zu 1 über den Genehmigungsantrag schuf undschaffen sollte. Die haftungsrechtliche Ordnung kann nicht daran vorbeigehen,daß die Aufklärung des relevanten Sachverhaltes in solchen Fällen tatsächlicharbeitsteilig erfolgt und die Stellungnahme einer Fachbehörde unter diesen- 7 -Umständen die Bedeutung eines Sachverständigengutachtens gewinnt unddieses ersetzt. Indem die von der zuständigen Behörde eingeschaltete Fach-behörde auf der Grundlage arbeitsteiligen Zusammenwirkens ihr [X.] in die zu treffende Entscheidung einbringt, gewinnt ihre Mitwirkung- ihr erkennbar - im Verhältnis zum Bürger eine über die innerbehördliche Be-teiligung hinausgehende Qualität. Sie ist dann ebenso wie die nach außen tätigwerdende Behörde gehalten, bei der Ausübung des [X.] auch [X.] des betroffenen Bürgers zu wahren. In diesen Fällen wirken [X.] der Fachbehörde in den Schutzbereich der Amtspflichten, welchedie zur Endentscheidung berufene Behörde dem Bürger gegenüber [X.] hat, hinein und erlangen ihrerseits drittschützenden Gehalt. Damit istzugleich die Parallelwertung zu den Fallgestaltungen vollzogen, in denen nachder Rechtsprechung für den Bereich privatrechtlicher Rechtsbeziehungen an-erkannt ist, daß die Beauftragung eines Sachverständigen Schutzwirkung zu-gunsten eines [X.] entfalten kann, gegenüber dem der Auftraggeber vondem Gutachten Gebrauch machen will. Diese Schutzwirkung kann [X.] des [X.] (vgl. Senatsurteil [X.], 378; s. auch [X.], Urteil vom 14. [X.] - [X.], zur [X.] vorgesehen; zusammenfassend [X.], 1601). Dem entspricht es, daß in den hier in Rede stehendenFällen auch die Drittgerichtetheit von Amtspflichten einer intern eingeschalte-ten sachverständigen Fachbehörde nicht verneint werden kann, wenn - wiehier - der zur Begutachtung herangezogenen Behörde klar sein muß, daß ihreStellungnahme die Rechtsposition eines bestimmten [X.] tangiert. Dabei trittdie Haftung unabhängig davon ein, ob auch die nach außen tätig [X.] ihrerseits haftet. Wird beim Zusammenwirken mehrerer Behörden [X.] geschädigt, so ist die Drittgerichtetheit für jede der in Betracht [X.] 8 -den Amtspflichten eigenständig zu bestimmen. Fragen der Subsidiarität, wiesie im Bereich der vertraglichen Haftung eine Rolle spielen können (vgl. [X.]Z70, 327, 330), stellen sich insoweit nicht.5.Dementsprechend kann die Klageabweisung gegen das zweitbeklagteLand nicht bestehenbleiben. Vielmehr bedarf es nunmehr der - vom Rechts-standpunkt des Berufungsgerichts aus folgerichtig - unterbliebenen Prüfung, obdem [X.] tatsächlich eine schuldhafte Falschbewertung [X.] ist.[X.] ist der Amtshaftungsanspruch gegen die Beklagte zu 1 [X.] abgewiesen worden.a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 1 habe auf [X.] der Wertermittlung durch den [X.] vertrauen [X.] deshalb bei der Ablehnung des [X.] nicht schuldhaftgehandelt, hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungs-gericht ist zutreffend von dem für das Amtshaftungsrecht maßgeblichen objek-tiven Sorgfaltsmaßstab ausgegangen. Die Verfahrensrügen, mit denen die Re-vision im wesentlichen geltend macht, das Berufungsgericht habe insoweit denvorinstanzlichen Sachvortrag der Klägerin nicht ausgeschöpft, greifen - wie [X.] geprüft hat - nicht durch; von einer Begründung wird insoweit abgesehen(§ 565 a ZPO).- 9 -b) Die Beklagte zu 1 braucht sich auch ein etwaiges Verschulden des[X.] haftungsrechtlich nicht zurechnen zu lassen. Als Zu-rechnungsnorm käme insoweit nur der Rechtsgedanke des § 278 BGB - sei [X.] unmittelbarer oder in analoger Anwendung - in Betracht, der eine Haftung fürfremdes Verschulden begründen würde. Zwar setzt die Zurechnungsnorm des§ 278 BGB keinen Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner voraus. Es ge-nügt eine bestehende rechtliche Sonderverbindung auf gesetzlicher Grundla-ge. Der Rechtsgedanke des § 278 gilt grundsätzlich auch im öffentlichenRecht. Er ist insbesondere auf nichtvertragliche öffentlich-rechtliche Sonder-verbindungen anzuwenden, soweit diese eine dem privatrechtlichen Schuld-verhältnis vergleichbare Leistungs- oder Obhutsbeziehung zum Gegenstandhaben. Die verletzten Pflichten müssen allerdings über allgemeine Amtspflich-ten im Sinne des § 839 BGB hinausgehen; nur ein zwischen dem [X.] der öffentlich-rechtlichen Körperschaft bestehendes besonderes, [X.] kann Grundlage für eine sinngemäße Anwendung des § 278 [X.] ([X.]Z 131, 200, 204 m.w.N.; vgl. zu den einzelnen Fallgruppen einerderartigen Sonderverbindung auch [X.]/[X.], [X.]. 1995§ 278 Rn. 11). Der Rückgriff auf § 278 BGB ist deshalb nicht schon dann mög-lich, wenn der Bürger gegen die Behörde einen im [X.] Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung (hier nach §§ 144,145 Abs. 2 BauGB) hat und sich die Behörde zur Erfüllung ihrer Verpflichtungeines [X.], insbesondere einer Fachbehörde, bedient. Ein durch einen ent-sprechenden Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vermag für sich alleingenommen noch keinen über die "normalen" Amtspflichten hinausgehenden,gesteigerten Pflichtenstatus der Behörde gegenüber dem betroffenen Bürgerzu begründen.- 10 -2.Gleichwohl kann die Abweisung der Klage auch gegen die Beklagte zu 1keinen Bestand haben.Die Vorinstanzen haben nämlich unberücksichtigt gelassen, daß hiernach gefestigter Rechtsprechung ein Anspruch aus enteignungsgleichem [X.] in Betracht kommt. In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, daßzwischen dem Amtshaftungsanspruch und dem Entschädigungsanspruch ausenteignungsgleichem Eingriff Anspruchskonkurrenz bestehen kann. [X.] ist, daß die Klägerin die Klage nicht ausdrücklich auf enteignungsgleichenEingriff gestützt hat. Entscheidend ist vielmehr, ob sich auf der Grundlage desvorgetragenen Sachverhalts die begehrte Rechtsfolge auch aus enteignungs-gleichem Eingriff herleiten läßt; ist dies der Fall, so sind die Gerichte [X.] verpflichtet, den [X.] auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunktzu beurteilen. Dies ist eine materiellrechtliche Frage; sie kann daher vom [X.] auch ohne eine diesbezügliche Revisionsrüge geprüft werden(Senatsurteil [X.]Z 136, 182, 184 m.w.N.). Im vorliegenden Fall geht es - [X.] als in den [X.] [X.]Z 134, 316 und 136, 182 - um dierechtswidrige Verzögerung einer Grundstücksveräußerung. Diese kann nachden Grundsätzen der beiden vorgenannten Senatsentscheidungen den Tatbe-stand des enteignungsgleichen Eingriffs erfüllen. Anders als bei dem [X.] ([X.] = NVwZ 1998, 1329) läßt sich der in-haltlich auf die "[X.]" gerichtete Entschädigungsanspruch hier zumin-dest teil-- 11 -weise auch den bezifferten Schadenspositionen zuordnen, nämlich insoweit,als es um Zinsmehrbelastungen wegen verzögerter Ablösung von [X.] geht (vgl. Senatsurteil [X.]Z 136, 182, 187).[X.][X.][X.][X.]Galke

Meta

III ZR 193/99

01.02.2001

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.02.2001, Az. III ZR 193/99 (REWIS RS 2001, 3669)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3669

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