Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.03.2011, Az. 9 AZR 813/09

9. Senat | REWIS RS 2011, 8606

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Gegenstand

Gesetzliche Anforderungen an die Berufungsbegründungsschrift


Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 4. November 2009 - 6 Sa 18/09 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2008 - 4 Ca 1090 b/08 - als unzulässig verworfen wird.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der [X.]n den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags.

2

Die 1952 geborene Klägerin und die [X.] verbindet ein Arbeitsverhältnis. Die [X.] beschäftigt die Klägerin als Krankenschwester in einem Krankenhaus. [X.] anwendbare Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 in der Fassung des [X.] Nr. 2 vom 30. Juni 2000 ([X.]) gewährt Beschäftigten unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch gegen den Arbeitgeber, mit ihnen einen Altersteilzeitarbeitsvertrag abzuschließen. Einen solchen Anspruch sieht auch der zwischen dem [X.] und der [X.] geschlossene Tarifvertrag „Arbeitszeit für [X.]“ (TV-ArbZ SH) vor.

3

Mit Schreiben vom 17. März 2008, das der [X.]n am 26. März 2008 zuging, forderte die Klägerin die [X.] erfolglos auf, mit ihr einen Altersteilzeitarbeitsvertrag für den [X.]raum vom 1. Oktober 2009 bis zum 30. September 2017 zu schließen.

4

Die Klägerin hat die Rechtsauffassung vertreten, die ablehnende Entscheidung der [X.]n diskriminiere sie wegen ihres Alters. Die Tarifvertragsparteien, die an den grundgesetzlichen Gleichheitssatz gebunden seien, hätten den ihnen von [X.] wegen zustehenden Regelungsspielraum überschritten. Es verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, den Beschäftigten der [X.], nicht aber den Beschäftigten in den Krankenhäusern den Zugang zur Altersteilzeit unter den [X.] spezifizierten Bedingungen zu gewähren.

5

Die Klägerin hat beantragt,

        

die [X.] zu verurteilen, ihr Angebot zum Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags in Form des Teilzeitmodells in der [X.] vom 1. Oktober 2009 bis zum 30. September 2017 anzunehmen.

6

Die [X.] hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht gewesen, sie sei berechtigt, Altersteilzeitanträge von Arbeitnehmern, die das 60. Lebensjahr nicht vollendet hätten, aus Kostengründen abzulehnen. Das ihr zustehende Ermessen habe sie fehlerfrei ausgeübt.

7

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet, da bereits die Berufung unzulässig gewesen ist. Das [X.] hätte die Berufung als unzulässig verwerfen müssen; denn die Berufungsbegründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.

9

1. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung ([X.] 27. Juli 2010 -  1 [X.]  - Rn. 17, [X.] 2010, 1446). Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ([X.] 17. Januar 2007 - 7 [X.] - Rn. 10, [X.]E 121, 18). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Berufung verworfen wird (vgl. [X.] 15. August 2002 -  2 [X.]  - zu 2 der Gründe, [X.] ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14). Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist hierbei ohne Bedeutung (vgl. [X.] 9. Juli 2003 -  10 [X.]  - zu 1 der Gründe, [X.] ArbGG 1979 § 64 Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 37).

2. Die [X.] genügt nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin hat sich nicht in ausreichender Weise mit den Erwägungen des Arbeitsgerichts, auf die es seine klageabweisende Entscheidung gestützt hat, auseinandergesetzt.

a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Begründung der Berufung auch im [X.] vor den Gerichten für Arbeitssachen anwendbar ([X.] 10. Februar 2005 -  6 [X.]  - zu 2 a der Gründe, EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 40). Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll ([X.] 28. Mai 2009 -  2 [X.]  - Rn. 14, [X.] ZPO § 520 Nr. 2). Die Regelung des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird (vgl. [X.] 11. März 1998 - 2 [X.] - zu I der Gründe, [X.]E 88, 171). Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den [X.] zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (vgl. [X.] 6. März 2003 - 2 [X.]  - zu II 1 a der Gründe, [X.]E 105, 200). Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt und eine Beschränkung des Rechtsstoffs im Berufungsverfahren erreicht werden ([X.] 15. August 2002 - 2 [X.] - zu 2 der Gründe, [X.] ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14). Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den Streitfall zugeschnitten sein ([X.] 8. Mai 2008 - 6 [X.] - Rn. 30, [X.] BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 40 = EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 6). Eine schlüssige Begründung kann zwar nicht verlangt werden; doch muss sich die Berufungsbegründung mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will ([X.] 10. Februar 2005 -  6 [X.]  - zu 2 a der Gründe, aaO ; 16. Juni 2004 - 5 [X.] - zu II 2 b der Gründe, EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 3; 15. August 2002 - 2 [X.] - zu 2 der Gründe, aaO). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen ([X.] 25. April 2007 -  6 [X.]  - Rn. 14, [X.]E 122, 190).

b) An diesem Maßstab gemessen, hat die Klägerin die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts nicht ausreichend begründet. Das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil mit § 2 Abs. 1 TV [X.] (Seite 6 des Urteils) und § 7 TV-ArbZ SH (Seite 8 des Urteils) zwei Anspruchsgrundlagen in Betracht gezogen und deren Voraussetzungen im Ergebnis verneint.

aa) Zu § 2 Abs. 1 TV [X.] hat das Arbeitsgericht im Einzelnen ausgeführt, die Beklagte habe das ihr von den Tarifvertragsparteien eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die von der Beklagten angeführten wirtschaftlichen Gründe rechtfertigten die Ablehnung des von der Klägerin unter dem 17. März 2008 gestellten Antrags. Eine Diskriminierung der Beschäftigten, die das 60. Lebensjahr nicht vollendet hätten, liege nicht vor, da diese nicht benachteiligt würden. Die Tarifbestimmung begünstige ältere Arbeitnehmer, ohne jüngere zu benachteiligen. Ausweislich der Präambel des Tarifvertrags solle älteren Beschäftigten ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglicht und dadurch vorrangig Auszubildenden und Arbeitslosen Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet werden. Die Tarifvertragsparteien verfolgten mit den Regelungen des TV [X.] arbeitsmarktpolitische Ziele und beschränkten die Begünstigung deshalb auf Arbeitnehmer, für die der gesetzliche Ruhestand alsbald anstehe.

Die [X.] der Klägerin enthält keine argumentative Auseinandersetzung mit diesen Erwägungen. Soweit die Klägerin auf Seite 1 der Berufungsbegründung ausführt, ihr Anspruch ergebe sich aus § 2 des Arbeitsvertrags, paraphrasiert sie im Folgenden die Tarifnorm des § 2 TV [X.] und rügt „die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes“. Zudem „beruft (sie) sich auch auf das [X.], das jede Diskriminierung aus Altersgründen verbietet“. Hierbei handelt es sich um eine formelhafte Wendung, auf die die Klägerin in ähnlicher Form bereits in der Klageschrift vom 31. Mai 2008 zurückgegriffen hat. Dort hat sie die Ansicht vertreten, in der Regelung liege eine „rechtswidrige Diskriminierung aus Altersgründen, die mit [X.], Verfassungs- und Bundesrecht unvereinbar“ sei. Die Klägerin legt weder dar, aus welchem Grund sie den Gleichbehandlungsgrundsatz für verletzt erachtet, noch, aufgrund welcher Umstände sie sich auf welche Vorschriften des [X.] zur Stützung der Rechtsbehauptung, ihr stehe ein Anspruch auf Abschluss des begehrten Altersteilzeitarbeitsvertrags zu, berufen will. Der pauschale Hinweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Vorschriften des [X.] ersetzt nicht die erforderliche Auseinandersetzung mit der die angefochtene Entscheidung tragenden Erwägung des Arbeitsgerichts, es liege keine Ungleichbehandlung zulasten der jüngeren, sondern eine - diskriminierungsrechtlich gerechtfertigte - Begünstigung älterer Arbeitnehmer vor. Auf das weitere Argument des Arbeitsgerichts, die unterschiedliche Behandlung beider Arbeitnehmergruppen sei aufgrund arbeitsmarktpolitischer Erwägungen der Tarifvertragsparteien gerechtfertigt, geht die Klägerin nicht ein.

bb) Auch hinsichtlich der zweiten von dem Arbeitsgericht in Betracht gezogenen Anspruchsgrundlage, der Regelung des § 7 TV-ArbZ SH, fehlt es an einer der Form des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO entsprechenden Berufungsbegründung. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, es sei Sache der Tarifvertragsparteien, die Gruppe derer zu bestimmen, auf die das zur Verfügung stehende arbeitsmarktpolitische Instrumentarium angewendet werde. Eine Diskriminierung sei nicht ersichtlich, da im Bereich der Krankenpflege keine erhebliche Arbeitslosigkeit bestehe. Angesichts dessen habe kein Bedarf zur Förderung von Arbeitslosen und Jugendlichen bestanden.

Dieser Urteilsbegründung setzt die Klägerin auf Seite 2 der Berufungsbegründung den pauschalen Hinweis entgegen, die Tarifvertragsparteien hätten ihre Regelungsbefugnis überschritten. Damit wird die Klägerin ihrer Begründungsobliegenheit nicht gerecht. Ihre ohne nähere Erläuterung aufgestellte Behauptung, „Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung sind nicht ersichtlich“ (Seite 3 der Berufungsbegründung), ist nicht auf die Erwägungen, die das erstinstanzliche Gericht zur Klageabweisung bewogen haben, zugeschnitten. Das Arbeitsgericht hat auf die mit der Einführung von Altersteilzeit verfolgten arbeitsmarktpolitischen Zwecke abgestellt und ist davon ausgegangen, es bestehe angesichts der Arbeitsmarktlage kein Bedürfnis, Mitarbeitern in Krankenhäusern den Zugang zur Altersteilzeit zu eröffnen. Mit diesen sowohl rechtlichen als auch tatsächlichen Argumenten des Arbeitsgerichts befasst sich die Klägerin nicht. Sie erhebt weder Verfahrensrügen, noch stellt sie die rechtlichen Folgerungen des Arbeitsgerichts infrage. Wenn sie auf Seite 3 der Berufungsbegründung ohne nähere Erklärung auf eine Gleichstellung von Altenpflegern und Krankenpflegern im Krankenpflegegesetz verweist, steht dies mit den maßgebenden Tarifbestimmungen in keinem erkennbaren Zusammenhang.

C. Die Klägerin hat als Revisionsführerin die Kosten der ohne Erfolg eingelegten Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Düwell    

        

    Krasshöfer    

        

    Suckow    

        

        

        

    Faltyn    

        

    [X.]    

                 

Meta

9 AZR 813/09

15.03.2011

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Kiel, 17. Dezember 2008, Az: 4 Ca 1090 b/08, Urteil

§ 64 Abs 6 S 1 ArbGG, § 520 Abs 3 S 2 Nr 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.03.2011, Az. 9 AZR 813/09 (REWIS RS 2011, 8606)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8606

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