Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.11.2014, Az. VII ZB 46/12

7. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 1368

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Erstattungsfähige Kosten im Revisionsverfahren: Kosten eines Verkehrsanwalts; Entschädigung einer Partei für Zeiten der Informationsbeschaffung und der Aufarbeitung des Prozessstoffs


Leitsatz

1. Die Kosten für einen Verkehrsanwalt sind im Revisionsverfahren nur bei Vorliegen besonderer Umstände erstattungsfähig.

2. Der Zeitaufwand einer Partei für die Beschaffung von Informationen und die Durch- und Aufarbeitung des Prozessstoffes gehört zum allgemeinen Prozessaufwand, der nicht erstattungsfähig ist. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Partei nicht selbst tätig geworden ist, sondern eine Hilfsperson beauftragt hat.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des [X.] vom 7. August 2012 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

[X.]: 9.530,34 €

Gründe

I.

1

Die Klägerin und die Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Verkehrsanwalts im Revisionsverfahren und von Rechtsanwaltskosten, die auf einer Honorarvereinbarung beruhen.

2

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft geltend gemacht, die die Beklagte für die inzwischen insolvente [X.] gestellt hatte. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist dem Rechtsstreit im Wege der [X.] auf Seiten der Beklagten beigetreten, da sie intern der Beklagten bei Inanspruchnahme aus der Bürgschaft zum Ausgleich verpflichtet war.

3

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil unter Zulassung der Revision aufgehoben, den [X.] dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und wegen der Anspruchshöhe das Verfahren an das [X.] zurückverwiesen. Auf die Revision der Beklagten und der Nebenintervenientin hat der [X.] das Berufungsurteil aufgehoben, die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und ihr die Kosten der Rechtsmittelverfahren auferlegt.

4

Die Nebenintervenientin hat beantragt, gemäß § 104 ZPO die Kosten der ersten, zweiten und dritten Instanz festzusetzen. Soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung, hat sie beantragt, für die dritte Instanz Kosten für einen Verkehrsanwalt in Höhe von 2.780 € festzusetzen. Das [X.] hat den [X.] in Höhe von 2.032,00 € zurückgewiesen, da die Kosten eines Verkehrsanwalts nicht erstattungsfähig seien, dafür aber 748,00 € fiktive Reisekosten für eine persönliche Besprechung der Rechtsbeschwerdeführerin bei ihrem Prozessbevollmächtigten dritter Instanz festgesetzt.

5

Die Nebenintervenientin hat weiter beantragt, weitere Rechtsanwaltskosten in Höhe von 7.498,34 € festzusetzen, die ihr von ihrem Prozessbevollmächtigten aufgrund einer gesonderten Honorarvereinbarung in Rechnung gestellt worden waren. Dieses Honorar bezieht sich auf 30 Stunden, die ihr Prozessbevollmächtigter für die Durchsicht der Bauakten der insolventen [X.] und damit im Zusammenhang stehende Besprechungen mit [X.] an drei Terminen in der [X.] aufgewandt haben will. Das [X.] hat den Antrag zurückgewiesen.

6

Die Nebenintervenientin hat gegen beide Beschlüsse sofortige Beschwerde eingelegt, welche das Beschwerdegericht mit einheitlichem Beschluss zurückgewiesen hat. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Nebenintervenientin ihre Begehren weiter.

II.

7

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

8

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Einschaltung eines Verkehrsanwalts ([X.]) für das Revisionsverfahren sei nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig gewesen. [X.] seien schon im Berufungsverfahren im Regelfall nicht erstattungsfähig. Für das Revisionsverfahren gelte nichts Anderes, weil allein Rechtsfragen zu klären seien, für die eine Korrespondenz mit der Prozesspartei von untergeordneter Bedeutung sei. Eine Ausnahme sei allenfalls denkbar, wenn aufgrund einer Auflage des Revisionsgerichts weiterer Sachvortrag erforderlich würde. Dies sei vorliegend jedoch nicht gegeben.

9

Die angemeldeten Kosten für die Durcharbeitung der Bauakten der insolventen [X.] und die Abhaltung von Besprechungen in diesem Zusammenhang seien nicht erstattungsfähig, da der geltend gemachte Anspruch auf einer Honorarvereinbarung der Nebenintervenientin und ihrem Prozessbevollmächtigten beruhe. Nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO seien nur die gesetzlichen Gebühren und Auslagen ihres Rechtsanwalts zu erstatten. Wenn eine vereinbarte Vergütung höher sei als die gesetzliche Vergütung, komme eine Kostenerstattung zwar in Betracht, aber nur bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen. Die von der Nebenintervenientin beantragten Kosten für die Durcharbeitung der Akten und Besprechungen in E. seien durch die bereits festgesetzte Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 [X.] RVG abgegolten.

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass die Einschaltung eines Verkehrsanwalts für das Revisionsverfahren nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig gewesen ist.

aa) Es entspricht der Rechtsprechung des [X.]s, dass im Berufungsverfahren [X.] grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind ([X.], Beschlüsse vom 7. Juni 2006 - [X.] 245/04, NJW-RR 2006, 1563 Rn. 6 f.; vom 21. September 2005 - [X.], [X.], 301, 302; Urteil vom 21. März 1991 - [X.], NJW 1991, 2084, 2085 f.).

Nach der ständigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und der allgemeinen Meinung im Schrifttum sind auch im Revisionsverfahren Kosten für einen Verkehrsanwalt nur im Ausnahmefall erstattungsfähig ([X.], [X.] 2012, 371; [X.], [X.] 2010, 622, 623; [X.], [X.] 2010, 37, 38; [X.], [X.] 2005, 298; [X.], [X.], 185; [X.], Justiz 2000, 304; [X.], [X.] 1998, 1372; [X.], [X.] 1992, 524, 525; [X.], [X.] 1991, 243; Musielak/[X.], ZPO, 11. Aufl., § 91 Rn. 29 f.; Mock/[X.] in [X.]/Wolf, [X.] RVG, 7. Aufl., [X.] 3401-3402 Rn. 102 f.; [X.]/[X.], ZPO, 30. Aufl., § 91 Rn. 13 unter "Verkehrsanwalt").

Diese Ansicht trifft zu. Der Verkehrsanwalt hat nach [X.] RVG 3400 einen beschränkten [X.]; er führt lediglich den Verkehr der [X.] mit dem Prozessbevollmächtigten, während die Prozessführung und die damit verbundene Beratung von dem Prozessbevollmächtigten in eigener Verantwortung wahrzunehmen ist ([X.], Beschluss vom 7. Juni 2006 - [X.] 245/04, aaO Rn. 7; Beschluss vom 21. September 2005 - [X.], aaO, 302; Mock/[X.], aaO Rn. 98). Eine Sachstandsunterrichtung des [X.] durch den Prozessbevollmächtigten des Berufungsverfahrens ist in der Regel nicht erforderlich, da in der Revisionsinstanz das angefochtene Urteil lediglich anhand des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts auf Rechtsfehler und anhand des aus den Gerichtsakten ersichtlichen Sachverhalts auf erhobene Verfahrensrügen hin überprüft wird (vgl. [X.], [X.] 2012, 371, 372; [X.], [X.], 185; [X.], [X.] 1998, 1372; [X.], [X.] 1991, 243; Mock/[X.], aaO Rn. 103). Dementsprechend kommt nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s die Beiordnung eines Verkehrsanwalts auf Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfebasis im Rechtsbeschwerde- und Revisionsverfahren nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht ([X.], Beschluss vom 29. Juni 2011 - [X.], juris Rn. 3; Beschluss vom 9. Dezember 2010 - [X.], juris Rn. 2; Beschluss vom 4. August 2004 - [X.] 6/04, NJW-RR 2004, 1662; Beschluss vom 7. Juni 1982 - [X.], [X.] 1982, 1335).

bb) Solche Umstände hat die Rechtsbeschwerde nicht dargelegt.

Soweit sie sich allgemein darauf beruft, es könne erforderlich sein, aus den Akten ersichtlichen und unberücksichtigt gelassenen Sachvortrag erneut darzulegen, kann ihr das nicht zum Erfolg verhelfen, weil sie nicht darlegt, dass ein solcher Fall vorlag und für die Revisionsbegründung die Verwertung von Informationen, die sich nicht aus dem Berufungsurteil ergaben, erforderlich war. Deshalb kann die Rechtsbeschwerde auch nicht mit dem Argument durchdringen, die Nebenintervenientin habe von dem Sachverhalt selbst keinerlei Kenntnis gehabt und sei daher nicht in der Lage gewesen, eine Beratung mit dem Prozessbevollmächtigten am [X.] wahrzunehmen, was ihre Prozessbevollmächtigten deshalb hätten tun müssen.

b) Auch im Hinblick auf die Ablehnung der Erstattungsfähigkeit der Kosten, welche der Nebenintervenientin durch ihren Prozessbevollmächtigten aufgrund einer Honorarvereinbarung für die Durchsicht der Bauakten der insolventen [X.] und damit verbundener Besprechungen in Rechnung gestellt wurden, hält die Entscheidung des [X.] der Überprüfung im Ergebnis stand.

aa) In Rechtsprechung und Literatur wird fast einhellig die Ansicht vertreten, dass als erstattungsfähige "gesetzliche Gebühren und Auslagen" nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO lediglich die Regelsätze des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zu erstatten sind und nicht ein aufgrund einer Honorarvereinbarung mit dem Rechtsanwalt die Regelsätze des [X.] (Bay. [X.], Beschluss vom 19. Juli 2013 - 3 ZB 08.2979, juris Rn. 6; [X.], [X.] 2006, 272; [X.], Beschluss vom 5. September 2012 - 5 Ta 134/12, juris Rn. 16; [X.] ZPO, [X.]/Wache, Stand: 15. September 2014, § 91 Rn. 166, [X.][X.], 4. Aufl., § 91 Rn. 61; a.[X.]/Raap, [X.] 2010, 422, 424 ff.).

bb) Ob diese Auffassung zutrifft, kann dahinstehen.

Der Zeitaufwand einer [X.] für die Beschaffung von Informationen und die Durch- und Aufarbeitung des [X.] gehört zum allgemeinen Prozessaufwand, der nicht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erstattungsfähig ist ([X.], Beschluss vom 7. Mai 2014 - [X.] 630/12, [X.] 2014, 867 Rn. 10; Urteil vom 9. März 1976 - [X.], [X.]Z 66, 112, 114; [X.], BeckRS 2012, 25134; [X.], NJW-RR 2012, 430, 432; [X.], [X.], 1170; [X.], BeckRS 2003, 30301677; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3. Aufl., § 91 Rn. 14; [X.] ZPO, [X.]/Wache, aaO Rn. 118; [X.][X.], aaO Rn. 98; vgl. [X.], NJW 2008, 3207). Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die [X.] nicht selbst tätig geworden ist, sondern eine Hilfsperson beauftragt hat ([X.], Beschluss vom 7. Mai 2014 - [X.] 102/13, NJW 2014, 3247 Rn. 6; [X.], BeckRS 2012, 25134; [X.][X.], aaO Rn. 98; [X.] ZPO, [X.]/Wache, aaO Rn. 118; Musielak/[X.], ZPO, 11. Aufl., § 91 Rn. 10).

Der Zeitaufwand, den der Prozessbevollmächtigte der Nebenintervenientin zur Durchsicht der Bauakten der [X.] aufgewandt hat, gehört zu diesem nicht erstattungsfähigen allgemeinen Prozessaufwand. Die von der Rechtsbeschwerde hervorgehobene Besonderheit, dass die Nebenintervenientin nur auf der Grundlage einer [X.] mit dem Sachverhalt des Rechtsstreits verbunden gewesen sei und deshalb keine näheren Kenntnisse des Streitgegenstandes gehabt habe, stellt das nicht in Frage. Denn gerade diese Fallkonstellation bringt es zwangsläufig mit sich, dass sie sich über die zugrunde liegende Haftung der [X.] und vor allem über den Sachverhalt der zugrunde liegenden Hauptforderung informieren muss, um den [X.] zu erfassen und gegebenenfalls eine Rechtsverteidigung zu ermöglichen.

Dass die Nebenintervenientin diesen Aufwand auf einen [X.] verlagert hat, führt nicht zu dessen Erstattungsfähigkeit. Das kommt in Betracht, wenn die [X.] nicht die erforderliche Sachkunde besitzt (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Mai 2014 - [X.] 102/13, aaO; [X.], NJW-RR 2012, 430, 432; [X.], BeckRS 2012, 19412; [X.] ZPO, [X.]/Wache, aaO Rn. 118). Vorliegend ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass es der Nebenintervenientin nicht möglich gewesen wäre, durch ihre Organe oder Angestellten die Sichtung der Bauakten selbst vorzunehmen und dann ihren Prozessbevollmächtigten entsprechend zu informieren, nachdem dieser nicht bereit war, diese Aufgabe ohne gesonderte Vergütung zu übernehmen. Anhaltspunkte dafür, dass es zur Durchsicht der Bauakten der [X.] Sachkenntnisse bedurfte, die weder bei den Organen noch den Angestellten der Nebenintervenientin - einer Aktiengesellschaft - vorhanden waren, bestehen nicht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Eick                      Halfmeier                     [X.]

           Jurgeleit                        [X.]

Meta

VII ZB 46/12

13.11.2014

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 7. August 2012, Az: 11 W 1351/12

§ 91 Abs 1 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.11.2014, Az. VII ZB 46/12 (REWIS RS 2014, 1368)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 633 REWIS RS 2014, 1368

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VII ZB 46/12 (Bundesgerichtshof)


VI ZB 59/11 (Bundesgerichtshof)

Rechtsmissbräuchlichkeit eines Kostenfestsetzungsverfahrens bei Verfolgung einheitlicher Ansprüche in getrennten Verfahren


I ZB 97/09 (Bundesgerichtshof)

Kostenfestsetzungsverfahren: Erstattungsfähigkeit der Kosten des ausländischen Verkehrsanwalts einer ausländischen Partei - Ausländischer Verkehrsanwalt


VI ZB 60/11 (Bundesgerichtshof)

Kostenfestsetzungsverfahren: Rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung bei Geltendmachung zweier gleichgerichteter Ansprüche in getrennten Verfahren


I ZB 97/09 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.