Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.09.2011, Az. I ZB 97/09

1. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2844

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Gegenstand

Kostenfestsetzungsverfahren: Erstattungsfähigkeit der Kosten des ausländischen Verkehrsanwalts einer ausländischen Partei - Ausländischer Verkehrsanwalt


Leitsatz

Ausländischer Verkehrsanwalt

1. Für die Frage, ob die Kosten des ausländischen Verkehrsanwalts einer ausländischen Partei erstattungsfähig sind, bedarf es einer Notwendigkeitsprüfung im Einzelfall. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine ausländische Partei typischerweise etwa wegen sprachlicher Barrieren, kultureller Unterschiede oder mangelnder Vertrautheit mit dem deutschen Rechtssystem eher auf einen Verkehrsanwalt an ihrem Wohn- oder Geschäftssitz angewiesen sein wird als eine inländische Partei.

2. Die Mitwirkung eines ausländischen Verkehrsanwalts ist jedenfalls nicht erforderlich, wenn der deutsche Verfahrensbevollmächtigte bereits über alle nötigen Informationen verfügt oder wenn es für die ausländische Partei möglich, zumutbar und kostengünstiger ist, den inländischen Prozessbevollmächtigten unmittelbar zu informieren.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des 1. Zivilsenats des [X.] vom 27. Oktober 2009 aufgehoben, soweit der Antragstellerin eine 1,0Gebühr für ihren [X.] Verkehrsanwalt zugesprochen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 2.030,80 €.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin, ein Unternehmen mit Sitz in der [X.], hat gegen die Antragsgegner vor dem [X.] eine einstweilige Verfügung wegen einer Urheberrechtsverletzung erwirkt. Im Kostenfestsetzungsverfahren streiten die [X.]en noch um die Frage, ob die Antragstellerin neben den Kosten ihrer inländischen Prozessbevollmächtigten auch diejenigen der von ihr zusätzlich beauftragten [X.] Rechtsanwälte erstattet verlangen kann. Das [X.] hat dies verneint. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht die Kosten der [X.] Rechtsanwälte als erstattungsfähige Kosten eines [X.] (Nr. 3400 [X.] [X.]) angesehen und der Antragstellerin eine 1,0Gebühr zuerkannt.

2

Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde begehren die Antragsgegner die Wiederherstellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des [X.]s.

3

II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

4

1. [X.] hat angenommen, dass die Kosten des ausländischen [X.] einer ausländischen [X.] stets bis zur Höhe einer 1,0Gebühr nach Nr. 3400 [X.] [X.] erstattungsfähig sind.

5

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

6

a) Der [X.] hat sich bisher noch nicht abschließend zu der Frage geäußert, welche Maßstäbe für die Erstattungsfähigkeit der Kosten des ausländischen [X.] einer ausländischen [X.] gelten. Er konnte sich bislang auf die Aussage beschränken, dass die Kosten des ausländischen [X.] jedenfalls dann notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO sind, wenn die Hinzuziehung des ausländischen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung geboten war (Beschluss vom 8. März 2005 - [X.], NJW 2005, 1373). In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Nach einer Ansicht soll es bei einer ausländischen [X.] ohne inländische Vertriebsorganisation im Wege einer generalisierenden Betrachtungsweise regelmäßig als notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO anzuerkennen sein, dass sie sich in jeder Instanz vor einem [X.] Gericht der Unterstützung eines [X.] bedient, wobei sie die Wahl zwischen einem Anwalt im Ausland oder einem [X.] Anwalt hat ([X.], [X.], 69, 70 = [X.] 2004, 1581; [X.], [X.], 373, 374; [X.] in [X.]/Sußbauer, [X.], 9. Aufl., [X.] Rn. 61; differenzierend jetzt [X.], [X.], 1312, 1313). Nach anderer Ansicht kann die Erstattungsfähigkeit von [X.] nicht allein damit begründet werden, dass es sich um eine ausländische [X.] handelt; vielmehr sollen insoweit dieselben Kriterien wie für eine inländische [X.] gelten ([X.], [X.] 1998, 1692, 1693; [X.], [X.] 11, 177; [X.], [X.], 41. Aufl., 3400 [X.] Rn. 59; [X.] in [X.], [X.], 19. Aufl., [X.] 3400 Rn. 93; Musielak/Wolst, ZPO, 8. Aufl., § 91 Rn. 28; ähnlich [X.], [X.] 1998, 597).

7

b) Der letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen.

8

Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende [X.] die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Ebenso wie es danach für eine nicht am Gerichtsort ansässige inländische [X.] notwendig sein kann, einen auswärtigen Rechtsanwalt in [X.] als Verkehrsanwalt zu beauftragen, kann für die ausländische [X.] eine entsprechende Notwendigkeit hinsichtlich der Einschaltung eines ausländischen Rechtsanwalts ihres Vertrauens bestehen.

9

Auch bei ausländischen [X.]en bedarf es dabei aber einer Notwendigkeitsprüfung im Einzelfall, schon um die zur Kostentragung verpflichtete [X.] nicht unangemessen zu belasten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine ausländische [X.] typischerweise etwa wegen sprachlicher Barrieren, kultureller Unterschiede oder mangelnder Vertrautheit mit dem [X.] Rechtssystem eher auf einen Verkehrsanwalt an ihrem Wohn- oder Geschäftssitz angewiesen sein wird als eine inländische [X.].

Auch die ausländische [X.] bedarf aber nicht stets eines [X.]. So ist der ausländische Verkehrsanwalt jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der [X.] Verfahrensbevollmächtigte bereits über alle nötigen Informationen verfügt. Das kann etwa der Fall sein, wenn nach einer Abmahnung durch den inländischen Bevollmächtigten eine Unterlassungserklärung gegenüber der ausländischen [X.] abgegeben wurde und im anschließenden Rechtsstreit nur noch über die durch die Abmahnung entstandenen Kosten gestritten wird (vgl. [X.], [X.], 1312, 1313).

Außerdem ist die Mitwirkung eines ausländischen [X.] nicht erforderlich, wenn es für die ausländische [X.] möglich, zumutbar und kostengünstiger ist, den inländischen Prozessbevollmächtigten unmittelbar zu informieren (vgl. [X.] aaO; [X.] aaO). Das kommt vor allem in Betracht, wenn die ausländische [X.] aufgrund langjähriger Geschäftstätigkeit in [X.], etwa mit einer eigenen Vertriebsorganisation, und Kenntnissen der [X.] Sprache zweifelsfrei in der Lage ist, direkt mit ihrem [X.] Prozessbevollmächtigten zu verkehren und für den Rechtsstreit Kenntnisse des Heimatrechts der ausländischen [X.] unerheblich sind. Die Kosten des [X.] sind also nicht automatisch immer schon dann erstattungsfähig, wenn eine Information des inländischen Prozessbevollmächtigten über den Sachverhalt erforderlich ist, wohl aber insbesondere dann, wenn dadurch höhere anderweitige Informationskosten erspart werden (vgl. [X.]/Mümmler, [X.], 3. Aufl., "Verkehrsanwalt" Rn. 5.3).

c) Auch unter dem Gesichtspunkt, dass inländischen [X.]en die Reisekosten des an ihrem Wohnort oder Geschäftssitz ansässigen auswärtigen Rechtsanwalts ersetzt werden, ergibt sich nicht, dass ausländischen [X.]en regelmäßig die Kosten eines [X.] in der Nähe ihres Wohn oder Geschäftssitzes zu erstatten sind (aA [X.], [X.] 2011, 634, 635). Der Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit der Terminsreisekosten eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten liegt der Gedanke zugrunde, dass ein persönliches Informations- und Beratungsgespräch zwischen [X.] und Anwalt mindestens zu Beginn eines Mandats in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle erforderlich und sinnvoll ist (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Oktober 2002 - [X.], NJW 2003, 898, 890 f.). Dabei geht es aber um das persönliche Gespräch mit dem tatsächlichen Prozessbevollmächtigten vor dem inländischen Gericht. Diese Funktion kann ein Informations- und Beratungsgespräch der ausländischen [X.] mit dem ausländischen Verkehrsanwalt an ihrem Wohn oder Geschäftssitz von vornherein nicht erfüllen. Eine Gleichstellung von ausländischen und inländischen [X.]en hinsichtlich der Möglichkeit zur Beauftragung auswärtiger Prozessbevollmächtigter kann aus der Natur der Sache heraus nur insoweit erreicht werden, als es der ausländischen [X.] freisteht, einen inländischen Anwalt ihres Vertrauens, der seine Kanzlei nicht am Gerichtsort haben muss, mit der Prozessvertretung zu beauftragen (vgl. [X.], [X.] 11, 177). Ist ein Informations- und Beratungsgespräch zwischen [X.] und Anwalt geboten, so richtet sich die Erstattungsfähigkeit eines unter diesem Aspekt eingeschalteten ausländischen [X.] danach, ob die ausländische [X.] den inländischen Prozessbevollmächtigten ohne Weiteres direkt informieren und instruieren konnte oder ob es dafür zweckmäßig war, sich des ausländischen [X.] zu bedienen.

III. [X.] hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zur Notwendigkeit der Beauftragung des ausländischen [X.] getroffen. Es wird dies nunmehr unter Berücksichtigung des Vortrags der [X.]en nachzuholen haben. Sollte es auf dieser Grundlage die Erstattungsfähigkeit der [X.] bejahen, so sind sie nach den für inländische Verkehrsanwälte geltenden Grundsätzen zu bestimmen ([X.], NJW 2005, 1373).

Bornkamm                                               Büscher                                        Schaffert

                              [X.]                                              [X.]

Meta

I ZB 97/09

28.09.2011

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend KG Berlin, 27. Oktober 2009, Az: 1 W 398/06, Beschluss

§ 91 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.09.2011, Az. I ZB 97/09 (REWIS RS 2011, 2844)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2844

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

VII ZB 42/11

VII ZB 42/11

I ZB 97/09

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