Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.02.2018, Az. XI ZR 187/17

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 13287

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2018:270218UXIZR187.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM
NAMEN
[X.]S
VOLKES
URTEIL
XI ZR 187/17
Verkündet am:
27.
Februar 2018
Weber
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 27.
Februar 2018 durch den Vizepräsidenten Prof.
Dr.
Ellenberger, die Richter Dr.
Joeres und Dr.
Matthias sowie
die Richterinnen Dr.
Menges und Dr.
Dauber

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8.
Zivilsenats des [X.] vom 24.
Februar 2017 aufgeho-ben.
Die
Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den [X.] zweier Verbraucherdarlehensverträge gerichteten
Willenserklärungen der Kläger.
[X.] übersandte den Klägern im Juni 2008 zwei Exemplare ei-nes von ihr unterzeichneten [X.]. Dieses Vertragsformular bezog sich auf ein "Hypothekendarlehen
I plus Tilgung"
Nr.

und einen
bis zum 30.
Juni 2023 festen Zinssatz von
4,86%
p.a. und auf ein weiteres "Hypothekendarlehen
I plus Tilgung"
Nr.

02 über 39.000

und einen ebenfalls bis zum 30.
Juni 2023 festen Zinssatz von 4,86%
p.a. [X.] belehrte die Kläger über ihr Widerrufsrecht wie folgt:
1
2
-
3
-

Die Kläger sandten im
Juni
2008 ein von ihnen gegengezeichnetes Exemplar des [X.] samt Widerrufsbelehrung an die [X.]. Ein Vertragsformular samt einer Widerrufsbelehrung verblieb in ihrem Be-sitz. Mit Schreiben vom 13.
Januar 2015 widerriefen die Kläger ihre auf [X.] der Darlehensverträge
gerichteten Willenserklärungen.
In diesem Schreiben führten sie aus, sie hätten auf das Darlehen Nr.

99 Zahlun-gen in Höhe von 19.522,47

02 Zahlungen in Höhe von 18.575,29

"kurzfristig"
auf das Darlehenskonto für das Darlehen Nr.

99 ein Betrag
von 21.477,53

Darlehenskonto für das Darlehen Nr.

02 ein Betrag von 20.424,71

. [X.] wies den Widerruf mit Schreiben vom 20.
Januar 2015
zurück. Daraufhin bekräftigten die Kläger mit Schreiben ihres vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 26.
Februar 2015
ihren Standpunkt.
3
-
4
-
Ihre Klage auf Feststellung, dass die Kläger die Darlehensverträge "wirk-sam widerrufen"
hätten, auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskos-ten und auf Feststellung, "dass sich die Beklagte mit der Annahme der Darle-hensvaluta in Verzug"
befinde, hat das [X.] abgewiesen. Auf die Beru-fung der Kläger, mit der sie nach Rücknahme des Antrags auf Feststellung des Annahmeverzugs noch Anträge auf Feststellung der Umwandlung "des [X.] in ein Rückgewährschuldverhältnis"
und auf Erstattung vorgericht-lich verauslagter Anwaltskosten weiterverfolgt haben, hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil
wie von den Klägern zuletzt beantragt abgeändert. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der [X.], mit der sie ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Kläger weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung

soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung

im Wesentlichen ausgeführt:
Die im Sinne der Klärung einer bloßen Vorfrage formulierte Feststel-lungsklage sei dahin auszulegen, die Kläger begehrten die Feststellung, dass sich die Darlehensverträge aufgrund des Widerrufs in [X.] umgewandelt hätten. In dieser Form sei die Feststellungsklage zuläs-sig. Vom Vorrang der Leistungsklage sei eine Ausnahme zu machen, wenn da-von auszugehen sei, die Beklagte werde schon aufgrund eines rechtskräftigen 4
5
6
7
-
5
-
Feststellungsurteils
leisten. Dies sei bei Banken anzunehmen. Für die Beklagte als Bausparkasse gelte dasselbe.
Die Kläger hätten ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen noch widerrufen können, weil die Beklagte sie unzureichend deutlich über den Beginn der Widerrufsfrist unterrichtet habe. Nach dem Wort-laut der Widerrufsbelehrung habe für das Anlaufen
der Widerrufsfrist genügt, dass der Darlehensnehmer seine Vertragserklärung und die Widerrufsbeleh-rung zur Kenntnis nehme, ohne dass die Widerrufsbelehrung kenntlich gemacht habe, dass beide Unterlagen dem Darlehensnehmer während der Widerrufsfrist hätten zur Verfügung stehen müssen. [X.] habe damit nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprochen. Das Widerrufsrecht der Kläger sei nicht verwirkt. Da die Beklagte die Aufforderung der Kläger zur Rückabwicklung der Darlehensverträge mit Schreiben vom 20.
Januar 2015 zurückgewiesen habe, sei der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskos-ten aus dem Gesichtspunkt des Verzugs begründet.

II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht
von der Zulässigkeit der Klage auf Feststellung
ausgegangen, die Darlehensverträge hätten sich in Rückgewähr-schuldverhältnisse umgewandelt. Für diesen Antrag fehlt, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils näher ausgeführt hat (Senatsurteile vom 24.
Januar 2017

XI
ZR
183/15, WM
2017, 766 Rn.
11
ff., vom 21.
Februar 2017

XI
ZR
467/15, WM
2017, 906 Rn.
13
ff., vom 14.
März 2017

XI
ZR
442/16, WM
2017, 849 Rn.
19, vom 16.
Mai 2017

XI
ZR
586/15, WM
2017, 1258 8
9
10
-
6
-
Rn.
16, vom 4.
Juli 2017

XI
ZR
741/16, WM
2017, 1602 Rn.
16
f. und vom 23.
Januar 2018

XI
ZR
359/16, [X.]), das Feststellungsinteresse. Die [X.] ist nicht nach den Maßgaben des [X.] vom 24.
Januar 2017 (aaO, Rn.
16) abweichend von der Regel ausnahmsweise zulässig, weil nicht feststeht, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der [X.] endgültig bereinigt.
2. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen im Ergebnis rechts-fehlerfrei ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Willenserklärun-gen der Kläger seien noch im Januar 2015 widerruflich gewesen, weil die [X.] die Kläger unzureichend deutlich über ihr Widerrufsrecht belehrt habe.
a) Das
Berufungsgericht hat richtig erkannt, den Klägern sei gemäß §
495 Abs.
1 [X.] das Recht zugekommen, ihre auf Abschluss der Darlehens-verträge gerichteten Willenserklärungen nach §
355 Abs.
1 und
2 [X.] in der hier nach Art.
229 §
9 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, §
22 Abs.
2, §§
32, 38 Abs.
1 Satz
1 EG[X.] maßgeblichen, zwischen dem 1.
August 2002 und dem 10.
Juni 2010 geltenden Fassung (künftig: [X.]) zu widerrufen.
b) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Kläger
unzureichend deutlich über den Beginn der Widerrufsfrist unterrichtet, trifft im Ergebnis zu.
aa) Freilich war die Widerrufsbelehrung nicht deshalb undeutlich, weil sie nicht den Zusatz enthielt, den Klägern müsse die Widerrufsbelehrung in Text-form sowie eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werden (dazu Senatsurteile vom 13.
Januar 2009

XI
ZR
118/08, WM
2009, 350 Rn.
18 und

XI
ZR
508/07, juris Rn.
16; Senatsbeschluss vom 7.
März 2017

XI
ZR
282/16, juris). Wie der Senat mit Urteil
vom heutigen [X.] XI
ZR
160/17 für eine insoweit gleichlautende Widerrufsbelehrung ent-11
12
13
14
-
7
-
schieden hat, belehrte die von der Beklagten gewählte Formulierung die Kläger hinreichend deutlich über die Voraussetzungen des Beginns der Widerrufsfrist nach §
355 Abs.
2 Satz
3 [X.] [X.].
bb) [X.] der Beklagten war aber unzureichend deut-lich, weil
sie zu den Voraussetzungen des §
312d Abs.
5 Satz
2, Abs.
2 [X.] in der hier maßgeblichen, zwischen dem 8.
Dezember 2004 und dem 3.
August 2009
geltenden Fassung (künftig: [X.]) keine Angaben machte.
(1) Der Senat hat im Revisionsverfahren vom Zustandekommen eines Fernabsatzvertrags im Sinne des §
312b Abs.
1 Satz
1 [X.] in der bis zum 12.
Juni 2014 geltenden Fassung auszugehen. Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen und nicht angegriffenen Feststellungen des Landge-richts haben sich die Parteien auf den Abschluss der Darlehensverträge ohne gleichzeitige Anwesenheit beider Vertragsparteien durch Briefwechsel
geeinigt.
Die Qualifikation der
Darlehensverträge als Fernabsatzverträge
scheitert nicht an fehlendem Vortrag der Kläger
dazu, dass auch die Vertragsanbahnung ohne Anwesenheit beider Parteien erfolgt ist
([X.], Urteil vom 12.
November 2015

I
ZR
168/14, WM
2016, 968 Rn.
27
f.).
Zwar kommt in einem solchen Fall, wie der Senat mit Urteil vom heutigen [X.] XI
ZR 160/17 näher ausge-führt hat,
der Vertrag nicht als Fernabsatzvertrag zustande. Soweit allerdings

wie im Streitfall

die ausschließliche Verwendung von Fernkommunikations-mitteln beim Vertragsschluss feststeht, hat der Unternehmer darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass dem Vertragsschluss ein persönlicher [X.] vorausgegangen ist. Entsprechendes gilt für den gesetzlich als Ausnahme-tatbestand formulierten Fall, dass der Vertrag nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs-
oder Dienstleistungssystems erfolgt ist ([X.], aaO, Rn.
28). Dass die danach darlegungs-
und beweisbelastete Beklag-te
solche Umstände vorgetragen hätte, macht die Revision
nicht geltend.
15
16
-
8
-
(2) Bei Fernabsatzverträgen musste die Widerrufsbelehrung, um den ge-setzlichen Anforderungen zu entsprechen, auf die weiteren Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist nach §
312d
Abs.
2 [X.] [X.] hinweisen (vgl. Senatsurteil vom 24.
Januar 2017

XI
ZR
183/15, WM
2017, 766 Rn.
23
ff.). Entsprechende Zusätze fehlen in der von der Beklagten erteilten Widerrufsbe-lehrung.
3. Einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand halten dagegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen
es einen
Anspruch der Kläger auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten begründet hat. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zu dem Zeitpunkt der Mandatierung des vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger getroffen,
so dass im Revisionsverfahren davon auszugehen ist, eine Beauftragung sei vor Eintritt des Verzugs der Beklagten erfolgt (vgl. auch OLG
Karlsruhe, NJW-RR
2016, 149 Rn.
32). Dann kam eine Erstattung aufgrund Verzugs nicht in Betracht.

III.
Das Berufungsurteil unterliegt mithin der Aufhebung (§
562 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§
561 ZPO). [X.] können die Kläger Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskos-ten aus einem anderen Rechtsgrund als dem des
Verzugs nicht beanspruchen (Senatsurteil vom 21.
Februar 2017

XI
ZR
467/15, WM
2017, 906 Rn.
34
f.).
Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§
563 Abs.
3 ZPO), verweist sie der Senat zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Beru-fungsgericht zurück

563 Abs.
1 Satz
1 ZPO), das den Klägern zunächst Ge-legenheit zu geben haben wird, zu einem zulässigen Klageantrag überzugehen (Senatsurteile vom 4.
Juli 2017

XI
ZR
741/16, WM
2017, 1602 Rn.
34 und 17
18
19
20
-
9
-
vom 10.
Oktober 2017

XI
ZR
456/16, WM
2017, 2254 Rn.
15
sowie

XI
ZR
457/16, WM
2017, 2256 Rn.
28).

Ellenberger
Joeres
Matthias

Menges
Dauber
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.03.2016 -
3 O 376/15 -

O[X.], Entscheidung vom 24.02.2017 -
8 [X.] -

Meta

XI ZR 187/17

27.02.2018

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.02.2018, Az. XI ZR 187/17 (REWIS RS 2018, 13287)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13287

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.