Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.01.2011, Az. 3 StR 420/10

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 10271

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Gegenstand

Beihilfe zum Betrug: Anforderungen an den Gehilfenvorsatz; Tatbestandsvoraussetzungen einer Begünstigung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. Mai 2010 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Betrug schuldig ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Begünstigung zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Voll-streckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, führt auf die Sachrüge zu der aus der [X.] ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

Der Schuldspruch hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen des [X.]s hat sich der Angeklagte als Gehilfe an der Vortat beteiligt, so dass er nicht wegen Begünstigung bestraft werden kann (§ 257 Abs. 3 Satz 1 StGB). Im Einzelnen:

3

1. Nach den Feststellungen des [X.]s hatte sich der rechtskräftig wegen Betrugs verurteilte Haupttäter [X.] dazu entschlossen, rechtswidrige Einkünfte zum Nachteil des Telefonnetzanbieters M. zu erzielen. Dazu veranlasste er einen Mittäter, unter Verwendung falscher Personalien die Firma [X.]zu gründen, die sodann im März 2004 mit der M. einen sog. "[X.]" über einen lediglich geringfügigen Bezug von Telefonnetzkapazitäten gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 € abschloss. Wie [X.] von Anfang an beabsichtigte, sollte zu einem späteren Zeitpunkt mit technischer Hilfe eines eingeweihten Mitarbeiters von M. der Bezug von Telefonnetzkapazitäten innerhalb kurzer Zeit deutlich über den vertraglich vereinbarten Umfang hinaus erhöht und die so (vertragswidrig) erlangten Netzkapazitäten - noch bevor die M. dies durch Sperrung des Zugangs verhindern konnte - über die von [X.] beherrschte Firma [X.] an andere Telekommunikationsanbieter veräußert werden. Die Forderungen der M. wollte [X.] nicht erfüllen; die mit dem Verkauf der erhöhten Netzkapazitäten erzielten Erlöse sollten vielmehr in vollem Umfang ihm zufließen.

4

a) Der Angeklagte erklärte sich in der Folgezeit, jedenfalls vor April 2005, damit einverstanden, dass zur Verschleierung der Verbindung zwischen [X.]und [X.] eine weitere Schnittstelle der vom Angeklagten beherrschten Firma [X.] zwischen denjenigen von [X.]und [X.] eingerichtet und - um dem Haupttäter die aus der Veräußerung der [X.] gezogenen finanziellen Vorteile (endgültig) zu verschaffen - Scheinrechnungen von [X.]an [X.] und von [X.] an [X.] gestellt sowie die bei [X.] daraufhin eingehenden Gelder an [X.] weitergeleitet werden. Als Entgelt für diese Tätigkeiten sollte der Angeklagte einen Anteil in Höhe von 2,3% der Rechnungsbeträge erhalten. Ohne nähere Hintergründe und Einzelheiten des Vorgehens zu kennen, ging der Angeklagte zutreffend davon aus, dass durch die Einbindung der [X.] der tatsächliche Weg der Weiterleitung der [X.] sowie die Zahlungswege verschleiert werden sollten, um die Rückverfolgung zu [X.] zu erschweren und es dieser zu ermöglichen, die Kapazitäten zu verwerten, ohne von M. in Anspruch genommen zu werden. Dabei hielt der Angeklagte es jedenfalls für wahrscheinlich, dass der Leistungserbringer durch täuschende oder in sonstiger Weise strafbare Einflussnahme zur Freigabe der [X.] veranlasst und dass das hierfür zu entrichtende Entgelt nicht bezahlt werden würde.

5

b) Ab April 2005 wurde sodann plangemäß der Bezug von [X.] mit Hilfe eines beteiligten Mitarbeiters von M. deutlich erhöht, so dass [X.]im April 2005 Telefonnetzkapazitäten im Gegenwert von 652.562 €, im Mai 2005 von 820.243 € und vom 1. bis 24. Juni 2005 von 830.119 € (gesamt: 2.302.924 €) bezog. Der durch das Forderungsmanagement von M. deswegen gestellten Forderung weiterer Sicherheiten kam [X.] durch die Übersendung zweier gefälschter Bürgschaften am 22. April 2005 in Höhe von 200.000 € und am 19. Mai 2005 in Höhe von 600.000 € zum Schein nach, weshalb [X.] zunächst davon absah, den weiterhin erhöhten Bezug von [X.] zu unterbinden. Erst als das Forderungsmanagement von M. erkannte, dass die Bürgschaften gefälscht waren, beendete es am 24. Juni 2005 die Bezugsmöglichkeit von Netzkapazitäten durch S.

6

Die abgerufenen [X.] gab der Angeklagte über die - mit seiner Kenntnis und Billigung eingerichtete - Schnittstelle der [X.] an die Firma [X.] weiter, die sie an andere Telekommunikationsanbieter veräußerte. Die vom Angeklagten in diesem Zusammenhang plangemäß erstellten Rechnungen der [X.] an [X.] in Höhe von 451.334,93 € für April 2005, von 651.816,98 € für Mai 2005 und von 613.434,57 € für Juni 2005 wurden von [X.] beglichen. Diese Geldbeträge wurden vom Angeklagten bzw. von dessen Mitarbeitern aber nicht an [X.]- und sodann an M. -, sondern - wiederum tatplangemäß - ausschließlich an [X.] weitergeleitet.

7

c) Das [X.] hat das Geschehen als gemeinschaftlichen Betrug des [X.] und seiner Mittäter zum Nachteil von M. gewürdigt. Dem [X.] folgend, Netzkapazitäten zu erlangen und die Rechnungsbeträge nach einer Anlaufzeit schuldig zu bleiben, hätten die Vortäter die M. über die Absicht getäuscht, nur Netzkapazitäten im vereinbarten Umfang abzurufen und die erhaltenen Leistungen auch zu bezahlen. Eine weitere - für einen Teil der empfangenen Leistungen ursächliche - Täuschungshandlung habe in der Vorlage der gefälschten [X.] bei dem Forderungsmanagement der M. gelegen. Hierdurch sei diese veranlasst worden, die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Netzkapazitäten nicht unverzüglich zu beenden. Dadurch sei der M. ein Vermögensschaden in Höhe von 2.302.924 € entstanden.

8

Die Mitwirkung des Angeklagten hat das [X.] als Begünstigung (§ 257 Abs. 1 StGB) gewürdigt. Als Tathandlung sah die [X.] die Zusage, mit der zwischengeschalteten [X.] als "Puffer" zur Verfügung zu stehen, das Einverständnis mit der Weiterleitung der Netzkapazitäten über eine Schnittstelle der [X.] sowie die Erstellung der Rechnungen an. § 257 Abs. 3 Satz 1 StGB stehe einer Bestrafung wegen Begünstigung nicht entgegen, weil sich der Angeklagte mangels eines hinreichend bestimmten [X.]es in Bezug auf die Haupttat nicht der Beihilfe zum Betrug schuldig gemacht habe.

9

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Im Ergebnis zutreffend geht das [X.] allerdings von einem Betrug als Vor- bzw. Haupttat aus, da jedenfalls die Entscheidung der Verantwortlichen bei M., den weiteren Bezug von [X.] ab dem 22. April 2005 nicht zu unterbinden, eine durch die Übersendung der gefälschten Bürgschaftsurkunde veranlasste, irrtumsbedingte Vermögensverfügung auf Seiten der Geschädigten darstellt.

Rechtsfehlerfrei bejaht das [X.] auch den objektiven Gehilfenbeitrag des Angeklagten, nämlich die zusagegemäße Weiterleitung von [X.] von [X.]an [X.] sowie das planmäßige Erstellen von Rechnungen im Namen der Firma [X.] an [X.] Dass das [X.] auch die Weiterleitung der aus der Veräußerung von [X.] erzielten Erlöse von [X.] über [X.] an [X.] festgestellt und als Teil der [X.] gewürdigt hat, obwohl dieses Geschehen vom [X.] nicht umfasst war, schadet im Ergebnis nicht; denn die vom [X.] bezeichneten Teile des Geschehens stellen einen für die Bejahung eines Beihilfebeitrages ausreichenden Anknüpfungspunkt dar.

b) Allerdings überspannt das [X.] die an den [X.] zu stellenden Anforderungen, so dass es zu Unrecht eine Beihilfe des Angeklagten zum Betrug verneint hat. Im Einzelnen:

aa) In subjektiver Hinsicht genügt für eine Strafbarkeit als Gehilfe bedingter Vorsatz, d.h. der Gehilfe muss seinen eigenen Tatbeitrag sowie die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung, zumindest für möglich halten und billigen ([X.], Urteil vom 12. September 1984 - 3 StR 245/84, [X.] 1985, 100; [X.], StGB, 58. Aufl., § 15 Rn. 9b jeweils mwN). Einzelheiten der Haupttat braucht der Gehilfe hingegen nicht zu kennen und auch keine bestimmte Vorstellung von ihr zu haben ([X.], Urteil vom 18. Juni 1991 - 1 StR 164/91, [X.]R StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 7).

bb) Danach sind hier die Voraussetzungen für das Vorliegen des [X.]es festgestellt. Der Angeklagte hielt es für wahrscheinlich, dass der Leistungserbringer (M.) durch täuschende oder in sonstiger Weise strafbare Einflussnahme ohne Bezahlung des hierfür zu entrichtenden Entgelts zur Freigabe von [X.] veranlasst werden sollte. Er billigte dies und war sich auch bewusst, dass es mit Hilfe seines Beitrags zur Vollendung des Delikts der Haupttäter kommen wird. Dass der Angeklagte auch eine andere, ebenfalls strafbare Erlangung der [X.] für möglich hielt, steht einer Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Betrug nicht entgegen; selbst eine ausschließlich andere rechtliche Einordnung der Haupttat - etwa als Untreue - wäre unschädlich, sofern es sich nicht um eine grundsätzlich andere Tat handelt ([X.], Urteil vom 18. Juni 1991 - 1 StR 164/91, [X.]R StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 7; [X.], Urteil vom 12. November 1957 - 5 StR 505/57, [X.]St 11, 66, 67).

c) Da sich der Angeklagte wegen der Beteiligung an der Vortat des Betrugs durch [X.] und dessen Mittäter strafbar gemacht hat, scheidet eine Bestrafung wegen Begünstigung (schon) von Gesetzes wegen aus (§ 257 Abs. 3 Satz 1 StGB).

3. Ungeachtet dessen begegnet der Schuldspruch aber auch sonst rechtlichen Bedenken.

a) Soweit das [X.] in Bezug auf die durch die Begünstigungshandlungen zu sichernden Vorteile auf die Weiterleitung der [X.] abstellt, diente diese dazu, den Haupttäter überhaupt erst in den Besitz der Vorteile zu bringen. Damit handelte der Angeklagte aber nicht in der von § 257 Abs. 1 StGB geforderten Absicht, dem Vortäter den bereits erlangten Vorteil vor dem Zugriff des Geschädigten oder des Staates zu sichern, da es hierzu erforderlich ist, dass der Vorteil im Augenblick der Hilfeleistung - bereits oder noch - beim Vortäter vorhanden ist (vgl. [X.], Beschluss vom 16. November 1993 - 3 StR 458/93, [X.], 187; [X.], 3. Aufl., § 257 Rn. 17 mwN).

b) Soweit das [X.] daneben als Begünstigungshandlungen des Angeklagten auf die Erstellung der Scheinrechnungen sowie die Entgegennahme und Weiterleitung von Zahlungen abhebt, diente dies dem Ziel, dem Haupttäter das von der Firma [X.] durch die Veräußerung der [X.] erlöste Geld zu verschaffen. Diese Vorteile rührten indes nicht mehr unmittelbar aus der rechtswidrigen Vortat her, sondern stellten lediglich ein durch Veräußerung erzieltes, gegenüber dem ursprünglich [X.] nicht stoffgleiches Surrogat dar, dessen Sicherung nicht vom Schutzzweck des § 257 Abs. 1 StGB erfasst ist ([X.], Beschluss vom 29. April 2008 - 4 [X.], [X.], 516; Urteil vom 27. August 1986 - 3 StR 256/86, [X.], 22; [X.]S - [X.]/[X.], StGB, 28. Aufl., § 257 Rn. 18; [X.] in [X.], § 257 Rn. 11).

4. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden können, die zu einer anderen rechtlichen Bewertung der Tat des Angeklagten führen. Er ändert deshalb den Schuldspruch (§ 354 Abs. 1 StPO analog). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte bereits vom [X.] darauf hingewiesen worden ist, dass seine Tat als Beihilfe zum Betrug zu bewerten sein könnte.

5. Der Strafausspruch bleibt hiervon unberührt. Zwar führt die Änderung des Schuldspruchs zu einer Reduzierung der Obergrenze des zur Verfügung stehenden Strafrahmens von fünf Jahren bei der Begünstigung (§ 257 Abs. 1 StGB) auf drei Jahre und neun Monate bei der Beihilfe zum Betrug (§ 263 Abs. 1, § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB). Da sich die Kammer bei der Strafzumessung an der unteren Grenze des Strafrahmens orientiert hat und das Gesamtunrecht der Beihilfe zum Betrug im Vergleich zur Begünstigung jedenfalls nicht niedriger ist, kann der Senat indes ausschließen, dass das [X.] auf eine mildere Strafe erkannt hätte.

[X.]                                    Hubert

                      Schäfer                                                [X.]

Meta

3 StR 420/10

20.01.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Düsseldorf, 11. Mai 2010, Az: 80 Js 15/06 - 1 KLs 21/07, Urteil

§ 27 StGB, § 257 Abs 1 StGB, § 263 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.01.2011, Az. 3 StR 420/10 (REWIS RS 2011, 10271)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10271

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